Skip to main content

22.06.2021 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Batterie-Recycling ist entscheidendes Zukunftsthema

verfasst von: Christoph Berger

6:30 Min. Lesedauer
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Mit Zunahme der Elektromobilität rückt das Batterierecycling immer mehr in den Fokus: Materialkreisläufe sollen geschlossen werden, Rohstoffe möglichst vollständig wiederverwertbar sein. Welche Verfahren stehen dafür derzeit zur Verfügung?

"Mit anhaltender Verkehrswende nimmt die Bedeutung von Lithium-Ionen-Batterien (LIB) in Zukunft stark zu. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sind einerseits die optimale und nachhaltige Nutzung vorhandener Ressourcen, andererseits das Schließen von Material-Kreisläufen durch geeignete und effiziente Recyclingverfahren unabdingbar." So werden in der Zusammenfassung des Fachbeitrags Lithium-Ionen-Batterien – Kreislaufwirtschaftliche Herausforderungen am Ende des Lebenszyklus und im Recycling in der Springer-Fachzeitschrift "BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte", Ausgabe 3/2021, die derzeitigen Herausforderungen hinsichtlich der LIBs zusammengefasst. 

Die Autoren legen zudem dar, dass im Zuge der aktuell stattfindenden Überarbeitung der Batterierichtlinie der EU davon auszugehen sei, dass die Recyclingquote für LIB erhöht werde. Im vorliegenden Richtlinien-Entwurf werde vorgeschlagen, 2025 beziehungsweise 2030 die aktuell für Lithium-Ionen-Batterien bei 50 % liegende Recyclingquote auf 65 oder 70 % anzuheben und um weitere Zielvorgaben auf elementarer Ebene zu ergänzen (90 bzw. 95 % für Kobalt, Nickel, Kupfer und 35 bzw. 70 % für Lithium). Damit würden sich auch die Anforderungen an bestehende und zukünftige Recyclingverfahren und der Druck, endlich den Brückenschlag zu einem geschlossenen Kreislaufsystem zu schaffen, indem aus Batterien wieder Batterien werden, erhöhen.

Empfehlung der Redaktion

2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Mobilität 2.0: elektrisch, sauber und intelligent

Der Klimawandel ist in vollem Gange. Um eine weitere globale Erwärmung zumindest zu verzögern, muss der CO2-Ausstoß in die Atmosphäre rigoros gedrückt und irgendwann ganz gestoppt werden. Ein wichtiger Baustein dafür ist eine nachhaltige Mobilität. Die funktioniert aber nur mit einer Verkehrswende, die sich nicht allein auf eine „Antriebswende“ beschränkt, bei der lediglich der Antriebsstrang im Fahrzeug ausgetauscht wird.

Dass der gesamte Batterie-Lebenszyklus verstärkt in den Fokus rückt, zeigt zudem das Ende 2018 vom Bundesforschungsministerium beschlossene Dachkonzept "Forschungsfabrik Batterie". Darin heißt es: "Die Beherrschung dieser Technologie entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Material über die Batteriezelle bis hin zum Batteriesystem für die jeweilige Anwendung und das entsprechende Recycling ist deshalb als vorrangiges politisches Ziel im aktuellen Koalitionsvertrag und in der Hightech-Strategie der Bundesregierung verankert." Angestrebt werde die vollständige Kompetenz entlang der Wertschöpfungskette inklusive der Kontrolle der Integrationsstufen von den Rohstoffen über Materialien und Batteriezellen weiter über das Batteriesystem bis hin zum Recycling mit Rückgewinnung der Rohstoffe.

