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13.09.2022 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Das sind geeignete Standorte für neue Batteriefabriken

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Ein Forschungsteam hat mögliche Standorte für Batteriefabriken in der Europäischen Union untersucht. Legt man Wert auf saubere Energie, empfiehlt sich Schweden als geeigneter Standort für die Akkuproduktion. 

Getrieben vom wachsenden E-Automarkt steigt entsprechend der Bedarf an Traktionsakkus. Die Experten von Berylls Strategy Advisors gehen davon aus, dass die jährliche Produktionskapazität von Lithium-Ionen-Batterien im Jahr 2021 in den USA, Europa und China in Summe knapp unter 700 GWh lag. Für 2030 prognostizieren die Experten in diesen Regionen einen jährlichen Bedarf von bis zu 2.600 GWh. "Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Hersteller ihre Fertigungskapazitäten jährlich im Schnitt um 16 Prozent steigern", so Alexander Timmer, Partner bei Berylls Strategy Advisors. 

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In der Automobilindustrie wird die Umweltfreundlichkeit zu einem immer wichtigeren Thema. Das bislang übliche Vorgehen zur Erstellung von Ökobilanzen deckt allerdings einige bedeutsame Faktoren nicht ab und erlaubt zudem nur die Bewertung bereits konfigurierter Produkte. Vitesco Technologies und die Universität Erlangen-Nürnberg haben daher eine Zusammenarbeit gestartet, um mathematische Optimierungsmodelle für ein umweltfreundliches Produktdesign zu entwerfen.

Der große Bedarf an Traktionsbatterien für Elektroautos bringt auch die Frage nach geeigneten Produktionsstandorten mit sich. Ein Forschungsteam der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, des Helmholtz Instituts Münster und der Porsche Consulting GmbH hat nun ein neues Modell zur Standortanalyse von Batteriefabriken in der Europäischen Union (EU) entwickelt und dafür Faktoren wie Kosten, Expertise und Energieversorgung analysiert. Um den Bedarf an Batterien lokal zu decken, seien allein in Europa mindestens 20 solcher Produktionsstätten bis 2030 notwendig. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in der Fachzeitschrift "Journal of Industrial Ecology" veröffentlicht.

Drei Faktoren wichtig: Kosten, Expertise und der Energiemix

In ihrem Modell zur Standortanalyse haben die Forscher verschiedene Faktoren berücksichtigt: Kosten, zum Beispiel Material- und Personalkosten, Kompetenzen und Know-how am Standort, etwa die Verfügbarkeit von qualifizierten Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, und die Verfügbarkeit sauberer Energie, beispielsweise aus Photovoltaik oder Windkraft. Anhand einer vergleichenden Analyse dieser Faktoren habe das Forscherteam dann mögliche Standorte für Batteriefabriken identifiziert.

"In der Wirtschaftschemie forschen wir seit einigen Jahren gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie zu Standortentscheidungen für Batteriefabriken. Unsere Forschung erweitert vorherige Modelle um den Faktor Energieversorgung. Dies ist eine wichtige Neuerung, da die Produktion von Batterien für Elektrofahrzeuge sehr energieintensiv ist. Aus welchen Quellen der Strom zur Herstellung von Batterien kommt, beeinflusst deshalb die Öko-Bilanz von Elektrofahrzeugen", erklärt Erstautor Dr. Marius Chofor Asaba von der WWU und vom Helmholtz Institut Münster.

Kein EU-Land in allen drei Faktoren führend

Saubere Energie in der Produktion von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen zu nutzen, ist von großer Bedeutung, da eine Gigafactory bei voller Auslastung einen jährlichen Strombedarf von schätzungsweise bis zu 1.000 GWh habe, so die Forscher. Das entspreche etwa zwei Dritteln des jährlichen Stromverbrauchs einer Stadt mit rund 300.000 Einwohnern. Für die Analyse hätten die Wissenschaftler Daten aus unterschiedlichen Datenbanken, unter anderem von der International Energie Agentur (IEA), genutzt. 

Die Untersuchung habe gezeigt, dass Länder wie Frankreich, Litauen und Deutschland geeignete Standorte seien, wenn die Faktoren Kosten, Kompetenz/Know-how und saubere Energie gleich gewichtet werden. So schneide Frankreich mit einem hohen Anteil an Atomstrom, den die Forscher der EU-Kommission folgend als saubere Energie eingestuft haben, und vorhandener Expertise gut ab. Allerdings sei kein EU-Land in allen drei Faktoren führend, sodass Batteriehersteller die einzelnen Faktoren gegeneinander abwägen müssten. Gemäß den Ankündigungen der in Europa aktiven Zellhersteller soll Deutschland vor Großbritannien und Frankreich bis 2030 der größte Produzent von Batteriezellen in Europa werden, wie eine aktuelle Fraunhofer-Studie ermittelt hat.

