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24.01.2019 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Warum Deutschland bei der Batteriezellfertigung aufholen muss

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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100 Milliarden Euro müsste die europäische Industrie investieren, um langfristig im Batteriezellgeschäft erfolgreich zu sein. Die Zeit drängt. Denn aktuell läuft China Europa den Rang ab. 

Will Deutschland langfristig im Batteriezellgeschäft mitmischen, dann muss es massiv und schnell in die produktionsnahe Forschung und Entwicklung sowie den Aufbau von Humankapital investieren. Das ist das Ergebnis des Energiespeicher-Monitorings 2018 des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI). Mittelfristig seien für eine wettbewerbsfähige Produktion rund zehn Milliarden, langfristig "Beträge im 100-Milliarden-Euro-Bereich" nötig, so das Fraunhofer ISI. Das seit 2014 zweijährig erscheinende Monitoring vergleicht die Positionierung von Japan, Südkorea, China, USA, Deutschland und Frankreich mittels 30 Indikatoren zu Kategorien wie Nachfrage, Marktstrukturen, Industrie sowie Forschung und Technologie insbesondere im Bereich der Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterien für Elektro-Pkw. 

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01.10.2018 | Titelthema

Zukunft Lithium-Ionen-Akku Bewertungsmaßstäbe auf dem Prüfstand

Wie lassen sich Energiedichten von Traktionsbatterien weiter erhöhen? Bei der Beantwortung und unterschiedlichen Argumentationen lassen sich einige Missverständnisse und Fehlinterpretationen erkennen. Doch genau dieses Spannungsfeld eignet sich ideal, um die Richtungen der zukünftigen Zellforschungen auszuloten und heutige Batteriesysteme und Zelltechnologien besser zu beurteilen.

Laut dem Monitoring konnte Deutschland seine Position zwar stabilisieren, die Dynamik lasse wie bei allen untersuchten Ländern jedoch nach – mit Ausnahme Chinas, das seine Führungsposition weiter ausbaue. Dem deutschen beziehungsweise europäischen Batteriestandort geben die Forscher nur noch bis etwa 2025 Zeit, um eine wettbewerbsfähige Zellfertigung aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt werde der "Tipping Point" der Elektromobilität – also der Übergang vom Nischen- in den Massenmarkt – voraussichtlich erreicht sein. 

Argumente für eine eigene Li-Ionen-Zellproduktion

Die Batteriezelle gilt als Herzstück des Auto-Akkus. Derzeit kaufen Volkswagen, Daimler und BMW die Zellen aber in Asien und bauen diese dann selbst zu Akkus für ihre Elektrofahrzeuge zusammen. Dabei ist die Batteriezelle mit rund 70 Prozent Kern der Wertschöpfung. Künftig soll dieser Wert noch steigen, prognostiziert Kai Peter Birke von der Universität Stuttgart im Artikel Zukunft Lithium-Ionen-Akku – Bewertungsmaßstäbe auf dem Prüfstand aus der ATZelektronik 5/2018. "Abgesehen von der Abhängigkeit der Qualität zugelieferter Zellen, mag dies eines der wesentlichen Argumente dafür sein, eine in Deutschland und von Deutschen entwickelte Zellproduktion anzustreben", so Birke. Für Eigenentwicklungen der deutschen Industrie sprächen auch, dass ein Zukauf von Zellen immer einen Kostennachteil bedeute und Zell-Know-how nicht leichtfertig aus der Hand gegeben werden sollte. 

China forciert wie kein anderes Land die Elektromobilität

Indes hat sich China laut Studie zwischen 2016 und 2018 zum Leitanbieter für Batterien und zum Leitmarkt für Batterien und Elektromobilität entwickelt. Zurückzuführen sei der Erfolg auf eine hohe politisch induzierte Binnennachfrage sowie den gleichzeitigen strategischen Auf- und Ausbau der kompletten Wertschöpfungskette. Wie kein anderes Land der Welt forciert China die Elektromobilität. Mit Subventionen und Quoten sollen Elektroautos zum Massenprodukt werden. Eine große Modellvielfalt und niedrige lokale Produktionskosten tragen zu Chinas Spitzenposition bei. Auch kann Chinas Automobilindustrie auf einen schier unerschöpflichen Pool sehr gut ausgebildeter Ingenieure zurückgreifen, wie Andreas Burkert im Report Elektromobilität – Chinas Weg zum Klassenbesten aus der MTZ 1-2018 erläutert. 

