Während der beiden Pandemie-Jahre 2020 und 2021 ebbte die Fusionswelle auf dem deutschen Bankenmarkt deutlich ab. Doch die Zahl der Zusammenschlüsse hat wieder an Fahrt gewonnen. Und ein Ende der Konsolidierungsphase ist mit Blick auf das schwierige wirtschaftliche Umfeld nicht absehbar.
Zu den jüngsten Übernahmen auf dem deutschen Bankenmarkt gehört der Kauf der Degussa Bank durch die Oldenburgische Landesbank (OLB). Nach eigenen Angaben erweitert das norddeutsche Institut damit seine Retail-Präsenz um rund 340.000 Kunden. Bankchef Stefan Barth bezeichnete den Deal Mitte September 2022 als "weiteren Meilenstein". Das Frankfurter Geldhaus ergänze das Geschäft der OLB "hervorragend". Für 220 Millionen Euro übernimmt das Institut die 60 Filialen, die auf den Betriebsgeländen großer Firmen vorwiegend im Südwesten der Republik stehen. Deren Mitarbeiter stehen im Fokus des Geschäftsmodells der Degussa Bank.
Wachstum durch Übernahmen
Dabei profitiere die OLB von Erfahrungen mit vorangegangenen Akquisitionen, wie es auf der Homepage der Bank heißt. Denn seit dem im Jahr 2017 mit dem US-Pensionsfonds Teacher Retirement System of Texas sowie den beiden Finanzinvestoren Apollo Global Management und Grovepoint Investment Management das norddeutsche Geldhaus übernommen haben, liegt der Fokus nicht mehr nur auf dem regionalen Geschäft, sondern auf dessen deutschlandweite Ausweitung durch Fusionen und Übernahmen.
Die Bank wurde mit der bereits 2014 von Apollo übernommenen Bremer Kreditbank verschmolzen, 2017 kam das Bankhaus Neelmeyer hinzu und 2019 folgte die Wüstenrot Bank. Die OLB übernahm 2019 außerdem mit der Ersten Abwicklungsanstalt ein mehr als 2.600 Immobiliendarlehen umfassendes Kreditportfolio der ehemaligen WestLB.
Fusionen fördern positive Margen
Doch nicht nur Finanzinvestoren treiben wie im Fall der Oldenburgischen Landesbank den Rückgang der Bankenzahl in Deutschland an, wie Frank Nagel, Financial-Service-Experte beim Beratungshaus Deloitte, in seinem Bankmagazin-Beitrag (Ausgabe 11 | 2022) feststellt:
Die Schrumpfung des Bankenmarkts begann spätestens mit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Weiteren Reformdruck bauten die Staatschuldenkrise im Euroraum, niedrige Zinsen, steigende regulatorische Anforderungen und der Eintritt digitaler Wettbewerber mit schlanken Kostenstrukturen in profitable Geschäftsbereiche der traditionellen Institute auf. Entsprechend herausfordernd ist es seither, rentabel zu wirtschaften und positive Margen zu erzielen."
Vor allem die deutlich gestiegene Regulierung erfordere ein hoch spezialisiertes Know-how und kostenintensive Systeme. Beides vorzuhalten, damit tun sich vor allem die kleineren Häuser schwer. "Über Verbundlösungen versuchen die Geno- wie auch die Sparkassen-Gruppe zwar gegenzusteuern, beispielsweise bei der IT oder dem Rating. Das reicht aber häufig nicht aus, um die erwünschten Skaleneffekte zu erzielen", so Nagel.
Zusammenschluss im Rhein-Main-Gebiet
Und dabei schließen sich nicht nur kleine Institute auf dem Land zusammen, um profitabler zu wirtschaften und Synergieeffekte zu heben. Erst Mitte September 2022 gaben die Mainzer Volksbank (MVB) und die Volksbank Darmstadt - Südhessen bekannt, fusionieren zu wollen. Im Rahmen der Vertreterversammlungen im Mai 2023 soll die endgültige Entscheidung fallen und damit der Weg für die rechtliche Verschmelzung rückwirkend zum 1. Januar 2023 frei sein.
