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Open Access 2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

7. Bestandsaufnahme offener öffentlicher Einkaufsdaten

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Zusammenfassung

Folgendes Kapitel schafft den Übergang vom elektronischen öffentlichen Einkauf zu offenen öffentlichen Einkaufsdaten für Deutschland. Es greift hierbei die Gliederung nach rechtlichen Rahmenbedingungen, organisatorischer Umsetzung, technischer Durchdringung, Transparenz, Partizipation und Kollaboration erneut auf. Die Portale der Länder Hamburg, Bremen und NRW sowie die öffentlichen Einkaufsdaten aus 26 auszugsweise analysierten Vergabe- und Bekanntmachungsportalen werden näher beleuchtet. Ebenso wird darauf eingegangen, welche Daten überhaupt bereitgestellt werden sollten und wie ein Musterdatenschema aussehen könnte.
Die vorherigen Kapitel konnten verdeutlichen, dass Deutschland die Umsetzung von E-Procurement und der eVergabe nur zögerlich angeht. Erst mit dem Schwenk vom Prinzip der Freiwilligkeit zu einer Verpflichtung seitens der Europäischen Kommission kommt es nun zur längst überfälligen Bewegung. In der Folge erhöht sich das Potential der Datenerfassung und -nutzung: Daten, die dann elektronisch vorliegen werden, können einfacher für transparente und optimierte Entscheidungsgrundlagen genutzt werden.
Mit Blick auf die Transparenz des Unterschwellenbereichs sowie die Nutzung der dortigen öffentlichen Einkaufsdaten steht Deutschland allerdings ebenfalls noch am Anfang. Angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung und Größe Deutschlands erscheinen die ungenutzten Möglichkeiten bedenklich. So fordert auch die EU Deutschland dazu auf, es möge sich hier stärker engagieren oder gar zum Motor der Bewegung werden und die unterschwelligen öffentlichen Einkaufsdaten ebenfalls offenlegen. Die Digitalisierung könne nicht mehr rückgängig gemacht werden, biete aber letztlich eine Chance zur Mitgestaltung des Nutzens für jeden Einzelnen (Schwimann, 2018).
Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend der Übergang vom elektronischen öffentlichen Einkauf zum Stand der Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten für Deutschland geschaffen. Auch dieses Kapitel greift hierbei die Gliederung nach rechtlichen Rahmenbedingungen, organisatorischer Umsetzung, technischer Durchdringung, Transparenz, Partizipation und Kollaboration auf.

7.1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten

7.1.1 Die Regelung des Zugangs zu öffentlichen Daten: Public Sector Information (PSI)-Richtlinie

Am 26. Juni 2019 wurde die neue Fassung der PSI-Richtlinie ((EU) 2019/1024) veröffentlicht. Sie setzt auf der in 2003 veröffentlichten Erstfassung (2003/98/EG) und deren Überarbeitung aus dem Jahr 2013 (2013/37/EU) auf. Aufgrund der zahlreichen Änderungsbedarfe wurde eine Neufassung erforderlich. Ziel der Richtlinie ist es, nicht personenbezogene Informationen, die den öffentlichen Verwaltungen vorliegen, der Öffentlichkeit proaktiv und möglichst einfach zugänglich zu machen (Open Data). So sollen die mit Steuermitteln erstellten Daten der Allgemeinheit wieder zufließen können, um zum Beispiel in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einzugehen und weitere Wirtschaftspotentiale für Europa zu erschließen.
Die novellierte PSI-Richtlinie weitet den Anwendungsbereich auf öffentliche Unternehmen aus (Art. 1), sie regelt den Echtzeitzugang zu dynamischen Daten mithilfe angemessener technischer Mittel und führt eine Verpflichtung zur kostenfreien Bereitstellung für die Weiterverwendung von Daten ein. Eine Ausnahme besteht, wenn für die Reproduktion, Bereitstellung und Weiterverbreitung oder Anonymisierung Grenzkosten entstehen. Hierfür können Gebühren berechnet werden (Art. 6). Weiters verweist die Richtlinie auf die Anwendung von Standardlizenzen (Art. 8)1 und führt die Bereitstellung von Daten mit besonders hohem Wert (High Value Data Sets) in maschinenlesbarem Format über geeignete Application Programming Interfaces (API) und gegebenenfalls als Massen-Download ein. Ihre Weiterverwendung wird mit wichtigen Vorteilen für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft verbunden (Art. 14).
Insgesamt führt die Richtlinie damit erstmals eine Zugangsverpflichtung ein und wird deswegen auch als „Open Data-Richtlinie“ betitelt. Leider definiert sie nicht, welche Daten als „High Value Data Sets“ gelten, sondern beschreibt lediglich die Kategorien und Kriterien zur Potentialermittlung.2 Die Definition der konkreten hochwertigen Daten soll in weiteren Rechtsakten erfolgen (Art. 14). Ebenfalls hat man es bezüglich der Lizenzen versäumt, auf die Präferenz von Lizenzen zur gemeinfreien Widmung (public domain dedication) oder mit Namensnennung (attribution licenses) als ein Ergebnis des EU-Projektes LAPSI3 zu verweisen, was die weitere Interoperabilität erschweren kann (Dulong De Rosnay et al., 2014). Die Mitgliedsstaaten haben nun bis Juli 2021 Zeit, die europäische Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Für Deutschland gilt es, die öffentlichen Einkaufsdaten als hochwertigen Datensatz zu bewerten.