Während Litauen beispielsweise mit niedrigen Produktionskosten punkte, führe Deutschland als starker Forschungs- und Wissenschaftsstandort für Batterietechnologien und einem moderaten Anteil sauberer Energien am Energiemix, so die WWU-Untersuchung. In ihrer Studie hätten die Forscher daher auch Kombinationen an Faktoren und unterschiedlichen Gewichtungen analysiert. Werde die Verfügbarkeit von sauberer Energie am stärksten gewichtet, so zeige die Untersuchung, dass Schweden ein geeigneter Standort für neue Batteriefabriken sei, da es einen sehr hohen Anteil an sauberen Energieträgern am Energiemix habe. Nach dieser Priorität gewichtet liegt Deutschland nur auf Rang 12. 

Saubere Energie am Standort spielt große Rolle

Die Ermittlung eines geeigneten Produktionsstandorts ist idealerweise in ein ganzheitliches Lebenszyklusdesign eingebettet, wie es etwa Vitesco Technologies und die Universität Erlangen im Artikel Optimierung einer Ökobilanz von Lithium-Ionen-Batterien aus der ATZ 4-2020 vorschlagen. Um Produkte, wie etwa Lithium-Ionen-Batterien, umweltfreundlich zu gestalten oder deren Ökobilanz zu verbessern, haben die Partner mathematische Optimierungsmodelle für ein gezieltes umweltfreundliches Produktdesign entworfen. Die daraus entstandene Planungssoftware gibt Entscheidungsträgern Ratschläge bei der Auswahl der Rohstoffquellen und Produktionsstandorte sowie weiterer Entscheidungen entlang des Produktlebenszyklus. So soll ein Produkt ganzheitlich optimiert werden – unter finanziellen, ökologischen und sozialen Aspekten.

Angesichts derzeitiger Krisensituationen ist jedoch eine Fokussierung auf saubere Energie bei der Standortauswahl für eine Batteriefabrik durchaus ratsam. "Vor dem Hintergrund steigender Preise für fossile Energieträger wie Erdgas und der aktuellen Diskussion um Versorgungssicherheit nimmt eine nachhaltige Energieversorgung am Produktionsstandort eine noch stärkere Rolle in der Standortwahl ein. Unsere Analyse unterstützt Batteriehersteller bei der Standortwahl und kann der Politik als Grundlage dienen, die Ansiedlung von Batteriefabriken durch zielgerichtete Investitionen in nachhaltige Energieträger zu fördern", fasst Juniorprofessor Dr. Stephan von Delft von der WWU die Ergebnisse zusammen.

Chancen für Newcomer im Markt der Batterieproduzenten gering

Allerdings macht eine Untersuchung von Berylls Strategy Advisors darauf aufmerksam, dass vom wachsenden Bedarf an Traktionsakkus in erster Linie etablierte Hersteller profitieren. Demnach sollen die Chancen für Neueinsteiger, als Akkuproduzenten Erfolg zu haben, sinken. Große Investoren würden zwar viel Geld in die Industrie stecken, bevorzugten allerdings bereits gut eingeführte Unternehmen. In der Folge schrumpfe die Zahl der Firmenneugründungen rund um die Batterieproduktion, während der Bedarf an Akkus gleichzeitig stark wachse. Etablierte Hersteller würden neben ihrer Kapitalmacht mit bestehenden Produktionskapazitäten und dem zugehörigen Know-how gegenüber den Newcomern punkten. Diese wiederum könnten nur mit echten Produkt-USPs glänzen, etwa im Bereich neuer Zelltechnologien. 

Für Start-ups, die dennoch am Boom der Elektromobilität teilhaben wollen, gebe es aber andere Möglichkeiten, um erfolgreich in den Markt einzusteigen. Sie sollten sich Berylls zufolge um die zunehmend wichtiger werdenden Randbereiche der Akku-Wertschöpfungskette bemühen. Zu den erfolgversprechenden Segmenten gehören nach Ansicht der Berylls-Experten die Feldüberwachung der Batterien, die Wiederaufbereitung sowie das stoffliche Recycling der in den Batterien enthaltenen Materialien. Die Zahl der Newcomer in diesen Bereichen beginne bereits zu wachsen.

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