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04.02.2014 | Baubetrieb | Interview | Online-Artikel

"Permanente Präsenz zeigen"

verfasst von: Annette Galinski

6 Min. Lesedauer

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Bauunternehmen stehen an den beiden Polen des Baumarktes – als „Bauleistungs-versprecher“ oder „Produktanbieter“. Rund 80 Prozent des Baumarktes sind "Bauleistungsversprecher". Wie sie ihre Leistungen erfolgreich an potenzielle Auftraggeber vermitteln, erläutert Springer-Autor Prof. Thomas Bauer im Interview.

Springer für Professionals: „Bauleistungsversprecher“ verkaufen eine Dienstleistung, „Produktanbieter“ vermarkten ein Sachgut. Wie definieren Sie diese beiden Bereiche?

Prof. Thomas Bauer: Wenn man die beiden Bereiche unterscheiden will, muss man zunächst einen Grundzusammenhang sogenannter vollständiger Wettbewerbsmärkte verstehen: Bei vollständiger Markttransparenz gilt, dass der Wettbewerb umso härter stattfindet, je gleichartiger Leistungen, je gleichartiger Produkte sind. Ein Extrembeispiel hierfür ist die Börse, an der lauter genau gleiche Produkte gehandelt werden. Volkswirte wissen, dass man bei genau gleichen Produkten als Produzent fast keinen Gewinn mehr machen kann. Für meine Antwort auf Ihre Frage bedeutet dies: 

Bauproduktanbieter (z. B. Anbieter von Fertighäusern) definieren ihr Produkt selbst und können ihm dabei viele spezifische Eigenschaften zuschreiben. In der Sprache des betriebswirtschaftlichen Marketings verfügen sie damit über unendlich viele Möglichkeiten der Produktdifferenzierung: Indem sie ihr Produkt von allen anderen Konkurrenzprodukten unterscheidbar machen (z. B. moderner, modischer, farbiger, sportlicher etc.), können sie neben dem Preis zahlreiche weitere Entscheidungspräferenzen bei ihren Kunden wecken. Gelingt dies, vergrößern Produktanbieter ihre Chance, ihre Gewinnspanne zu erhöhen. Im Baumarkt trifft dies aber nur für einem vergleichsweise geringen Marktanteil zu. Wir haben diesen Teil des Baumarktes in unserem Buch (Anmerkung der Redaktion: "Ökonomie des Baumarktes") als Pol-2-Markt definiert.

Ganz anders verhält es sich beim Bauleistungsversprecher und damit auf dem mit sicher über 80 Prozent des Marktvolumens weitaus größten Anteil des Baumarktes: Bauleistungsversprecher bieten kein Produkt an, sondern vielmehr die Fähigkeit, ein Produkt zu erstellen. Der Nachfrager (als der Auftraggeber bzw. Bauherr) definiert das zu erstellende Produkt (typischerweise z. B. Brücken, U-Bahnen, Verwaltungsgebäude). Damit hat der Anbieter - hier der Bauleistungsversprecher - nur noch sehr eingeschränkte bis gar keine Möglichkeiten der Produktdifferenzierung, mit der Konsequenz eines sehr harten Wettbewerbs. 

Welches sind die Herausforderungen für den Anbieter von Bauleistungen in dieser Situation?

Der Leistungsanbieter muss den Wettbewerb zu allererst über den Preis gestalten. Damit werden die Kosten der Leistungserstellung zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor: Leistungsanbieter-Wettbewerbe sind knallharte Kostenreduktions-Wettbewerbe. Natürlich gibt es auch für Leistungsversprecher Möglichkeiten (z. B. Qualität, Termintreue, Ethik, Fairness), sich gegenüber anderen Wettbewerbern abzugrenzen; aber diese greifen nur sehr eingeschränkt, da sie entweder eine tiefergehende Branchenkenntnis und/oder spezielle Entscheidungsfreiräume auf der Nachfragerseite voraussetzen.

Folgt daraus nicht auch eine schwierigere Vergleichbarkeit?

Das kommt darauf an, wie man Vergleichbarkeit definiert: Zunächst führt eine Fokussierung auf den Preis aus Sicht der Nachfrager zu einer wesentlichen Vereinfachung der Entscheidung. Andererseits führt jedoch der Verzicht auf weitere Entscheidungskriterien zwangsläufig zu einer höchst intransparenten Entscheidungssituation der Nachfrager. Denn erst nach Fertigstellung des Bauprojektes können diese feststellen, ob sie eine gute oder schlechte Entscheidung getroffen haben.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus generell für die unternehmerische Strategie?

