Automobilhersteller steigen zunehmend in die Produktion von Batterien ein. In hybriden Anlagen könnten E-Autos und unterschiedliche Batteriepacks künftig in unmittelbarer Nähe zueinander gefertigt werden.
In hybriden Fertigungsanlagen könnten Automobilhersteller Elektroautomodelle und Batteriekonfigurationen rasch und flexibel aufeinander abstimmen
ABB
Die Automobilindustrie schwenkt auf Elektromobilität ein, und damit verstärkt sie den Bedarf an leistungsstarken und kostengünstigen Lithium-Ionen-Akkus. Allein bis zum Jahr 2030 könnte die weltweite Nachfrage branchenübergreifend von 450 GWh im Jahr 2020 auf 2.850 GWh steigen. Der Großteil der weltweit gehandelten Batteriezellen stammt heute aus Asien, doch zunehmend steigen auch europäische Unternehmen in den Markt ein, insbesondere im Automobilbau. Für die Industrie in Europa bedeutet das Herausforderung und Chance zugleich. Einerseits gilt es, den Wissensvorsprung asiatischer Hersteller aufzuholen, anderseits rechnet beispielsweise die European Battery Alliance im Zusammenhang mit einer europäischen Batterieproduktion mit bis zu mehreren 100.000 neuen Arbeitsplätzen.
Die Autoren Heike Belitz und Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sehen die heimische Produktion von Batteriezellen dabei als ein Paradebeispiel für eine moderne Industrie in Europa, in der Staat und Wirtschaft gemeinsam technologische Durchbrüche in der Forschung finanzieren und Innovationen zur Marktreife gelangen. In ihrem Beitrag Batteriezellen aus Europa für den Wirtschaftsdienst 1/20 beschreiben die Autoren die Batterie als innovative Kernkomponente des Elektroautos mit enormen Wertschöpfungspotenzialen. Da einzelne Unternehmen die Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in neue Produktionsanlagen jedoch nicht alleine tragen könnten, befürworten sie Initiativen wie die "Forschungsfabrik Batterie" in Deutschland und die Förderung der Batteriezellfertigung seitens der Europäischen Kommission im Rahmen der "Important Projects of Common European Interest".
Technologische Durchbrüche und Produktionshochlauf
An technologischen Durchbrüchen arbeiten bereits heute zahlreiche Forschende: Beispielsweise am Fraunhofer ICT und am Karlsruher Institut für Technologie, wo ein wandelbares Produktionssystem entwickelt wird, mit dem sich Batteriezellen stückzahlflexibel ideal an den verfügbaren Bauraum im Fahrzeug anpassen lassen sollen. Das Fraunhofer IPA und Varta arbeiten an der vollautomatisierten Produktion, während die Hochschule Landshut gemeinsam mit der TU München nicht-laminierbare Elektroden laminierbar machen und so ebenfalls für eine flexiblere Fertigung sorgen wollen.
Zugleich steigt die Automobilindustrie in die Zellfertigung ein: Volkswagen will bis 2030 sechs Zellfabriken mit einer jährlichen Fertigungskapazität von insgesamt 240 GWh aufbauen. Das chinesische Unternehmen CATL, an dem BMW beteiligt ist, baut nahe Erfurt eine Fabrik mit einer jährlichen Kapazität von bis zu 24 GWh. Genauso viel will der Opel-Mutterkonzern Stellantis in Kaiserslautern fertigen. Tesla plant allein in Grünheide langfristig mit bis zu 250 GWh.
Inhouse-Produktion statt Lieferkette
Trotz des Hochlaufs der Batterieproduktion und damit zu erwartender Skaleneffekte entfallen heute noch 30 bis 40 % der Anschaffungskosten eines Elektrofahrzeugs auf die Batterie. Die Energiespeicher müssen einerseits also zügig günstiger werden, um die Anschaffungskosten von E-Autos jenen mit verbrennungsmotorischem Antrieb anzugleichen – 100 US-Dollar je kWh gelten als akzeptable Marke –, andererseits sollten die Hersteller den eingangs erwähnten hohen Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien auch decken können. Bei der Entscheidung, Batterien für den Eigenbedarf zu produzieren, beziehen Automobilunternehmen neben der Versorgungssicherheit auch wirtschaftliche Erwägungen ein, wie Jörg Reger von ABB Robotics im Beitrag So kommt die Batterieproduktion ins Rollen für die maschinenbau 4/21 schreibt. Beispielsweise sei es so, dass die Kosteneinsparungen bei der Produktion in Niedriglohnregionen oftmals durch den teuren Transport der schweren und als Gefahrgut geltenden Batterien kompensiert würden.
Noch weitere Gründe sprechen Reger zufolge für mehr Nähe zwischen Fahrzeugmontagewerken und Batterielieferkette: Automobilhersteller müssten immer flexibler und rascher zwischen verschiedenen Batteriekonfigurationen wechseln können oder sogar unterschiedliche Batteriekonfigurationen für ein- und dasselbe Elektrofahrzeugmodell vorhalten. Das setze eine lückenlos orchestrierte, hochkomplexe und zuverlässige Lieferkette voraus – oder eben die Inhouse-Produktion der Energiespeicher. Um dabei trotz höherer Lohnkosten, strikten Umweltauflagen und geringeren Skaleneffekten im Wettbewerb mit asiatischen Herstellern Schritt halten zu können, seien maximale Effizienz, Geschwindigkeit und Flexibilität in der Lieferkette und in der Fertigungsarchitektur gefragt. Dabei gehe die Vision in Richtung von hybriden Fertigungsanlagen, in denen Elektrofahrzeuge und unterschiedliche Varianten der zugehörigen Batteriepacks in unmittelbarer Nähe zueinander produziert und montiert werden.
Mit mobilen Fertigungszellen und Simultaneous Engeneering
Solche Fertigungsanlagen lassen sich dem Autor zufolge mithilfe von modularen Fertigungszellen realisieren, die in kurzer Zeit ausgelegt, validiert und in Betrieb genommen werden könnten und die eine Skalierung der Fertigungskapazitäten in Echtzeit ermöglichten. Trotz der herausfordernden Aufgabe sieht Reger die Automobilunternehmen gut gerüstet für die flexible Fertigung und die Integration von Batterien in ihre Elektroautos. Schließlich gehörten hoher Wettbewerbsdruck, immer kürzer Markteinführungsphasen und hohe Produktvarianzen schon seit Jahren zu ihrem Alltagsgeschäft.
Ergänzend dazu weisen die Autoren um Georg von Falck vom Unternehmen AVL List auf die Notwendigkeit neuer Produktionsprozesse für die Integration von Lithium-Ionen-Batteriezellen hin. Statt klassischer Technologien für die Antriebsstrangproduktion würden nun Produktionstechniken aus dem Fahrzeugbau, der Elektroniksysteme und der Kunststoffverarbeitung gefragt, wie sie im Beitrag Optimierte Integration der Funktions- und Prozessentwicklung von Großserien-Hochvoltbatterien für die MTZ 9/21 schreiben. Zeitgleich zur funktionalen Integration von Batteriepacks müssten deswegen schon die dazugehörigen Produktionsprozesse mitentwickelt werden – ganz im Sinne des Simultaneous Engineerings. Einen wichtigen Entwicklungsschritt hinsichtlich Gewichts- und Kostenoptimierung dürften dabei künftig Cell-to-Body- oder Module-to-Chassis-Ansätze spielen, wobei Zellen oder zumindest Zellstapelgehäuse direkt in das Chassis verbaut werden.