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13.02.2020 | Bankstrategie | Interview | Online-Artikel

"Kunden akzeptieren, dass Bankdienste Geld kosten"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Oliver Mihm

ist Gründer und CEO der Investors Marketing AG.

Die ING hat ihre Strategie im Retail-Geschäft verändert. Nun sollen für inaktive Konten Gebühren anfallen. Was dieser Schritt für die Bank, andere Finanzdienstleister und die Kunden bedeutet, erläutert Branchenexperte Oliver Mihm. 

Die ING hat sich dafür entschieden, jetzt Kontogebühren einzuführen und damit medial für Aufruhr gesorgt. Warum dieser Schritt?

Das Geschäftsmodell im Privatkundengeschäft hängt immer auch von der Zinsseite ab. In dem Moment, wo das Wachstum im Kreditgeschäft zurückgeht, bekommt die Bank die negativen Effekte auf der Passivseite stärker zu spüren und muss diese kompensieren. Die Anzahl an Girokonten ist auf 2,8 Millionen gestiegen, aber hiervon ist ein guter Teil inaktiv. Rechnet man die Konten inaktiver Kunden sowie die mit einem monatlichen Eingang von unter 700 Euro zusammen, sind das schätzungsweise bis zu 700.000. Bei Kontogebühren von rund 60 Euro jährlich liegt der potenzielle Ertragseffekt bei 42 Millionen Euro im Jahr. Selbst wenn 20 Prozent der betroffenen Kunden widersprechen, wäre das ein jährlicher Zusatzertrag von 33,6 Millionen Euro.

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Muss die Bank nun mit einer Kündigungswelle rechnen?

Mit dem kostenlosen Girokonto hat die ING zunächst eine stärkere Kundendurchdringung angestrebt. In den letzten Jahren wurde das Girokonto aber deutlich stärker zur Neukundenakquise eingesetzt. Damit gewann die Bank Kunden, die sich bewusst für eine Direktbank mit kostenlosem Konto entschieden haben. Der Effekt der Abwanderung wird in dieser Kundengruppe deutlich höher ausfallen, insbesondere wenn das Konto nicht genutzt wird oder keine anderen Verträge bei der ING bestehen.

Das klingt zunächst wie eine Abkehr vom Wachstumskurs. Womit will das Geldhaus denn künftig Kunden locken?

Das kostenlose Girokonto war eine Maßnahme, um Neukunden zu gewinnen. Der Zuwachs bei Neukunden war zwar konstant, aber die Wachstumsraten waren seit Jahren rückläufig. Deshalb wird die Bank sich jetzt darauf konzentrieren, mehr Ertrag zu erzielen und Maßnahmen ergreifen, auch nicht-onlineaffine Preisentscheider zu erreichen. Der Schritt in eine mediale Beratung im Wertpapiergeschäft wird nur der erste sein.

Wie könnte diese Beratung in der Praxis Ihrer Meinung nach aussehen? Wäre das tatsächlich ein Mehrwert, für den Kunden bereit sind zu zahlen?

Ja. Diese Art der Beratung bietet vor allem für die Kunden Mehrwert, die über grundlegendes Wissen in der Wertpapieranlage verfügen, aber noch unschlüssig im Entscheidungsprozess sind und deshalb ohne Unterstützung keinen Abschluss tätigen würden. In diesem Segment sehe ich auch eine grundsätzliche Preisbereitschaft bei beratungsaffinen Kunden, die nicht nur auf reine Indexprodukte setzen, sondern sich einen aktiv gemanagten Fonds wünschen. Hier lässt sich ein höherer Provisionsertrag für die Bank erwirtschaften. Für eine Honorarberatung besteht jedoch aus meiner Sicht nach wie vor kein Potenzial.

Gehen Sie davon aus, dass jetzt andere Direktbanken folgen? 

Alle Direktbanken denken über diesen Schritt nach. Bislang war die Frage, wer sich zuerst bewegt. Dann werden die anderen folgen. Aber auch die ING ist hier vorsichtig und lässt das Angebot für aktive Kunden weiter bestehen. Letztlich ist es nur das Nachziehen in eine Modellwelt, die schon viele Filialbanken wie zum Beispiel die Postbank oder die Hypovereinsbank durch Einschränkungen für kostenlose Girokonten gegangen sind, ohne die Angebote völlig aus dem Programm zu streichen.

Bedeutet das zugleich, dass sich Sparkassen und Volksbanken jetzt an dieser Front entspannen können?

Profitieren werden neue Anbieter wie N26 und Revolut. Dorthin werden sich etliche der rund 20 Prozent online-affinen Kunden im Segment der Jungen Erwachsenen orientieren. Aber auch die Sparda-Banken können etwas profitieren, die sich dazu ausgesprochen haben, das kostenlose Girokonto ohne Bedingung beizubehalten. Für die Regionalbanken ist es ein gutes Argument im Austausch mit bestehenden Kunden, dass nun auch Direktbanken für Dienstleistungen im Zahlungsverkehr Gebühren verlangen. Bei der Neukunden-Akquise bedeutet das aber keine Entwarnung. Denn das Angebot eines kostenlosen Kontos ist für attraktive Zielgruppen nach wie vor im Markt.

Dennoch müssen deutsche Bankkunden mit weiteren Preiserhöhungen rechnen? Wo geht der Trend hin? 

Die Bankkunden haben inzwischen akzeptiert, dass Dienstleitungen im Bankgeschäft Geld kosten. Dort, wo es den Banken gelingt, ihren Kunden dauerhaft ein positives Gesamterlebnis zu bieten, ist auch die Bereitschaft vorhanden, dafür zu zahlen. Gelingt dies nicht, werden Kunden abwandern. Sie verlegen zwar nicht die gesamte Beziehung zu einer anderen Bank, aber suchen sich bei neuen Geschäften einen anderen Anbieter.

Verliert das Girokonto aus Sicht der Kunden an Bedeutung?

Das Girokonto war lange Zeit sowohl aus Sicht der Bank als auch des Kunden das Kriterium, das eine Hausbank definierte. Das hat sich mit neuen Bezahlverfahren über das Internet oder Handy geändert. Statt sich auf das Girokonto zu konzentrieren, müssen Banken ein Öko-Bezahlsystem etablieren, das den Kunden alle Bezahlvarianten bietet.   

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