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19.01.2022 | Bankstrategie | Interview | Online-Artikel

"Banken müssen sich intensiver um neue Talente bemühen"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Seit Ausbruch der Pandemie hat die Finanzbranche bei der Transformation Gas gegeben und viele Services digitalisiert. Nun müssen die Institute unter anderem im Recruiting und bei der Plattform-Ökonomie aufholen, um gegen Fin- und Bigtechs zu bestehen, meint Gökhan Öztürk, Experte für Financial Services.

Springer Professional: Die Covid-19-Pandemie hat die Finanzbranche nicht so stark getroffen wie manch anderen Sektor. In vielen Häusern war sie sogar der Booster für eine schnellere Digitalisierung. Können Sie diesen Trend bestätigen?

Gökhan Öztürk: Während der Pandemie 2020 und 2021 entstanden zwar keine neuen Trends in der Finanzbranche, sondern bestehende Entwicklungen wie die Digitalisierung wurden verstärkt. Unter anderem sehen wir großes Wachstum bei mobilen und Online-Zahlungen. Grund dafür ist, dass sich die Situation der letzten Monate von vorherigen Krisen wie 2009 dadurch unterscheidet, dass sie keine Liquiditätsengpässe bei Banken zur Folge hatte. Die meisten Kreditinstitute sind dank strenger regulatorischer Vorschriften gut vorbereitet in die Situation gekommen. Eine ähnliche Entwicklung erwarten wir auch für das kommende Jahr. 

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Digitalisierung: Weg zum Next-Generation-Banking

Digitalisierung hält auf vielfältige Weise Einzug in die Finanzindustrie: Neue Marktteilnehmer (Fintechs und Internetkonzerne) strömen auf den Markt und besetzen mit innovativen Ideen und benutzerfreundlichen Technologien klassische Geschäftsbereiche von Banken. Das induziert und verstärkt Kostendruck und Ertragsverfall. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, kommt dem Innovationsmanagement von Banken und Finanzdienstleistern zentrale Bedeutung zu.

In welchen Bereichen haben die Institute besonders gut aufgeholt? Haben Sie konkrete Beispiele?

Eine besonders starke Entwicklung sehen wir im Bereich der Kundenzentrierung. Es wurden sogenannte Digital-first-Modelle zur Verbesserung der Servicequalität und zur Erleichterung des Verkaufsprozesses geschaffen. Dazu zählen Anwendungen wie die erwähnten mobilen Zahlungsmöglichkeiten, elektronische Unterschriften oder digitales Kunden-Onboarding. Eine Nebenwirkung dieser Trends ist, dass viele der Filialen, die Anfang 2020 geschlossen wurden, aufgrund wegfallender vor Ort-Nachfrage nicht wieder öffneten. Bezüglich der internen Prozesse brachten die letzten Monate einen digitalen Fortbildungsschub für die Mitarbeiter, vermehrte Homeoffice-Möglichkeiten und schnellere Projektentwicklungen. 

Vieles ist erreicht worden, aber es gibt immer Verbesserungspotenzial? Wo sehen Sie noch dringenden Handlungsbedarf? 

Mit das größte Thema aktuell ist vor allem für deutsche Finanzinstitute die Steigerung der Profitabilität. Hierzulande decken die Banken aktuell maximal ihre Eigenkapitalkosten. Für die Investitionen der Zukunft müssen jedoch gerade jetzt Rücklagen aufgebaut werden. Eine weitere Herausforderung liegt aktuell darin, dass sich die Banken immer intensiver um neue Talente bemühen müssen. Der Wettbewerb ist hier umkämpfter geworden, da andere Player wie Bigtechs oft einen besseren, weil innovativeren Ruf haben. Finanzinstitute müssen attraktiver im Kampf um Neueinsteiger werden. 

Ein drittes Thema, aber auch eine Chance ist das medial vorherrschende Thema ESG. Derzeit konzentriert sich die Finanzbranche zu stark auf das E (Environmental). Die beiden anderen Aspekte S (Social) und G (Governance) müssen künftig ebenfalls im Fokus stehen. Für Banken wird immer relevanter, auch Geschäftsfelder und Kundenbeziehungen danach zu bewerten. Eine der Fragen ist beispielsweise, wie lange sie noch Unternehmen finanzieren, die Benzinmotoren herstellen und welche Investitionen eventuell eine größere Zukunftschance haben.

