Disruption sorgt über alle Branchen hinweg für Aufruhr. Auch im Finanzsektor stehen traditionelle Geschäftsmodelle zunehmend unter Druck und Start-ups drängen verstärkt in die Märkte. Ein Gastbeitrag.
Wollen sich etablierte Finanzdienstleister neu erfinden, müssen sie vor allem den Kunden und seine Bedürfnisse im Blick haben.
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Dass das Marktumfeld in der Finanzbranche wettbewerbsintensiver geworden ist, zeigt sich zunehmend an den niedrigeren Gewinnen etablierter Banken und Vermögensverwalter. Liegt die durchschnittliche Eigenkapitalrendite (ROE) der Banken weltweit bei acht bis zehn Prozent, schaffen es die deutschen Institute auf gerade mal 5,6 Prozent, zeigt der Branchenkompass Banking 2018 von Soprasteria. Danach sehen rund 78 Prozent der Bankmanager in Deutschland erheblichen Veränderungsbedarf am eigenen Geschäftsmodell, etwa durch die Entwicklung digitaler Banking-Plattformen. Um wettbewerbsfähiger zu werden und profitabler zu arbeiten, brauchen Finanzinstitute also ein neues Bankenparadigma.
Das Vertrauen des Kunden stärken
Nach Angaben des Bundesverbands deutscher Banken ist die Vertrauensbasis in die eigene Bank solide: Rund 85 Prozent der Befragten haben "volles Vertrauen" oder "eher Vertrauen" in ihre Bank und sind mit den Leistungen zufrieden. Dieses Vertrauen hilft, um Marktanteile gegenüber neuen Wettbewerbern zu verteidigen. Dabei konkurrieren Banken nicht mit anderen Finanzinstituten, sondern immer häufiger mit Fintechs und innovativen Start-ups, die nicht nur mit neuen Technologien aufwarten, sondern oft spezielle Services anbieten, mit geringen Gebühren um Kunden buhlen oder besonders flexibel agieren. Um sich mit solchen Anbietern zu messen, müssen etablierte Banken und Vermögensverwalter mit Transparenz und erstklassigem Kundenservice punkten – und zwar über die Compliance-Standards hinaus.
Dem Kunden einen Mehrwert bieten
Den Kunden ins Zentrum des Bankgeschäfts zu rücken, wird für etablierte Finanzinstitute mit Inkrafttreten der zweiten europäischen Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) allerdings noch schwieriger. Bisher wussten die Banken allein aufgrund von Kontodaten, wofür ihre Privatkunden Geld ausgeben. Hieraus entwickelten sie neue Produkte und Dienstleistungen, wie etwa Kredite oder Versicherungen. Diese Daten stehen dank PSD2 nun auch Drittanbietern offen. Zwar zielt die Richtlinie vorrangig darauf ab, den Zahlungsverkehr zu vereinfachen. Doch setzt sie die traditionellen Finanzinstitute weiter unter Druck und verändert die Beziehung zwischen der Bank und dem Kunden tiefgreifend. Wer hier noch einen echten Mehrwert liefern will, muss den Kunden Komfort bieten und sich vollständig auf seine Benutzererfahrung konzentrieren. Immerhin sehen laut Branchenkompass 39 Prozent der Bankmanager diesbezüglich Potenziale in einer Banking-Plattform, die den Kunden umfassend auf seiner Customer Journey begleitet und dabei auch für bankenfremde Angebote offen ist. Mehr als ein Viertel bevorzugt hier ein eigenes digitales Ökosystem, während gut ein Drittel eigene Leistungen auf Online-Marktplätzen anbieten möchte. 30 Prozent streben dagegen eine Kombination aus beidem an.
Dabei spielen vor allem passgenaue, personalisierte Dienstleistungen und eine außerordentliche Produktperformance die entscheidende Rolle. Es gilt, das Erlebnis für den Kunden optimal zu gestalten, indem an allen relevanten Kontaktpunkten für den Kunden entsprechende Lösungen verfügbar sind. Trotz der Automatisierung von Prozessen entscheidet immer noch die emotionale, persönliche Komponente des Kundenservice – auch online oder mobil. Das gilt vor allem beim konkreten Vertragsabschluss. Um den komplexen Bedürfnissen der Kunden zu entsprechen, muss das Service-Angebot folglich als End-to-End-Prozess gestaltet werden. Der Kunde muss sich an jeder Stelle seiner Customer Journey verstanden und gut aufgehoben fühlen.
Die eigene Effizienz steigern
Den Fokus auf das Service-Angebot im Frontoffice zu legen, wird aber nur dann möglich, wenn im Hintergrund alles reibungslos und effizient verläuft. Die Komplexität moderner Finanzdienstleistungssysteme, insbesondere im Backoffice, muss folglich vereinfacht werden. Dort müssen Finanzdienstleister die Kosten senken und in echte technologische Innovationen investieren. Dabei müssen sie mit rund 14 Prozent der Gesamtkosten relativ viel für die IT-Infrastruktur einplanen, im Gegensatz zu durchschnittlich sieben Prozent im Dienstleistungssektor insgesamt. Der Fokus muss folglich auf agilen IT-Lösungen liegen, die Kosten reduzieren und zugleich die Backoffice-Effizienz steigern.
Zwei von fünf Bankentscheidern planen bereits, die Ausgaben durch digitale End-to-End-Prozesse zu senken und knapp die Hälfte sieht die Zusammenarbeit mit Fintechs dabei als Chance, die Effizienz im eigenen Backoffice zu erhöhen, zeigt der Branchenkompass. Digitale Technologien zur Automatisierung, Standardisierung und zum Straight-Through-Processing (STP) sowie ausgelagerte cloudbasierte Dienstleistungen, wie etwa Software oder Business Process as a Service (SaaS/BPaaS), erzielen diesen Effekt.
Komplexität des Bankgeschäftes reduzieren
Banken können sogar ihr gesamtes Backoffice in ein Ökosystem aus hochgradigen Spezialisten auslagern und somit die Komplexität ihres eigenen Bankgeschäfts reduzieren. Zudem haben sie dank moderner Technologien die Möglichkeit, neue Angebote, zum Beispiel Plattformen, Produkte oder Dienstleistungen, schnell zu testen und rasch am Markt zu platzieren, um Trends frühzeitig für sich zu nutzen, effizient umzusetzen und so neue Profite zu generieren.