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2018 | Buch

Bausteine der Energiewende

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Über dieses Buch

Die Energiewende verändert in Deutschland mit dem Ausstieg aus der Kernkraft und dem Ausbau erneuerbarer Energien in weitreichender Weise bisherige Strukturen der Energieversorgung und wirkt sich dabei räumlich stark aus. Biomasse-, Windkraft- und Photovoltaikanlagen stellen einige der physisch sichtbaren Manifestationen dar. Hinzukommen neue Stromtrassen. Diese Entwicklungsprozesse laufen allerdings keineswegs konfliktfrei ab. Das Buch gibt Einblicke in unterschiedliche Facetten, unterschiedliche Bausteine der Energiewende und ordnet diese ein.

Die Herausgeber
Dr. Dr. Olaf Kühne ist Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Dr. Florian Weber ist Akademischer Rat im Forschungsbereich Stadt- und Regionalentwicklung an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Erratum zu: Von der Schwierigkeit, nicht nur im Kopf umzuparken – Ein Selbstversuch zur Elektromobilität

Die Angaben zu den spezifischen CO2 Emissionen auf den Seiten 599 und 600 waren irrtümlich mit der Einheit gCO2/100 km abgedruckt. Im Text wurden diese nun durch die korrekte Einheit gCO2/km ersetzt.

Peter Radgen

Einführung

Frontmatter
Bausteine der Energiewende – Einführung, Übersicht und Ausblick

Die ‚Energiewende‘ – eine der großen politischen, planerischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre und perspektivisch eine der nächsten Jahrzehnte. Mit dem Ausstieg aus der Kernkraft bis zum Jahr 2022 wird in der Bundesrepublik Deutschland ein Weg eingeschlagen, der das bestehende Energieversorgungssystem deutlich verändert – von derzeit noch eher zentral zu dezentral. Erneuerbare Energien sind in starkem Maße auszubauen, bestehende Übertragungsnetze anzupassen. Mit diesem Projekt gehen komplexe und vielfältige planerische, technische, ethische, moralische, praktische Fragen einher. Der vorliegende Sammelband wendet sich aus einer überwiegend sozialwissenschaftlich-geographischen Grundperspektive aktuellen ‚Bausteinen der Energiewende‘ zu und fokussiert dabei unter anderem auf theorieorientierte Zugangsweisen, strukturelle Herausforderungen, planerische Grundlagen, Ausprägungen von Energiekonflikten und praktische Konkretisierungen – mit spannenden und in Teilen unerwarteten Ergebnissen und Erfahrungen. Der Einführungsbeitrag bietet einen Einblick in den Aufbau des Sammelbandes, zentrale Inhalte und einen Ausblick auf künftige Herausforderungen – wissenschaftlich und praktisch – im Zuge der Energiewende.

Olaf Kühne, Florian Weber
'Energiewende': Von internationalen Klimaabkommen bis hin zum deutschen Erneuerbaren-Energien-Gesetz

Während Klima die ‚Mutter‘ aller Standortfaktoren für das Leben auf der Erde ist, ist Klimaschutz mittlerweile eines der wenigen verbindenden Interessen der Weltgemeinschaft. Das war nicht immer so, denn trotz vermehrter internationaler Klimaschutzbemühungen seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts haben verbindliche Abkommen, mit Durchgriff auf die nationalen Ebenen, sehr lange auf sich warten lassen bzw. wurden recht zögerlich umgesetzt. Kernstück der internationalen Klimaschutzbemühungen ist die Energiewirtschaft bzw. deren Dekarbonisierung. Dies soll zum einen durch Einsparungen und hier v. a. durch Effizienzgewinne bewerkstelligt werden, zum anderen durch einen konsequenten Umbau der Erzeugungskapazitäten von vorwiegend fossil auf erneuerbar. Adressiert werden hierbei alle Energiebereiche, wobei die Umsetzungsraten bei Mobilität und Wärme sich eher im unteren, einstelligen Prozentbereich bewegen – so auch in Deutschland, dem international als Vorreiter der ‚Energiewende‘ geltenden Industrieland. Auch hier ist es lediglich der Strombereich, der mit Ausbauraten von mehr als 30 Prozent aufwarten kann. Ein besonderes Augenmerk gilt folgerichtig dem nationalen Gesetzeswerk für den Strombereich, dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz. Seine Geschichte wird bis zu den Zielvereinbarungen von Paris bzw. Marrakesch dargelegt. Sie endet bei aktuellen Veränderungen, welche eine erhebliche Verfehlung der dort vereinbarten Klimaschutzziele erwarten lassen.

Sandra Hook

Theoretische undkonzeptionelle Perspektivenauf die Energiewende

Frontmatter
Ethische Aspekte der Energiewende

Die Energiewende geht einher mit bereits erfolgenden oder bevorstehenden starken Eingriffen in die bebaute und unbebaute Umwelt. Insofern steht dieses politische Projekt auch vor ethischen Herausforderungen. In der Alltagspraxis verfolgen Akteure unthematisch Prinzipien, die insgesamt dem Erhalt der Lebens- und Handlungsbedingungen freier und moralfähiger Individuen dienen. Die drei allgemeinen Prinzipien der Schonung der Natur und Kultur, der sozialen Zumutbarkeit und der Anschlussfähigkeit an die Freiheit von Personen konkretisieren sich in den Handlungsbereichen der Energiewende. Sie sind als formale Bedingungen der Freiheit und Moralfähigkeit der Individuen zu verstehen, die es Akteuren ermöglichen, sich zu gegebenen Inhalten moralischer Orientierungen, Konflikte und Dilemmata reflexiv abwägend ins Verhältnis zu setzen. Diese Prinzipien sollten aber auch verstanden werden als Testkriterien für eine Rationalitätsprüfung individueller oder politischer Orientierungen und Entscheidungen im Rahmen einer transitiven Handlungsorientierung. Freilich stößt die Umsetzung ethischer Belange in der Praxis auf Schwierigkeiten und Probleme, insbesondere auf den Wertepluralismus, auf die Durchsetzungsproblematik und auf das Problem unsicheren Wissens.

