Ab 2025 könnte es für Unternehmen ohne externes Rating teuer werden, wenn sie frisches Kapital von der Bank wollen. Diese zwingt Basel IV, ihre Risikomodelle anzupassen. Was das für KMU und besonders betroffene Branchen bedeutet, erläutert Rating-Spezialist Benjamin Mohr.
springerprofessional.de: Ab 1. Januar 2025 gelten neue Eigenkapitalregelungen im Rahmen von Basel IV. Welche Auswirkungen hat dies auf Unternehmen mit einem externen Rating und Firmen, die keine Bonitätsbewertung haben? Was bedeutet das für die Finanzierungskosten?
Benjamin Mohr: Da die Banken unter Basel IV höhere Risikogewichte für nicht geratete Unternehmen ansetzen müssen, dürften sich deren Finanzierungskosten deutlich erhöhen. Dies könnte insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betreffen, die traditionell auf Bankkredite angewiesen sind und in der Vergangenheit ein eher geringes Interesse an der Durchführung eines Ratings gezeigt haben. Auch eher kapitalmarktferne Branchen wie das Baugewerbe oder konsumnahe Dienstleistungen könnten hiervon besonders betroffen sein. Dagegen dürften Unternehmen, welche bereits über ein externes Rating verfügen, in der Regel von niedrigeren Risikogewichten profitieren, was zu geringeren Eigenkapitalanforderungen für die finanzierenden Banken führt und sich häufig in günstigeren Finanzierungskosten niederschlägt.
Wie müssen sich Banken und Sparkassen, die sich bislang stark auf interne Modelle zur Risikomessung (IRB-Ansatz) verlassen haben, durch die Einführung des Output Floor anpassen? Haben Sie hierfür vielleicht ein praktisches Beispiel?
Der im Rahmen von Basel IV eingeführte Output Floor stellt in der Tat eine der größten Herausforderungen dar. Damit wird eine Untergrenze eingeführt, die sicherstellt, dass die risikogewichteten Aktiva (RWA) einer Bank, die ihre Eigenkapitalanforderungen nach dem IRB-Ansatz auf der Grundlage ihrer internen Risikoschätzungen berechnet, nicht unter 72,5 Prozent der nach dem Standardansatz berechneten RWA fallen. Dies könnte dazu führen, dass diese Banken ihre Geschäftsstrategie überdenken, indem sie entweder ihre internen Modelle anpassen oder ihr Geschäft auf weniger kapitalintensive Aktivitäten ausrichten.
Ein Kreditinstitut, das sich bisher auf ein internes Modell verlassen hat, das zum Beispiel aufgrund der Diversifikation seines risikoarmen Kreditportfolios sehr niedrige Risikogewichte ausweist, muss durch die Einführung des Output Floors zusätzliches Eigenkapital bereitstellen. Dies kann die Kreditvergabefähigkeit einschränken, die Kostenstruktur belasten und sich negativ auf die Profitabilität und die Eigenkapitalrendite des Instituts auswirken.
Inwiefern kann Basel IV dazu führen, dass die Institute bei ihrer Kreditvergabe selektiver vorgehen? Gibt es Branchen oder Unternehmen, die davon besonders betroffen sind?
Die verschärften Eigenkapitalanforderungen und der Output Floor werden die Banken dazu veranlassen, ihre Kreditportfolios noch genauer zu prüfen und möglicherweise restriktiver bei der Kreditvergabe an risikoreiche Unternehmen oder tendenziell risikoreichere Branchen zu werden. Davon könnten insbesondere Branchen betroffen sein, die von Natur aus volatiler sind, wie etwa die Immobilienbranche oder der Logistiksektor, die stark von konjunkturellen Schwankungen abhängen, oder der Energiesektor, der stärker unter Preisschwankungen und regulatorischen Unsicherheiten leidet.
Die stärkere Differenzierung könnte sich auch auf Unternehmen auswirken, die in den letzten Jahren zur Finanzierung ihres Wachstums auf Fremdkapital gesetzt haben. Diese Unternehmen könnten nun mit höheren Zinsen oder strengeren Kreditkonditionen konfrontiert werden, da die Banken versuchen, ihr Kreditrisiko zu reduzieren. Ebenso könnte dies zu einem Rückgang des Gesamtvolumens der vergebenen Kredite führen, was insbesondere KMU betreffen könnte, die traditionell weniger Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen haben.
Wie könnten die neuen Regelungen, insbesondere die strengeren Offenlegungspflichten, die Transparenz und Risikobewertung im europäischen Bankensektor beeinflussen?
