Die deutsche Bankenlandschaft befindet sich in einem starken Umbruch. Das macht auch vor der Commerzbank nicht halt, deren Vorstand bis 26. September mit dem Aufsichtsrat eine neue Strategie verhandelt. Wie Oliver Mihm, CEO von Investors Marketing, die Pläne einschätzt.
springerprofessional.de: Laut des "Strategieprogramms Commerzbank 5.0", das derzeit mit dem Aufsichtsrat erörtert wird, muss sich das Geldhaus in den kommenden Monaten stark strecken. Im Bereich Privat- und Unternehmerkunden soll das Mobile Banking ausgebaut und die Zusammenführung mit der Comdirect vorangetrieben werden. Wie bewerten Sie die Entscheidung?
Mihm: Der Aufbau der Comdirect und anderer Direktbanken und -broker wurde in den neunziger Jahren als Labor mit mehr Freiheiten organisatorisch und geografisch bewußt außerhalb der Mutterorganisation aufgebaut. Im Zuge der weiteren Digitalisierung ist es durchaus sinnvoll, Prozesse und Leistungen nicht zweimal zu gestalten und vorzuhalten. Gleiches gilt für Investitionen in die Marke. Andererseits bietet eine autarke Marke und Organisation auch heute noch Chancen in der marktlichen Differenzierung zu Ansprache unterschiedlicher, insbesondere preissensitiver Zielgruppen.
Im Zuge der neuen Strategie sollen in die Digitalisierung und die IT-Infrastruktur sowie in die geplante Restrukturierung insgesamt 1,6 Milliarden Euro fließen. Der Abbau vieler Vollzeitstellen und von rund 200 Filialen kosten rund 850 Millionen Euro. Harte Einschnitte, mit denen die Bank 2023 ihr Kostenniveau um rund 600 Millionen Euro senken will. Mittelfristig soll die Eigenkapitalrendite bei mehr als vier Prozent liegen. Wie realistisch sind diese Ziele?
Ohne signifikante Kostensenkungsmaßnahmen lassen sich diese Ziele sicher nicht erreichen. Angesichts der Größe der Commerzbank sind 600 Millionen Euro in fünf Jahren absolut erreichbar. Erfolgskritischer ist es aber, die Ertragsseite zu stärken. Hier gilt es in erster Linie wieder die angestammte Position im Firmenkundengeschäft zurückzuerobern aber auch im Privatkundenbereich die Potenziale im Zahlungsverkehr zu nutzen.
Zudem will die Commerzbank ihre Mehrheitsbeteiligung am einstigen Aushängeschild, der polnischen M-Bank, veräußern, um weitere Finanzmittel für den geplanten Umbau zu heben. Macht dieser Schritt aus Ihrer Sicht Sinn?
In der aktuellen Situation ist es sinnvoll, sich mit aller Kraft auf die Muttermarke und das Kerngeschäft zu konzentrieren. Der Verkauf der M-Bank ist insofern ein probates Mittel, da sich hierdurch sowohl Fokussierungseffekte einstellen als auch Finanzmittel frei werden.