Vermehrt wird auf mechanisches Recycling gesetzt

Formulierte und politisch gewollte Ziele gepaart mit Regulierungen sind die eine Seite, doch wie es tatsächlich um das End-to-End-Konzept entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Batterien in Deutschland bestellt – im Speziellen um deren Recycling? Immerhin, so die Autoren des Kapitels Mobilität 2.0: elektrisch, sauber und intelligent im Springer-Fachbuch "Mobilität der Zukunft", sei vor dem Hintergrund der Rohstoffknappheit das Recycling der Akkus das Zukunftsthema schlechthin. Ein Beispiel zu dieser Fragestellung liefert die im Januar 2021 von Volkswagen Group Components am Standort Salzgitter eröffnete und konzernweit erste Anlage für das Recycling von Hochvolt-Fahrzeugbatterien. Mit dem Pilotbetrieb will man wertvolle Rohmaterialien wie Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt im geschlossenen Kreislauf sowie Aluminium, Kupfer und Kunststoff mit einer Wiederverwertungs-Quote von perspektivisch mehr als 90 % industriell zurückgewinnen. Recycelt werden sollen dabei laut Unternehmensangaben nur Batterien, die nicht mehr anderweitig zum Beispiel in mobilen Energiespeichern wie der flexiblen Schnellladesäule oder dem mobilen Laderoboter verwendet werden können.

Die zu recycelnden Batterien werden dann nicht im Hochofen eingeschmolzen, sondern tiefenentladen und demontiert. Später werden die Einzelteile im Zerkleinerer zu Granulat zerrieben, das anschließend getrocknet wird. Dabei wird neben Aluminium, Kupfer und Kunststoffen vor allem das wertvolle "Schwarze Pulver" gewonnen, "das anschließend hydrometallurgisch in seine Bestandteile, also insbesondere Nickel, Mangan, Lithium und Kobalt getrennt wird", wie es im Kapitel Umwelteinflüsse des Springer-Fachbuchs "Grundlagen der Elektromobilität" beschrieben wird. Bei VW wird diese Aufgabe von spezialisierten Partnern übernommen.

Dauerhaft hohe Leistungsfähigkeit

Dieses mechanische Zerkleinerungsverfahren würde zwar potenziell höhere Recyclingquoten versprechen als der pyrometallurgische Ansatz, bei dem die Zellen bei hohen Temperaturen eingeschmolzen werden, sei aber grundsätzlich mit höheren Sicherheitsrisiken behaftet, und die Materialtrennung funktioniere bislang nur mäßig selektiv, heißt es vonseiten des Instituts für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM) am Karlsruher Institut für Technologie, KIT. Im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) neu geschaffenen Batterieforschungscluster "greenBatt" und "BattNutzung" simulieren Wissenschaftler des Instituts daher unter anderem hochaufgelöst einzelne Prozessparameter und Prozessketten des mechanischen Recyclings, vergleichen und optimieren sie, um ein wirtschaftlich tragfähiges, umweltschonendes und funktionserhaltenden Batterierecycling zu ermöglichen. Dabei berücksichtigen sie auch Ansätze wie Schockwellen, Ultraschallverfahren oder Nassmahlung, die eine hohe Materialselektivität, eine Erhaltung von Funktionsmaterialien und durch den Einsatz von Wasser auch eine hohe Sicherheit garantieren. Zukünftig könnten dann günstige Designmerkmale für Batterien direkt aus den Simulationsergebnissen abgeleitet werden, so das Ziel.

Am KIT wird zudem an einer dauerhaft hohen Leistungsfähigkeit der Batteriezellen gearbeitet. Auch durch sie könne der ökologische Fußabdruck von Anwendungen wie der Elektromobilität erheblich verringert werden. "Beim dauerhaften Laden und Entladen einer Batterie finden unweigerlich auch unerwünschte Seitenreaktionen statt", sagt Professor Hans Jürgen Seifert vom Institut für angewandte Materialien – angewandte Werkstoffphysik. "Wenn das ihr Verhalten nachteilig beeinflusst, spricht man von Degradation oder Alterung. Man kann sie nicht ganz verhindern, aber durch ein entsprechendes Zelldesign verzögern und abmildern." Seifert und sein Team analysieren die Zersetzungsmechanismen im besonders reaktiven Elektrolyt anhand der damit einhergehenden Gasbildung. Durchgeführt werden kalorimetrische Messungen, also die Bilanzierung von Wärmemengen im Betrieb einer Batterie sowie deren thermodynamische Modellierungen. Ziel des Projektes seien präzise Vorhersagen zum Zellverhalten bei der Nutzung, so Seifert: "Mit unseren Modellen können dann sichere und nachhaltige Batterien wissensbasiert entwickelt und zügig in den Markt gebracht werden."

