2009 | OriginalPaper | Buchkapitel
Bedrohungen der Judikative
verfasst von : PD Dr. André Brodocz
Erschienen in: Bedrohungen der Demokratie
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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In der politischen Ideengeschichte der Gewaltenteilung ist von einer Bedrohung der Demokratie durch die Judikative zunächst keine Rede. Im Gegenteil: Die Ausdifferenzierung einer autonomen judikativen Gewalt war für Montesquieu, vor allem aber für die Federalists ein zentrales Instrument, um die Demokratie vor einer anderen Bedrohung zu schützen: dem legislativen und exekutiven Machtmissbrauch durch die Mehrheit. Die Macht dieser Gewalten galt es einzuschränken, während die Macht der Judikative im Gegenzug gestänkt werden musste. Dass von einer übermächtigen Judikative eine Bedrohung für die Demokratie ausgehen könnte, schien Montesquieu und den Federalists aus zwei Gründen unmöglich: Zum einen ist die Macht der Judikative durch die Bindung des Richters an den Wortlaut der Gesetze insofern begrenzt, als jede willkürliche Entscheidung durch ihre Lösung vom Gesetzestext sichtbar wäre; zum anderen fehlt es der Judikative an eigenen Sanktionsmitteln, um ihren Willen im Missbrauchsfall auch gegen alle Widerstände selbst durchsetzen zu ksnen (
Brodocz 2007
). Heute hingegen wird der Judikative nahezu weltweit attestiert, dass sie wie eine regierende Gewalt auf den politischen Prozess einwirkt.
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Voraussetzung dafür ist die materielle Selbstbindung der Demokratie an Verfassungen und deren überprüfung durch eine Verfassungsgerichtsbarkeit (
Maus 1994: 274–298
;
Volcansek 2001
). Die Macht der Judikative wird deshalb erst dann zu einem Problem für die Demokratie, wenn sich Demokratien eine über die demokratischen Prozeduren hinausgehende Verfassung geben, an deren Änderbarkeit hohe Anforderungen gesetzt sind, deren Geltung der einfachen Gesetzgebung voran geht und von einem Verfassungsgericht kontrolliert wird.