Karsten Berr
Die räumliche Governance der Energiewende: Eine Systematisierung der relevanten Governance-Formen

Das Handlungsfeld der Gestaltung der Energiewende ist raumbezogen, weil es in eine komplexe Mehrebenen- Governance eingebunden ist und sich durch räumliche Differenzierungen auszeichnet. Der Beitrag nutzt das wissenschaftliche Konzept der Governance-Forschung, um eine systematische Übersicht über raumbezogene Governance- Formen der Energiewende vorzulegen. Dabei wird dem Anspruch des weiten politikwissenschaftlichen Verständnisses gefolgt, wonach unter ‚Governance‘ alle Formen kollektiver Handlungskoordination zu verstehen sind. Die Typologie umfasst die Governance des (ubiquitären) Institutionenrahmens, die Governance formeller flächen- und standortbezogener Institutionalisierung, die Governance der Konfliktlösung, die Governance der Organisations- und Gemeinschaftsbildung, die Governance der Konstituierung von Handlungsräumen, die Governance von Medien, politischen Symbolen und symbolischen Orten sowie die Governance der Konzeptentwicklung. Der Beitrag schließt mit einer kritischen Betrachtung der Governance-Forschung und mit entsprechenden Forschungsdesideraten.

Ludger Gailing
Streifzug mit Michel Foucault durch die Landschaften der Energiewende: Zwischen Government, Governance und Gouvernementalität

Die Energiewende verändert Landschaften. Die Forschung dazu aus politikwissenschaftlicher und steuerungstheoretischer Sicht hat zugenommen, beschränkt sich jedoch oft auf monoperspektivische Ansätze. Ziel des Beitrags ist es deshalb, einen multiperspektivischen Ansatz bereitzustellen, um die Landschaften der Energiewende und ihre Entstehung umfassender zu analysieren und zu verstehen. Dabei greifen wir auf das so genannte Triple- G-Modell zurück, das Arts und Visseren-Hamakers (2012) vorgeschlagen haben. Der Name ‚Triple G‘ bezieht sich auf die drei Perspektiven Government, Governance und Gouvernementalität, die sich in den Kontext von Landschaftspolitik stellen lassen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Arbeiten von Michel Foucault. Sein Denken kommt in zweifacher Hinsicht zum Tragen: Erstens zeigen wir auf, welche Erkenntnisse zu den Landschaften der Energiewende aus einer Gouvernementalitäts-Perspektive und den beiden anderen Perspektiven zu gewinnen sind. Zweitens – und grundlegender – folgen wir Foucaults konstruktivistischer Forschungshaltung. Nachdem die Windenergielandschaften in Deutschland beispielhaft entsprechend den Perspektiven Government, Governance und Gouvernementalität analysiert wurden, vergleichen wir die Zugänge und identifizieren Schnittstellen.

Markus Leibenath, Gerd Lintz
Energiewende als Herausforderung für die Stadtentwicklungspolitik – eine diskurs- und gouvernementalitätstheoretische Perspektive

Städtische Energie- und Klimapolitik fällt in deutschen Städten, trotz einer Vielzahl von Vorgaben, Richtlinien und Gesetzen der Bundesregierung, sehr unterschiedlich aus: Nationale Ziele und Strategien werden nicht einfach übernommen, sondern im Kontext lokaler Aushandlungsprozesse neu verhandelt, transformiert und angepasst. In unserem Beitrag gehen wir anhand der Beispiele Münster und Dresden den Gründen für diese Differenzen nach. Wir argumentieren, dass diskurs- und gouvernementalitätstheoretische Ansätze helfen können, die Entstehung spezifischer, kontextabhängiger Energiepolitiken in Städten zu erklären. Aus einer solchen Perspektive lassen sich politische Entscheidungen als Positionierungen im Spannungsfeld unterschiedlicher Wissensordnungen analysieren, die sowohl Relevanz und Bedeutung von Energie und Klima als auch die Frage nach geeigneten Regulierungsund Steuerungstechniken sehr unterschiedlich bewerten.

Cindy Sturm, Annika Mattissek
Vertrauen, Risiko und komplexe Systeme: das Beispiel zukünftiger Energieversorgung

Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens wie Altersvorsorge, Ausbildung, nachhaltiger Konsum u. v. m. werden auch in Fragen der Energieversorgung die Anforderungen des richtigen Entscheidens höher gesetzt. Vormals eine latente Infrastruktur, an der die allgemeine Bevölkerung nur als Publikum teilgenommen hat, entwickelt sich das deutsche und europäische Energiesystem in Richtung einer komplexen, dezentralen Erzeugungs- und Netzstruktur. Über kurz oder lang sollen auch große Teile der Bevölkerung eine – für sie neue – Leistungsrolle einnehmen. Die technischen Visionen sind verbreitet, innovative Lösungen werden entwickelt, Geschäftsmodelle werden ausprobiert, und Realexperimente finden statt, um die Vorstellung von ‚Smart Grids‘, ‚Smart Markets‘, ‚Smart Homes‘, ‚Smart Appliances‘ etc. zu realisieren. Für viele heißt dies, mit Entscheidungsdruck, Nichtwissen, Unsicherheit, also Risiko umzugehen. Die technischen Strukturen sind kompliziert. Leistungen können erst evaluiert werden, nachdem investiert wurde. Erfahrungen können nur langfristig gemacht werden. Auf jeden Fall ist ein ‚Sprung ins Ungewisse‘ notwendig – dazu muss Zuversicht und Vertrauen aufgebaut werden, so dass die erhofften Vorteile und Nutzen intelligenter Energietechnik auch eintreten, um die neue, aktive Rolle anzunehmen. Dieser Beitrag will die Prämissen zukünftiger sozio-technischer Realitäten exponieren und Argumente zusammentragen, die für eine neue ‚Architektur des Vertrauens‘ sprechen.

Christian Büscher, Patrick Sumpf
‚Neue Landschaftskonflikte‘ – Überlegungen zu den physischen Manifestationen der Energiewende auf der Grundlage der Konflikttheorie Ralf Dahrendorfs

Im Zuge von Energiewende, Deindustrialisierung, Reurbanisierung etc. wandeln sich die Raumnutzungsansprüche. Ansprüche, die sich im physischen Raum manifestieren und so in Widerspruch zu landschaftlichen Seherwartungen geraten. Aufgrund dieser Widersprüche, die auf stereotyp- oder heitmatlich-normativen Vorstellungen von Landschaft fußen entstehen Konflikte um Landschaft. Die Landschaftskonflikte werden üblicherweise in der Tradition Talcott Parsons’ oder Jürgen Habermas’ als gesellschaftlich dysfunktional gedeutet oder im Kontext der Erwartung einer ‚Revolution‘ in Marxschen Sinne verstanden. In dem vorliegenden Beitrag wird jedoch in der Tradition Ralf Dahrendorfs Konflikt als produktiv verstanden, solange er gewaltlos bleibt und einer Regelung zugeführt werden kann. Diese Konfliktregelung wird jedoch dadurch erschwert, dass der Staat nicht als Verfahrensfreiheit garantierende Instanz auftritt, sondern selbst Konfliktpartei geworden ist.