7.1.2 Die Regelung der Weiterverwendung von öffentlichen Daten: Informationsweiterverwendungsgesetz

Am 19. Dezember 2006 ist das Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz, IWG) in Kraft getreten, um die europäische Richtlinie 2003/98/EG (PSI-Richtlinie) in nationales Recht umzusetzen. Es regelt im Unterschied zum IFG nicht den Zugang, sondern die Weiterverwendung öffentlicher Informationen und setzt auf den Informationsfreiheits- und Transparenzgesetzen auf. Bei der im IWG geregelten Weiterverwendung geht es um die Nutzung von Informationen öffentlicher Stellen, die auch von Unternehmen verwendet werden können, also nicht nur öffentlichen Zwecken dienen. Dabei ist es nicht relevant, ob mit der Nutzung kommerzielle oder nicht-kommerzielle Ziele verfolgt werden. Im Vordergrund steht die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen mithilfe dieser Daten. Die Bereitstellung muss barrierefrei, zeitnah, in der Regel ohne zusätzliche Entgelte und in offenen Formaten erfolgen. So soll es Unternehmen möglich sein, das Potential dieser Informationen unternehmerisch auszuschöpfen, sodass hierüber zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die neue Richtlinie berücksichtigt, dass seit dem Jahr 2003 die Menge der Daten stark zugenommen hat. Die novellierte PSI-Richtlinie begründet erstmals das Recht auf Weiterverwendung von Informationen, sofern diese der Öffentlichkeit, zum Beispiel aufgrund des IFG, zur Verfügung gestellt werden. Sie war durch die EU-Mitgliedsstaaten bis zum 18. Juli 2015 in nationales Recht umzusetzen (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2006). Im Rahmen der neuen PSI-Richtlinie (siehe Abschnitt 7.1.1) wird voraussichtlich eine weitere Anpassung erfolgen.