Möglichst hohe Recyclingquoten

Im Kompetenzcluster zur Batteriezellproduktion "ProZell" werden im Projekt "Innovative Recyclingprozesse für neue Lithium-Zellgenerationen (InnoRec)" noch bis Ende September 2022 ebenfalls Pyrometallurgie und thermische Prozesse, die mechanische Aufbereitung, Flotation und Hydrometallurgie sowie Nutzbarmachung von Nebenprodukten und Prozessreststoffen, die Analytik, Materialcharakterisierung und Re-Synthese sowie die Entwicklung von Verfahrensansätzen zur Verwertung von ProZell-Zellen untersucht. Auch hier geht es um die bereits beschriebenen Ziele: die Weiterentwicklung der Recyclingprozesse von der mechanischen Zellzerlegung, der thermischen und der pyrometallurgischen Behandlung über die Materialtrennung bis zur Veredelung von Konzentraten zu Qualitäten, die wieder der Zell-/Batterieproduktion zugeführt werden können, um die Entwicklung beziehungsweise Adaption der Prozessrouten für unterschiedliche Inputströme unter Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Effekte und der Erreichung möglichst hoher Recyclingquoten unter Einschluss der Betrachtung von Prozessreststoffen und Nebenprodukten sowie die Charakterisierung und Re-Synthese von Batterie-Sekundärrohstoffen für den erneuten Einsatz in der Batterieproduktion.

Wissenschaftler der Aalto University in Finnland untersuchen derzeit Alternativen zum Einschmelzen und Zerkleinern. Im Rahmen einer ersten Studie haben sie herausgefunden, dass Elektroden in Lithiumbatterien, die Kobalt enthalten, wiederverwendet werden können, nachdem sie neu mit Lithium gesättigt wurden. Denn: Eine der Hauptursachen für die Verschlechterung der Batterie sei die Erschöpfung des Lithiums im Elektrodenmaterial. Indem man das verbrauchte Lithium in der Elektrode durch ein in der Industrie übliches Elektrolyseverfahren auffülle, könne die Kobaltverbindung direkt wiederverwendet werden, so der Ansatz. Die bisherigen Ergebnisse würden zeigen, dass die Leistung von Elektroden, die frisch mit Lithium gesättigt worden seien, fast genauso gut wie die von solchen aus neuem Material sind.

Die Zeit drängt

Dass die Zeit drückt, bei all den Herausforderungen zu Lösungen zu kommen, zeigt eine jüngst vom Verband autoregion e.V. veröffentlichte Meldung. Der zufolge ist der Entsorgungs- und Recyclingmarkt für ausrangierte Fahrzeugbatterien in Deutschland noch nicht auf die sie zulaufende Welle vorbereitet – 2021 würden die beiden größten Entsorger in Deutschland bereits mit einem Aufkommen von über 5.000 t Akkus aus Elektrofahrzeugen rechnen. "Der Aufbau von Recyclingkapazitäten für ausrangierte Antriebsbatterien für Elektrofahrzeuge kommt in Deutschland viel zu schleppend voran. Wir müssen beim Aufbau von Entsorgungs- und Recyclinganlagen jetzt und nicht erst in fünf oder zehn Jahren richtig Gas geben", fordert Armin Gehl, Geschäftsführer des Verbandes.

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Open Access 2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Exemplarische Anwendung

Quelle:
Recycling – ein Mittel zu welchem Zweck?

2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Umwelteinflüsse

Quelle:
Grundlagen der Elektromobilität

Open Access 2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Wie Industrieproduktion nachhaltig gestaltet werden kann

Quelle:
Klima

Das könnte Sie auch interessieren

08.03.2021 | Batterie | Nachricht | Online-Artikel

Neue Forschungsprojekte zum Batterierecycling

18.02.2021 | Batterie | Fragen + Antworten | Online-Artikel

Faktencheck Elektroauto-Batterien

    Premium Partner