Olaf Kühne
Von der Theorie zur Praxis – Konflikte denken mit Chantal Mouffe

Seit Mitte der 2000er Jahre haben poststrukturalistisch-diskurstheoretische Ansätze Einzug in geographische Forschungsarbeiten im deutschsprachigen Raum gefunden. Ein gewisses Instrumentarium hat sich zwischenzeitlich herausgebildet, auf das vielfach zurückgegriffen wird. Mit einem sprachwissenschaftlichen Hintergrund und einem komplexen theoretischen Konstrukt wurde die Diskurstheorie nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe bisher allerdings als eher weniger dazu geeignet angesehen, konkretisierte ‚Hinweise‘ für anwendungsorientierte Fragestellungen zu bieten. In einem Rückgriff auf Chantal Mouffes Überlegungen zu einem agonistischen Pluralismus bieten sich allerdings Chancen, eine Praxisorientierung zu ermöglichen und so zu einer Einordnung von Konflikten beizutragen, wie sie heute gerade im Zuge der Energiewende mit dem Ausbau von Windkraft und Übertragungsnetzen zu finden sind.

Florian Weber
Zwischen ‚Windwahn‘, Interessenvertretung und Verantwortung: Bürger*innenbeteiligung am Beispiel Windkraft im Spiegel von Neocartography und Spatial Citizenship

Kartographische Visualisierungen sind ein machtvolles Mittel der Beteiligung an räumlichen Diskursen, weshalb sie auch von den Gegner*innen von Windkraftanlagen zur Kommunikation ihrer Interessen im Web2.0 eingesetzt werden. Der Bildungsansatz Spatial Citizenship scheint mit dieser Zielrichtung auf den ersten Blick kohärent zu sein. Dieser Aufsatz möchte aufzeigen, inwiefern sich Bildung für Spatial Citizenship hiervon dennoch unterscheidet und daher ein Bildungsdesiderat bleibt. Mittels theoretischer Forschung und kritischer Diskussion normativer Leitlinien von Bildung wird der Ansatz in relevanten Bereichen wie Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Mündigkeit, Humanismus und Verantwortung konkretisiert. Als Quintessenz des Aufsatzes ist damit eine fundiertere Analyse des Dilemmas von Bürger*innenbewegungen im Rahmen der Energiewende möglich und es kann eine Option ihrer Ausgestaltung im Rahmen des Spatial Citizenship-Ansatzes eröffnet werden.

Denise Könen, Inga Gryl, Jana Pokraka
Die Energiewende als Praktik

Der Beitrag behandelt Praktiken der Energiewende am Beispiel der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biomasse. Dazu gehören beispielsweise die Anlagenplanung und -finanzierung, die Ressourcenbeschaffung, Instandhaltungs-und Büroarbeit oder verschiedene Formen des Fortbildens. Die Analyse dieser und weiterer Praktiken ermöglicht ein vertieftes Verständnis über die Entwicklung struktureller Kontexte der Energiewende und wie sich deren praktische Bedeutung im Lauf der Zeit verändert. Solche Kontexte umfassen beispielsweise das Vorhandensein sozialer Netzwerke oder formaler Regularien des Biogasregimes. Insgesamt liefert der Beitrag damit einerseits regionale Einblicke in die Entstehung und Veränderung der Energiewende als raumzeitlicher Prozess. Andererseits wird ein neues konzeptionelles Verständnis sozio-technischer Transformationen angeboten, das Praktiken in den Mittelpunkt der Analyse setzt.

Fabian Faller

Politische und strukturelleHerausforderungen im Zuge vonKlimaschutz und Energiewende

Frontmatter
Governance der EU Energie(außen)politik und ihr Beitrag zur Energiewende

Seit dem Vertrag von Lissabon (2009) hat die EU eine primärrechtlich verankerte Gestaltungsaufgabe in der Energie- und Klimapolitik. In diesem Kontext strebt die EU an, den Energiebinnenmarkt nachhaltig zu transformieren und zugleich ihre energiepolitischen Normen und Regeln auch in Drittstaaten zu etablieren. Der Beitrag analysiert am Beispiel der Energie(außen)politik der EU in der Donauregion, wie die Europäische Union die Nachhaltigkeitsziele in der Energiepolitik jenseits ihrer Grenzen umzusetzen versucht. Dabei werden am Beispiel der von der EU initiierten Energiegemeinschaft ein hierarchischer und am Beispiel der EU-Strategie für den Donauraum ein nicht-hierarchischer Governance-Ansatz auf ihren Beitrag zur Energiewende hin analysiert. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass sich die beiden Ansätze in der Donauregion ergänzen. Die besondere regionale Konstellation an der EU-Außengrenze, als eine Region mit zentralen transeuropäischen Energieleitungen und diversen Energiezielen, stellt die Kooperation im Energiesektor vor besondere Herausforderungen. Während der hierarchische Ansatz verbindliche energiepolitische Rahmenbedingungen setzt, Ziele benennt und eine vertragliche Basis für die Kooperation schafft, legt der nicht-hierarchische Ansatz die Basis für gemeinsame Umsetzungsaktivitäten.

Franziska Sielker, Kristina Kurze, Daniel Göler
Klimaskeptiker im Aufwind
Wie aus einem Rand- ein breiteres Gesellschaftsphänomen wird

Den vielen Klimaschützer(inne)n aus der Gesellschaft, den Parteien oder den Regierungen steht die kleine Gruppe gegenüber, die den Klimawandel leugnet oder skeptisch sieht. Ist diese Beobachtung richtig? In diesem Beitrag soll eine differenziertere Interpretationsschablone angeboten werden, die den neuen Klimaskeptizismus weiter fasst. Die Erstarkung der Klimaskeptiker und die Diffusion ihrer Positionen in die Gesellschaft ist Ausdruck der sich zuspitzenden Verteilungskämpfe zwischen den Akteur(inn)en der Öl-, Kohle- und Gas-Branche (graue Akteursgruppe) auf der einen und der Branche der erneuerbaren Energien (grüne Akteursgruppe) auf der anderen Seite. Die einen wollen gut organisiert und mit Nachdruck verhindern, dass der auf Öl gebaute (westliche) way of life in Frage gestellt wird, die anderen wollen eine klimaverträgliche und nachhaltige Wirtschafts- und Konsumweise. Doch innerhalb der beiden Gruppierungen sind bereits erhebliche Umstrukturierungen im Gange, so dass eine komplexe und schwer überschaubare Interessen- und Gemengelage entstanden ist.