7.1.3 Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze

Gemäß Art. 5 GG Abs. 1 hat jede Person das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit und damit das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen uneingeschränkt zu informieren, folglich auch über staatliche Informationen. „Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“ (Ziekow et al., 2012, S. 51 f.). Dieses Grundrecht wird auch über die Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze zur Umsetzung der Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors in Kraft gesetzt.
Auf Bundesebene gilt seit 2006 das Informationsfreiheitsgesetz (IFG-Bund), landesspezifische Abweichungen werden in späteren Kapiteln, wenn erforderlich, dargestellt (eine Übersicht zu den Gesetzen bietet Tabelle A.4 im Anhang). Das IFG-Bund ermöglicht gemäß § 1 innerhalb bestimmter Grenzen jedem den freien Zugang zu amtlichen Informationen aller Bundesbehörden sowie zu deren Verwaltungsvorgängen. Da der Begriff „amtliche Informationen“ nicht eindeutig und abschließend definiert ist, umfasst dies nicht nur die Akten, die die Verwaltungstätigkeiten dokumentieren, sondern auch Verträge, die der öffentliche Auftraggeber abgeschlossen hat und auf die das Privatrecht anwendbar ist (Rechten & Röbke, 2017, S. 242). Das Verwaltungsgericht Schleswig hat hierzu ein entsprechendes Urteil im Jahr 2004 gesprochen (VG Schleswig, Urteil vom 31. August 2004, 6 A 245/02).
Es benötigt keine Begründungen, um Informationen nach dem IFG-Bund zu erhalten. Es geht letztlich um ein transparentes Verwaltungshandeln, bei dem allenfalls ein Ausnahmetatbestand (§§ 3-6 IFG-Bund4), der eine Offenheit nicht zulässt, gegenüber dem Antragsteller begründet werden muss.
Gemäß § 6 Satz 2 IFG-Bund darf die Einsicht in Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nur gewährt werden, sofern eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt (zum Verfahren siehe § 8 IFG-Bund). Das heißt, dass hier der Schutz dieser Informationen über dem Informationsinteresse steht. Allerdings wird auch ausgeführt, dass es an einer Definition des Terminus „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse“ mangelt, weshalb auf die allgemein geltende, zu § 17 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) entwickelte Begriffsbestimmung zurückzugreifen ist5 (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, 2011, S. 50 f.). Aufgrund der Angaben des Geschäftsinhabers hat die Behörde zu prüfen, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vorliegt und inwiefern die Offenlegung der Informationen einen konkreten wirtschaftlichen Nachteil bedeuten kann. Somit wäre aber gegebenenfalls Einsicht in Teile der Akte möglich, die keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse beinhalten (§ 7 Abs. 2 Satz 1 IFG-Bund). Zu beachten ist, dass die Regelungen in den einzelnen Ländern vom IFG-Bund abweichen können. Beispielsweise sind öffentliche Verträge in Schleswig-Holstein gänzlich vom Informationszugangsgesetz ausgeschlossen (§ 11 Abs. 11 IZG), in Rheinland-Pfalz sind Kommunen sogar ausdrücklich gemäß § 7 Abs. 5 LTranspG von der sich aus § 7 Abs. 1 LTranspG ergebenden Veröffentlichungspflicht von Verträgen ausgenommen.
Im Unterschwellenbereich gibt es – anders als im Oberschwellenbereich – kein dem § 165 GWB vergleichbares Recht auf Akteneinsicht für nicht berücksichtigte Bieter. Dies ist auf den nicht vorhandenen Primärrechtsschutz6 im Vergaberecht zurückzuführen. Die einzige Möglichkeit ist dort, auf die entsprechenden Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze zurückzugreifen. Da die Vergabeordnungen keinen Rechtsvorschriftscharakter besitzen, greifen diese Gesetze entsprechend (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, 2018b, S. 23). Auch Personen, die überhaupt nicht am Vergabeverfahren beteiligt sind, können darauf als Anspruchsgrundlage zum Erhalt von Informationen über die Vergabe (während oder nach Abschluss des Prozesses) zurückgreifen. Zu einigen Urteilen in diesem Zusammenhang wird auf Abschnitt 7.1.3.2 verwiesen.
Darüber hinaus verpflichten Spezialgesetze auch Länder ohne Informationsfreiheitsgesetz, Informationen herauszugeben.7 Dies ist allerdings nur im vorgesehenen Anwendungsbereich der Spezialnorm und wenn es eine abschließende Regelung ist, zulässig (§ 1 Abs. 3 IFG-Bund). Insgesamt gibt es damit auf Bundesebene fünf Informationsfreiheitsgesetze, auf Landesebene 43 Gesetze und auf kommunaler Ebene über 80 Gesetze, zwei Verordnungen und drei Richtlinien, die den Zugang zu amtlichen Informationen regeln (Semsrott, 2016, S. 21 f.). Die Vielfalt der Regelungen zeigt nochmal die strukturelle Fragmentierung und ist sicher hinterfragenswert.
Die Umsetzung des IFG-Bund in Informations- und Transparenzgesetze in Landesrecht unterscheidet sich dann weiter je nach Land. Es werden drei Entwicklungsstufen unterschieden: 1) Länder ohne gesetzliche Regelungen, 2) Länder mit Informationsfreiheitsgesetzen, nach denen Informationen auf Antrag herausgegeben werden müssen, und 3) Länder mit Transparenzgesetzen, die Behörden zusätzlich zur eigenständigen Veröffentlichung von zentralen Daten verpflichten.8
Leider gibt es nur wenige Untersuchungen über den Ausgang von Verfahren und den (Nicht-)Erfolg der Gesetze. Um eine erste Indikation zu Anspruch und Realität des IFG zu erhalten, werden im Folgenden betrachtet: 1) das Institut für Gesetzesfolgenabschätzung (InGFA), 2) beispielhafte Rechtsprechungen rund um Verträge und Vergaben an der Schnittstelle zu den Rechtsgebieten Landespresserecht, IFG und Vergaberecht, 3) die Nutzung des Transparenzrankings und 4) eine Auswertung des Portals „FragDenStaat“ (https://​fragdenstaat.​de) mit den Suchbegriffen „Vergabe“ und „Vertrag“.

