Soll neben der globalen Klimakrise auch die Wohnraumknappheit in Deutschland bekämpft werden, muss mehr und grüner gebaut und saniert werden. Banken fungieren dabei nicht nur als Geldgeber. Sie sollten zudem aktiv ein nachhaltiges Ökosystem für neues Bauen und Wohnen vor Ort voranbringen.
"Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Einen erheblichen Beitrag zur Einhaltung des Pariser Abkommens, das 1,5-Grad-Celsius-Ziel, kann und muss die Baubranche - und damit einhergehend die Bankenbranche - leisten", schreibt Leonhard Zintl zu Beginn des einleitenden Kapitels zum Buch "Mit Sustainable Finance die Transformation dynamisieren". Nur wenige Bauprojekte und Wohnkonzepte leisteten einen positiven Beitrag für den Planeten oder die Gesellschaft. "Der Bau- und Gebäudesektor ist für knapp 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, so ein Bericht der unter dem UN-Umweltprogramm (UNEP) angesiedelten Global Alliance for Buildings and Construction (Global ABC)", führt der langjährige Vorstand der Volksbank Mittweida aus.
Grüne Immobilien bei Investoren gefragt
Dabei müssen alle neuen Gebäude ab 2030 und alle Bestandsimmobilien ab 2050 kohlenstofffrei betrieben werden, erläutert Nicole Lux, Senior Research Fellow an der Bayes Business School. Es handele es sich um Emissionen, die in die Gebäudestruktur eingeschlossen sind - "etwa aus Stahl, Fenstern oder Isolierung, die für den Bau, die Instandhaltung und die Renovierung eines Gebäudes produziert werden - sowie um betriebsbedingten Kohlenstoff in Form von Emissionen aus dem Energieverbrauch für Heizung, Geräte und andere Endanwendungen".
Die Experten des dort angesiedelten Real Estate Research Centre sehen bei der Umsetzung ökologischer Baukonzepte die Finanzierung in den aktuell unsicheren Zeiten als große Herausforderung, obwohl grüne Immobilien und Anlagen mit sozialer Wirkung für Investoren immer wichtiger werden.
Um mehr Käufer oder Mieter anzulocken, müssen Bauträger und Eigentümer zusätzliche Vergünstigungen anbieten oder gut durchdachte Annehmlichkeiten bereitstellen. Zu den Möglichkeiten gehören Bürogebäude mit intelligenter Technologie, nahe gelegenen Annehmlichkeiten und Zugang zu Ladestationen für Elektrofahrzeuge, E-Bikes oder Lieferstellen für den E-Commerce", erlärt Lux.
Baubranche und Banken müssen umdenken
Parallel zur Klimakrise spitzt sich die Wohnkrise in Deutschland weiter zu. "Bundesweit fehlen nach gemeinsamen Berechnungen des Mieterbunds, der IG Bau sowie diverser Verbände der Bau- und Wohnungsbranche rund 630.000 Wohnungen. Um dieser Knappheit entgegenzuwirken, müssten demnach jährlich rund 80.000 Sozialwohnungen gebaut werden", rechnet Volksbank-Experte Zintl vor.
Um den benötigten Wohnraum auch für kleinere Geldbeutel zu schaffen, "ist ein Umdenken in der Baubranche, aber auch in der Bankenbranche, die diesen finanziert, unbedingt vonnöten". Die Branche müsse den Wandel weg von Real Estate als reine Kapitalanlage hin zu nachhaltigen und bezahlbaren Bau- und Wohnkonzepten unter Berücksichtigung der Entwicklungen von Klima und Wetter, aber auch des demografischen Wandels und der aufgehenden Einkommensschere schaffen.
"Mit der Einführung der ESG-Richtlinien (Environment, Social, Governance) im Finanzbereich nimmt die Europäische Union den Finanzdienstleistungssektor aktiv in die Pflicht, eine entscheidende Rolle bei der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft einzunehmen", so Zintl. Problematisch sei aber, dass von Banken ESG-konforme Finanzprodukte gefordert werden, während entsprechende Standards für Investitionen noch nicht vollständig durch Regulierungsbehörden und Investoren definiert wurden.
Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zusammen denken
Die EU zwinge Finanzinstitute dazu, die Auswirkungen zu bewerten, die Nachhaltigkeitsfaktoren auf ihr Geschäftsmodell und ihre Kernaktivitäten haben, um die zu behandelnden Schlüsselfunktionen, wie etwa Anlageprozesse, Produkt-Governance oder Risikokontrollen, auf der Grundlage bereits öffentlich verfügbarer regulatorischer Richtlinien und Markttrends abzubilden und zu priorisieren. "Doch dabei wird ein wesentlicher Faktor außer Acht gelassen: Nachhaltigkeit bekommt nur die Dynamik, die es braucht, wenn sie im Einklang mit Wirtschaftlichkeit steht", erläutert der Bankvorstand. Für Banken sei Nachhaltigkeit aber nicht nur eine regulatorische Herausforderung, sondern auch eine Chance.
