Enorme Reichweiten und keine Brandgefahr versprechen die Hersteller von Feststoffbatterien. Während nun die US-Amerikaner und China große Erfolge auf dem Gebiet vermelden, wartet Deutschland mit einer schlechten Nachricht auf.
Festkörperbatterie
RareStock / Stock.adobe.com
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre auf dem Gebiet der Akkumulatoren haben eindrucksvoll gezeigt, wie viel Potenzial der batterieelektrische Antrieb hat. Reichweiten von über 600 km mit einer Energieladung sind derzeit keine Seltenheit – so muss der aktuelle ID.7 mit dem 86-kWh-Akku von Volkswagen laut Hersteller erst nach 709 km (WLTP) geladen werden. Der Reichweitenangst einer besorgten Kundschaft ist damit der Schrecken genommen – auch dank immer besserer Werte der Energiedichte der verbauten Traktionsbatterie. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre konnte diese von 140 Wh/kg (2014) auf 300 Wh/kg gesteigert werden. Und das mit der Lithium-Ionen-Technik.
Laut einer Schätzung des Volkswagen-Konzerns sollen ab 2030 sogar 350 Wh/kg für die Elektromobilität zur Verfügung stehen. An dieser Stelle muss allerdings erwähnt werden, dass bereits Ende des vergangenen Jahres der CEO von Nio mit dem ET7 eine Fahrt von Shanghai nach Xiamen (1.044 km) unternahm. An Bord ein Akkumulator von Welion Co. Ltd mit einer Energiedichte von 360 Wh/kg – der bisher höchste Wert für die Massenproduktion. Etwa ein halbes Jahr später gelang es Wissenschaftlern des Institute of Physics (IOP), die neben Nio an dem Akku geforscht haben, eine wiederaufladbare Lithium-Batterie in Taschenform zu entwickeln, die mit einer Energiedichte von 711 Wh/kg einen beeindruckenden Rekord aufweist.
Feststoffbatterie: vom Labor auf die Überholspur?
Trotz dieser enormen Fortschritte drängt sich die dennoch Frage auf, ob die Lithium-Ionen-Technik eine Zukunft in der Elektromobilität hat. Und ob die in einigen Belangen vorteilhaftere Feststoffbatterie für die Antriebswende besser geeignet ist. Immerhin verfügt die Solid-State-Batterie über eine Reihe an Vorteilen, die schon manchen Automobilhersteller überzeugt haben – darunter die deutschen OEMs BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen. Eigenen Angaben zufolge planen etwa die Wolfsburger mit dem US-Unternehmen QuantumScape, eine Feststoffbatterie zu entwickeln, die ab 2026 in die Serienproduktion gehen soll.
Und BMW will mit Solid Power die Industrialisierung von Feststoffbatterien vorantreiben und im kommenden Jahr erste Demofahrzeuge damit ausstatten. Mercedes hingegen ist mit dem Vision EQXX bereits auf der Straße. Der Technologieträger konnte vor Kurzem eine über 1.000 km weite Fahrt mit nur einer Ladung bewältigen. Das will Toyota überbieten und kündigt für 2027 an, eine Feststoffbatterie auf den Markt zu bringen, die eine Reichweite von bis zu 1.200 km ermöglichen soll. Zu erwähnen sind noch Nissan, Ford, Nio und vor allem aber MG.
Der Langstrecken-Akkumulator
Denn vor wenigen Wochen hat der stellvertretende Generaldirektor von SAIC Passenger Vehicles, Yu Jingmin, zu der die Marke MG gehört, auf der Chengdu Motor Show angekündigt, schon im kommenden Jahr ein Fahrzeug mit Feststoffbatterie auf den Markt bringen zu wollen. Ein Jahr früher als bisher beabsichtigt. Der Vorstoß dürfte unternehmensstrategisch begründet sein: Die Asiaten planen, die Fertigung zu steigern, um dadurch Skaleneffekte nutzen zu können. So erhofft sich SAIC einen Kostenvorteil bei Festkörperbatterien gegenüber aktuellen Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) von etwa 30 %. Für eine Demokratisierung der Elektromobilität ein wichtiger Schritt.
Auch im europäischen Raum bemüht sich die Forschung um eine signifikante Reduzierung der Kosten pro kWh. So gelang es soeben dem Konsortium Solidify, eine Lithium-Metall-Batterie mit einem festen Elektrolyten zu entwickeln – mit der Besonderheit, dass das Konzept auf einem festen Nanokompositelektrolyten basiert. Laut Angaben des Konsortiums wird es "durch eine Sol-Gel-Reaktion hergestellt, die vorteilhaft für einen Flüssig-zu-Feststoff-Ansatz bei der Herstellung der Verbundkathode und des Festelektrolytseparators verwendet wird".
