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11.09.2019 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Akkukosten nur mit neuen Geschäftsmodellen zu senken

verfasst von: Markus Schöttle

7:30 Min. Lesedauer

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100 Euro pro kWh ist die endlich erreichte symbolische Preisgrenze für Akkuzellen. Wahrscheinlich werden die Preise wieder steigen. Mit technischen Innovationen allein lässt sich das nicht verhindern.

Auf dem 2. Internationalen ATZ-Kongress Electrified Mobility am 12. und 13. November 2019 wird Dr. Wolfgang Bernhart anhand von technischen und managementstrategischen Fakten herleiten, dass die Preise für Batteriezellen wahrscheinlich wieder steigen werden und eigentlich auch steigen müssten. Einige Details verrät der Senior Partner von Roland Berger im Interview der Oktoberausgabe ATZelektronik, deren Inhalte Springer Professional hier auszugsweise veröffentlicht. Bernhart plädiert für ein notwendiges neues Geschäftsmodell, Battery-as-a-Service – im Rahmen des Profitabilitätschecks Elektromobilität, einem der Schwerpunkte des ATZ-Kongresses in Mannheim. Sollten Automobil- oder Batteriehersteller diesem oder ähnlichen Modellen folgen, profitieren nicht nur sie, sondern auch die Endkunden. 

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Akku-Preise steigen wahrscheinlich um bis zu 15 Prozent

"Wir blicken bei Hochvolt-Energiespeichern auf Lithium-Ionen-Basis auf massive Innovationsschübe zurück, mit mehr als einer Verdopplung der Energiedichten", bestätigt Bernhart. "Es wird auch in Zukunft kontinuierliche Verbesserungen vor allem auf der Materialseite geben, was die Sicherheit der Batteriezellen und ihre elektrischen Energiedichten betrifft", führt der Consultant aus. Weiterentwicklungen bei Anoden, Kathoden, Elektrolyten und Separatoren hätten dazu geführt, dass die Kosten für Akkuzellen anfangs stark und dann weiter sukzessive gesunken sind, im Mittel auf leicht unter 100 Euro/kWh auf Zellebene.

Und dieses hart erkämpfte Preisniveau soll nun steigen? "Diesen Trend zu teuren Lithium-Ionen-Batterien halte ich in den kommenden drei bis sechs Jahren für wahrscheinlich", räumt der Akkuexperte ein. "Ich rechne mit bis zu 15 Prozent". Der weit überwiegende Anteil der Gesamtkosten einer Batteriezelle sind den Material- und Rohstoffkosten zuzuordnen. "Und es wird in einigen Materialklassen zu Rohstoffengpässe kommen, besonders bei Lithium und Nickel", prognostiziert Bernhart. Bloomberg und McKinsey sind gegenteiliger Meinung. In einer nicht veröffentlichten Studie verrät die Finanznachrichtenagentur, dass sich die Bergbauindustrie auf den boomenden Bedarf nach Akkus angepasst hätte und dass es bereits Überkapazitäten gebe, was die Batteriezellpreise purzeln ließ. Patrick Schaufuss, Associate Partner bei McKinsey, auch einer der Referenten auf dem ATZ-Kongress Electrified Mobility, wird Bernhart in Mannheim widersprechen. Er sieht keine Teuerungsraten bei Traktionsbatterien.

Gründe für die Verteuerung

"Ein Grund für die Verteuerung ist, dass das Interesse von Investoren in die Erschließung neuer Abbaugebiete aufgrund sinkender Aktienpreise nachgelassen hat", meint Bernhart. Lithium würde bislang aus den Salzseen Südamerikas gewonnen. Dies sei zwar zunächst kostengünstig, aber die Aufbereitung zu Lithiumcarbonat, das für sogenannte nickelreiche NCM 8:1:1-Zellen (Nickel, Kobalt, Mangan) benötigt würde, sei aufgrund potenzieller hoher Verunreinigungen unverhältnismäßig aufwendig. "Bei der teuren Gewinnung von gebundenem Lithium in Minen erhält man hingegen reineres Lithium", klärt der Consultant auf. "Letztendlich verschärft der steigende Bedarf an Batterien den angesprochenen Engpass – wir sprechen von einem jährlichen Zuwachs von rund 25 Prozent", rechnet Bernhart. Das heißt, es werden Rohstoffe für 1.000 GWh in 2025 abgefragt, 2.000 GWh sind es dann in 2030. Der Großteil wird für automobile Anwendungen benötigt.

