Wissen Sie, wo die nächste Filiale Ihrer Bank ist? Kennen Sie die Öffnungszeiten? Gibt es dort einen persönlichen Finanzberater, der Ihre finanzielle Situation kennt und Sie persönlich berät? Wenn Sie diese Fragen nicht beantworten können, sind Sie nicht allein. Viele Bankkunden nutzen den persönlichen Kontakt zu ihrem Kreditinstitut nur noch selten. Lediglich zum Geldabheben sucht man noch eine Filiale auf.
Der Grund ist klar: Im Jahrzehnt der Digitalisierung sind die Kunden daran gewöhnt, einen Teil der Wertschöpfung selbst zu erbringen. Beispiele sind der Kauf und Druck von Online-Tickets, Hotel- und Flugbuchungen oder der Abschluss von Versicherungen. Dafür nutzen sie digitale Services von innovativen Unternehmen und Start-ups. Banken im traditionellen Sinne dienen dabei oft nur noch als Infrastruktur für Basisdienstleistungen wie etwa Konten, Karten und Services im Zahlungsverkehr.
Für Geldhäuser birgt diese Entwicklung ein enormes Risiko. So sind die Margen für Infrastruktur-Dienstleistungen bereits heute gering und sie werden weiter fallen. Die Folge sind Konsolidierung, Marktbereinigung und der Eintritt effizienterer Wettbewerber. Der Vergleich zur Medienindustrie zeigt: Hier hat die Digitalisierung die Branche schon lange entscheidend verändert. Längst haben sich Netflix, Spotify, Apple oder Amazon Prime als Produzenten und Vertriebswege etabliert.
Grundsätzlich gibt es zwei Strategien, um diese Herausforderung zu meistern: die Kundenbeziehung erhalten und ausbauen oder kosteneffizient werden.
Kundenbeziehung verteidigen und digitales Ökosystem etablieren
Digitale Banken müssen das Kauf- und Interaktionsverhalten ihrer Kunden, und deren Kommunikationsverhalten der Kunden genau kennen, ebenso wie die technologische Entwicklung. Miete mit digitalen Währungen zahlen? Geld in Echtzeit an Freunde überweisen? Strom-Abo für das Elektro-Auto abschließen? All das muss die digitale Bank unterstützen. Und zwar mit überzeugender "Customer Experience" , marktführender "Convenience" und einem kundenorientierten flexiblen Angebot aus eigenen Leistungen und attraktiven Angeboten Dritter.
PSD2 und Open Banking stellen die Grundlagen für die neue "API-Economy", in der das technische und produktseitige Know-how zum Bau solcher digitalen Finanz-Ökosysteme überlebenswichtig wird. Die Herausforderung liegt nicht zuletzt in den komplexen Entscheidungsprozessen, sequenziellen Entwicklungsprozessen und monolithischen Technologien. Sie führen zu langen Entwicklungszyklen und geringer Innovationsfrequenz. Das können Fintechs wie N26 heute besser und sind hier den etablierten Kreditinstituten voraus. Geldhäuser müssen agiler werden, ihre Legacy-Systeme kapseln und über Schnittstellen kontrolliert und sicher nach außen öffnen und auf Dritte zugreifen.
Kosten- und Risikoführerschaft erzielen
Die zweite Strategie besteht darin, sich bewusst als Anbieter für Basis-Dienstleistungen und finanzielle Infrastruktur aufzustellen und auf die traditionellen Bankfunktionen wie Risiko Management, Compliance oder Kreditvergabe zu fokussieren. Dafür müssen die internen Prozesse gestrafft und automatisiert, die Technologie vereinheitlicht und – wo möglich – virtualisiert werden. Kontinuierlich muss das Kundenportfolio durch anorganisches Wachstum vergrößert werden, um Skalenvorteile zu erschließen. Durch den Netzwerkeffekt können Banken so zum effizienten Dienstleister in von Dritten etablierten Ökosystemen werden.
Für welchen Weg sich eine Bank auch entscheidet – sie muss es schnell und eindeutig tun. Denn langes Taktieren bindet nur die dringend benötigten Ressourcen für die digitale Transformation.