Hat die beschleunigte Digitalisierung auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern?

Auf jeden Fall. Das betrifft zum einen die notwendige Zusammenarbeit mit Personalberatungen, um dem angesprochenen Talentmangel zu begegnen. Neueinsteiger wählen ihre Jobs immer stärker nach Unternehmenskultur und Purpose – hier haben Banken aktuell noch großen Nachholbedarf gegenüber NGOs, Startups oder Fintechs. Immer wichtiger wird auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern, um dem sich ändernden Wettbewerb zu begegnen. Der klassische Gegensatz zwischen Sparkassen, Genossenschaften und Privatbanken ist längst überholt und wird von neuen, digitalen Geschäftsmodellen abgelöst. Hier sind vor allem Banking-as-a-Service-Plattformen wie die Solarisbank oder Zahlungsanbieter wie Klarna zu nennen. Klassische Finanzakteure müssen ihr Angebot entsprechend anpassen und ausbauen, um ihre Kunden auch in einer digitalen Welt zufriedenzustellen.

Welche Themen stehen im Hinblick auf Kooperationen bei den Banken 2022 ganz oben auf der Agenda? 

Kooperationen mit anderen Anbietern wird einer der Faktoren für das Überleben in der Finanzbranche werden. Banken müssen mehr als nur Kreditgeber sein, sondern als Plattform oder ganzes Ökosystem verschiedenste Angebote bereithalten. Dies funktioniert nur durch die Zusammenarbeit mit Partnern, deren Dienste im eigenen Service-Portfolio integriert und so leichter skaliert werden können. Zu nennen sind hier technische Services wie mobiles Banking oder digitale Rechnungsstellung. Der Kunde muss aus verschiedenen Modulen auswählen können, um individuell das beste Angebot zu erhalten. Der "One Size fits all"-Ansatz hat bereits länger ausgedient. Wichtig ist darüber hinaus, dass Banken ihre eigene IT ständig auf dem neuesten Stand halten, um weniger angreifbar zu sein und als funktionierende Plattform auftreten zu können. Dafür ist die enge Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern unabdingbar.

Schaut man auf die US-Tech-Firmen, die seit Jahren Konkurrenten klassischer Banken sind, scheint eine große Gefahr aktuell gebannt: Google Plex. Ist das Thema aus Ihrer Sicht komplett vom Tisch? 

Zurzeit hat Google seine Pläne aufgegeben, mit Google Plex eigene Bankkonten bei Finanzpartnern wie der Citigroup anzubieten. Google will jedoch über die Google Cloud weiterhin in der Bankenwelt aktiv sein. US-Tech-Firmen treten dabei nicht in die Finanzbranche ein, um mit Banken zu konkurrieren, sondern vor allem, um Banken als Partner zu gewinnen. Auch hier ist der Hintergrund, das eigene Service-Portfolio auszubauen, um gegen Multifunktions-Apps wie Klarna zu bestehen. 

Auf welche Vorstöße aus den USA muss sich die Branchen in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt, noch einstellen?

Tatsächlich ist auch eine starke Entwicklung in die andere Richtung zu beobachten. Viele  der jüngsten innovativen Ideen im Finanzsektor kommen aus Europa und werden in den USA übernommen. Beispiele hierfür sind das digitale Kunden-Onboarding, Buy-Now-Pay-Later-Funktionen und Neobanken. Wichtige Aspekte, die man von den USA lernen kann, sind die vollständige Digitalisierung des Bankgeschäfts und kundenzentrierte Services. Außerdem steht hier das Thema Compliance stärker im Vordergrund. So werden die bereits in den USA starken Anti-Geldwäsche-Vorschriften (AML), Kundenprüfungen (KYC) und ein umfassender Schutz vor Finanzkriminalität (AFC) auch in Europa in Kürze zum Standard gehören.

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