Batteriezellhersteller zahlen drauf

Kosten und Preise müssen auseinandergehalten werden. Wer fragt eigentlich die Zellhersteller, die derzeit mit sehr geringen Margen von drei bis vier Prozent zurechtkommen müssen? Und dann erwartet man noch Innovationen und den dezentralen Ausbau von Fertigungskapazitäten an den Standorten der Automobilhersteller? Auf diese Frage der Redaktion antwortet Bernhart: "Es handelt sich hier um eine unzufriedenstellende Situation, und auch aus dieser Perspektive müssen die Preise für Batteriezellen steigen. Margen von mindestens Prozent künftige Technologien und notwendige Kapazitätserweiterungen investieren könnten".

Vorreiter Panasonic hat lange draufgezahlt und soll sich aus der Batterieentwicklung Automotive sowie der Fertigung in den Tesla-Gigafactories zurückgezogen haben? Diese Annahme der Redaktion kann Bernhart nicht offiziell bestätigen. "Es würde mich aber nicht wundern, weil automobilspezifische Zellen nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens zählen", räumt der Berater ein. Tesla wiederum hätte genug Know-how aufgebaut, um seine eigenen Zellen zu bauen und sei in aktiven Gesprächen mit anderen asiatischen Zellherstellern.

Wo gibt es Ansätze, um Batteriekosten zu senken?

Könnten die Kosten für Batteriepacks und -systeme sinken, wenn bessere und vor allem sichere Batteriezellen zum Einsatz kommen? "Ja, aber nicht signifikant", antwortet Bernhart. Sicherlich gäbe es kostenseitige Optimierungspotenziale, beispielsweise bei der Kontaktierung und im Wärmemanagement sowie der intelligenten Steuerungen. "Etwas mehr lässt sich bei komplett neuen Fahrzeugkonstruktionen einsparen, wo Batterien stabilisierende oder tragende Funktionen übernehmen", schlägt der Consultant vor.

Und liegt weiteres Potenzial in effizientere Prozessen? "Wir sind in der kostenseitigen Gesamtbetrachtung des Produkts Batterie und deren Fertigung einfach an einem Punkt angelangt, an dem klassisches Cost-down by scaling-up nicht mehr so funktioniert, wie die Automobilbranche es gewohnt ist", sagt Bernhart. Vielleicht ließen sich noch rund zehn Prozent einsparen. Mehr Materialförderung bringe nicht mehr Gewinn, höhere Stückzahlen in den Zellfabriken auch nur marginal, denn man müsse weitere Fertigungslinien aufbauen. "Prozessinnovationen sind bereits eingepreist. In der Übersee-Logistik lässt sich noch etwas sparen", bringt der Berater ein. "Die kundennahen Zellfabriken sind eine gute Investition, es handelt sich vermutlich aber nur um ein Nullsummenspiel. Man spart hohe Transportkosten und Zollgebühren." Die bessere Versorgungssicherheit darf man noch einrechnen. Und Fortschritte in der Zellchemie werden mehr als kompensiert, durch Preissteigerungen bei Rohmaterialien.

Hohe Energiekosten einer Batteriezellfertigung senken

Können Batteriezellhersteller mit mehr Nachhaltigkeit punkten, beispielsweise mit energieeffizienteren Fabriken? Die hohen Energiekosten sollte man nicht vernachlässigen, sie haben aber keine bedeutende Auswirkung auf die Batteriepreise, rechnet Roland Berger vor. Es mache aber Sinn, Batteriezellfertigung an Standorten aufzubauen, an denen Strom durch Wasser-, Solar oder Windkraft regenerativ hergestellt wird. In Deutschland bieten sich beispielsweise die Küstenregionen an, was auch angedacht sei. Tesla setzt in den USA auf Solarenergie, andere Firmen ebenfalls. "Der enorme Energiebedarf dieser ja noch vergleichsweise jungen Automobilindustriesparte lässt sich künftig senken. Zahlreiche Forschungsprojekte beschäftigen sich unter anderem auch damit", relativiert Bernhart.