Dr. Axel Thielmann, der die Monitoring-Studie am Fraunhofer ISI leitete, erklärt: "Deutschland konnte seine Position zwischen 2014 und 2018 insgesamt, aber auch in den vier einzelnen Kategorien Nachfrage, Marktstrukturen, Forschung und Technologie sowie Industrie zwar halten – genau wie Frankreich. Beide Länder liegen dennoch auf den hinteren Plätzen, obwohl die globale Batterienachfrage gerade in den kommenden Jahren drastisch steigen wird." Gegen 2025 dürfte sie laut Thielmann bei 1 bis 1,5 Terawattstunden und um 2030 bereits bei drei bis sechs Terawattstunden liegen. Da diese Nachfrage alleine durch Hersteller von Elektroautos generiert werde, die rein batteriebetriebene Elektrofahrzeuge beziehungsweise Plug-in-Hybride herstellen, könnten sich die markt-/nachfrage-seitigen Indikatoren für Deutschland beziehungsweise Europa bei einer weiterhin starken Automobilindustrie in den kommenden Jahren verbessern. 

Jedoch müssten europäische Zulieferer und Zellhersteller jetzt reagieren – denn aktuell seien es die asiatischen Zellhersteller aus China, Japan und Korea, die ihre Zellfertigungskapazitäten in Europa ausbauen. Sie planen laut Studie, die derzeitige Kapazität von über zehn Gigawattstunden in den kommenden Jahren an mehreren europäischen Standorten auf insgesamt 60 bis 100 Gigawattstunden auszubauen.

Probleme beim Aufbau einer europäischen Zellfertigung 

Der Aufbau einer deutschen beziehungsweise europäischen Zellfertigung hat sich in den letzten Jahren dagegen mehrfach verzögert. Deutschland verfügt über keine signifikante Zellproduktion – auch wenn der chinesische Batteriehersteller CATL im Juli 2018 angekündigt hat, ab Ende 2019 auch in Thüringen zu produzieren. Bei den Automobilzulieferern deutet Continental Interesse am Aufbau einer Zellproduktion an – für Festkörperzellen. Der Konkurrent Bosch hat seine Pläne zur Fertigung von Batteriezellen aufgegeben. Daneben gibt es mehrere europäische Konsortien, die eine Zellfertigung anstreben. Glaubt man Medienberichten, dann soll der Autobauer VW offenbar die Beteiligung an einer Batteriezellfertigung prüfen.

Die Bemühungen seitens der Europäer muten somit eher zaghaft an. Dabei warnt die Monitoring-Studie: "Ein reines 'Halten der Position' in dem bevorstehenden Wachstumsmarkt wird in Zukunft nicht ausreichen". Langfristig könnte das sogar ein Aus für den deutschen beziehungsweise europäischen Batteriestandort bedeuten. So finde ein großer Teil der Batterie-Wertschöpfung schon heute im Ausland statt. Allerdings: 

Deutschland hat nur ein Defizit bei der Massenproduktion von Zellen, nicht aber im Know-how der Zellforschung und des Zelldesigns, des Maschinenbaus, ebenso nicht bei anderen Bestandteilen der Zellwertschöpfungskette", ergänzt Springer-Autor Birke. 

Das bestätigt auch die Monitoring-Studie: Bei der Systemintegration von Batteriezellen sei Deutschland besser positioniert, da sich die OEM und ihre Zulieferer auf die Modul- und Packherstellung sowie deren Fahrzeugintegration konzentrierten. Neuer Schwung in puncto Zellfertigung kam Ende vergangenen Jahres auch von der Bundesregierung: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verkündete, dass in seinem Haushalt 2019 eine Milliarde Euro bis zum Jahr 2022 für die Unterstützung von Konsortien, die eine Batteriezellfertigung aufbauen wollen, eingestellt seien. Ein positiver Impuls, den das Elektroauto gebrauchen kann. Denn neben der Herausforderung Zellfertigung gibt es noch etliche Hürden zu bewältigen – etwa bei der Batterie- und Fahrzeugentwicklung (Reichweite, Schnellladen, Kostenreduktion etc.), dem Fahrzeugmodellangebot und der Ladeinfrastruktur sowie dem Aufbau einer nachhaltigen Batteriekreislaufwirtschaft.

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