Unternehmen, die im Leistungsversprecher-Wettbewerb stehen, müssen dafür sorgen, dass ihre Organisationsstrategie diejenigen Wettbewerbsvorteile fördert, mit denen sie sich deutlich von anderen Wettbewerbern, unterscheiden können. So können Bauleistungsversprecher, die sich z. B. auf die Herstellung gleichartiger Objekte spezialisiert haben, trotz des Unikats-Charakters des Bauens hohe Lerneffekte aus wiederholten Prozessen realisieren. Diese lassen sich in eine Ausnutzung aller denkbaren Kosteneinsparungen umsetzen.        

Können Sie mir ein Beispiel für einen Leistungsversprecher geben, der sich spezialisiert?

Brücken sind ganz typische Bauleistungen, deren Bau-Soll immer der Auftraggeber definiert. Der Leistungserstellungsprozess setzt aber oftmals ein so spezielles Know-how voraus, dass Unternehmen nur dann wirklich fähig im Brückenbau werden, wenn sie häufig Brücken herstellen: Sie haben bessere Schalungssysteme, sie kennen sich besser mit der Statik aus, sie verfügen über eine bessere Logistik etc.

Ein weiteres schönes Beispiel sind z. B. sogenannte Fermenter (Bioreaktoren für die Fermentation bei Biogasanlagen): Diese sind sich generell sehr ähnlich, erfordern jedoch ebenfalls ein spezialisiertes Ausführungs-Know-how, durch dessen Qualität man sich im Wettbewerb deutlich unterscheiden kann.     

Gilt diese Problematik nicht auch für Architekten, die ja auch Leistungsversprecher sind?

Grundsätzlich haben diese durchaus das gleiche Problem, auskömmliche Preise für ihre Dienstleistung durchzusetzen. ABER: Architekten und Planern hat der Gesetzgeber massiv geholfen, indem mit der HOAI regelrecht eine Preistabelle geschaffen wurde. UND: Der Gesetzgeber sagt sogar, dass man nicht niedriger abrechnen darf! Den Bauunternehmen steht eine solche Preistabelle nicht zur Verfügung. Der Gesetzgeberlässt uns mit diesem - wie wir es in unserem Buch dezidiert darlegen - strukturellen Marktproblem allein.

Unzweifelhaft gibt es aber ganz ähnliche Probleme in allen Märkten mit sehr homogenen Gütern! Beispiel Landwirtschaft: Seit 50 Jahren versucht die EU, am landwirtschaftlichen Markt einigermaßen auskömmliche Preise für die Landwirte zu etablieren. Der Erfolg ist aber nur gering.

Und welche Konsequenzen sind speziell für das Marketing von Bauleistungen und -produkten zu ziehen? 

Bauproduktanbieter verfügen über knallharte Marketing-Methoden, ganz so, wie man es im Studium lernt: Werbung, tolles Design, die ganze Palette des Marketing-Mix. Bei Bauleistungsversprechern ist das Marketing sehr auf die handelnden Personen bezogen: Die Kompetenz der Fach- und Führungskräfte des Unternehmens ist der wesentliche Faktor für eine erwartungskonforme und anspruchsvolle Leistungserbringung. Aber: Die Realität ist knallhart: Letztendlich gewinnt der Preis und dieser muss die echten Kosten decken! 

Können Sie sagen, über welchen Kanal man am besten eine solche Vermarktung durchsetzt? 

Für Bauleistungsversprecher ist der Marketing-Kanal schnell ausgemacht: Permanente Präsenz zeigen, sich bekannt machen für Qualität und Kompetenz und Präferenzen bei den Auftraggebern für die eigenen Leistungen aufbauen. Dies gilt zuvorderst für private bzw. gewerbliche Auftraggeber. Für öffentliche Aufträge sind wir auf die einschlägigen Ausschreibungsmedien angewiesen, die es schlicht zu durchforsten gilt und in denen wir die Bauprojekte selektieren müssen, die wir anbieten können und auch wollen.

Zur Person

Dipl.-Kfm. Prof. Dr.-Ing. E.h. Thomas Bauer ist Vorstandsvorsitzender der BAUER AG und Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilian-Universität in München absolvierte er ein Jahr in USA mit einem Studiensemester und einer Tätigkeit in einer großen Bauunternehmung. Nach seinem Eintritt in das elterliche Bauunternehmen übernahm er zunächst die Führung der kaufmännischen Abteilungen und seit 1986 die Gesamtleitung. Die BAUER AG ist in den Bereichen Bau und Maschinen für den Spezialtiefbau weltweit mit zehntausend Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,4 Mrd. EUR (2012) tätig.

Ehrenamtlich engagiert er sich u. a. im Bayerischen Bauindustrieverband, als Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft sowie als Honorarprofessor an der Technischen Universität München. Diese verlieh ihm 2013 die Ehrendoktorwürde.

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2013 | OriginalPaper | Buchkapitel

Besonderheiten des Baumarktes

Quelle:
Ökonomie des Baumarktes