Batterierohstoffe sind ein wertvolles Gut

Mit technischen Innovationen und effektiveren Prozessen wird man wahrscheinliche Preiserhöhungen nicht kompensieren können, so lautet ein Zwischen-Fazit. Relativieren sich denn die hohen Batteriekosten, wenn man den Wert der Akkus in einer Kreislaufwirtschaft berechnet? "Im Kern geht es genau darum: den maximalen Vermögenswert aus einer Batterie, die als kostbares Gut gilt, über einen sehr langen Zeitraum, beispielsweise über 20 Jahre, zu nutzen und anschließend rohstoffseitig in einem Wertschöpfungskreislauf zu halten", erklärt der Berater. "So muss meiner Ansicht nach neu gerechnet und neu bewertet werden." Denn die Preise für die First-life-Batterie sollten nicht an den Erstkäufer eines Elektrofahrzeugs weitergegeben werden. 

Letzten Endes ginge es um bestmögliches Recycling vieler Materialien, nicht nur um Metalle, und hier werden mittlerweile dank neuster und weiterhin noch verbesserungsfähiger Verfahren sehr gute Ergebnisse erzielt. Unter sehr spezifischen Bedingungen und Anwendungsfällen macht die Zweit- und Drittverwertung von Batterien und Batteriezellen durchaus Sinn. Sie sind mit bis zu 80 Prozent Restkapazität längst noch nicht im End-of-Life angelangt. Eine der Denkansätze ist, die Batteriespezifikationen bereits von Beginn an für eine Zweitverwendung auszulegen, beispielsweise einen Kompromiss zwischen mobilem und späterem stationären Einsatzzweck zu finden. Ob und wo sich dies trägt, darüber kann man diskutieren. Batterien lassen sich zudem, wie wir es von Austauschmotoren kennen, aufbereiten und in älteren Fahrzeugen nochmals verbauen.

Battery-as-a-Service ist mehr als nur ein Batterie-Leasing

Die Batterie bleibt demzufolge im Besitz der Automobil- oder des Batterieherstellers. Doch worin liegt der Unterschied zum etablierten Batterieleasing, wenn Sie von Battery-as-a-Service sprechen? "Mit unserem Vorschlag des Geschäftsmodells Battery-as-a-Service ändert sich aus Kundensicht nicht viel, sagt Bernhart. Wie aus der Telekommunikation bekannt, wo Endkunden nicht das Telefon kaufen, sondern nur das bezahlen – oder Daten und Übertragungsgeschwindigkeiten – bezahlt der Elektroautobesitzer eine gewisse Energierate, die sich heute noch nach der Kilometerlaufleistung berechnet. "Vorstellbar sind auch andere Ansätze, auf die ich hier im Vorfeld meines Vortrags auf Ihrem Kongress nicht näher eingehen kann", erklärt der Berater. 

"Ein Battery-as-a-Service-Anbieter behält neben dem Eigentum auch die Kontrolle über den beschriebenen zirkulären Wertschöpfungsprozess und die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten." In diesem Zusammenhang seien vielseitige und wertschöpfende Applikationen vorstellbar – Ideen, die alle auf dem Zugriff auf die Batterie über den gesamten Lebenszyklus und die Auswertung von Real-time-Batteriedaten aufbauen: beispielsweise vorausschauende Wartungen und Austauschszenarien, geschütztes Laden und Entladen sowie Vehicle-to-grid-Anwendungen. "Mit den Möglichkeiten des Monitoren über den gesamten Lebenszyklus entstehen Lernkurven, die zum Beispiel bei der Weiterentwicklung von Batteriezellen und Batteriemanagement-Systemen hilfreich sind. Erste Ansätze hierfür wurden zum Beispiel von Bosch und SK Innovation angekündigt.

Fazit

Wenn der Wertschöpfungsanteil der Automobilhersteller im Energie- und Batteriesektor steigt, dann könnten auch die Batteriekosten signifikant sinken. Die anfänglich hohen Investitionen rechnen sich über einen längeren Zeitraum, das Geschäftsmodell Battery-as-a-Service könnte helfen, profitabel zu wirtschaften. Die Marktpreise für die Endkunden könnten signifikant sinken und somit weitere Anreize für Elektrofahrzeuge schaffen.

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