Obwohl ihnen Geschäfts- und Direktbanken in der Breite Kunden streitig machen, haben Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken noch immer die höchste Hausbankquote. Doch sie nutzten diese Position zu wenig, zeigt eine aktuelle Studie.
Über Jahrzehnte fungierte das Geldhaus, bei der das Gehaltskonto geführt wurde, für das Gros der Verbraucher auch als Hausbank. Für einen Großteil der Privatkunden (70 Prozent) in Deutschland gilt dieses Prinzip noch immer. Dabei haben die Sparkassen und Genossenschaftsbanken die Nase weit vorne. 90 Prozent ihrer Kunden nutzen die regionalen Institute als Hausbank. Zu diesen Ergebnissen kommt die Privatgirostudie 2020 des Beratungshauses Investors Marketing. Für diese repräsentative Erhebung wurden im April 1.200 Privatkunden ab 18 Jahren befragt, die allein oder gemeinsam in persönlichen Geldangelegenheiten entscheiden.
Geschäftsbanken und Direktbanken kommen trotz breit angelegter Kampagnen und günstigen Angeboten nur auf Quoten von 58 beziehungsweise 39 Prozent. Ihnen sei es in der Vergangenheit zwar gelungen, mit Neukundenmaßnahmen erfolgreich Konten am Markt zu gewinnen, "allerdings konnten sie einen großen Teil nicht zu umfassenden Kundenbeziehungen ausbauen", sagt Thomas Wollmann, Vorstand von Investors Marketing.
Fast 30 Prozent der Kunden verfügen über mehrere Konten
Allerdings bleibt der Wettbewerb hart umkämpft, wie die Studie zeigt. Denn 28 Prozent der Banken verfügen neben dem Konto bei der Hausbank über ein oder mehrere Konten bei weiteren Instituten. 70 Prozent der Befragten erwarten von ihrem Geldhaus Einfachheit, Komfort, Verlässlichkeit sowie ein ernsthaftes Kümmern um individuelle Belange.
Zudem ist die Preissensibilität von Regionalbankkunden seit 2010 leicht gesunken. Rabatte bei den Kontogebühren für die Nutzung mehrerer Produkte haben laut Analyse daher nur wenig Überzeugungskraft. Ebenso wenig können Institute den Grundpreis ohne weiteres um vielleicht ein oder zwei Euro anheben, ohne Gefahr zu laufen, dass Kunden zu anderen Banken abwandern. Denn beim Abschluss eines Girokontos ist für 78 Prozent noch immer der Grundpreis das zentrale Kriterium.
Hausbanken brauchen nachhaltige Ertrags- und Wachstumsstrategie
Wie können also die Hausbanken ihre gute Ausgangsposition nutzen und ihre Kunden stärker mobilisieren? "Für eine nachhaltige Ertrags- und Wachstumsstrategie ist die konsequente Ausrichtung am Kunden eine wesentliche Handlungsoption", resümiert Wollmann. In der Juni-Juli-Ausgabe von Bankmagazin führt der CEO von Investors Marketing Oliver Mihm dazu aus:
Ohne eine aktive Positionierung als kompetenter und vertrauenswürdiger erster Ansprechpartner werden 2025 nur noch 25 Prozent der Kunden ihre Hausbank als erste Wahl ansehen. Banken und Sparkassen, die sich auf diese Weise positionieren und Preisspielräume ausschöpfen wollen, müssten dringend handeln. Denn neue Anbieter wie Fintechs und Bigtechs sowie das Preis- und Kanalverhalten der Kunden verändern die Spielregeln im Retailgeschäft. Bankferne Wettbewerber nutzen insbesondere den Zahlungsverkehr für den Markteintritt."
