6. Besatzungszeit und Aufbau der Universität in Mainz (1945–1951)

Auszug

Nachdem ich nun registriert war, konnte ich meine Zuflucht im Hause Staudinger verlassen und wieder in meine Wohnung in der Lerchenstraße umziehen. Auf dem Weg dorthin kam ich durch das zerstörte Zentrum der Stadt. Dort waren überall vor den Ruinen der Häuser zum Gedenken der noch unter dem Schutt liegenden Toten Blumengebinde und brennende Kerzen zu sehen, ein ergreifender Anblick. Das Münster war bei dem Angriff ausgespart worden und war inmitten der Trümmer nur leicht beschädigt. Das Haus in der Lerchenstraße lag wie ausgestorben da, und auf mein Klingeln öffnete niemand. Ich warf Steinchen gegen die Fensterscheiben, worauf eines der Fenster geöffnet wurde und Frau Naumann heraussah, froh darüber, dass endlich ein Mann ins Haus kommt. Sie berichtete ganz verstört, dass nachts zwei Kerle in das Haus eingedrungen seien, geraubt und eine jüngere Frau vergewaltigt hatten, sodass sie mit einem Nervenschock in die Klinik eingeliefert werden musste. Am selben Tag zog in die obere Wohnung die Familie Baumeister mit drei Kindern ein, anscheinend Flüchtlinge aus einer bombardierten Stadt. Frau Naumann wollte aber nicht über Nacht im Hause bleiben und zog zu Bekannten in der Nähe. …