Achim Brunnengräber
Transformation des Stromversorgungssystems zwischen Planung und Steuerung

Die Energiewende setzt eine umfassende Transformation des Stromversorgungssystems voraus. Dies erfordert eine langfristig orientierte Planung und Steuerung, die alle politischen Ebenen und räumlichen Maßstabsbereiche erfasst. Im vorliegenden Beitrag werden die Planungs- und Steuerungsaufgaben sowie -ansätze einerseits auf die Energiepolitik und andererseits auf die räumliche Planung bezogen betrachtet. Berücksichtigt werden dabei außerdem Kompetenzverteilungen in Mehrebenenstrukturen im Hinblick auf die räumlichen Dimensionen bei der Problemerfassung und der Reichweite von Steuerungseingriffen. Ein Ausblick bezieht auch Chancen für die Energiewende-Governance in Deutschland mit ein, die neuere gesetzgeberische Initiativen der EU-Kommission in Teilaspekten möglicherweise bieten können.

Jörg Fromme
Ewigkeitskosten nach dem Ausstieg aus der Steinkohleförderung in Deutschland

Der Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau in Deutschland war der erste Teil einer Energiewende weg von der konventionellen Energiegewinnung durch Kohle und Kernenergie hin zu der durch erneuerbare Energien. Der Ausstieg war bzw. ist mit einigen eher kurz- und mittel Herausforderungen, u. a. dem sogenannten Strukturwandel, also bspw. der Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen der Nachfolgenutzung von Bergbauflächen verbunden. Gleichzeitig müssen allerdings auch langfristige bewältigt werden. Zu diesen zählen die Ewigkeitskosten mit der untertägigen Wasserhaltung. Um in der Lage zu sein, Steinkohle abzubauen, muss in Deutschland das Grundwasser im Untertageabbau abgepumpt werden. Nachdem eine Abbaustätte aufgegeben wurde, kann aus abbautechnischen Gründen die untertägige Wasserhaltung aufgegeben werden. Diesem steht allerdings die Befürchtung entgegen, dass ein Ansteigen des Wassers, das dann die aufgegebenen Stätten flutet, das Grundwasser verschmutzen würde. Über die Frage, wie eine optimierte untertägige Wasserhaltung, die eine ewige Dauer haben muss, ausgestaltet wird, ist eine Debatte zwischen dem Bergbauunternehmen und der Stiftung auf der einen Seite sowie Teilen der politischen Parteien und Bürgerinitiativen auf der anderen Seite entbrannt.

Christoph Hartmann
Energiewende und Naturschutz – Eine Schicksalsfrage auch für Rotmilane

Der Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien hat in den letzten Jahrzehnten zu flächenhaften Wirkungen geführt, die in der Folge Seitens des Naturschutz in erster Linie durch planrechtliche Instrumente beantwortet wurden. Diese fanden in der Folge in erster Linie eine juristische Aplikation, deren Konsequenzen in Teilen nicht dem Grundsatz planerischer Ausgewogenheit gerecht werden. Der Artikel fast die wesentlichen Entwicklungen im Konfliktfeld des Ausbaus erneuerbarer Energien mit dem Naturschutz zusammen. Anhand der Beispielfelder Windenergie, Biomasse, Fotovoltaik und Wasserkraft werden Auswirkungen zusammenfassend skizziert und den Leser in die Lage versetzt, die in Teilen fehlenden gesamtgesellschaftlichen Abwägungsprozesse nachzuvollziehen. Abschließend werden die sich aus der Gesamtsituation ergebenden Erfordernisse für den Naturschutz perspektivisch dargestellt und Lösungsansätze skizziert.

Christoph Moning
Die Energiewende als Basis für eine zukunftsorientierte Regionalentwicklung in ländlichen Räumen

Der demografische Wandel stellt den rheinland-pfälzischen Rhein-Hunsrück-Kreis vor die Herausforderung eines zukunftsgerechten und nachhaltigen Handelns. Die Tragfähigkeitsprobleme bei der Bereitstellung der Daseinsvorsorge sind in vielen Bereichen erkennbar. Fraglich ist vor allem, wie die technische und soziale Infrastruktur zukünftig aufrechterhalten werden kann und wie eine zukunftsorientierte Regionalentwicklung im ländlichen Raum aussehen kann. Die Neugestaltung und Anpassung der Daseinsvorsorge an die Herausforderungen des demografischen Wandels ist ohne finanziellen Rückhalt nicht zu bewältigen. Daher sollen die sich aus Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbaren Energien (EEE) ergebenden Wertschöpfungspotentiale im Landkreis hierfür genutzt werden. Im Rahmen des Projektes ‚ZukunftsiDeeen‘ im Rhein-Hunsrück-Kreis wurden Ansätze diskutiert, die es ermöglichen, diese Verknüpfung zu erreichen. Dies wird in diesem Praxisbericht zudem an einzelnen Beispielen erläutert.

Hans-Jörg Domhardt, Swantje Grotheer, Julia Wohland
Die Energiewende und ihr Einzug in saarländische Lehrwerke für Gymnasien: eine Erfolgsgeschichte?

Mit der voranschreitenden Industrialisierung und der Entwicklung neuer Transportmöglichkeiten wurde nicht nur etwa der Grundstein für globale Wirtschaftsverflechtungen gelegt, sondern auch der Anstoß für höhere Emissionen und den damit verbundenen Klimawandel gegeben. Diesem Umstand wird in den letzten Jahrzehnten zunehmend mit wissenschaftlichen wie auch politischen Bemühungen zur Eindämmung des anthropogen verursachten Treibhauseffektes begegnet. In diesen Kontext ist auch die Energiewende einzuordnen, die mit ihrer Umstellung hin zu regenerativen Energiesystemen auf ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Energiemanagement abzielt. Doch wie ist eine umfassende Aufklärungsarbeit anzulegen, die zu Kritikfähigkeit erzieht und die Bürger(innen) letztlich befähigt, verantwortungsvolle Entscheidungen mit zu treffen? Neben der Sensibilisierungskampagnen der Politik und der Medien im Allgemeinen kommt den Bildungsinstitutionen, allen voran das schulische Bildungssystem, eine übergeordnete Bedeutung zu. Welche Inhalte werden wann und wie thematisiert und problematisiert? Mit welchen Frage- und Problemstellungen müssen sich Schüler(innen) auseinandersetzen, um schließlich am gesellschaftlichen Diskurs um das Thema ‚Energiewende‘ teilnehmen zu können?

