Vorgegebene Produktbaukästen, Marktziele für ausgewählte Vertriebsregionen und Kundengruppen, Kennzahlen und Ertragsmesslatten. Das sind häufig die äußeren Handlungsmittel, mit denen Finanzdienstleistungsinstitute dem Wettbewerb im Vertrieb täglich trotzen müssen. Die Unternehmensberatung Mc Kinsey stellte dazu 2016 in der Studie "The road ahead – Perspectives on German banking" fest, dass der Handlungsdruck für Finanzdienstleister aller Säulen groß ist. Denn niedrige Zinsen, zunehmende Digitalisierung in Richtung automatisiertes Banking und die schärfere staatliche Regulierung setzen die Erträge unter Druck. Weniger komplexe Produktpaletten und Geschäftsmodelle sind das Gebot der Stunde. "Ohne fokussierte Gegenmaßnahmen würden 75 Prozent der deutschen Institute in die Verlustzone rutschen", so die Herausgeber der Studie. Bis 2021 würden ohne ein Gegensteuern die niedrigen Zinsen die Banken 2,0 Prozentpunkte Eigenkapitalrendite kosten, die Digitalisierung ebenfalls 2,0 Prozentpunkte und die Regulierung weitere 1,7 Prozentpunkte.
Christian Glaser, Autor des Springer-Buchs "Wettbewerbsfaktor Vertrieb bei Finanzdienstleistern", setzt im Kapitel "Vertriebsplanung und Strategieprozess" (Seite 381) genau hier an. Er sieht die Strategie als wichtigen Baustein "auf dem Weg zur Vertriebsexzellenz von Finanzdienstleistern" und im Mittelpunkt des Geschäftsmodells. Bestandteile sind laut Glaser dabei
- die strategischen Ziele, etwa hinsichtlich der Marktpositionierung,
- die Zielgruppe(n)definition und
- die Alleinstellungsmerkmale
als Grundlage des eigentlichen Geschäftsmodells. Genauso entscheidend für die Vertriebsstrategie ist, aus den jeweiligen Zielvorgaben adäquate Arbeitsprozesse abzuleiten.
Die besten Ressourcen nutzen
Im Anschluss sollten diejenigen Ressourcen und Mitarbeiter bestimmt werden, die die anstehenden Aufgaben am besten erfüllen können, weil sie am besten dazu geeignet sind, sagt Glaser. Dazu gehört, dass innerhalb des Geschäftsmodells die anzuwendenden Vertriebswege geklärt, einzelnen Kundengruppen die optimalen Vertriebswege zugeteilt werden und eine kundenorientierte Ablauf- und Aufbauorganisation vorgegeben wird. Finanzdienstleister können dabei nach den untenstehenden Strategietypen vorgehen und die für sie beste Strategie verfolgen:
Strategietypen für Finanzdienstleister |
|
– Kostenführerschaft |
– Service- und Qualitätsführerschaft |
– Outpacing |
– Fokussierung/Spezialisierung auf Marktnische ("Teilmonopol") |
|
– Marktsegmentierung |
– Marktstimulierung |
– Kundenbegeisterung |
Quelle: Christian Glaser, Vertriebsplanung und Strategieprozess", aus: "Wettbewerbsfaktor Vertrieb bei Finanzdienstleistern", Springer Gabler 2017 |
Eng verbunden mit der Geschäfts- und Vertriebsstrategie ist zudem bei Finanzdienstleistungsinstituten meist die Risikostrategie, die die aufsichtlichen Vorgaben berücksichtigt, etwa die MaRisk. Doch "die Risikostrategie darf kein Papiertiger sein", hebt Christian Glaser in einem Interview mit Springer Professional hervor. Sie stellt aus seiner Sicht "das Bindeglied zwischen strategischer Geschäftsplanung und operativem Risikocontrolling" dar.
Vertriebstyp klären
Für Finanzdienstleister stellt sich nach Analyse von Mc Kinsey im Vertrieb vor allem die Frage, welchen Weg sie künftig beschreiten wollen: den der "Versorger- oder den einer Kundenbank." Denn danach richten sich die gewählte Strategie, der Marktfokus und nicht zuletzt auch strategische Allianzen, etwa mit Fintechs. Versorgerbanken stellten Produkte und Services bereit, die von anderen Finanzdienstleistern vermarktet und vertrieben werden. Kundenbanken hielten hingegen den Kontakt zum direkten Kunden und seien Ansprechpartner für ihn mit zusätzlichen Diensten, etwa digitalen Services. Diesen Prozess haben nicht zuletzt Fintechs zweifelsohne beschleunigt.