Das Forschungszentrum Carl soll sich in einem ganzheitlichen Betrachtungsansatz mit der Batteriealterung und Lebensdauervorhersage von Leistungselektronik beschäftigen.
RWTH Aachen
An der RWTH soll bis 2020 ein Zentrum zur grundlegenden Erforschung der Alterung von Batteriematerialien und leistungselektronischen Systemen entstehen, wie die Universität mitteilt. Der Wissenschaftsrat habe für das "Center for Ageing, Reliability and Lifetime Prediction of Electrochemical and Power Electronic Systems", kurz Carl, knapp 60 Millionen Euro Fördergelder vom Bund und dem Land NRW bewilligt.
Es handelt sich um eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung, an der Mitarbeiter von zehn Kernprofessuren und rund 20 weiteren Lehrstühlen und Instituten der RWTH und des Forschungszentrums Jülich Forschung betreiben können. Darunter befinden sich Wissenschaftler der Disziplinen Chemie, Physik, Mathematik, Informatik oder Materialwissenschaft, Maschinenbau und Elektrotechnik.
Ganzheitlicher Betrachtungsansatz
"Batteriealterung und Lebensdauervorhersage der Leistungselektronik sind Themen, die in Aachen am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe, Isea, schon seit den 1980er Jahren untersucht werden", sagt ISEA-Leiter Professor Rik De Doncker. "Mit Carl wird es jedoch zum ersten Mal in Deutschland einen ganzheitlichen Betrachtungsansatz geben." Die komplette Prozesskette von der Herstellung bis zur Anwendung stehe dabei ebenso im Fokus wie der Lebenszyklus sämtlicher Materialien und Komponenten, geben die Forscher bekannt. "Wir wollen bis zur Atom- und Kristallebene verstehen, wie Energiespeicher funktionieren und auf unterschiedliche Anforderungen reagieren", erklärt Professor Dirk Uwe Sauer vom Isea und Sprecher des Projekts die grundlegende Idee von Carl. "Ganz ähnlich sind zum Beispiel die Fragen der Verbindungen für Leistungshalbleiter wie sie etwa in Elektrofahrzeugen oder Windkraftanlagen eingesetzt werden. Erst wenn wir die physikalisch-chemischen Prozesse kennen, können wir Systeme produzieren, die ohne Überkapazitäten oder Redundanzen arbeiten."
Im Carl wollen die Wissenschaftler zwei Perspektiven betrachten: die der Endanwender einerseits und die der Entwickler von Maschinen und Materialien zur Herstellung von Batterien und Leistungselektronik andererseits. "Mit unseren Forschungsergebnissen können wir dazu beitragen, dass Entwicklungszyklen beschleunigt werden und durch eine optimale Konfiguration der Systeme letztlich Geld gespart wird", sagt Sauer. Denn die Frage der Lebensdauer sei essenziell für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Beispielsweise sei es wichtig für Autohersteller, Abschreibungszeiträume, Garantieleistungen und Zuverlässigkeit als Teil der funktionalen Sicherheit einschätzen zu können.
Drei Laborbereiche
Mit den Fördermitteln werden drei große Laborbereiche errichtet, die das eigentliche Herzstück von Carl bilden. Im ersten wird es Prüfstände für Belastungs- und Umweltsimulationen geben. Es geht beispielsweise um elektrische, mechanische, chemische oder klimatische Einflüsse auf Material und Systeme von Batterien und Leistungselektronik. Hier sollen Alterungsprozesse quasi im Zeitraffer ablaufen und analysiert werden, um deren Ursachen im Detail erforschen zu können.
Der zweite Labor-Bereich befasst sich laut den Forschern mit dem Bau von Prototypen. Die Leistungsfähigkeit ganzer Systeme oder auch einzelner Bauteile soll hier untersucht werden, um beispielsweise Material- oder Konstruktionsfehler frühzeitig ausschließen zu können.
Der dritte Laborbereich widmet sich schließlich der physikalisch-elektrochemischen Analyse. Mithilfe einer Analysekette für Struktur- und Materialuntersuchungen, zu der unter anderem ein hochmoderner Computer-Tomograph zählen wird, lassen sich die Strukturen des Materials bis zur atomaren Auflösung untersuchen und analysieren.
Die Erkenntnisse aus allen Laborbereichen sollen schließlich zusammengeführt werden, um daraus Modelle für Simulationen zu erstellen und daraus Lebensdauerprognosen für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche und Nutzungsprofile abzuleiten. Gleichzeitig möchte man damit die Beschleunigung von Innovationszyklen bei der Neuentwicklung von Materialien und Systemen erreichen.
Baubeginn 2017
Mit dem Bau von Carl soll 2017 auf dem Campus Melaten im Westen von Aachen begonnen werden. Die Baukosten für das Gebäude betragen laut RWTH Aachen rund 43 Millionen Euro. Für die Großgeräte und die Grundausstattung seien rund 16 Millionen Euro veranschlagt. Der Einzug der rund 150 Mitarbeiter soll Mitte 2020 erfolgen.