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10.08.2021 | Beschaffungscontrolling | Schwerpunkt | Online-Artikel

Explodierende Rohstoffpreise fordern das Controlling

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

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Infolge von Lockdownmaßnahmen, Naturkatastrophen und Vorfällen wie dem Stau im Suezkanal sind die Rohstoffpreise weltweit explosionsartig gestiegen - bis zu 65 Prozent ermittelte eine aktuelle Studie im Einzelfall. Das stellt das Supply-Chain-Controlling vor große Herausforderungen.

"Die Entwicklungen auf den internationalen Rohstoffmärkten wurden im gesamten Jahr 2020 durch die globale COVID-19-Pandemie dominiert", heißt es im Konjunkturschlaglicht "Rohstoffpreise unter dem Einfluss von Covid-19" von Claudia Wellenreuther in der Zeitschrift "Wirtschaftsdienst" (Ausgabe 2 | 2021). "Während die Energiepreise zum Jahresende deutlich unter dem Vorkrisenniveau blieben, stiegen die Preise für Industrierohstoffe ab März so stark an, dass sie zum Jahresende weit über ihrem Vorkrisenniveau lagen", konstatiert die Autorin.

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Datengetriebene Ansätze zur Optimierung der Beschaffung und Lagerhaltung von Rohstoffen in volatilen Märkten

Preisschwankungen stellen sowohl für rohstoffverarbeitende als auch für rohstoffhandelnde Unternehmen eine große Herausforderung dar. Die vorliegende Arbeit untersucht die Auswirkungen von Preisunsicherheit auf optimale Beschaffungs- und Lagerhaltungsstrategien.

Dass das aufgrund der Corona-Krise aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnis von Angebot und Nachfrage bei Rohstoffen zur Produktion langlebiger Güter schnell wieder ins Lot kommt, bezweifeln derzeit Manager aus unterschiedlichen Branchen. Eine von März bis Juli 2021 online wie telefonisch durchgeführte Umfrage unter mehr als 1.000 Unternehmensentscheidern in insgesamt zwölf europäischen Ländern ergab, dass diese bis Jahresende mit weiteren Preissteigerungen für Holz, Kunststoff, Methanol und Metall rechnen. 

Für die Studie interviewte das Beratungshaus Horváth Unternehmenschefs sowie leitende Führungskräfte der Bereiche Finanzen, Vertrieb und Einkauf aus Sektoren wie Automotive, Möbel, Haushaltswaren und Elektronik, Verpackungsindustrie sowie Metallbau.

Ein Bündel an Faktoren lässt Preise steigen

"Während die Hersteller Produktion und Lagerbestände pandemiebedingt herunterfahren mussten, stieg die Nachfrage nach Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen sowie Bau- und Renovierungsmaterialen für Innenräume und Außenanlagen an", erläutern die Studienautoren. Hinzu kamen in den vergangenen Wochen ungünstige Naturereignisse wie extreme Trockenheit oder durch Borkenkäfer verursachte Schäden, die zu Engpässen führen. Aber auch der Stau im Suezkanal sowie die Blockade eines der weltweit größten Container-Häfen in China haben die Situation verschärft. 

Die Studie ermittelte durchschnittliche Preissteigerungen um 30 Prozent seit Herbst 2020 beziehungsweise 20 Prozent seit Jahresbeginn. Bei metallischen Sekundärrohstoffen waren es in der Spitze sogar 65 Prozent. In Deutschland habe sich zum Beispiel der Preis für Holz seit September verdoppelt.

"Diese Unterschiede in den Preisreaktionen der einzelnen Rohstoffsegmente konnten im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 nicht beobachtet werden. Hier verzeichneten neben den Energierohstoffen auch die Industrierohstoffe einen starken Preiseinbruch", resümiert Wirtschaftsdienst-Autorin Wellenreuther. "Der unterschiedliche Verlauf der Energie- und Industriemetallpreise könnte darauf zurückzuführen sein, dass die globale Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen im Gegensatz zu früheren Rezessionen eine bislang einmalige Kombination von Angebots- und Nachfrageschocks auf den Rohstoffmärkten auslösten."

