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21.01.2020 | Bankstrategie | Interview | Online-Artikel

"Der Nutzen im Alltag ist die Zukunft im Banking"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Oliver Geiseler

ist Partner beim Beratungshaus Capco und leitet den Bereich Digital Financial Services.


Vor allem im Zahlungsverkehr haben Innovationen von US-Konzernen und Fintechs den etablierten Banken gehörig zugesetzt. Warum datengetriebene Business-Modelle künftig Erfolge sichern, erläutert Digital-Finance-Experte Oliver Geiseler im Interview.

springerprofessional.de: Mit der Banking-App Boon Planet schickt sich Wirecard an, das Retailbanking aufzumischen. Obwohl für einige Services wie der Bargeldabhebung am Automaten Kosten anfallen, soll die Aussicht auf eine Verzinsung von 0,75 Prozent auf das Guthaben Kunden zur Kontoeröffnung bewegen. Wäre ohne dieses Lockmittel das Angebot nicht reizvoll genug?

Oliver Geiseler: Das Angebot kann, speziell im Vergleich zu den klassischen Banken, aber auch zu den meisten Direktbanken, durch ein konsequentes, kundenzentriertes UX Design überzeugen. Außerdem sind besonders viele Mobile-Payment-Angebote, wie etwa Apple Pay, Google Pay, Swatch Pay oder Garmin Pay, Teil des durchaus attraktiven Angebots. Wirecard will die App zu einem Financial Home ausbauen, welches auch über Funktionen abseits des Bankings verfügt. Ein spannendes Projekt. Und natürlich ist eine großzügige Guthabenverzinsung in einer Phase, in der am Markt vermehrt über Negativzinsen diskutiert wird, ein Garant für viel Aufmerksamkeit. Mit den Konditionen sticht die App viele Konkurrenten aus und kann sicher viele – und zudem solvente – Neukunden generieren.

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Digitalisierung im Bankensektor – Notwendigkeit von neuen kundenzentrierten Geschäftsmodellen

Die Digitalisierung im Bankensektor ist nicht nur ein anhaltender Trend, sondern stellt auch den Großteil der Institute vor eine signifikante Herausforderung. Neben dem wachsenden Druck zur Erfüllung der Regulatorik, damit steigenden Kosten und rückläufigen Erträgen verschärfen die Anforderungen der Digitalisierung die schwierige Lage der Banken. 

Derzeit versammeln sich mit den Bezahldiensten von Google, Apple, dem Gerätehersteller Garmin und dem Fitness-Tracking-Spezialisten Fitbit bekannte Marken auf der neuen Plattform. Wird mit dem Umfang dieses Portfolios auch das Interesse der Kunden wachsen?

Neben der Markenbekanntheit geht es bei der App sicherlich primär um ein möglichst umfassendes, plattformübergreifendes Angebot an mobilen Bezahlangeboten. Eine breite Palette, welche für die Zielkunden attraktiv ist und somit weitere Kundengruppen anspricht, die von einer attraktiven Guthabenverzinsung nicht unbedingt profitieren - also technikaffine junge Nutzer. Darüber hinaus sollte man hierbei auch den bisherigen Schwerpunkt des Unternehmens im Bereich Zahlungsverkehr sowie die Planung, die App als White-Label-Lösung anzubieten, nicht vergessen.

2020 sollen Kunden über die Plattform nicht nur bezahlen, sondern auch Sparpläne und Mobilitätsdienstleistungen nutzen sowie Versicherungspolicen abschließen können. Wie bald ist mit solchen Angeboten zu rechnen?

Erste erweiterte Angebote sind bereits recht kurzfristig zu erwarten. Die Verknüpfung von Zahlungsfunktionen mit Versicherungsleistungen oder Finanzierungsangeboten ist ja bereits angekündigt. Die App soll zur ersten Anlaufstelle der Verbraucher in Finanzfragen werden. Die Angebote 2020 werden daher höchstwahrscheinlich nur ein Anfang sein aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten. Außerdem ist die Zielgröße von 100 Millionen anvisierten Kunden weltweit für mögliche Partner überaus attraktiv.

Wie wird sich dieses Konzept, das auf die unterschiedlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zielt, langfristig auf den traditionellen Bankenmarkt auswirken?