Dominique Fontaine
Energiewende im Quartier – Ein Ansatz im Reallabor

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lebten erstmalig mehr als 50 % der Menschen in Städten, welche zwischen 60 und 80 % der weltweit benötigten Energie verbrauchen. Die Transformation der Städte hin zu nachhaltigen Gesellschaften mit nachhaltigen Energiesystemen wird aber nicht nur durch die gebaute Umwelt, Technologien und Politik geprägt, sondern v. a. durch Systeminnovationen. Diese Transformation wird im ‚Energielabor Tübingen‘- Projekt mit einem Fokus auf die Energiewende auf Quartiersebene für die Stadt Tübingen untersucht. Dies wird in sogenannten Realexperimenten durchgeführt, d. h. Experimente unter teilweise kontrollierten Bedingungen mit dem Ziel, neues Wissen zu erhalten. Ziel des Energielabors ist es, gemeinsam mit den Bürger(inne)n die Energiewende in Tübingen voranzutreiben, neue Maßnahmen zu erproben und zu beforschen. Wo dabei die Herausforderungen liegen und wie es zur Veränderung des Alltagshandelns der Bürger(innen) und dadurch zu einer praktischen Umsetzung einer nachhaltigen Energiewende kommt, um die Quartiere damit in Bewegung zu bringen, sind unsere zentralen Fragen.

Geraldine Quénéhervé, Jeannine Tischler, Volker Hochschild

Energiekonflikte: Ästhetik, Planung,Steuerung und praktischer Umgang

Frontmatter
Ästhetik der neuen Energielandschaften – oder: „Was Schönheit ist, das weiß ich nicht“

Neue Energielandschaften erzeugen neue Landschaftskonstruktionen, die in Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Es lässt sich vermuten, dass die Konstruktionen dieser neuen Landschaften häufig wenige Gemeinsamkeiten mit den positiv besetzten stereotypen Landschaftskonstruktionen haben und dass die idealtypischen Elemente der neuen Energielandschaften derzeit noch nicht in den Konstruktionen der stereotypen Landschaften vorkommen. Diese Diskrepanz kann zu Akzeptanzproblemen führen. Der Betrag behandelt die Frage, wie die Landschaften der Energiewende im Vergleich zu den stereotypen Landschaften ästhetisch konstruiert werden. Anhand einer Analyse von zwei Internet-Bildersuchen zu den Begriffen Landschaft und Energielandschaft wird die Aussage bestätigt, dass der Unterschied zwischen stereotypen Landschaften und neuen Energielandschaften (derzeit noch) groß ist. Während die Ergebnisse der Bildersuche Landschaft meist mit als positiv bezeichneten Elementen darstellt sind, sind es bei der Bildersuche Landschaft häufig als störend oder hässlich bezeichnete Elemente. Daraus lässt sich ableiten, warum diese Landschaften in Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Die Akzeptanzprobleme ergeben sich demnach aus der Folge der ästhetischen alltagsweltlichen Konstruktion stereotyper Landschaftsbilder, da sich diese stark diskrepant zur Konstruktion der neuen Energielandschaften verhalten.

Simone Linke
Ästhetik und Akzeptanz
Welche Geschichten könnten Energielandschaften erzählen ?

Materiell neu oder umgestaltete Landschaften erfordern von Lai(inn)en und fachlich geschulten Betrachter(inne) n veränderte mentale Konzeptionen. Die Konzeptionen von Energielandschaften in der Energiewende unterliegen dabei unterschiedlichen Bewertungen zwischen negativen, stark ablehnenden Wahrnehmungen und aus Vernunftgründen ertragenden Haltungen. Dabei liefern die Landschaften selbst Passformen, in denen sich die menschgemachten Anlagen Teil einer Umgebung einfügen könnten, in denen sich Menschen heimisch fühlen. Dazu braucht es bei Planern Wissen um regionale Narrative und mögliche Korrespondenzen mit Architektur und Landschaften. In unserem Beitrag arbeiten wir die Potenziale regional eingebundener Energieinfrastrukturen heraus und liefern Beispiele und Anregungen aus den Bereichen Brauchtum, Breitensport, Werbung und Kunst.

Stefan Schweiger, Jan-Hendrik Kamlage, Steven Engler
Aspekte der Qualität
Spezielle Szenarien und Bewertungsverfahren zur Entscheidung über die Realisierung von Anlagen für die Gewinnung erneuerbarer Energie

Kriterienauswahl und Bewertungsverfahren sind Grundbestandteile von Entscheidungen. Dies gilt im Besonderen dort, wo komplexe Zusammenhänge vermittelt werden sollen, wie sie sich beispielsweise bei Planung und Umsetzung großtechnischer Bauten für erneuerbare Energien (EE) in Landschaften regelmäßig stellen. Auf der Basis einer Darstellung der Zusammenhänge unter dem Aspekt der ‚Landschaftsqualität‘ stellen die Verfasser zwei Verfahren zur Lösung dieses Problems vor, würdigen diese kritisch und formulieren aufgabenspezifischen Forschungsbedarf.

Marcus Steierwald, Wolfgang Weimer-Jehle
Ikonologie des Protests – Der Stromnetzausbau im Darstellungsmodus seiner Kritiker(innen)

Auch wenn die in Deutschland angestrebte Energiewende in der Bevölkerung nach wie vor große Zustimmung findet, stoßen Maßnahmen der konkreten Umsetzung vor Ort auf immer stärker werdende lokale Proteste. Im Zuge dieser Entwicklung entstand eine umfangreiche Forschungsliteratur, die sich insbesondere mit Akzeptanzund Partizipationsfragen, Akteuren und ihren Argumentationsmustern beschäftigten, wohingegen visuelle Kommunikationsformen der Bürgerinitiativen gegen den Stromnetzausbau bisher weitestgehend unbeachtet blieben. Dabei stellt sich die Frage des Warums – sind visuelle Kommunikationsformen doch eine der zentralen Kommunikationselemente der Kritiker(innen). Der vorliegende Artikel fragt daher danach, ob und wie Protestbewegungen über die distribuierten Bilder ein Set an visuellen Mustern und Codes entwickeln, die nicht nur eine expressive Form der Selbstdarstellung der Akteure abbilden, sondern zugleich auch auf einer emotionalen und damit weitgehend unbewussten Ebene ästhetische Kriterien sozialer Wahrnehmung – hier der physischen Repräsentanten des Stromnetzausbaus – zu regulieren beabsichtigen.

Corinna Jenal
Partizipative Methoden der Landschafts(bild)bewertung – Was soll das bringen?

