Im vorliegenden Beitrag wird am Beispiel der chinesischen Terminologie des Zivilrechts die Frage diskutiert, inwiefern einerseits die Entlehnung europäischer bzw. deutscher Rechtsterminologie zur Modernisierung des chinesischen Rechtssystems beigetragen hat, und wie andererseits die eingeführten Begrifflichkeiten im chinesischen Kontext eine eigene, mitunter kulturspezifische Entwicklung erfahren können. Es wird gezeigt, dass die Rezeption fremden Rechts keinesfalls als Implantation bestimmter Rechtsideen und -begriffe zu verstehen ist, sondern immer auch ein interkultureller Austausch, der in einem Spannungsfeld zwischen Eigenem und Fremdem sowie zwischen Altem und Neuem stattfindet. Um die interkulturelle Bedeutung des Begriffstransfers erfassen zu können, ist es notwendig, diesen sowohl im Hinblick auf seine historischen Bedingungen als auch auf seine gegenwartsgesellschaftlichen Zusammenhänge hin zu reflektieren.
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Zur „Interkulturalität der Begrifflichkeit(en)“ im Allgemeinen siehe Liang (2013: 179–189). Dabei wurden neben gemeinsprachlichen Wörtern auch einige Fachtermini der chinesischen Rechtssprache mitdiskutiert, die im vorliegenden Beitrag einer weiterführenden, systematischen und detaillierten Analyse unterzogen werden.
Das Tang-Gesetzbuch mit dem im Jahre 653 bekanntgegebenen amtlichen Kommentar 唐律疏议 (tanglü shuyi) basiert auf den Grundlagen der Gesetzbücher früherer Dynastien, die allerdings schon frühzeitig verlorengegangen sind. Das Tang-Gesetzbuch ist das früheste im chinesischen Recht, das uns vollständig erhalten geblieben ist, und dient nicht nur als Muster für die Gesetzgebung in den nachfolgenden Dynastien der Song-, Ming- und Qing-Zeit, sondern auch als Vorbild für manche andere Länder Ostasiens wie Japan und Vietnam (vgl. Bünger, 1946: 3–4).
Die hier genannten drei Grundsätze Strenge Gesetze und harte Strafen,Moralische Erziehung vor Strafmaßnahmen und Vereinen von Sitten und Gesetzen markieren die wichtigsten Entwicklungen des traditionellen chinesischen Rechts (vgl. dazu Wu, 1999).
Unter chinesischen Zivilrechtlern ist seit längerem von einem Wettstreit zwischen der sog. „deutschen“ und der „angloamerikanischen Fraktion“ die Rede. Dennoch ist die Grundorientierung am deutschen Zivilrechtssystem in den heutigen gesetzgeberischen und richterrechtlichen Tätigkeiten weitgehend unumstritten (vgl. Mi, 2000: 16; Shao & Drewes, 2001: 15; Liang, 2001, 110 ff.).
Unter anderem die Ausgaben von der Shanghaier Akademie für Sozialwissenschaften 1984; von Du & Lu, 1999; Zheng & Jia, 1999; Chen, 2004. Außerdem wurde das Standardwerk „Allgemeiner Teil des BGB“ von Dieter Medicus von Shao Jiandong (2000) ins Chinesische übertragen.
Das Buch des Rechts 法经wird als das erste umfassende Gesetzbuch in der Rechtsgeschichte Chinas angesehen, welches von einem Beamten des Staates Wei zur Zeit der Streitenden Reiche, Li Kui (455–395 v. Chr.), verfasst wurde. Das Werk ist verloren gegangen, überliefert sind lediglich die Überschriften der sechs Kapitel.
Bei der lautlichen Übersetzung geht es um eine Art modifizierter phonetischer Wiedergabe der fremdsprachigen Wörter mit chinesischen Schriftzeichen, z. B. Hertz – 赫兹 (hezi). Hybridbildung ist in der Regel eine Kombination phonetisch und inhaltlich übersetzter Komponenten, z. B. Starbucks – 星巴克 (Xingbake). Näheres siehe Liang (1998: 1597).
Dies können auch die beschriebenen Bambustäfelchen aus der Qin-Zeit belegen, die 1975 im heutigen Kreis Yunmeng der Provinz Hubei ausgegraben wurden. Etwa zwei Drittel davon sind Gesetzes- bzw. juristisch relevante Texte, die die Bezeichnung lü tragen. Vgl. dazu Zeng Xianyi (2000: 151); Heuser (2002: 86-87).
Der Übersetzer soll Mamichi Tsuda (1829–1903) gewesen sein, der in Holland studierte und nach seiner Rückkehr nach Japan umfangreiche europäische Rechtsliteratur ins Japanische übersetzte. In seinem Werk Das europäische Staatsrecht, das 1868 veröffentlicht wurde, soll er den Begriff Zivilrecht erstmals mit minfa übertragen haben (vgl. Zhang, 2002: 4).
Gemeint ist, dass ein Rechtsbegriff, ganz gleich in welcher Sprache, nur durch eine einzige sprachliche Bezeichnung repräsentiert wird. Umgekehrt darf ein Terminus nur eine einzige fest definierte Begriffsbedeutung ausdrücken. Siehe die Nationalen Terminologie-Normen der Volksrepublik China, GB/T10112-959: Terminology work – Principles and methods (中华人民共和国国家标准: 术语工作、原则与方法).