In Deutschland schießt der Holzpreis nach oben

Und von einem Ende dieses Schocks gehen die befragten Entscheider offenbar vorerst nicht aus. "Für Holz erwarten die befragten Hersteller einen Anstieg von bis zu 33 Prozent bis Jahresende. In Großbritannien, wo der Brexit die Holzbeschaffung besonders erschwert, geben die Befragten sogar mögliche Erhöhungen von bis zu 180 Prozent für bestimmte Holzarten an", heißt es in der Horváth-Studie. Mit Einführung der Lockerungen scheine die wirtschaftliche Krise final überwunden. Die Investitionsbereitschaft der Bevölkerung steige wieder. "Mit der exponentiell steigenden Delta-Variante befürchten die Befragten nun auch weitere Lockdowns in Europa und somit die Fortsetzung der starken Nachfrage." Die Folge: ein neues Rekordhoch beim Holzpreis bis Dezember 2021.

Ähnlich lauten auch die Prognosen für andere Rohstoffe. So fürchten die Umfrageteilnehmer bei Warmstahl einen weiteren Anstieg um 18 Prozent bis Jahresende. Bislang sind die Preise pro Tonne bereits seit Anfang 2021 um 60 Prozent gestiegen. Die unerwartet schnelle Erholung einiger Branchen, Engpässe in den Lieferketten und der gesteigerte Bedarf an Plastikverpackungen treibe auch den Preis für Kunststoffe wie Polyethylen oder Polypropylen nach oben. Dieser sei so teuer wie seit Jahren nicht mehr.

Differenzierte und selektive Preispolitik hilft Unternehmen

Die Studienautoren raten den Unternehmen besonders betroffener Branchen zu 

  • systematischen und gezielten Preisanpassungen sowie einer frühzeitigen und transparenten Preispolitik gegenüber den Kunden,
  • differenzierten und selektiven Preiserhöhungen nach Marktsegment, Vertriebskanal oder Produktgruppen,
  • der Arbeit mit vorausschauenden Preisindizes und Zuschlägen sowie
  • einem zielgerichteten Controlling, um bei negativen Kundenreaktionen schnell gegensteuern zu können.

Digitalisiertes Beschaffungscontrolling erleichtert Forcasts

Diese Maßnahmen lassen sich schneller und leichter mit einer durchdachten Digitalisierung des Beschaffungscontrollings, meint Andreas Jonen im Buch "Die Digitalisierung der Controlling-Funktion". Möglich sei das unter anderem mit Predictive Analytics. Den Prozess und die Vorteile beschreibt der Springer-Autor auf den Seiten 354 f.:

Mithilfe dieser Technik können auf Basis von Vergangenheitsdaten, aktuellen Bestands- und Auftragsdaten sowie dem Einbezug von externen Daten Vorhersagen zu den benötigten Beschaffungsobjekten erstellt werden. Auf diesem Weg können automatisch Bestellungen ausgelöst werden. Des Weiteren können die präskriptiven Verfahren dazu verwendet werden, Rohstoffpreisprognosen zu kalkulieren. Hierbei ist es zunächst notwendig, in Form von Hypothesen ein Werttreibermodell aufzubauen. Dieses kann dann entsprechend getestet und validiert werden."

Ein erfolgsversprechendes Einsatzgebiet könnten dabei die Forecasts für die Materialkosten unterschiedlicher Produkte sein. Abgeleitet werden können dabei

  • Höchstpreise,
  • optimale Bestellmengen,
  • der ideale Kaufzeitpunkt oder
  • Beschaffungsstrategien, wie ein Natural Hedging.

"Diese Informationen haben wiederum Einfluss auf die Finanzplanung, sodass ein Einsatz von flexiblen Budgets sinnvoll ist und erwartet werden kann, dass sich die Qualität von Forecasts deutlich verbessert", so Jonen.

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