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17.03.2022 | Bankstrategie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Banken begreifen Fehler nicht nur als Risiko

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Bei der Entwicklung einer prositiven Fehlerkultur gelten Banken eher als unbeweglich. Dennoch lässt der harte Wettbewerb viele Institute umdenken. Werden Fehler nicht totgeschwiegen, liefern sie meist wertvolle Erkenntnisse für Prozesse und Produkte. 

"Die deutsche Bankenindustrie wird aktuell mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert. Die anhaltende Niedrigzinspolitik, zunehmender Wettbewerbsdruck durch Fintechs und Bigtechs sowie der Fachkräftemangel zwingen deutsche Banken dazu, neue Wege zu gehen, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen", schreiben Sebastian Harrer und Kathrin Lemmes im Buchkapitel "One Bank, one rhythm – HR im Gleichtakt mit dem Business" (Seite 94). 

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Der Finanzmarkt in Deutschland ist stark umkämpft von etablierten Geldhäusern, Fintechs sowie branchenfremden Wettbewerbern. Neben den traditionellen Ertragsfeldern gibt es immer noch Nischen, die in den kommenden Jahren besetzt werden sollten.

Als Beispiel, wie Banken diesen Herausforderungen begegnen können, nennen die Springer-Autoren die Strategie der ING Deutschland. Das Institut setzt auf Agilität, um seine Wettbewerbsfähigkeit in einem hart umkämpften Markt zu stärken. Das Konzept der Bank basiere dabei "auf dem Dreiklang von Mindset, Methoden und Struktur", so Harrer und Lemmes. Zwei zentrale Elemente des agilen Mindsets sind "Übernehme Verantwortung und teile dein Wissen" und "Probiere aus und lerne aus Fehlern". 

Banken brauchen ein Umfeld ohne Angst

Allerdings mahnt Rainer Spies zu einem differenzierten Blick auf die Begriffe Fehlerkultur und Fehlermanagement. Im Bankmagazin-Beitrag "Spagat zwischen Fehler- und Risikokultur" (Ausgabe 2-3 | 2022) zitiert der Autor den Vorstandschef der Quirin Privatbank, Karl Matthäus Schmidt: 

Ich versuche, in der Bank ein Umfeld zu schaffen, in dem niemand Fehler unter den Teppich kehren muss aus Angst, er würde dafür bestraft. Lernen kann man nur, wenn man sich das eigene Tun eingestehen kann, Verantwortung dafür übernimmt und anschließend analysiert, woran es gelegen hat. Diese Erkenntnisse sollten mit den Kollegen geteilt werden, damit sie nicht die gleichen Fehler machen müssen."

Immerhin geben knapp 20 Prozent der Angestellten in Banken und Sparkassen laut einer Studie von Ernst & Young (EY) zur Fehlerkultur in deutschen Unternehmen an, ihr Vorgesetzter stehe hinter ihnen. "Allerdings können die Zahlen ebenso als deutlich verbesserungsfähig eingeordnet werden", so Spies. 

Bei der Quirin Privatbank geht es laut Vorstandschef Schmidt um Fehleranalyse, die Optimierung von Prozessen und das Ingangsetzen von Kommunikationsketten. Die Folgen eines Fehlers sollen dabei möglichst klein gehalten und viel für die Zukunft daraus gelernt werden. Dabei experimentiert die Bank in Bereichen, in denen das möglich ist, "mit Augenmaß". Wo aber Fehlervermeidung eine hohe Priorität habe, wie in den Sparten Recht, Compliance und Rechnungswesen, besteht dagegen "für Experimente und Ausprobieren kein Raum", sonst drohen "erhebliche finanzielle und reputatorische Konsequenzen", so Schmidt.

Risikobewusstsein der Mitarbeiter fördern

Die ING mit ihrem agilen Arbeitsumfeld setzt setzt laut Spies auf das Risikobewusstsein der Mitarbeiter. Diese bekommen "mehr Verantwortung für eigene Entscheidungen übertragen", so Eliza Manolagas, Agile Consultant und Expertin für Organisationsentwicklung bei der Bank. Eine ihrer sogenannten Verteidgungslinien hat das Geldhaus dort angesiedelt, wo auch Produkte, Services oder Features neu entwickelt werden - in den agilen Tribes und Squads. "Hier muss Wissen vorhanden sein, wie die regulatorischen Anforderungen umzusetzen sind", betont Manolagas. Diese Mitarbeiter werden von den Kollegen aus dem Risk-Bereich geschult, die auch selbst in die jeweiligen Entwicklungsprozesse eingebunden sind. 

"Diese kleinen und flexiblen Einheiten haben die Ende-zu-Ende-Verantwortung für eine oder mehrere Lösungen", erläutert Jörg Staff im Beitrag "Agile Transformation". Squads umfassen rund acht bis zwölf Personen. Mehrere Tribes, also Gruppen aus bis zu 50 Personen, bilden ein Geschäfts- oder Servicefeld. "Diese kleinen Teams sollen iterativ und schnell wertorientierte Lösungen gemeinsam mit den Kunden entwickeln", so der Autor in der Zeitschrift "Organisationsberatung, Supervision, Coaching" (Ausgabe 1 | 2022). 

Positive Fehlerkultur erhöht nicht zwangsläufig Risiken

Dabei bedeutet laut Bankmagazin-Autor Spies eine positive Fehlerkultur nicht zwangsläufig, verstärkt Risiken in Kauf zu nehmen. So werden beim agilen Arbeiten durch regelmäßige Prüfungen, ob ein Projekt noch die aktuellen Anforderungen erfüllt und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen sind, Risiken gemindert. "In der agilen Arbeitswelt der ING werden in internen Pilotgruppen oder bei so genannten Friends-and-Familiy-Tests in den entwickelnden Organisationseinheiten Features und Prozesse zunächst ausprobiert. In einem derart kontrollierten Umfeld sind auch Fehler zugelassen", schreibt der Autor.

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