7.1.3.1 Institut für Gesetzesfolgenabschätzung

Eine Begutachtung des IFG-Bund liegt vom InGFA aus dem Jahr 2012 vor. Hierfür hat man sich die damaligen Rechtsprechungen (allgemein, nicht differenziert nach Themen) angeschaut, ausgewertet und zahlreiche Empfehlungen zur Optimierung des Gesetzes vorgelegt (zum Beispiel die Begutachtung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in der Abwägung zwischen öffentlichem und privatem Interesse) (Herr et al., 2017, S. 113 ff.). Diese Empfehlungen haben allerdings bislang nicht zu einer Änderung des Gesetzes geführt. Die einzige Änderung war im Jahr 2013 die Befreiung des Bundesrechnungshofs von seiner Informationspflicht9. Dies ist jedoch keine Weiterentwicklung in Richtung Informationsfreiheit, sondern als Rückschritt zu bewerten. Auch wenn man sich die globale Rangliste nationaler Informationsfreiheitsgesetze anschaut, liegt Deutschland mit 54 von insgesamt 150 möglichen Punkten auf Platz 116 von 123 bewerteten Ländern (Centre for Law and Democracy, 2019). Dies betrifft alle Kategorien (Zugangsrechte, Umfang, Anfrageprozess, Ausnahmeregelungen, Berufungs- und Beschwerdemöglichkeiten, Bekanntheit des Gesetzes).

7.1.3.2 Beispielhafte Rechtsprechungen

Um einen ersten Einblick in die bisherige Rechtsprechung zu geben, werden einige Beispiele in Kurzform vorgestellt.10 Die relevanten Rechtsprechungen tangieren bislang überwiegend Unternehmen und Informationsdienstleister und die Rechtsgebiete an der Schnittstelle vom Vergaberecht zum IFG, IWG sowie Presserecht.
Zugang zu Informationen aus abgeschlossenen Vergabeverfahren (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Juli 2018, Az. 12 B 8.17)
An erster Stelle ist das Urteil vom 12. Juli 2018 des OVG Berlin-Brandenburg (Az. 12 B 8.17) zu nennen. Der Kläger begehrte von der Beklagten Informationen zu deren Förderprogramm für die Luftfahrtforschung (LuFo), das sich in Förderperioden und einzelne Förderbekanntmachungen innerhalb dieser Perioden gliedert. Im vorliegenden Verfahren geht es um Informationen zur Projektträgerschaft: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) beauftragte ab dem Jahr 2008 auf der Grundlage einer zuvor erfolgten Ausschreibung einen Projektträger mit der Durchführung der Fördermittelvergabe. Die Beklagte lehnte dies ab. Das Gericht entschied allerdings für den Kläger. Die Begründung zur Entscheidung verdeutlicht:
1)
Das IFG wird für Informationen über abgeschlossene Vergabeverfahren nicht durch vergaberechtliche Informationsansprüche verdrängt. Somit hat der Kläger gegenüber Bundesbehörden einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Das Bundesministerium für Wirtschaft ist eine Bundesbehörde und die Auskünfte sind amtliche Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 IFG.
 
2)
Ein Informationsanspruch nach dem IFG kann nur in Extremfällen wegen missbräuchlicher Rechtsausübung ausgeschlossen sein. Hierfür muss sich für einen objektiven Betrachter die sichere Erkenntnis gewinnen lassen, dass es dem Antragsteller nicht um einen, womöglich auch geringen, Erkenntnisgewinn geht, sondern er tatsächlich andere, von der Rechtsordnung missbilligte Ziele verfolgt und den Informationsanspruch lediglich als Vorwand hierzu verwendet.
 
3)
Allein eine Vielzahl von Anträgen, die Beharrlichkeit ihrer Verfolgung und das erkennbare Ziel einer vollständigen Durchdringung eines bestimmten Tätigkeitsfeldes oder Aufgabenbereichs einer Behörde und der damit verbundene Aufwand für die in Anspruch genommene Behörde rechtfertigen die Annahme eines Rechtsmissbrauchs noch nicht (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 2019).
 