Die konsequente Fokussierung auf den Kundennutzen im Alltag ist zweifelsohne die Zukunft des Banking. Nur wer seinen Kunden wirkliche Mehrwerte bietet, wird langfristig erfolgreich sein. Hierfür muss die Fokussierung von Bankprodukten auf den jeweiligen Kundenbedarf stets im Fokus stehen.

Was bedeutet das konkret?

Das heißt, es geht etwa um den Produktkauf und nicht um den Wunsch nach einer Finanzierung, oder um die Absicherung der Familie und nicht um eine bloße Versicherung. Durch die Marktmacht ihrer weit verbreiteten Plattformen haben die GAFAs einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Aufgrund des Datenschatzes haben diese Spieler quasi die Pole Position beim Entwickeln innovativer cross-selling Angebote. Schlicht deshalb, weil diese Wettbewerber über eine Vielzahl an Daten und damit über Informationen verfügen. Klar ist auch: Sie wissen, wie diese zu nutzen sind.

Was wird aus Ihrer Sicht den Erfolg eines Finanzanbieters sichern?

Datengetriebene Business-Modelle werden im Finanzbereich in den Vordergrund rücken, da klassische Bankservices wie Kontoführung oder Zahlungsverkehr immer weniger Gewinn versprechen. Ein Anbieter wird zukünftig nur dann erfolgreich sein, wenn er dem Kunden auch in diesem neuen Geschäftsfeld größtmögliche Sicherheit und Vertrauen garantieren und darüber hinaus jederzeit Kontrolle über die Nutzung seiner Daten bieten kann. In dieser Hinsicht genießen etablierte Unternehmen aus der Finanzwelt einen Vertrauensvorsprung gegenüber den GAFAs.

Wie groß ist der Handlungsdruck schon heute?

Der Handlungsdruck ist heute schon vorhanden, auch wenn er von vielen Banken noch nicht so stark wahrgenommen wird. Der Erfolg von Challenger Banken wie N26 oder Revolut, die Ankündigung von Google, zukünftig Girokonten anbieten zu wollen, aber auch diverse erfolgreiche Fintechs sind hier beachtenswert. Die Bankenlandschaft steckt bereits in einer Phase des Umbruchs.

Sie sagen, das Wirecard-Konzept soll künftig auch etablierten Banken und Sparkassen als White-Label-Lösung zur Verfügung gestellt werden. Werden die Institute diesen Schritt in Erwägung ziehen oder lieber selbst mit eigenen Kooperationspartnern Plattformen mit umfassenden Services an den Start bringen? Gibt es hierfür praktische Beispiele?

Ob Banken und Sparkassen tatsächlich dieses Angebot annehmen, ist schwer vorherzusagen. Hier ist eine gewisse Skepsis angebracht, werden hier doch noch immer eigene Lösungen präferiert. Es kommen aber durchaus auch andere Kunden für das White-Label-Angebot in Betracht. Hier wären vor allem Fintechs zu nennen, die mittels der Lösung ihr Angebot erweitern beziehungsweise einen zusätzlichen Absatzkanal schaffen könnten. Aber auch Industrieunternehmen sind als Kunden vorstellbar. Im Markt gibt es verschiedene erfolgreiche Beispiele, etwa die Solaris Bank, mit ihrem Angebot einer voll lizensierten Plattform für Bankdienstleistungen.

Wo könnten sich Konkurrenzangebote von der Plattform abheben? Was sind Services oder Produkte, mit denen die etablierten Institute beim Kunden punkten können?

Differenzierungsmöglichkeiten gibt es eine ganze Vielzahl. Beispielhaft seien hier nur die Fokussierung auf bestimmte Kundengruppen, ein erweitertes oder anderes Produktangebot, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder speziell für die Banken mit Filialnetz der persönliche Kundenkontakt genannt. Die zuvor geschilderte Fokussierung auf den Kundennutzen bietet eine Vielzahl möglicher, neuer Angebote für die etablierten Institute. Ob in den Bereichen Finanzierung, Anlage oder auch Vorsorge, die Möglichkeiten sind vielfältig. Gerade die Verknüpfung von Bankleistungen mit bankfremden Services oder die Integration von innovativen Angeboten der unzähligen am Markt aktiven Fintechs verbleiben bislang weitestgehend ungenutzt.

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