In seinem Beitrag "Wie Hausbanken relevant bleiben" fordert der Marktexperte die Geldhäuser auf, die Kerngeschäftsfelder konsequent zu optimieren. "Bis 2025 könnten die klassischen Institute hierzulande jeden dritten Kunden im Zahlungsverkehr an Paypal, Apple, Google und Co. verlieren. Gleichzeitig wird der Anteil kostenloser Girokonten für Privatkunden auf zwölf Prozent fallen. Das Segment bleibt aber der zentrale Treiber der Provisionserträge." Denn die Kunden seien trotz des Preisdrucks durchaus bereit, für nutzbringende Dienstleistungen zu zahlen. "Für Banken und Sparkassen führt die Sicherung des Zahlungsverkehrs demnach vom Girokonto zum umfassenden und positiv erlebbaren Bezahl-Ökosystem", so Mihm.
Wie sich die Hausbanken nach Ansicht des Bankexperten mehr Relevanz verschaffen, zeigt nachstehende Übersicht:
Mit unterschiedlichen Kontoalternativen punkten
Dass es aber kein Konto für alle gibt, zeigen weitere Ergebnisse der Umfrage:
- So ist für 30 Prozent der Teilnehmer ein Preisvorteil entscheidend, wenn sie im Gegenzug ihre Bankgeschäfte online abwickeln können.
- 29 Prozent legen Wert auf einen günstigen Grundpreis, der mit der Einzelabrechnung genutzter Leistungen kombiniert ist.
- Für 21 Prozent stehen Filialleistungen ohne Zusatzkosten ganz oben auf der Agenda.
- 20 Prozent der Kunden wünschen sich dagegen einen Pauschalpreis, der alle Leistungen abdeckt.
Unterschiedliche Kontoalternativen anzubieten, habe sich bewährt, so Wollmann. Geschäftsmodelle, die Kunden zudem mit Zusatzleistungen und weiteren Produkten wie der Baufinanzierung oder dem Wertpapiergeschäft an das Institut binden, helfen, die Kundenschnittstelle zu verteidigen.
"Das Girokonto allein ist kein Garant für die Durchdringung des Kundenbestands. Es kann aber als Plattform für eine weitere Ansprache dienen. Dafür gelten drei Voraussetzungen. Kundendaten sowie eine systematische Marktbearbeitung, auch mit Vertriebspartnern, müssen eingesetzt werden. Zudem müssen Kunden den Nutzen beim Management ihrer persönlichen Finanzen wahrnehmen", erklärt Wollmann.
Zusatzleistungen müssen echte Innovationen sein
"Die Suche in Banken und Sparkassen nach neuen Ertragsquellen rückt auch branchenfremde Leistungen in den Fokus", meint Mihm. Doch dafür sei die Akzeptanz der Kunden bislang nicht vorhanden. "Services im Zusammenhang mit Behördengängen, wie An- oder Ummeldungen, sind mit zwölf Prozent die Leistungen, die noch die höchste Akzeptanz erhalten würden. Von Geldhäusern angebotene Zusatzleistungen sollten aber echte Innovationen sein, die Kundenbedarfe lösen sowie zu Markenidentität und Positionierung passen. Möglich wäre die Etablierung einer digitalen Community, als App-basierte Plattform für Menschen und Unternehmen in der Region", glaubt der Marktexperte.
Zudem hat der Ausbruch der Corona-Pandemie die Nutzung unterschiedlicher digitaler Kanäle befeuert. So werde in den kommenden Jahren "jede dritte Beratung virtuell" erfolgen, meint Mihm und betont:
Die Differenzierung vom Wettbewerb wird künftig immer wichtiger, kommunikativ und insbesondere durch Kundenerlebnisse. Diese Positionierung muss über alle Kanäle und Kontaktpunkte hinweg erlebbar gemacht werden, von den Prozessen über die Kommunikation und den Vertrieb bis zur Interaktion mit den Mitarbeitern. Wenn Menschen ihre Hausbank als noch kundenorientierter erleben würden, würden 52 Prozent für neue Produkte immer zuerst dort anfragen. Und 51 Prozent würden das Institut ihres Vertrauens sogar aktiv weiterempfehlen. Mit Blick auf die strategische Gesamtpositionierung haben Banken und Sparkassen deshalb die Pflicht, positive Kundenerlebnisse zu schaffen."