Übermittlung von Bekanntmachungen öffentlicher Ausschreibungen an Informationsanbieter durch Vergabestelle (BVerwG, Urteil vom 14. April 2016, Az. 7 C 12.14)
Mit Urteil vom 14. April 2016 (Az. 7 C 12.14) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 des IWG auch zu Informationen Zugang besteht, die eine öffentliche Stelle bereits von sich aus veröffentlicht hat. Dies sind zum Beispiel Ausschreibungsbekanntmachungen, die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IWG unverzüglich nach Veröffentlichung in einem Publikationsmittel bereitgestellt werden müssen.
Fallgruppe 1) Bekanntmachungen: Ein Informationsdienstleister/Verlag erbittet die Übermittlung der Bekanntmachungen insbesondere nationaler Vergabeverfahren, die er dann auf seinem Internetportal veröffentlichen möchte. Dies können Ausschreibungs- und Vergabebekanntmachungen sein. Die Kommune lehnte dies ab. Das Bundesverwaltungsgericht stellt jedoch fest, dass die Kommune verpflichtet sei, der Klägerin ausschreibungsbezogene Bekanntmachungen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IWG direkt nach Veröffentlichung im vorgesehenen Publikationsmedium zur Verfügung zu stellen. Entgegen der Auffassung des VGH bestehe ein Zugangsrecht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 IWG auch dann, wenn eine öffentliche Stelle Informationen von sich aus veröffentliche und damit allgemein zugänglich gemacht habe. Das Urteil bezieht sich dabei auf (Vergabe-)Bekanntmachungen öffentlicher Stellen im Sinne von § 2 Abs. 1 IWG, nicht auf Vergabeunterlagen.
Fallgruppe 2) Informationen zu vergebenen Aufträgen, die nicht veröffentlicht werden (siehe dazu auch Abschnitt 6.​2.​2): Oftmals fordern einzelne Informationsdienstleister die Zusendung von Informationen zu abgeschlossenen Vergabeverfahren (häufig Auftragnehmer, dessen Adresse, Auftragssumme, Anzahl der Bieter, Datum der Auftragserteilung), die nicht im Rahmen der ex-post Veröffentlichung bekannt gemacht werden. Dabei beziehen sie sich auf Anspruchsgrundlagen aus den Landespressegesetzen sowie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schwerin (Urteil vom 18. Mai 2016, Az. 6 A 75/14) und das oben genannte Urteil des BVerwG. Im Gegensatz zum letztgenannten Urteil seien aber die Forderungen nach Auskunft zu getroffenen Vergabeentscheidungen darauf ausgerichtet, Daten zu erhalten, die eben nicht allgemein zugänglich sind und vom Auftraggeber auch nicht von sich aus vorher veröffentlicht wurden. Das Urteil des BVerwG kann daher nicht auf nicht veröffentlichte Informationen zu vergebenen Aufträgen angewendet werden (Ott, 2016).
Einsicht in den Vertrag über den Bundestrojaner (VG Wiesbaden, Urteil vom 04. September 2015, Az. 6 K 687/15)
Im Jahr 2012 wurde für den Einsatz im Kompetenzzentrum Informationstechnische Überwachung eine Jahreslizenz für einen Bundestrojaner zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung für knapp 150.000 Euro von einer externen Firma gekauft. Diese Firma geriet in die Kritik, da Oppositionelle aus Bahrain von Geheimdiensten ausspioniert worden waren und dabei Trojaner dieser Firma eingesetzt wurden (Kurz, 2015). Der Kläger forderte nun eine vollständige, ungeschwärzte Auskunft über den durch das Beschaffungsamt des BMI mit dieser Firma geschlossenen Vertrag. Das Verwaltungsgericht verpflichtete das BKA, den beantragten Zugang in Bezug auf bestimmte Inhalte ohne Schwärzungen zu gewähren. Für die Zeit nach Abschluss des Vergabeverfahrens – das Gericht zweifelte allerdings an, dass ein solches überhaupt vorlag – werden die Rechte der privaten Vertragspartner nur durch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus dem Informationsfreiheitsgesetz berücksichtigt. Das Gericht stellte allerdings auch klar, dass Angaben nur dann Geschäftsgeheimnisse sein können, wenn diese im Ansatz kalkulatorisch, preisgestalterisch und damit in sich schutzwürdig sind. Dies ist nur teilweise der Fall. In einigen Punkten besteht zudem kein Zugangsrecht, weil das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf Sicherheitsbelange haben könne (Hessisches Ministerium der Justiz, 2015).
Anspruch eines Presseorgans auf Auskünfte zu Vergabeverfahren (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2015, Az. OVG 11 S 64.15)
