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11.06.2013 | Bauphysik | Interview | Online-Artikel

Auf die Art der Energieversorgung kommt es an

verfasst von: Annette Galinski

4:30 Min. Lesedauer

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Wie können wir unsere Gebäude zukünftig verantwortungsvoll mit Wärme- und Elektroenergie versorgen? Regenerative Energien stehen im Fokus, doch die Umsetzung der derzeit zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten und die richtige Kombinationen untereinander will gut geplant sein. Springer-Autor Manfred Schmidt zeigt im Interview die Potenziale sogenannter Nullemissionsgebäude auf, die ihre Energieversorgung ausschließlich aus regenerativen Energiequellen (EREQ) beziehen.

Springer für Professionals: Wie definieren Sie ein Nullemissionsgebäude?

Manfred Schmidt: Es gibt eine Reihe von Bezeichnungen für Gebäude, die auf einen geringen Energiebedarf hindeuten. Einer dieser Begriffe ist Niedrigenergie- bzw. Nullenergiegebäude. Ein Gebäude ohne Energie zu betreiben ist nicht möglich (Waschen, Kochen, Licht). Deshalb kann sich die Bezeichnung Nullenergie nur auf konventionelle Energien beziehen, also eine Nutzung ohne den Einsatz konventioneller Energien.

Um diesen Sachverhalt auszudrücken, eignet sich der Begriff Nullemissionsgebäude besser, wenn unter Emission die CO2-Emission verstanden wird. Solche Gebäude erreichen ihre Energieversorgung ausschließlich mit Energien aus regenerativen Energiequellen (EREQ). Dabei lassen sich drei Typen von Nullemissionsgebäuden charakterisieren: Energie generierende Gebäude, mit Energien aus regenerativen Energiequellen (EREQ) versorgte Gebäude und energieautarke Gebäude.

Ein Energie generierendes Gebäude ist dadurch gekennzeichnet, dass es mindestens so viel Energie produziert, wie es verbraucht. Die Jahres-Energiebilanz ist ausgeglichen oder hat ein Plus an abgegebener Energie. Es gibt damit Zeiten, in denen mehr Energie benötigt als vom Gebäude bereitgestellt wird und solche, in denen mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. Ein solches Gebäude muss an ein Energieversorgungsnetz angeschlossen sein.

Ein mit EREQ versorgtes Gebäude erzeugt nicht alle Energie direkt am Gebäude. Ihm wird Biomasseenergie, Umweltwärme über Wärmepumpen mit regenerativem Antrieb sowie regenerativ erzeugte elektrische Energie, z. B. von Windenergieanlagen, Laufwasser-Energieanlagen, solarthermischen Kraftwerken, auch von außen zugeführt. Ein solches Gebäude muss nicht zwangsläufig an ein konventionelles Energieversorgungsnetz angeschlossen sein.

Ein energieautarkes Gebäude erzeugt alle Energie am Gebäude. Den Ausgleich bei Inkohärenz von Erzeugung und Verbrauch von regenerativer Energie übernehmen in das Gebäude integrierte Speicher. Das Gebäude ist an kein öffentliches Energieversorgungsnetz angeschlossen. Es besteht damit allerdings auch nicht die Möglichkeit, überschüssige Energie nach außen abzugeben.

Nullemissionsgebäude sagt also nicht unbedingt etwas aus über die Konstruktion des Gebäudes, sondern über dessen Art der Energieversorgung.

Die Speicherung von Energie ist wesentlich für eine sichere Energieversorgung und ein Nullemissionsgebäude ist ohne Energiespeicher undenkbar. Ab welcher Gebäudegröße lohnt sich momentan ein solcher Energiespeicher und welche Technik können Sie für den Wohnungsbau (Ein- und Mehrfamilienhäuser), den Büro- und Industriebau empfehlen

Der in meinem Buch "Auf dem Weg zum Nullemissionshaus" enthaltene Satz, dass das Errichten eines Nullemissionsgebäudes ohne Energiespeicher undenkbar ist, sagt nichts darüber aus, wo genau sich der Energiespeicher befinden muss. In einem Energie autarken Gebäude muss zwingend ein Energiespeicher vorhanden sein. Dabei spielt die Gebäudegröße keine Rolle. Das Erreichen der Energieautarkie für Gebäude wird aber momentan und auch in fernerer Zukunft nicht das Ziel der Gebäudegestaltung sein, obwohl solche Gebäude als Pilotprojekte errichtet wurden, um die Möglichkeiten einer solchen Energieversorgung auszuprobieren. Sie hatten aber bisher keinen dauerhaften Bestand. Der im Buch genannte realistischste Ansatz für ein Nullemissionsgebäude, ein mit EREQ versorgtes Gebäude, verlangt nicht zwingend einen Speicher im Gebäude. Bei den momentan in Gebäuden verwendeten Speichern handelt es sich um Tages- oder Mehrtagesspeicher für solarthermisch bereitgestellte Energie oder um Akkumulatoren für die elektrische Energiespeicherung. Aber schon bei der neuen Qualität einer solarthermischen Gebäude-Energieversorgung mit saisonalen Speichern befinden sich diese Speicher außerhalb der Gebäude..

Welche Materialien kommen bei einem Nullemissionshaus zum Einsatz (z.B. für die Gebäudehülle)?  

Je besser die Gebäudehülle gedämmt ist, umso weniger Energie muss zur Raumklimatisierung bereitgestellt werden. Grundsätzlich kann ein Nullemissionsgebäude aber mit den gleichen Materialien wie herkömmliche Gebäude gebaut werden. Welche Materialien für ein Nullemissionsgebäude eingesetzt werden und wie dick z. B. die Gebäudedämmung gemacht werden sollte, ist ein Optimierungsproblem. Falls die bereitstehende EREQ sehr preiswert ist, kann bei der Wärmedämmung bzw. an der Qualität der Baumaterialien gespart werden.Zur Beurteilung dieses Problems spielt auch das zu erreichende Raumklima und im Komfortbereich die gewünschte Behaglichkeit eine Rolle.

Lässt die Gewährleistung des Raumklimas in einem Nullemissionshaus auch natürliche Lüftung zu?

Für das Raumklima ist wichtig, dass die geforderten/gewünschten/benötigten thermischen und lufthygienischen Raumklimakomponenten erreicht und eingehalten werden. Die thermischen Raumklimakomponenten sind Raumlufttemperatur, mittlere Temperatur der Raumumschließungsflächen bzw. mittlere Strahlungstemperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftbewegung. Lufthygienisch wird entsprechend der Raumnutzung ein bestimmter Außenluftvolumenstrom gefordert, um Schadstoffe in der Raumluft, z.B. CO2 oder Geruchsstoffe, zu verdünnen und zu entfernen. Wenn mit einer natürlichen Lüftung die lufthygienische Forderung erfüllt werden kann, ist gegen eine natürliche Lüftung nichts einzuwenden. Sie sollte im Gegenteil so weit wie möglich bevorzugt werden.

Lässt sich der Nullemissionsstandard auch bei der Gebäudesanierung erreichen

Grundsätzlich hängt das Erreichen des Nullemissionsstandards nicht davon ab, ob es sich um einen Neubau oder eine Gebäudesanierung handelt. Ausschlaggebend ist, dass die Energieversorgung mit EREQ erfolgt. Falls ein Energie generierendes Gebäude angestrebt wird, sind die damit verbundenen gestalterischen Möglichkeiten sicher bei einem Neubau einfacher als bei einer Sanierung umzusetzen.

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