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11.07.2024 | Batterie | Kompakt erklärt | Online-Artikel

So steigern Siliziumanoden die Energiedichte von Li-Batterien

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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An der Anode von Lithium-Ionen-Batterien kommt bislang fast nur Graphit zum Einsatz – aber das Material hat Nachteile. Daher wird der Graphitanode immer mehr Silizium beigemischt. Doch das bringt neue Probleme mit sich. 

Die Siliziumanode ist ein vielversprechendes Materialkonzept für die Lithium-Ionen-Batterie.


Um die Reichweite von Elektrofahrzeugen zu steigern, muss die Energiedichte von Lithium-Ionen-Batterien erhöht werden. Dabei richtet sich der Fokus insbesondere auf die Energiedichte pro Volumeneinheit, da der Raum im Fahrzeug begrenzt ist. Um dies zu erreichen, können die aktuell verwendeten Graphitanoden durch Silizium ersetzt werden. Die Idee dahinter: Siliziumanoden können eine größere Anzahl an Lithium-Ionen pro Gewicht und Volumen speichern. Das Potenzial dieser Substitution ist groß, die Herausforderungen allerdings auch.

Derzeit wird in den Anoden die Kohlenstoffverbindung Graphit (C) als aktives Material verwendet, "im Schnitt etwa 60 kg pro Auto", wie Vincent Pluvinage, CEO bei OneD Battery Sciences, im Gastkommentar Siliziumanoden in Elektrofahrzeugbatterien aus der ATZelektronik 6-2024 erklärt. Materialforscher und Automobilindustrie arbeiten allerdings daran, das zu ändern. Denn Graphit ist schwer und begrenzt die Ladegeschwindigkeit. Daher wird seit "2019 [...] dem Graphit bei einer kleinen, aber wachsenden Zahl von EV-Modellen eine geringe Menge Silizium (Si) zugesetzt", so Pluvinage. 

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01.06.2024 | Gastkommentar

Siliziumanoden in Elektrofahrzeugbatterien

In Antriebsbatterien für Elektrofahrzeuge (EV) kommen zur Speicherung der Energie Lithium(Li)-Ionen-Zellen zur Anwendung. Aktuell wird in den Anoden Graphit (C) als aktives Material verwendet, im Schnitt etwa 60 kg pro Auto. Seit 2019 wird dem Graphit bei einer kleinen, aber wachsenden Zahl von EV-Modellen eine geringe Menge Silizium (Si) zugesetzt. Warum Silizium?

Siliziumanode verbessert Energiedichte 

Die Wahl fällt auf Silizium, da es einige Vorteile bietet. "Es bildet mit Lithium eine Legierung und jedes Si-Atom lagert bis zu 3,75 Lithium-Atome ein. Bei Graphit hingegen lagern sechs Atome lediglich ein Li-Atom ein. Da jedes Lithium-Ion (Li+) ein Elektron (e-) bindet und das Atomgewicht von Si 2,33 mal höher ist als das von C, ist die speicherbare Elektronenzahl pro kg einer Siliziumanode um Faktor 9,64 höher als bei Graphit [9,64 = (3,75 * 6)/2,33]", macht Pluvinage deutlich.

Konkret bedeutet das: Wird Silizium in der Anode verwendet, lässt sich theoretisch zehnmal mehr Energie speichern als mit reinem Graphit, fasst Pluvinage zusammen. "Somit können das Gewicht der Zelle und die Dicke der Anodenelektroden verringert werden". Zudem könne Silizium schnelleres Laden und Entladen sowie eine höhere Energiespeicherkapazität über einen größeren Temperaturbereich bieten. "Die höhere Energiedichte führt zu einem längeren Batterielebenszyklus", erklärt Dr. Stefan Bergold, General Manager von Farasis Energy Europe, im MTZ-Interview "Die Zahl der unterschiedlichen Zellchemien wird weiter wachsen". Hinzu käme, so Bergold, dass Silizium relativ günstig und leicht verfügbar sei. Laut Dr. Stefanie Edelberg, Fachprojektingenieurin Batteriezelle bei Porsche Engineering wären "Zellen mit hoher Schnellladefähigkeit machbar, die sich in weniger als 15 Minuten von 5 auf 80 Prozent aufladen lassen".

Nachteil Volumenausdehnung

Doch es gibt Hürden. Dazu gehört etwa die Volumenausdehnung während der Lithiumeinlagerung, die bislang die kommerzielle Anwendung von siliziumbasierten Anoden verhindert hat. Mit reinen Siliziumanoden zeige die Zelle "eine verstärkte Volumenzu- und -abnahme beim Laden und Entladen, denn die Siliziumpartikel dehnen sich bei der Aufnahme von Lithium um bis zu 300 % aus", erklärt Richard Backhaus im Artikel Zellentwicklungen für die Batterien künftiger Elektrofahrzeuge. Dieser Atmen (Breathing) genannte Effekt führt zu einer erhöhten mechanischen Beanspruchung und gegebenenfalls zu Zelldefekten. Letztendlich leidet darunter die Lebensdauer des Akkus.