Das reformierte Baseler Regelwerk soll zu einer deutlichen Erhöhung der Transparenz führen. Die Banken werden verpflichtet, detailliertere Informationen über ihre Risikopositionen, Kapitalanforderungen und internen Risikomodelle offen zu legen. Dies wiederum kann dazu beitragen, das Vertrauen von Investoren und anderen Marktteilnehmern zu stärken, indem eine fundiertere Beurteilung der Risikopositionen der Banken ermöglicht wird.
Die erhöhten Offenlegungspflichten dürften aber auch Schwächen in den Risikomodellen und Kapitalstrategien einzelner Institute aufdecken, was sich negativ auf deren Marktposition auswirken könnte. Institute, die bisher stark von intransparenten oder aggressiven Risikomodellen profitiert haben, könnten durch die Offenlegungspflichten gezwungen sein, konservativere Ansätze zu wählen, um Reputationsrisiken zu vermeiden. Zwar könnte dies langfristig zu einer Stabilisierung des Bankensektors führen, kurzfristig aber auch eine Herausforderung für die Institute darstellen, die ihre bisherigen Praktiken ändern müssen.
Wirken sich die verschärften Eigenkapitalanforderungen langfristig auf die Struktur und den Wettbewerb innerhalb des europäischen Bankenmarktes aus?
Langfristig könnten die verschärften Eigenkapitalanforderungen und der Output Floor zu einer weiteren Konsolidierung des europäischen Bankenmarktes führen. Insbesondere kleine und mittlere Banken, die Schwierigkeiten haben, die neuen Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen, könnten gezwungen sein, mit größeren Instituten zu fusionieren oder sich aus bestimmten Geschäftsfeldern zurückzuziehen.
Eine solche Entwicklung könnte auch zu einer Veränderung der Geschäftsmodelle führen, bei der sich die Banken stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und weniger profitable oder risikoreiche Geschäftsfelder abstoßen. In der Folge könnte dadurch die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Bankensektors beeinträchtigt werden.
Sie haben in Ihrer Studie ermittelt, dass es eine signifikante Anzahl von Unternehmen ohne Rating, aber mit hoher Bilanzbonität gibt. Was hält Firmen aus kapitalmarktfernen Branchen, wie dem Baugewerbe oder den konsumnahen Dienstleistungen, davon ab, ein externes Rating zu beantragen, und wie könnten sich diese Gründe durch Basel IV verändern?
Viele Unternehmen aus eher kapitalmarktfernen Branchen verzichten häufig auf ein externes Rating, da sie traditionell auf bankbasierte Finanzierungsquellen zurückgegriffen haben und aufgrund eines bankinternen Ratings kein externes Rating erforderlich war. Ein weiterer Grund könnte in der Zurückhaltung bei der Offenlegung detaillierter Finanzinformationen liegen, die für ein externes Rating erforderlich sind.
Basel IV dürfte diese Einstellung jedoch ändern, da Banken Kredite ohne externes Rating mit höheren Risikogewichten versehen könnten, was zu höheren Finanzierungskosten führen würde. Unternehmen könnten daher verstärkt in Erwägung ziehen, ein externes Rating in Auftrag zu geben, um ihre Finanzierungskosten zu senken und ihren Zugang zu Krediten zu sichern. Dies könnte insbesondere für kapitalintensive Branchen von Bedeutung sein, die stark auf Fremdfinanzierung angewiesen sind.
Wie sollten ungeratete Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote strategisch auf die neuen Anforderungen reagieren, um ihre Finanzierungskosten zu optimieren und den Zugang zu Krediten zu sichern?
Eine mögliche Strategie könnte darin bestehen, die Eigenkapitalquote weiter zu stärken und gleichzeitig die finanzielle Transparenz zu erhöhen, um das Vertrauen der Banken zu gewinnen und günstigere Kreditkonditionen zu erhalten. Darüber hinaus könnten diese Unternehmen erwägen, ein externes Rating einzuholen, um direkt von den niedrigeren Risikogewichten zu profitieren, die mit einem Rating verbunden sind.
Ein weiteres strategisches Instrument könnte die Diversifizierung der Finanzierungsquellen sein, zum Beispiel durch die Nutzung von Kapitalmarktinstrumenten oder durch das Eingehen strategischer Partnerschaften, um die Abhängigkeit von Bankkrediten zu reduzieren. Durch diese Maßnahmen können Unternehmen ihre Marktposition stärken und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den steigenden Anforderungen im Finanzsektor erhöhen.