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18.06.2021 | Bankstrategie | Interview | Online-Artikel

"Die Etablierung eines CSO in Banken ist ein Trend"

verfasst von: Stefan Terliesner

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Hans-Jürgen Walter

ist Partner Financial Services und Global Leader Sustainable Finance bei Deloitte.

Klimarisiken in ihren Strategien, Produkten und der Beratung zu berücksichtigen, ist für viele Banken eine Mammut-Aufgabe. Warum Banken hierbei auf einen Chief Sustainability Officer setzen und bessere ESG-Daten brauchen, erklärt Bankexperte Hans-Jürgen Walter.

Wie groß ist der Druck der Aufsichtsorgane wie EZB oder Bafin auf Banken, in ihren Prozessen Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen?

Die regulatorischen Anforderungen zu Nachhaltigkeitsaspekten haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der Druck ist erheblich: Die EZB hat in ihren Guidelines zu Klimarisiken vom November 2020 klar dargelegt, wohin die Entwicklungen bei Finanzinstitutionen gehen. Dies bezieht sich unter anderem auf die Integration von Klimarisiken in das Management von Markt-, Kredit- und operationellen Risiken. Gleichzeitig ist die Berücksichtigung von Klimarisiken in Stresstests ein großes Thema. Finanzinstitute müssen mittlerweile Nachhaltigkeitsaspekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette integrieren. Die BaFin zielt mit ihren Publikationen, insbesondere dem bekannten Merkblatt, in die gleiche Richtung.

Empfehlung der Redaktion

01.12.2020 | Titel

Alles grün oder was?

Green Finance ist das Wachstumsthema in der Bankbranche. Denn die Regulierung setzt neue Beratungsrichtlinien durch, die Nachfrage bei Privatkunden steigt und institutionelle Investoren setzen immer mehr Geld auf nachhaltige Produkte. Umso dringender müssen die Anbieter dafür sorgen, dass sie auch halten, was sie versprechen.

Reichen die vorhandenen Ressourcen in Banken dafür aus? 

Sicherlich ist es für Banken eine besondere Herausforderung, in einem seit Jahren existierenden Niedrigzinsumfeld so weitreichende Veränderungen vorzunehmen. Es ist klar, dass weitere Expertise aufgebaut werden muss. Die Banken sind gerade dabei, sich in Bezug auf Nachhaltigkeit neu aufzustellen. Dies umfasst teilweise Neueinstellungen, aber auch interne Schulungen. Wir haben bei Deloitte bereits sehr früh erkannt, dass es zukünftig wohl die Rolle eines Chief Sustainability Officers (CSO) geben wird, um eine gesamteinheitliche Umsetzung sowie eine zentrale Koordination und Steuerung zu ermöglichen. Mit den steigenden Anforderungen und deren Auswirkungen auf nahezu sämtliche Funktionsbereiche von Banken ist die Etablierung eines CSOs in Banken als klarer Trend zu beobachten. Gemäß der kürzlich veröffentlichten Deloitte Study zur Rolle des CSO haben 81 Prozent der Befragten die Notwendigkeit einer CSO-Rolle bestätigt.

Bis wann müssen Banken fit sein in Sachen Nachhaltigkeit?

Ein Teil der Vorgaben, beispielsweise die Offenlegungsverordnung, sind bereits in Kraft getreten. Das heißt, Nachhaltigkeitsaspekte sind im Fondsgeschäft, der Vermögensverwaltung, bei Kapitalversicherungs- sowie Altersvorsorgeprodukten, aber auch in der Anlageberatung bereits zu berücksichtigen. Weitere Anforderungen folgen zum Beispiel bereits zum 1. Januar 2022. Das Tempo der regulatorischen Vorgaben ist hier extrem hoch und wird hoch bleiben. Dazu gehören zukünftig sicherlich auch Klima-Stresstests. 

Worum geht es dabei konkret?