Als Kompromiss werde dem Graphit Silizium zugemischt, "um die Leistungsfähigkeit etwas zu steigern, ohne zu starke Breathing-Effekte in Kauf nehmen zu müssen", so Backhaus. Die Kompositstrukturen aus Silizium und Kohlenstoff schmälern aber wiederum die positiven Aspekte des Siliziums. Aktuelle Entwicklungen zielen daher darauf ab, den Siliziumanteil gegenüber Graphit zu erhöhen. Folgende Siliziumderivate und Klassen von siliziumbasierten Materialien gewinnen an Bedeutung:

  • Siliziumderivate wie Siliziumoxide kommen in der Zelltechnik bereits zum Einsatz. "Um zu verhindern, dass die mikroskopisch kleinen Siliziumpartikel auseinanderbrechen, wird Sauerstoff verwendet. Die Sauerstoffatome verbinden sich mit den Siliziumatomen zu Siliziummonoxid (SiO)", so OneD-Battery-Sciences-CEO Pluvinage. Nachteil: Die Sauerstoffatome verursachen zusätzliche Kosten und verringern den Wirkungsgrad.
  • Als Alternative lässt sich Silizium in Nano- statt in Mikrometergröße verwenden. "Durch die Verringerung der Größe des Siliziums um zwei Größenordnungen befinden sich mehr Si-Atome in der Nähe der Oberfläche als im Inneren des Kerns, was die mechanische Belastung verringert", erklärt Pluvinage. Nachteil: Ein zu großer Teil des flüssigen Elektrolyts in den Zellen zerfällt chemisch. 
  • Die Lösung dieses Problems soll "die Siliziumtechnologie der zweiten Generation" bieten, wie Pluvinage im Gastkommentar schreibt. Diese kombiniere das Nano-Silizium mit einem porösen Kohlenstoffsubstrat als dessen Träger. Die Prozesse dahinter sind aber sehr teuer und erzeugen viel CO2.
  • Eine weitere Option ist, Nano-Silizium mit geeignetem Naturgraphit zu kombinieren. Vorteil: weniger produziertes CO2, geringere Fertigungskosten. Laut Pluvinage ist diese Variante "für den Bau erschwinglicher BEV" als "attraktive Technologie" geeignet.

Klar wird damit: Die "Komplexität einer siliziumbasierten Anode, insbesondere mit Siliziumanteilen >>30 % (einer sogenannten siliziumdominanten Anode) [übersteigt] die Komplexität einer grafitbasierten Anode bei Weitem", betont Mercedes-Benz im Artikel Zellchemieentwicklung für Traktionsbatterien bei Mercedes-Benz aus der MTZ 7-8-2024. Dies betreffe nicht nur die Komposition der einzelnen Elektrodenkomponenten, sondern ebenfalls den Herstellungsprozess der Anode.

OEM setzen auf immer mehr Silizium in der Anode

Nichtsdestotrotz zielt die Strategie mehrerer OEM auf den Einsatz von immer mehr Silizium in der Anode ab. So setzt die Tübinger Cellforce Group, an der Porsche beteiligt ist, auf Silizium als Anodenmaterial, wie Dr.-Ing. Michael Steiner im Artikel Sportwagen von Porsche - Innovationen als Tradition aus der ATZ 7-8-2023 erklärt. Porsche arbeitet an Anoden mit sehr hohen Silizium-Anteilen von bis zu 80 %. Das Anodenmaterial bezieht Porsche von US-amerikanischen Unternehmen Group14 Technologies, an der Porsche ebenfalls beteiligt ist. 

Wie APL im Buchkapitel Wie Cell-to-Pack-Systeme den Batterieentwicklungsprozess verändern und welche neuen Tools dafür benötigt werden erklärt, gebe Tesla an, "zukünftig Anodenmaterial aus metallurgischem Silizium einsetzen zu wollen". Und Mercedes-Benz arbeitet zusammen mit Sila, einem Unternehmen für Batteriematerialien, um die Siliziumanoden-Chemie des Unternehmens in Batterien einzusetzen, die für künftige elektrische Mercedes-Benz-Fahrzeuge erhältlich sein sollen. Nachhaltigkeits-Leiter Dr. Ulf Zillig von Mercedes-Benz rechnet im Interview "Bei aktuellen Zellen reduzieren wir Kobalt von 33 auf weniger als 10 %" "bei der sogenannten Hi-Si-Anode mit einer Serienreife bis Mitte der Dekade".

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