Festkörperbatterien werden schon länger als die nächste große Energiespeicher-Entwicklung gehandelt. Doch deren Produzierbarkeit ist offenbar schwieriger als gedacht – und eine Hürde für die Kommerzialisierung.
Festkörperbatterien, auch Feststoffbatterien genannt, verwenden einen festen und keinen flüssigen Elektrolyt wie die etablierten Lithium-Ionen-Batterien.
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Der chinesische Elektroautobauer Nio hat Ende 2023 als erster eine serienreife Semi-Solid-State-Batterie (SSB) vorgestellt. Wie Springer-Autor Martin Doppelbauer im Buchkapitel Energiespeicher angibt, wird die 150-kWh-Semi-Solid-State-Batterie des Nio ET7 vom chinesischen Batteriehersteller WeLion New Energy Technology entwickelt und produziert. Das Akkupaket wiegt 575 kg und hat eine Energiedichte von 360 Wh/kg, "rund ein Drittel mehr als die besten bisherigen Akkupakete", laut Doppelbauer. Bei Abmessungen von 2,062 × 1,539 × 0,186 m beträgt die volumetrische Energiedichte des Packs 0,25 kWh pro l, so der Autor, "ebenfalls ein neuer Rekord", wie er schreibt.
Jedoch ist die Batterie aktuell noch teuer. Nio gibt die Herstellungskosten für das gesamte Pack mit rund 42.000 US-Dollar an. Das entspreche, so Doppelbauer, einem Zellpreis von rund 180 US-Dollar pro kWh – etwa doppelt so viel wie bei den heute üblichen Zellen.
Festkörperbatterien: Pro und Contra
Als Festkörperbatterien (englisch Solid-State-Battery) werden Batterien mit Festkörperelektrolyt bezeichnet. "Es handelt sich hierbei nicht um einen grundlegend neuen Typus von Batterie, sondern um eine Variante des Lithium-Ionen-Akkus", erklärt Autor Doppelbauer. Festkörperelektrolyte sollen die Ionenleitfähigkeit in einem nicht flüssigen Feststoff bereitstellen.
Vorteilhaft seien laut Doppelbauer die Robustheit, eine lange Lebensdauer auch bei einer großen Zahl von Lade-/Entladezyklen und die hohe Lagerfähigkeit. "Auch ist die Sicherheit höher, denn anders als flüssige Elektrolyte sind die Festkörper kaum entflammbar, außerdem können sich keine Dendriten bilden und Kurzschlüsse verursachen", so der Autor weiter. Prototypische Festkörperbatterien würden heute schon Energiedichten über 400 Wh/kg erreichen. Mittelfristig seien 500 Wh/kg und mehr realistisch.
Doch es gibt auch noch Herausforderungen. "Nachteilig von Festkörperelektrolyten sind die geringere Ionenleitfähigkeit sowie die derzeit noch hohen Herstellkosten", so Doppelbauer. Speziell der Übergang der Festkörper-Festkörper-Grenzflächen mache Probleme, so der Autor, weil hohe Ströme nur schlecht übertragen werden könnten. Die Ionenleitfähigkeit der meisten Glas-Keramik-Elektrolyten sei ebenfalls noch zu gering für einen Serieneinsatz. Eine Lösung könne darin bestehen, den Elektrolyten als pastöse Masse aufzutragen, die erst nach der Fertigung der Zelle aushärtet.
Innovative Herstellungsverfahren notwendig
Auch eine aktuelle Konsortialstudie des Lehrstuhls "Production Engineering of E-Mobility Components" (PEM) der RWTH Aachen zur künftigen Herstellung neuartiger Festkörperbatterien in Europa macht aktuelle Herausforderungen deutlich. Zwar seien nach "jahrelanger Grundlagenforschung zu den leistungsfähigsten Festkörperelektrolyten [...] die wichtigsten Materialfragen inzwischen weitgehend geklärt", sagt PEM-Leiter Professor Achim Kampker. Doch jetzt stehe "die Notwendigkeit innovativer Herstellungsverfahren und ihrer Skalierbarkeit im Mittelpunkt, denn bis zu 60 % des aktuellen Produktionslayouts für Lithium-Batterien müssen möglicherweise in erheblichem Maße geändert werden".
Umsatzpotenzial 2035 bei 550 Milliarden Euro
Der Konsortialstudie zufolge würden aktuell weltweit Partnerschaften zur Kommerzialisierung von Festkörperbatterien entstehen, die jeweils eigene Ansätze verfolgten. "Während man sich in Europa und den USA hauptsächlich auf Polymer- und Hybrid-Elektrolytsysteme konzentrierte, würden in Asien und dort vor allem in China zunehmend sulfidbasierte Systeme erforscht", heißt es von den Forschern.
Bis 2035 könnten Festkörperbatterien mit einer potenziellen Gesamtleistung von bis zu 1.200 GWh bereits einen bedeutenden Anteil am globalen Batteriemarkt ausmachen, sagt Kampker: "Das Umsatzpotenzial liegt dann voraussichtlich bei 550 Milliarden Euro, so dass selbst ein kleiner Anteil daran sehr attraktiv ist." Dafür würden die Hersteller allerdings innovative und skalierbare Anlagentechnik benötigen.
Produzierbarkeit ist Herausforderung für die Kommerzialisierung
Die Studie legt indessen vielfältige Herausforderungen in der Produktionskette offen. "So seien neuartige Verarbeitungsmethoden zur Herstellung dünner und dichter Schichten für Festkörperelektrolyte und Lithium-Metall notwendig, und es müsse geprüft werden, inwiefern Trockenbeschichtungsansätze aus der aktuellen Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien auch auf die Fertigung von Festkörperelektrolyten übertragbar sind", heißt es.
Auch gelte es, "Wärmebehandlungsschritte vor allem für keramikbasierte Festkörperelektrolyte zu optimieren, und bei Elektrodenstapeln müsse für Grenzflächen mit geringem Widerstand für eine optimale Ionenleitung der Festkörper gesorgt werden", heißt es. Darüber hinaus wären maßgeschneiderte Produktionsprozesse für neue Hybridzellenformate notwendig, die Pouch- mit prismatischen Designs kombinieren, und bipolare Zellstapel würden künftig die Zellmontage sowie die Formierungsprozesse beeinflussen.
Zunächst nur in Luxusfahrzeugen
Nichtsdestotrotz befassen sich viele Hersteller und Forschungsgruppen mit der Festkörperbatterie. Einige Automobilhersteller haben die Einführung von Festkörperbatterien in den nächsten Jahren angekündigt. So will Nissan 2028 ein Elektrofahrzeug mit selbst entwickelten Feststoffbatterien auf den Markt bringen. Konkurrent Toyota will die Kommerzialisierung der Technologie bis 2027/2028 vorantreiben. Doch Springer-Autor Doppelbauer dämpft erst einmal die Erwartungen hinsichtlich eines breiten Einsatzes: "Aufgrund der höheren Herstellungskosten werden sie jedoch zunächst im Segment der Luxusfahrzeuge eingesetzt werden".