Wie weit die Forschung und Entwicklung von Feststoffbatteriezellen ist, hat das Fraunhofer ISI zusammengestellt.
Fraunhofer ISI
Höhere Energiedichte für geringere Kosten
So möchte man eine Zielenergiedichte von 1.200 Wh/L (400 Wh/kg) in 20 min Ladezeit erreichen. Zwar müssen die Konsortium-Partner noch etliche Schwachstellen, wie die mechanische Festigkeit und die Kathodenimprägnierung, beheben. Sollte dies aber gelingen, wäre eine kWh für unter 150 Euro möglich. Nissan sieht sogar einen Preis von rund 75 US-Dollar pro kWh machbar – bis 2028. Neben der möglichen günstigeren Kosten pro kWh erhofft sich die Automobilbranche von der Feststoffbatterie weitere Vorteile. Eine Zusammenfassung hat Christiane Köllner in Das müssen Sie zu Feststoffbatterien wissen wissen veröffentlicht.
Erwähnt wird in dem Beitrag allerdings auch, dass unter anderem die sogenannte Dendrit-Bildung die Lebensdauer einschränkt. Im Fokus der Forschung stehen damit die wesentlichen Bestandteile wie das Anodenmaterial. Forschungslabors, vor allem in den Vereinigten Staaten und in Asien, arbeiten mit Hochdruck an Lösungen. Eine Lösung scheint dabei in unmittelbarer Reichweite: So vermittelt es zumindest der Forschungsartikel, die mehrere Autoren der University of Science and Technology of China (USTC) im Juni 2024 in der Zeitschrift Angewandte Chemie publiziert haben.
Hängen die USA und China Deutschland ab?
Entwickelt wurde dort ein LPSO-Festelektrolyt (Li7 P3 S7,5 O3,5), bei der für die Synthese "dieses Materials das teure Li2S nicht benötigt wird". Dem Forscherteam zufolge betragen die Rohstoffkosten "nur 14,42 US-Dollar/kg – was anders als bei den meisten Festelektrolyten unter der Kommerzialisierungsschwelle von 50 US-Dollar/kg liegt". Zur selben Zeit etwa gelang es dem US-amerikanischen Unternehmen Adden Energy, eine All-Solid-State-Pouch-Cell-Batterie (ASSB) mit Lithiummetallanoden und hochnickelhaltigen NMC-Kathoden zu entwickeln. Damit sind Energiedichten von über 500 Wh/kg möglich. Laut Luhan Ye, CTO von Adden Energy ermöglichen die "porösen Anodentechnologien hohe Kathodenladungen von über 4 mAh/cm2 und die Multielektrolyt-Separatoren verhindern die Dendritenbildung selbst bei so hohen Stromdichten vollständig".
Damit sind Feststoffbatterien "wenn man es richtig macht, die lohnendsten Möglichkeiten der Energiespeicherung", so Xin Li, Mitbegründer und Vorsitzender von Adden Energy. Auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) sieht in SSB-Batterien erhebliches Potenzial für die Elektromobilität. Allerdings bleibt deren Ansicht nach "die Roadmap für die breitere Einführung von SSB-Batterien in Elektrofahrzeugen weiterhin spekulativ". So zumindest war der Wissensstand im Juni 2024.
Die Überlegenheit chinesischer Hersteller bei der Forschung und Produktion von Feststoffbatterien ist beeindruckend.
Fraunhofer ISI
Deutschland kürzt bei der Batterieforschung
Eine weitere Erkenntnis der Fraunhofer-Forscher hingegen ist noch beunruhigender. Ein Blick in die Publikationen "der vergangenen fünf Jahre, die den Begriff Solid State Batteries enthalten" offenbart, dass aktuell China die Erforschung und Entwicklung von SSB-Batterien dominiert. Die größte Anzahl von Publikationen stammt von chinesischen Autorinnen und Autoren (55 %), gefolgt von Nordamerika (16 %), Europa (14 %) und Asien (14 %). Während sich US-amerikanische Forschungslabors bemühen, den Rückstand zu Forschung und Entwicklung aufzuholen, plant das FDP-geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Förderung für Batterieforschung einzustellen.
Laut des BMBF werden rund 30 % der öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der Batterietechnologie in Deutschland gefördert – das sind über 150 Millionen Euro jährlich, mit denen der Aufbau von Forschungskapazitäten an Universitäten und Instituten finanziert wird. "Ein Angriff auf die Wettbewerbsfähigkeit" sei dies. So erklärt es Kai-Christian Möller, der für die Batterie-Allianz der Fraunhofer-Institute arbeitet. Heftige Kritik kommt deshalb auch vom Verband der Automobilindustrie (VDA). So wird die VDA-Präsidentin Hildegard Müller zitiert, dass dies ein "Widerspruch zwischen den gesetzten Zielen und der tatsächlichen Politik" sei.