Ziel des Stresstests ist es, die Widerstandsfähigkeit der Banken zu prüfen und die Auswirkungen der Klimarisiken auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität der Banken zu testen. Des Weiteren soll die Identifizierung, die Quantifizierung und das Verständnis von Klimarisiken weiter ausgebaut und optimiert werden, was aufgrund der geringen Datengrundlage derzeit noch schwierig ist. Der Stresstest 2022 wird Klimarisiken als Schwerpunkt betrachten. Aufgrund der langfristigen Auswirkungen des Klimawandels wird der Zeithorizont des Stresstests auf 30 Jahre ausgeweitet, um ein möglichst ausgeglichenes Bild der Langzeitfolgen aufzeigen zu können. Die EZB war in ihren Guidelines insofern realistisch, als sie festgestellt hat, dass allein aufgrund der Weiterentwicklung der notwendigen Datenbasis ein mehrjähriger Horizont zur Erfüllung dieser Guidelines notwendig ist. Insofern ist der Stresstest 2022 mehr ein Meilenstein auf diesem anspruchsvollen Weg.

Was sind die größten Herausforderungen für Banken, um den Erwartungen der Aufsicht gerecht zu werden?

Die regulatorischen Vorgaben sind sehr vielfältig und weitreichend, auf der anderen Seite sind die Umsetzungsfristen kurz. Ein koordiniertes Vorgehen für eine gesamteinheitliche Umsetzung ist hier eine absolute Herausforderung. Dazu müssen natürlich sowohl die entsprechenden Ressourcen als auch Budget zur Verfügung stellen. Schlussendlich hat eine weitreichende Integration von Nachhaltigkeit auch Implikationen auf Geschäftsmodell und Strategie. Eine der größten Herausforderung ist derzeit die Bereitstellung der relevanten Daten, es fehlt an vollständigen, zuverlässigen und historischen ESG-Daten. Diese Daten sind die Grundlage für alle ESG-bezogenen Strategien, Maßnahmen und Transparenz. Hier sind nach wie vor die Abdeckung als auch die ausreichende Qualität eine Herausforderung. Alle Marktteilnehmer sind sich einig, dass die Datenlücke nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit zeitnah geschlossen werden kann.

Das aktuelle Gerichtsurteil zu Shell zeigt deutlich, dass Nachhaltigkeitsrisiken plötzlich akut werden können. Wie groß ist die Gefahr von Wertberichtigungen oder sogar Eigenkapitalverlust in den Bilanzen von Banken?

Die Frage der Realisierung von Nachhaltigkeitsrisiken und dabei insbesondere der Zeitpunkt beziehungsweise Zeitraum spielt eine besondere Rolle. Neben dem Gerichtsurteil von Shell sind hier sicherlich noch die Aussagen der International Energy Agency, kurz IEA, sowie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu nennen. Dies alles sorgt für eine zusätzliche Beschleunigung im Markt. Dabei darf man auch die Verfahrensweise des Pariser Klimaabkommens, dazu gehören Zwischenberichte und nationale Beiträge, nicht vergessen. Hier haben wir bereits früh auf eine sich zukünftig eher beschleunigte Bewegung hingewiesen sowie der damit verbundenen Gefahr von Wertverlusten oder Stranded Assets. Deshalb empfehlen wir immer auch eine weitreichende Integration von Nachhaltigkeit über die bloßen regulatorischen Anforderungen hinaus. 

Was bedeutet das in der Praxis?

Die Gefahr von derartigen Wertberichtigungen wird in den nächsten Jahren signifikant steigen. Die schnelle Transformation in eine CO2-neutrale Kreislaufwirtschaft wird zahlreiche Unternehmen identifizieren, welche für diesen Weg nicht hinreichend fit sind. Gleichzeitig könnten CO2-Preise volatil werden, so dass Bonitäten von Unternehmen, welche in dieser Transformation nicht schnell genug sind, belastet werden.

Wo sehen Sie die größten Chancen für Banken, wenn Sie Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, etwa in der Anlageberatung, im Fonds- oder Anleihegeschäft?

Spätestens seit der Covid-Krise spielt Resilienz eine besondere Herausforderung. Zukünftig wird es zu einer Monetarisierung negativer Effekte wie zum Beispiel dem CO2-Pricing kommen. Eine frühzeitige Umsetzung hilft daher, Nachhaltigkeitsrisiken effektiv zu steuern. Gleichzeitig darf man aber auch die Thematik der gesellschaftlichen Verantwortung nicht vernachlässigen. Sicherlich sollten sich Banken auch darüber Gedanken machen, welche Auswirkungen auf Nachhaltigkeit mit den von ihnen bereitgestellten Finanzmitteln verbunden sind. 

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