In der Volksbank Mittweida sei die Nachhaltigkeit daher fest in der Geschäftsstrategie sowie allen Kernbereichen der Bank verankert worden. Den Referenzrahmen dafür bilden die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen - die Sustainable Development Goals oder kurz SDG. Besonderes Potenzial sehe sein Haus aktuell in vier Handlungsfeldern:
- ökonomische Förderung von nachhaltigen Bau- und Wohnprojekten,
- Schaffung eines handlungsstarken Ökosystems für Nachhaltigkeit,
- regionale Sichtbarkeit für neues Bauen und Wohnen sowie
- Erprobung digitaler Technologien im Bereich Bauen und Wohnen.
ESG-Kontext bei Bauvorhaben
"Bisher prüfen Banken, ob ein Finanzierungsvorhaben schlüssig und die Person kreditwürdig ist. Dies verändert sich gerade", so Zintl. "Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie beruht die Kreditentscheidung künftig neben der Bonität deshalb auch auf der Nachhaltigkeit des Vorhabens sowie der Kreditnehmer nach ESG-Kriterien." Im Mittelpunkt stehe dabei immer die Frage nach der ökonomischen, sozialen und ökologischen Sinnhaftigkeit des Vorhabens. Im Kontext Bauen und Wohnen bedeute das unter anderem:
Ökonomisch: Wie können wir günstiger und schneller bauen? Und wie machen wir das Beste aus unseren beschränkten Möglichkeiten bezüglich Bauland, Platz und Funktionalität - auch mit Blick auf die Langlebigkeit der verarbeiteten Technologien?
Ökologisch: Welche Baustoffe werden eingesetzt? Wie erreichen wir die höchstmögliche Energieeffzienz - bis hin zur Energieautarkie?
Sozial: Kann sich der Kunde die Baukosten sowie später anfallende Instandhaltungskosten leisten?
Bank als Partner im regionalen Ökosystem
Dabei sei die Bank nicht auf die Rolle des Geldgebers reduziert. Über sein regionales Ökoystem vermittele das Institut zum Beispiel Planungs- und Umsetzungspartner, Experten beraten zu neuen Technologien und dezentraler Energieversorgung und die Bank lote mit den Netzwerkpartnern "die Potenziale digitaler Technologien für neues Bauen und Wohnen" aus.
Die Schaffung eines nachhaltigen Ökosystems und die Finanzierung nachhaltiger Bau- und Wohnkonzepte reichen für sich genommen leider noch nicht aus, um einen echten Wandel in der Baubranche zu bewirken. Vielmehr bedarf es visionärer Menschen und Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Dies gelingt am besten über regionale Kooperationen und Leuchtturmprojekte", erklärt Zintl.
So ist die Volksbank Mittweida unter anderem am Tiny-House-Gelände Amsel (Autarke Mikro Siedlungen für Energiebewusste Lebensweise) involviert, auf dem neue Technologien für zukünftiges Wohnen erprobt werden. "Ziel ist die Erhöhung des Autarkiegrades durch Vernetzung dezentraler Speicher am Beispiel kleiner Wohneinheiten. Entsprechend den Anforderungen eines durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalts erzeugt das Tiny House Elektrizität und Wärme selbst", erläutert der Bankenvorstand.
Bundesweit gebe es eine Reihe solcher Projekte, die sich unter anderem mit sogenannten Sonnenhäusern, wartungsfreier Technik oder dem Einsatz einer Blockchain zur transparenten Nachvollziehbarkeit der Ressourcen und Baustoffe in der Wertschöpfungskette befassen.
Funktionierende Kreislaufwirtschaft vor Ort schaffen
Banken können einen positiven Einfluss auf Eigentümer sowie die Baubranche nehmen, ist Zintl in seinem Fazit überzeugt:
Das beginnt bei der Bevorzugung von nachhaltigen - wirtschaftlich tragbaren - Finanzierungsvorhaben, einschließlich der Wahl von nachhaltigeren Baustoffen und Baupraktiken. Unser aller Ziel muss es deshalb sein, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu schaffen. Dabei müssen wir 'glocal' denken, indem wir globale Herausforderungen auf lokaler Ebene angehen."