Der Antrag eines Presseorgans wurde abgelehnt, den Antragsgegner zur Auskunft von drei im Einzelnen benannten Vergabeverfahren zu verpflichten, nämlich Name und Anschrift des Auftragnehmers, Auftragssumme, Zahl der Bieter und Datum der Auftragsvergabe. In diesem Fall machte das antragstellende Presseorgan einen medienrechtlichen Auskunftsanspruch gemäß Rundfunkstaatsvertrag geltend. Dieser gelte aber, so das Gericht, nur für Unternehmen, die journalistisch-redaktionell aufbereitete Angebote vermarkten. Dies orientiere sich an gewissen Kriterien wie zum Beispiel einer bestimmten Strukturierung. Eine rein kommerzielle Kommunikation zähle nicht dazu, da sie sich nicht an Kriterien gesellschaftlicher Relevanz, sondern an wirtschaftlichen Interessen ausrichte (so OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. August 2014, Az. 11 S 15.14 und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. März 2014, Az. 1 S 169.14) (openJur e. V., 2016).
Akteneinsicht durch Bieter bei öffentlichen Vergabeverfahren (VG Stuttgart, Urteil vom 17. Mai 2011, Az. 13 K 3505/09)
Ein Büromaterialhändler hatte sich im Jahr 2006 erfolglos an einer Ausschreibung der Wehrbereichsverwaltung über Drucker-Verbrauchsmaterial beteiligt. Im Jahr 2009 erhielt er auf Nachfrage die Auskunft, dass der Vertrag aufgrund Nichterreichen der Mindestabnahmemengen noch nicht beendet sei. Dies wollte er mithilfe der Lieferanten-Reportings, die auch Aussagen über die gelieferten Mengen enthalten, kontrollieren und forderte daher Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz gemäß § 1 IFG. Dies wurde ihm mit Verweis auf das Vertraulichkeitsgebot im Vergaberecht (§ 22 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A 2006 und § 14 Abs. 3 VOL/A 2009) verweigert, so dass er unter Berufung auf § 1 IFG vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart auf Akteneinsicht klagte und Recht erhielt.
Während eines laufenden Vergabeverfahrens ist § 14 Abs. 3 VOL/A (beziehungsweise § 17 Abs. 3 EG VOL/A) vorrangig gegenüber § 1 Abs. 3 IFG: Es besteht grundsätzlich kein Akteneinsichtsrecht. Dies ist nach wie vor nur bei EU-weiten Ausschreibungen nach § 111 GWB möglich.
Anders sieht dies nach Abschluss des Vergabeverfahrens aus. Hier hat ein Bieter unter Umständen nach § 1 IFG das Recht, Akteneinsicht zu erhalten, sofern dies den Zweck hat, die Vertragsabwicklung zu kontrollieren (Bundesanzeiger Verlag, 2011). In dem Urteil verpflichtet das Gericht die Wehrbereichsverwaltung zur Überlassung teilweise geschwärzter Kopien an den Händler. Das Vergaberecht stehe dem Informationsanspruch nicht entgegen. Auch aus den übrigen vergabe- und vertragsrechtlichen Regelungen (GWB und VOL/A) lasse sich eine Beschränkung des Informationsanspruchs nicht herleiten (Bundesanzeiger Verlag, 2011; openJur e. V., 2019).
Schlussfolgerungen
Das Verhältnis zwischen IFG, IWG und Vergabe-, aber auch Presserecht muss weiter geklärt werden. So sind die Vorschriften aus dem Informationsfreiheitsgesetz und den Möglichkeiten des Presserechts mit jenen der Gewährleistung des Geheimwettbewerbs und der Vertraulichkeit von Informationen (zum Beispiel Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse) aus dem Vergaberecht abzuwägen. Die Erläuterungen zu den Beispielurteilen zeigen, dass sich Behörden teilweise vorschnell auf ihr Verweigerungsrecht zurückziehen, eine differenzierte Betrachtung aber durchaus eine vollständige oder zumindest teilweise Offenlegung zulässt. Auch die Interpretation der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse muss weiter geschärft werden – es darf hier nicht bei einer ständigen Forderung bleiben, sondern muss Eingang in die Überarbeitung der Rechtsprechung erhalten. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es weder eine Übersicht über die erfolgten Rechtsprechungen noch eine zusammenfassende Bewertung der Urteile. Ebenfalls wären die Unterschiede zwischen IFG-Bund und den Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetzen der Länder und ihre Auswirkungen auf die Rechtsprechung darzulegen. Eine entsprechende Analyse erscheint als Orientierungsrahmen für Verwaltungen, aber auch die Öffentlichkeit, sinnvoll.
Durch die Einführung des IFG wurden sowohl die Auskunftsmöglichkeiten des einzelnen Bürgers, aber noch viel mehr der Presse, gestärkt. Dies sollte man sich rund um die nationalen Vergaben im Unterschwellenbereich noch häufiger zunutze machen.

