Der Fall der Silicon Valley Bank und mehrerer Regionalbanken in den USA sowie der Credit Suisse in der Schweiz haben europäische Regulierer auf den Plan gerufen. Forderungen nach höheren Liquiditätsreserven werden laut. Doch diese bergen auch Gefahren - etwa für die Finanzierung des Green Deals in Europa.
Zu strenge Kapitalvorgaben könnten dazu führen, dass Banken die für 2050 anvisierte Klimaneutralität in Europa nicht mehr effizient finanzieren.
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Es ist der größte Kollaps eines Geldhauses seit der Finanzkrise 2008: Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA. Das Vertrauen in die Regionalbanken ist erschüttert. Anleger gerieten in Panik und zogen aus Furcht vor einer neuen Bankenkrise Kapital im großen Stil ab. In den Wochen danach gerieten weiter Geldhäuser in den Fokus, erlebten dramatische Mittelabflüsse. Erst kürzlich musste US-Branchenprimus J.P. Morgan mit Unterstützung der US-Regierung die angeschlagene First Republic Bank übernehmen. Doch das vertrauensstiftende Eingreifen scheint inzwischen auch verpufft. Wir sehen ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass das Risiko des Einlagenschwundes bei kleinen und mittelgroßen Instituten noch nicht gebannt ist.
Dasselbe Krisenmuster fand sich bei unterschiedlichen Häusern: Die Bank investiert einströmende Gelder in langfristige Staatsanleihen und andere sichere Papiere. Diese versprachen in Zeiten der Nullzinspolitik immerhin noch geringe Renditen. Doch mit der Zinswende sieht nun alles anders aus. Durch die Anhebung der Leitzinsen verloren die Anleihen massiv an Wert. Bis zur planmäßigen Rückzahlung am Ende der Laufzeit beziehungsweise bis zu einem (vorzeitigen) Verkauf besteht dieser Abschlag nur in den Büchern.
Durch den Abzug von Kundeneinlagen im großen Stil ist die Bank jedoch gezwungen, diese Anleihen zu verkaufen und die Buchverluste dadurch zu realisieren. Die Differenz muss das Institut aus eigener Tasche aufbringen, was zu erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten führen kann - so geschehen bei der Silicon Valley Bank. Mit Aufkommen entsprechender Meldungen setzt sich eine gefährliche Spirale - angetrieben durch die Panik der Kunden - in Gang.
Forderung nach höheren Liquiditätsreserven
Die Geschehnisse in den USA und jüngst auch der Schweiz rufen hiesige Bankenaufseher auf den Plan. So fordern bereits zwei EZB-Ratsmitglieder strengere Liquiditätsregeln für Banken. Im Falle der SVB wurden in nur fünf Stunden Einlagen in Höhe von 42 Milliarden Dollar abgezogen. Über soziale Medien verbreiten sich schlechte Nachrichten wie ein Lauffeuer - so auch die drohenden Liquiditätsprobleme der SVB. Das sorgte dafür, dass der Abzug von Einlagen viel schneller stattfand als erwartet. Und viel schneller als Berechnungen der Liquiditätsabdeckungsrate (LCR) dies berücksichtigen.
Kreditinstitute innerhalb der EU müssen nach den Vorgaben von Basel III ihre risikogewichtete Aktiva mit Eigenkapital unterlegen (Mindestkapitalanforderungen - Säule I). Hinzu kommen zusätzliche Kapitalanforderungen, die durch Aufsichtsinstanzen festgelegt werden können (Säule II). Kommen Aufseher im Rahmen des jährlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process, kurz SREP) zu dem Schluss, dass die Risiken einer Bank durch die Mindestkapitalanforderungen nicht ausreichend abgedeckt sind, so wird diese aufgefordert, zusätzliches Eigenkapital vorzuhalten.
Höhere Liquiditätsreserven scheinen also auf den ersten Blick ein gangbarer Weg zu sein, um der Gefahr einer Bankenkrise 2.0 und der Verwendung von Steuergeldern für Bankenrettungen vorzubeugen. Doch die Auswirkungen strengerer Kapitalvorschriften sind vielschichtig. Derzeit verhandeln EU-Kommission, Mitgliedsstaaten und Europaparlament über die Umsetzung der Basel-Vorgaben in Europa.
Basel IV bedroht den Green Deal in Europa
Unbestritten ist der Klimawandel eine zentrale Herausforderung unserer Zeit. Um irreversible Schäden auf unserem Planeten zu verhindern, will die EU-Kommission mit dem Green Deal Europa bis 2050 klimaneutral machen. Um die ambitionierten Umweltziele zu erreichen, setzen Politik und Wirtschaft auf die Finanzindustrie, die das gewaltige Volumen an Umweltinvestitionen stemmen soll. Für die Umgestaltung der europäischen Wirtschaft in Richtung Klimaschutz werden jährlich schätzungsweise mehr als 350 Mrd. Euro benötigt.
Bereits heute spielen Banken eine zentrale Rolle bei der Finanzierung der grünen Transformation - insbesondere beim Ausbau erneuerbarer Energien und dem digitalen Wandel. Deshalb lässt sich jetzt bereits sagen: Mehr Klimaschutz geht nur mit den Banken, eine Erkenntnis, die so auch in Brüssel besteht.
Die Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen und digitalen Wirtschaft könnte durch strengere Kapitalstandards allerdings gefährdet werden und Banken zu einer stärkeren Zurückhaltung im Kreditgeschäft bewegen. Darüber hinaus führen verschärfte Eigenkapitalanforderungen zu höheren Kosten bei den Banken, was Kredite tendenziell teurer werden lässt - und das zusätzlich zu dem ohnehin schon gestiegenen Zinsniveau.
Restriktivere Kapitalvorgaben greifen zu kurz
Nicht zuletzt durch die Bankenkrise in den USA und dem Ruf nach strengeren Liquiditätsregeln rückt die europäische Bankenreform und damit das Schreckgespenst Basel IV wieder in den Fokus. Ein Koste-was-es-wolle-Ansatz zur Verhinderung einer Bankenkrise durch deutlich schärfere Vorgaben für die Banken mit neuen, restriktiven Kapitalvorgaben springt daher zu kurz. Es bedarf eines handlungsfähigen und stabilen europäischen Banken- und Kapitalmarktes, um den Wandel der Wirtschaft wirksam und effizient finanzieren zu können. Damit stehen nicht nur Banken und Wirtschaft vor einer Mammutaufgabe, sondern auch die Politik.