Die zukünftige Bank wird nach MVB-Angaben eine Bilanzsumme von 14 Milliarden Euro haben. Mit diesem Zusammenschluss entstehe eines der größten Institute unter den genossenschaftlichen Häusern in der Bundesrepublik mit Sitz in Mainz und damit im wirtschaftsstarken Ballungsraum Rhein-Main. Die neue Volksbank Darmstadt Mainz werde ein Kredit- und Anlagevolumen von mehr als 28 Milliarden Euro verwalten und mit rund 1.600 Mitarbeitern die gut 450.000 Kunden betreuen. Insgesamt soll das künftige Unternehmen 144 Standorte betreiben.
Konsolidierungsdynamik hält an
Die Konsolidierung weiter antreiben könnte laut Nagel die aktuell bedenkliche Weltwirtschaftssituation. "Bereits jetzt lässt sich an den Zahlen ablesen, dass die Entwicklung nach der Corona-Krise weiter an Fahrt aufgenommen hat." Dass besonders die genossenschaftlichen Banken von der Konsolidierungsdynamik betroffen sind, liege dem Deloitte-Partner zufolge auch an der vergleichsweise geringen Größe vieler Primärinstitute. "Hinzu kommt, dass sowohl Kreditgenossenschaften als auch Sparkassen in ihrer jeweiligen Gruppe zentrale IT-Dienstleister haben, die Systeme und Prozesse sind also vergleichbar und damit einfacher integrierbar", so Nagel.
Ein Beispiel für einen kleineren Zusammenschluss in der Geno-Bankengruppe stellt der Zusammengang der Volksbank Bigge-Lenne und der Volksbank Sauerland dar. Diese fusionierten im September 2022 zur Volksbank Sauerland. Das neue Institut mit Sitz in Schmallenberg verfügt über eine Bilanzsumme von 4,4 Milliarden Euro und zählt damit nach eigener Aussage zu den größten Volksbanken in Südwestfalen. In den insgesamt 22 Beratungszentren und Filialen betreuen die rund 600 Mitarbeiter etwa 135.000 Kunden.
Privatbanken fusionieren nur selten
Branchenkenner Nagel geht davon aus, dass sich dieser Trend des Institutsrückgangs mittelfristig fortsetzen wird und beruft sich dabei auf die jüngste Bankstatistik der Deutschen Bundesbank im Hinblick auf die Genossenschaftsbanken und Sparkassen. "So lag der durchschnittliche jährliche Rückgang der Genossenschaftsbanken in den fünf Jahren zwischen Januar 2017 und Dezember 2021 bei minus 4,6 Prozent, was insgesamt 204 Instituten entspricht, durchschnittlich gut 40 pro Jahr. Diese Tendenz hält unvermindert an, denn mit minus 5,7 Prozent (47 Institute) im Jahr 2021 fiel das Minus am Ende dieses Zeitraums überdurchschnittlich hoch aus."
Auch für 2022 sei in den Daten bereits ein Rückgang zu erkennen. Unter den Sparkassen, die mit 364 Instituten zweitgrößte Gruppe in Deutschland, stelle die Statistik ebenfalls eine kontinuierliche Verringerung ihrer Anzahl fest, "wenngleich diese mit durchschnittlich minus 1,6 Prozent pro Jahr zwischen 2017 und 2021 geringer ausfällt".
Bei den Privatbanken sei der Schwund der vergangenen vier Jahre unter anderem auf Insolvenzen wie etwa der Greensill und der Maple Bank sowie durch geordnete Rückzüge von Instituten aus dem deutschen Markt zurückzuführen, so Nagel. Fusionen seien für privatwirtschaftliche Banken deutlich schwieriger umzusetzen. Das liege an der höheren System- und Prozess-Heterogenität. "Zusätzlich kommt noch ein bilanzieller Effekt ins Spiel: Akquisitionen, die mit Cash bezahlt werden, belasten in der Regel die Eigenkapitalquoten der vergrößerten Gruppe, weil das bestehende Kapital des Erwerbers nach einer Akquisition auch die Risikoaktiva des erworbenen Instituts stützen muss", erklärt der Experte.
Kleinere Institute brauchen Nischengeschäft
Nagel zufolge wird sich aufgrund des Markt- und Wettbewerbsumfelds sowie der Notwendigkeit substanzieller Investitionen in Digitalisierung und Effizienzverbesserung die Zahl der Institute in den kommenden Jahren weiter verringern. "Kleinere und mittlere Geldhäuser werden sich zunehmend auf Nischen fokussieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, oder aber Skaleneffekte durch Fusionen und strategische Partnerschaften mit Wettbewerbern heben."