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09.02.2021 | Bankstrategie | Interview | Online-Artikel

"Deutsche Bankhäuser liegen nur im Mittelfeld"

verfasst von: Stefanie Hüthig, Swantje Francke

4:30 Min. Lesedauer

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Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungshaus Deloitte hat die wichtigsten Trends für den Banken- und Kapitalmarkt im Jahr 2021 analysiert. Welche für die Zukunftssicherung essenziell sind, erläutert Jörg Engels.

Springer Professional: Für die Studie "Global Banking Outlook 2021" haben Sie 200 Führungskräfte aus der Finanzwirtschaft befragt. Die Ergebnisse haben Sie zu fünf Trends verdichtet: Resilienz stärken, Erkenntnisse aus Covid-19 umsetzen, Digitalisierung ausbauen, Risikomanagement weiterentwickeln und Nachhaltigkeit ankurbeln. Welcher dieser Trends ist in Ihren Augen der wichtigste und warum?

Jörg Engels: Im Jahr 2021 dürfte für Finanzdienstleister weiterhin eine zentrale Priorität sein, die Lehren und Erkenntnisse aus der Covid-19-Krise umzusetzen. Die Unsicherheit im Zuge der Pandemie wird zunächst groß bleiben. Gleichzeitig beeinflusst Covid-19 den globale Banken- und Kapitalmarkt in vielerlei Hinsicht und hat damit auch einen starken Einfluss auf andere bedeutende Trends und Themen. So wird die Umsetzung der Lehren aus der Pandemie beispielsweise auch zur Stärkung der Resilienz beitragen. Zudem wirkt Covid-19 als Katalysator der Digitalisierung und hat unter anderem weitreichende Folgen für das Risikomanagement der Finanzdienstleister.

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Kaum eine Industrie wird durch die Digitalisierung so stark geprägt wie der Bankensektor. Neue Technologien verändern die Wertschöpfungskette im Privatkundengeschäft ebenso wie im Firmenkunden- und Kapitalmarktgeschäft. 

Welches Ergebnis der Untersuchung hat Sie besonders überrascht?

Die Pandemie beeinflusst den Finanzsektor in verschiedenen Dimensionen – beispielsweise im Bereich des Mitarbeitermanagements. Dahingehend zeigte unsere Umfrage unter Top-Führungskräften, dass die Sorgen über eine geringere Arbeitsproduktivität aufgrund der Covid-19-Pandemie gerade in Europa besonders ausgeprägt sind. Studienteilnehmer aus den Regionen Nordamerika oder Asien-Pazifik waren hingegen weniger besorgt. Dies ist insofern überraschend, da die Umstellung auf Remote Working in der Finanzindustrie global – und auch in Europa – sehr schnell und effektiv geklappt hat. Viele deutsche Banken kündigten zum Beispiel bereits dauerhafte Homeoffice-Regelungen auch nach der Pandemie an und beginnen damit, Büroflächen zu reduzieren. Europäische Finanzdienstleister scheinen das New Normal schnell zu adaptieren, die Umsetzung gleichzeitig aber als eine große Herausforderung wahrzunehmen.

Wie empfinden Sie die Reaktionsgeschwindigkeit deutscher Institute bei der Transformation im internationalen Vergleich? Und wie wirkt sich dieses Tempo auf Qualität und Sicherheit von Finanzservices aus?

Bei den meisten deutschen Instituten steht eine nachhaltige Transformation ganz oben auf der Agenda, doch nicht allen gelingt es, diese schnell und effektiv umzusetzen. In Bezug auf die Digitalisierung haben wir in einer weiteren Studie – einer globalen Benchmarking Studie der digitalen Retail-Banking-Kanäle (die Digital Banking Maturity Studie 2020) – den digitalen Reifegrad im globalen Vergleich genauer untersucht. Die Studie zeigte, dass sich deutsche Bankhäuser in den letzten Jahren zwar im internationalen Ranking verbessert haben, aber dennoch nur im Mittelfeld liegen. Um jedoch den durch die Pandemie induzierten neuen Anforderungen an Qualität und (Cyber-)Sicherheit von Finanzservices gerecht zu werden, müssen viele deutsche Institute hier noch entschlossener Handeln.

Bei welchen der fünf Trends liegt die deutsche Finanzindustrie vorn, bei welchen hinten? Und was sehen Sie jeweils als Grund dafür?

Bisher sind deutsche Institute recht gut durch die Krise gekommen und haben mit einer beispiellosen Effektivität auf die Pandemie reagiert. Die meisten Häuser konnten ihre operative Stabilität und Resilienz weitgehend aufrechterhalten. Gleichzeitig weist der US-Bankenmarkt eine deutlich höhere Profitabilität auf und wird sich in dieser Hinsicht wohl auch schneller wieder von der Krise erholen. Dies hängt einerseits zum Teil auch mit den strukturellen Schwächen des europäischen Bankensystems zusammen. Andererseits liegen deutsche Institute bei sehr zentralen Themen – beispielsweise der Digitalisierung von Vertriebskanälen und Produkten – nur im Mittelfeld und müssen hier entschlossener aufholen. Andere Trends wie das Thema Nachhaltigkeit sind bereits weit oben auf der Agenda vieler deutscher Institute angekommen. Nicht zuletzt zeigen auch der im November 2020 durch die EZB final veröffentlichte Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken und die Ankündigung, Klimarisiken zum Schwerpunkt ihres nächsten Stresstests 2022 zu machen, die stark zunehmende Bedeutung dieses vielschichtigen Themenkomplexes für die Institute. Daneben hat ein weiterer EZB-Bericht erheblichen Rückstand der Banken bei der Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken aufgedeckt.

Die aus Ihrer Studie Trends sind in der Diskussion um die Bankentransformation omnipräsent, besonders vor dem Hintergrund der anhaltenden Covid-19-Pandemie. Aber es werden auch Zeiten nach der Krise kommen. Gibt es weniger prominente Trends, eventuell noch Trends aus Vor-Corona-Zeiten, die mittelfristig auf der Agenda bleiben sollten?

Weitere wichtige Themen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Pandemie stehen, jedoch den Sektor in diesem Jahr ebenfalls begleiten werden, sind unter anderem verschiedene regulatorische Themen. Beispielsweise müssen sich Finanzdienstleister 2021 auch weiterhin mit der IBOR-Reform sowie den Folgen des Brexit befassen.

Prognosen Ihres Hauses deuten für ein wirtschaftliches Basisszenario auf ein weiteres Einbrechen der Eigenkapitalrentabilität der 100 größten europäischen Banken um fast drei Prozentpunkte hin. Zudem sei nicht absehbar, dass die Profitabilität in naher Zukunft wieder das 2019er-Niveau erreicht. Auf welchen Wegen kann es insbesondere den vielen, eher weniger profitablen deutschen Instituten trotzdem gelingen, in Innovationen und Digitalisierung zu investieren?

Digitalisierung und technologische Innovationen werden die zentralen Treiber für eine rasche Erholung und künftiges Wachstum sein. Dabei ist jedoch von besonderer Bedeutung, auf die neuen Kundenbedürfnisse zugeschnittene Lösungen zu etablieren. Institute müssen also genau analysieren, inwiefern sich Kundenbedürfnisse auch im Zuge der Pandemie nachhaltig verändert haben. Der Schlüssel zum Erfolg kann hier nur eine gezielte Investition, die sich langfristig auszahlt, im Zusammenspiel mit einer effektiven und entschlossenen Umsetzung sein.

Hier geht's zur Studie.

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