Partizipative Methoden zum Thema Landschaft sind bei Entscheidungsprozessen im Zuge der Energiewende für die Öffentlichkeit von großer Bedeutung. Im der aktuellen Planungspraxis spielen sie aber allenfalls eine untergeordnete Rolle. Dies hat zum Teil sehr unterschiedliche Beobachtungen zur Folge, die allesamt dazu führen, dass die Landschaftsplanung Gefahr läuft, in ihrem Kerngeschäft ‚Landschaft‘ den lebensweltlichen Bezug der Öffentlichkeit zur Landschaft aus den Augen zu verlieren. Dementsprechend sind die Beobachtungen Symptome einer Fehlentwicklung des landschaftsplanerischen Umgangs mit den Erneuerbaren Energien. Die Lösung liegt vor allem in einem grundsätzlichen Umdenken der bisherigen Herangehensweisen. Energielandschaften müssen entworfen und gestaltet werden, Gerechtigkeitsdiskussionen geführt und Landschaftsargumenten mehr Bedeutung zugemessen werden.

Boris Stemmer, Lucas Kaußen
Energiekonflikte erkennen und nutzen

Die regionale und lokale Umsetzung der bundespolitischen Beschlüsse zur Energiewende ist mit erheblichen Auseinandersetzungen verbunden. In vielen, vor allem ländlich geprägten Orten formieren sich Proteste gegen Anlagen erneuerbarer Energieträger oder gegen den Ausbau von Netzen. Die große Anzahl und die Heftigkeit von energiepolitischen Konflikten wirft zwei Fragen auf. Erstens, wie die kleinräumlichen und sehr heterogenen Konflikte in ihren verallgemeinerbaren Mustern und Ausprägungen verstanden werden können. Zweitens stellt sich die Frage, wie energiepolitische Konflikte für die Gestaltung der künftigen Energieversorgung produktiv gewendet und genutzt werden können. Der Beitrag liefert auf Grundlage der internationalen Literatur sowie von Ergebnissen des Forschungsprojekts Lösung von lokalen energiepolitischen Konflikten und Verwirklichung von Gemeinwohlzielen durch neue Organisationsformen im Energiebereich (EnerLOG) erste Vorschläge, wie Konflikte erkannt, verstanden und genutzt werden können. Lokale energiepolitische Konflikte bieten, so unsere zentrale Aussage, nicht nur einen Zugang für das wissenschaftliche Verständnis von lokalen Energiewenden, sondern auch eine Gelegenheit für die Aushandlung unterschiedlicher Vorstellungen einer nachhaltigen Regional- und Infrastrukturentwicklung.

Sören Becker, Matthias Naumann
Erneuerbare Energie und ‚intakte‘ Landschaft: Wie Naturtourismus und Energiewende zusammenpassen

Zerstören Windkraftanlagen Landschaft und gefährden dadurch die Tourismuswirtschaft? Auswirkungen der Energiewende stehen im Mittelpunkt zahlreicher Konflikte: insbesondere Planungen für Windkraftanlagen geben vielerorts Anlass zur Kritik. Der Ausdruck der ‚Verspargelung der Landschaft‘ wird hier regelmäßig vorgebracht und fasst als politisches Schlagwort und Kampfbegriff die Kritik an landschaftlichen Auswirkungen der Windenergie zusammen. Ästhetische und emotionale Argumente gegen landschaftliche Veränderungen finden in der raumbezogenen Planung jedoch wenig Berücksichtigung. Gegner(innen) von Windkraftanlagen bemühen stattdessen in mehreren Fällen den Tourismus als Gegenargument. Demnach bedrohten Windkraftanlagen die landschaftliche Attraktivität und damit die Tourismuswirtschaft der jeweils betroffenen Regionen. Vor dem Hintergrund eines sozialkonstruktivistischen Verständnisses von Landschaft kombinieren wir Ergebnisse aus zwei empirischen Studien zum Thema Tourismus und Windkraftanlagen. Wir finden dabei keinen Beleg für eine Gefährdung des Tourismus durch Windkraftanlagen.

Erik Aschenbrand, Christina Grebe
Frühzeitige Planungskommunikation – ein Schlüssel zur Konfliktbewältigung bei der Energiewende?

Der Beitrag geht der Frage nach, ob und wie Konflikte rund um Großprojekte der Energiewende durch eine frühzeitige Planungskommunikation zu bewältigen sind. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Konzipierungsphase der Öffentlichkeitsbeteiligung gelegt und die mit der Planungskommunikation verbundenen Herausforderungen werden – Partizipationsdilemma, Akzeptanzdilemma, Erwartungsmanagement, Frage der Beteiligungsintensität und der angemessenen Formate – dargestellt. Für die verschiedenen Herausforderungen werden überblicksartig Entscheidungsschritte und Handlungsalternativen aufgezeigt.

Kerstin Langer
GIS – Das richtige Programm für die Energiewende

Geographische Informationssysteme (GIS) sind die zentralen Werkzeuge für die Arbeit mit Geodaten. Zunehmend werden GIS aber auch für Simulationen, Zukunftsprojektionen und fiktive Visualisierungen im Raum verwendet. GIS ist die ideale Software für die IT-gestützte Standortsuche von Energieinfrastrukturen (EIS), das Planungs-, Simulations- und Visualisierungstool für jede Anlage, die im Zusammenhang mit der Energieproduktion steht. Im Beitrag werden die Anwendungsmöglichkeiten von GIS in der Energiewende für drei Aspekte genauer beleuchtet:. Wie lässt sich GIS für die Suche des optimalen Standortes für EIS einsetzen?. Wie kann GIS angewandt werden, um die Sichtbarkeit von EIS in der Landschaft zu analysieren?. Wie lässt sich die regionale Klimasimulation mit einem GIS kombinieren, um Eintrittswahrscheinlichkeiten von Witterungszuständen in der Zukunft zu modellieren? Abschließend wird ein Ausblick gegeben, wie der zukünftige Umgang mit EIS aussehen könnte: Die Verschmelzung von BIM (Building Information Modelling) und GIS ermöglicht die Verwendung eines integralen Werkzeuges für die Planung, den Bau und den Betrieb zukünftiger Bauvorhaben der Energiewende.