7.1.3.3 Transparenzranking

Die Basis der Darstellung und Einordnung der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze der Länder ist das Transparenzranking11 (Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. & Mehr Demokratie e. V., 2019). Im Rahmen dieses Projekts wurden die Gesetze des Bundes und der Länder nach sechs Kriterien erfasst: Informationsrecht, Auskunftspflichten, Ausnahmen, Antragstellung, Gebühren und Informationsfreiheitsbeauftragter. Diese Kriterien haben insgesamt nochmals 40 Indikatoren, die bewertet und gewichtet wurden. Das Ergebnis ist in Abbildung 7.1 illustriert. Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen führen demnach das Ranking an.
Tabelle 7.1 bietet eine Gegenüberstellung, wobei der Grad der Erfüllung der Kriterien farblich gekennzeichnet ist.
Tabelle 7.1
Bewertungskriterien Transparenzranking und Erfüllung pro Land (in Anlehnung an Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. & Mehr Demokratie e. V., 2019)
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Die Auswertung pro Land lässt erkennen, dass keines der Gesetze alle Kriterien voll erfüllt. Jedoch bieten gerade die Vertreter der ersten vier Plätze (Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin) in der Kombinatorik ihrer besten Ergebnisse die Chance für eine Blaupause für ein umfassendes, einheitliches Gesetz. Dies wäre ein Ansatzpunkt für jene Länder, die noch gar kein Informationsfreiheits- oder Transparenzgesetz erlassen haben.
Bei den Ländern, die Transparenzgesetze erlassen haben (Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz), findet sich unter „Informationsrecht“ unter anderem der Indikator „Open Data“. All diesen Ländern ist gemeinsam, dass sie die Verwaltungen zur proaktiven Bereitstellung und freien Weiterverwendung maschinenlesbarer Daten verpflichten (Transparenzranking 2017, S. 19). Inwieweit die Verankerung der proaktiven Datenbereitstellung als Treiber für die weitere Öffnung verstanden werden kann, zeigt das folgende Kapitel.