Mark Vetter

Unter Strom:praktische Herausforderungen

Frontmatter
Schwefelhexafluorid: Ein Gas zwischen technischer Exzellenz und Rekord-GWP

In den vergangenen Jahren ist das technische Gas Schwefelhexafluorid (SF6) immer wieder Gegenstand von Diskussionen des Klimaschutzes und der technischen Notwendigkeit für den Betrieb von Schaltanlagen gewesen und wird dies wohl auch noch für längere Zeit bleiben. Das Gas, welches sich aus einem Schwefelatom und sechs Fluoratomen zusammensetzt, wird seit Ende der 1960er Jahre in Schaltanlagen der Mittel- und Hochspannung eingesetzt. So günstig dessen Eigenschaften im technischen Einsatz auch sind, so klimaschädlich ist es beim Entweichen in die Atmosphäre. SF6 ist das Klimagas mit dem größten bekannten Treibhauspotenzial, es weist ein CO2-Äquivalent (GWP) von 23 900 und eine atmosphärische Lebensdauer von ca. 3 200 Jahren auf. Neben nur wenig verbliebenen Anwendungen in Industrie, Militär und Medizin kommt es heute hauptsächlich bei der elektrischen Energieversorgung als Isolier- und Lichtbogenlöschgas in Schaltanlagen von Übertragungs- und Verteilnetzen zum Einsatz. Grund genug die technische Notwendigkeit, mögliche Alternativen und Konsequenzen drohender Verbote zu diskutieren. In diesem Artikel werden zunächst die Grundlagen moderner SF6-Hochspannungsschaltanlagen vorgestellt, die Klimabelastung durch entweichendes SF6 evaluiert, ein Überblick über den Stand der Forschung gegeben und mögliche Konsequenzen eines Verbotes von Schwefelhexafluorid in der Energieversorgung diskutiert.

Jörg Bausch
Von der Schwierigkeit, nicht nur im Kopf umzuparken – Ein Selbstversuch zur Elektromobilität

Ausgelöst nicht zuletzt durch den Dieselskandal und getrieben von der Dekarbonisierung in allen Sektoren der Industrie, gilt es auch den persönlichen energetischen und ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Neben dem Wohnen kommt insbesondere der persönlichen Mobilität ein großes Gewicht im ökologischen Fußabdruck zu. Für Pendler(innen) gilt es deshalb Wege zu finden, um die tägliche Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz umweltfreundlich und effizient zu überbrücken. Auch der Autor muss sich mit dieser Frage auseinandersetzen. So entstand dieser persönliche Erfahrungsbericht.Das Fazit dieses Beitrages ist leider etwas ernüchternd, denn es verdeutlich die aktuell vorhandenen Hemmnisse und Schwierigkeiten, die einem Durchbruch der Elektromobilität im Wege stehen. Den vermutlich wichtigsten Beitrag für den zukünftigen Erfolg der Elektromobilität, welch Ironie der Geschichte, verdanken wir wohl dem Abgasbetrug bei Dieselfahrzeugen. Das Fazit ist deshalb positiv, die Elektromobilität wird kommen, vielleicht später als geplant und nicht als Lösung für alle Anforderungen. Zudem erleichtert sie den Einstieg neuer Akteure, wie nicht zuletzt das Beispiel Tesla anschaulich zeigt.

Peter Radgen
Erdverkabelung und Partizipation als mögliche Lösungswege zur weiteren Ausgestaltung des Stromnetzausbaus?
Eine Analyse anhand zweier Fallstudien

Die ‚Energiewende‘ in Deutschland befindet sich aktuell inmitten der Umsetzungsphase. Mit einer veränderten Struktur der Energieerzeugung geht auch eine angepasste Struktur in den Übertragungs- und Verteilernetzen einher – ein verstärkter Stromnetzausbau ist die Folge. Im Zusammenhang mit zahlreichen Protesten entlang der avisierten Trassenkorridore deutet sich derzeit eine Umsetzung der Stromtrassen mittels Erdverkabelung in Verbindung mit noch umfänglicherer Partizipation als ein möglicher Lösungsweg an, den Stromnetzausbau umzusetzen. Innerhalb des vorliegenden Artikels erfolgt ein subjektzentrierter Zugriff auf die Alltagswelten betroffener Bürger(innen), um individuellen Komponenten von Akzeptanz vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zielsetzungen und Erwartungen nachzugehen. Anhand zweier Fallstudien wird deutlich, dass Erdverkabelung in Verbindung mit einer verstärkten Partizipation die Akzeptanz gegenüber dem Netzausbau erhöhen kann, aber vor dem Hintergrund teilweise genereller Ablehnung nicht zwingend muss.

Tobias Sontheim, Florian Weber

Der Ausbau der Windenergie:planerische Grundlagen,Herausforderungen und Potenziale

Frontmatter
Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen und der Aufschwung rechtspopulistischer Bewegungen

Trotz allgemein hoher Zustimmung zur Energiewende mehren sich die Proteste gegen ihre Umsetzungsprojekte, allen voran gegen Windkraftanlagen. Parallel dazu hat sich in den letzten Jahren mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine Partei im politischen System Deutschlands etabliert, die nicht nur durch ihre rechtspopulistischen Haltungen in Bezug auf die Flüchtlingsdebatte auffällt, sondern sich auch offen gegen die Energiewende und den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien, in hohem Maße Windkraftanlagen, positioniert. Eine eigene bundesweit durchgeführte Repräsentativbefragung im Dezember 2016 hat ergeben, dass rund 44 % derjenigen, die die Energiewende ablehnen, der AfD im Falle einer Bundestagswahl ihre Stimme geben würden. Zwar zeigen sich bei genauerer Betrachtung der Argumente von Bürgerinitiativen und dem Programm der AfD nur wenige inhaltliche Überschneidungen. Parallelen werden jedoch sichtbar, wenn man die Vorgehensweisen und Argumente auf ihren populistischen Gehalt hin überprüft.

Eva Eichenauer, Fritz Reusswig, Lutz Meyer-Ohlendorf, Wiebke Lass
Wandel und gesellschaftliche Resonanz – Diskurse um Landschaft und Partizipation beim Windkraftausbau

Als Reaktion auf den Reaktorunfall in Fukushima (Japan) beschloss die schwarz-gelbe Bundesregierung 2011 den Ausstieg aus der Kernkraftnutzung bis 2022. In diesem Zuge wurde – auf Grundlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus dem Jahr 2000 – die Energiewende und damit der bundesweite Ausbau von Windkraftanlagen politisch weiter vorangetrieben. Die physisch-materielle Welt erfährt im Zuge des Zuwachses erneuerbarer Energien vielschichtige Wandlungsprozesse, die vermehrt auf gesellschaftliche Resonanz stoßen und unterschiedliche Konfliktfelder aufspannen. Im Kontext der Windkraftnutzung haben sich zahlreiche ablehnende, aber auch befürwortende Bürgerinitiativen formiert, die ein breites Spektrum miteinander verknüpfter Argumentationsmuster und -logiken aufweisen. Im vorliegenden Beitrag werden sowohl die Ablehnungsseite als auch die Befürwortungsseite des Windkraftausbaus fokussiert und herausgearbeitet, wie die beiden Positionen auf unterschiedliche Konfliktfelder Bezug nehmen, diese miteinander in Beziehung setzen und letztlich diskursiv verankern.

Albert Roßmeier, Florian Weber, Olaf Kühne
Daher weht der Wind! Beleuchtung der Diskussionsprozesse ausgewählter Windkraftplanungen in Baden-Württemberg

Der Wechsel der Landesregierung Baden-Württembergs von der CDU zu einer Koalition aus Grünen und SPD im Jahr 2011 und die daran anschließende Änderung des Landesplanungsgesetzes führten zu einer Verlagerung der Windenergiesteuerung von der regionalen auf die kommunale Ebene. Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche kommunale und regionale Planungsverfahren zur Steuerung der Windenergienutzung aufgenommen. Der vorliegende Beitrag skizziert anhand ausgewählter Beispiele im Zuge der Planung geführte Diskussionsprozesse zu den Themen Artenschutz, Landschaft und menschliche Gesundheit. Betrachtet werden sowohl die regionale als auch die kommunale Ebene. Als Ergebnis der beleuchteten Aushandlungsprozesse kann festgestellt werden, dass unter den Gesichtspunkten der Raum- und Landschaftsplanung eine landes- und regionalplanerische Steuerung unter stärkerer Einbeziehung der Kommunen und der Öffentlichkeit zu bevorzugen ist. Unter den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg hat sich jedoch eine interkommunale Zusammenarbeit und die Entwicklung eines interkommunalen Teilflächennutzungsplanes Windenergie für eine raum- und landschaftsverträglich Windenergiesteuerung bewährt.

Gottfried Hage, Lena Schuster
Warum plant Ihr eigentlich noch? – Die Energiewende in der Region Heilbronn-Franken

Der Beitrag beschreibt die Erfahrungen mit der Teilfortschreibung Windenergie des Regionalplans Heilbronn-Franken in den Jahren 2010 bis 2014. Nach der Änderung des Landesplanungsgesetzes Baden-Württemberg im Jahr 2012 verloren die Regionalverbände die gesetzliche Grundlage zur flächendeckenden Steuerung der Windkraft über Konzentration und Ausschluss. Es bestand die Gefahr, dass Regionalplanung und kommunale Bauleitplanung in Konkurrenz zueinander geraten könnten, was den Menschen nicht mehr zu vermitteln gewesen wäre, zumal die Energiewende sowieso eine der größten gesellschaftspolitischen Herausforderungen darstellt. Der Planungsprozess zeigte deutlich, wie eine grundsätzliche Zustimmung zur Energiewende im Fall von konkreten Planungen in der eigenen Gemeinde umschlägt, sich der Vertrauensverlust gegenüber Politik und Expert(inn) en artikuliert und damit sogar neue Sollbruchstellen zwischen Ländlichem Raum als Standort von Windenergieanlagen und Verdichtungsraum als Energieverbrauchszentren ausbilden. Regionalplanung kann in diesem Kontext Leitlinien für eine Menschen-, Natur- und Landschaft-schützende Planung geben, sie moderiert und koordiniert und geht letztendlich aus einer Entwicklung, die zunächst nach einer Schwächung der Regionalplanung aussah, gestärkt heraus.

Klaus Mandel
Wie die Energiewende den Wald neu entdeckt hat

Seit 2010 hat sich die Windenergie im Wald in Deutschland rasant entwickelt. Während 2010 jede 18. Windenergieanlage (WEA) in Deutschland auf Waldflächen errichtet wurde, steht vom Zubau 2016 jede vierte WEA im Wald. Ende 2016 befinden sich insgesamt 1 530 WEA mit einer installierten Gesamtleistung von 3 945 MW auf deutschen Waldflächen. Mehr als 90 % davon entfallen auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Diese rasante Entwicklung ist auf einen wachsenden Flächendruck, die Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie auf die technische Weiterentwicklung der Windkraftanlagen selbst zurückzuführen. Mit der zunehmenden Erschließung von Waldflächen ergeben sich zunehmend planerische Herausforderungen, denen gleichzeitig neue Konfliktpotentiale gegenüberstehen. Generell besteht zukünftig ein großes Potential für Windenergieprojekte in deutschen Wäldern. Welche Zukunft die Windenergie in deutschen Wäldern haben wird, wird zum einen von der Marktentwicklung in Deutschland abhängen; zum anderen von der Herangehensweise mit planerischen Herausforderungen und zukünftigen Konfliktpotentialen umzugehen.

Anne Kress
Windkraft und Naturschutz

Das Thema ‚Windkraft und Naturschutz‘ ist ein vielseitiges und spannendes, aber auch eines mit viel Diskussionspotential. Für die einen ist Windkraft das Nonplusultra, für die anderen ist Windkraft dagegen schon fast eine persönliche Bedrohung. Zum Thema ‚Windkraft‘ hat sich seit den 2000er Jahren die Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen mehr als verzehnfacht. Grund dafür ist eine wohl einmalige Forschungsdichte zu diesem Thema.Eine hohe Hürde im Genehmigungsverfahren sind die aus dem Bundesnaturschutzgesetz BNatSchG resultierenden artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände, welche letztlich aber „händelbar“ sind. Problematischer ist es dagegen bei dem mit der Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) verbundenen Eingriff in das Landschaftsbild, welcher nach dem BNatSchG ausgeglichen werden muss. Die aktuelle Literatur geht davon aus, dass Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch WEA praktisch nicht ausgeglichen oder ersetzt werden können. Ersatzgeldzahlungen sind eine Option. Angesichts der Fülle an Bewertungsmodellen wird bundesweit der Ruf nach einer einheitlichen Bundeskompensationsverordnung laut.Es ist fraglich, ob WEA unbedingt auch in geschlossenen Waldgebieten aufgestellt werden sollen, denn die dazu notwendige Infrastruktur (Baustraßen, Zuwegung) bedeutet immer auch eine Zerschneidung dieses Lebensraumes und durch Zuwanderung nicht waldgebundener Arten eine Verfremdung.

Dieter Dorda
Metadaten
Titel
Bausteine der Energiewende
herausgegeben von
Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne
Dr. Florian Weber
Copyright-Jahr
2018
Electronic ISBN
978-3-658-19509-0
Print ISBN
978-3-658-19508-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-19509-0