7.1.3.4 FragDenStaat

Ein Indiz für das Interesse der Öffentlichkeit einerseits und für den Auskunftswillen und die Auskunftsfähigkeit der Verwaltungen andererseits bietet das Portal „FragDenStaat“ (https://​fragdenstaat.​de). Über das im Jahr 2011 von der OKFN Deutschland (siehe Abschnitt 5.​2.​4.​4) gestartete Portal können Bürger Anfragen an den Staat senden. Bislang ist das Portal noch nicht für wissenschaftliche Auswertungen genutzt worden (Semsrott, 2016, S. 26). Es gab (Stand März 2019) seit Start des Portals im Jahr 2011 861 Anfragen zum Suchwort „Vergabe“ und 1 916 Anfragen zum Suchwort „Vertrag“. Von insgesamt 46 565 Anfragen seit 2011 sind dies immerhin knapp 6 % aller Anfragen.12 Interessant sind dabei die Datensätze für sich sowie im Vergleich. Wenn eine Anfrage abgeschlossen ist, wird sie mit einem Status versehen: erfolgreich, teilweise erfolgreich, abgelehnt, Information nicht vorhanden, Anfrage eingeschlafen oder Rest13. Tabelle 7.2 und Tabelle 7.3 listen auf, wie viele Anfragen mit welchem Status versehen wurden. Zur Farbmarkierung wurden die Zuordnungen unterhalb der Wertetabelle vorgenommen.
Tabelle 7.2
Erfolg von Anfragen in der Rubrik „Vergabe“ bei FragDenStaat
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Tabelle 7.3
Erfolg von Anfragen in der Rubrik „Vertrag“ bei FragDenStaat
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-658-31687-7_7/MediaObjects/501159_1_De_7_Tabc_HTML.png
Von 861 Anfragen zum Suchwort „Vergabe“ entfallen 806 Anfragen (etwa 94 %) auf die dargestellten Länder inklusive Bund (siehe Tabelle 7.2). Die restlichen 55 Anfragen verteilen sich auf die übrigen acht Länder und sind nicht weiter auf der Website aufgeschlüsselt. Hoch erscheint die Anzahl der nicht vorhandenen Informationen mit 13 % sowie jene der eingeschlafenen und abgelehnten Anfragen mit jeweils in Summe 9 %. Erfolgreich und teilweise erfolgreich konnten insgesamt 58 % aller Anfragen beantwortet werden. Positiv stechen Rheinland-Pfalz und der Bund hervor (72 % respektive 57 %). Bei den eingeschlafenen Anfragen ist Baden-Württemberg mit 19 % der Spitzenreiter, bei den nicht vorhandenen Informationen sind es Baden-Württemberg und Brandenburg mit 33 % respektive 30 %.
Unter dem Suchwort „Vertrag“ gab es insgesamt 1 916 Anfragen, davon entfallen 1 767 (etwa 92 %) auf die dargestellten Länder inklusive Bund (siehe Tabelle 7.3). Die restlichen 149 Anfragen verteilen sich auf die übrigen acht Länder und sind auf der Website nicht weiter aufgeschlüsselt. Hoch erscheint die Anzahl der nicht vorhandenen Informationen mit 19 % sowie jene der eingeschlafenen und abgelehnten Anfragen mit jeweils in Summe 11 % beziehungsweise 10 %. Erfolgreich und teilweise erfolgreich konnten insgesamt 42 % aller Anfragen beantwortet werden, wobei Rheinland-Pfalz und Hamburg positiv hervorstechen (55 % respektive 47 %). Bei den eingeschlafenen Anfragen liegt Bremen mit 43 % vorn, bei den nicht vorhandenen Informationen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit jeweils 15 %.
Im Vergleich der beiden Auswertungen zu Anfragen in der Rubrik „Vergabe“ und „Vertrag“ zeigt sich, dass für Verträge in den Kategorien erfolgreich, teilweise erfolgreich, Anfrage eingeschlafen eine Verschlechterung festzustellen ist – nur in der Kategorie Information nicht vorhanden kann eine Verbesserung festgestellt werden. Das heißt, Informationen zu Verträgen sind eher vorhanden als zu Vergaben, aber dennoch ist die Quote der eingeschlafenen und abgelehnten Anfragen bei Verträgen deutlich höher als bei Vergaben – die Quote der teilweise erfolgreichen Anfragen ist deutlich niedriger.
Während bei „Vergabe“ neben dem Bund die Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin das Ranking anführen, sind es bei den „Verträgen“ – wiederum neben dem Bund – Hamburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Auffällig ist, dass Schleswig-Holstein bei „Verträgen“ sehr weit vorn ist – möglicherweise, weil öffentliche Verträge explizit vom Informationszugangsgesetz ausgeschlossen sind (§ 11 Abs. 11 IZG Schleswig-Holstein). Auch Bremen führt trotz Benennung des Zugangsrechts zu öffentlichen Verträgen (§§ 6a, 6b BremIFG) in keiner der beiden Rankings das Feld an – der Stadtstaat liegt in beiden Fällen nur im unteren Drittel. Dies kann mit dem Verbesserungsbedarf bei den Regelungen zur Antragstellung zusammenhängen:
„Eine Antragsassistenz gibt es nicht. Anonyme Anfragen sind nicht vorgesehen. Überschreitet die Behörde die Antwortfrist oder veröffentlicht Daten anders als vorgesehen nicht, muss sie den oder die Antragsteller/in nicht in Kenntnis setzen und auch nicht mit Sanktionen rechnen“ (Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., 2019c).
Insgesamt kann das Portal „FragDenStaat“ mangels fehlender vertiefender Analysen allenfalls eine Indikation zur tatsächlichen Öffnung der Daten geben. Weitere Einschränkungen dieser Auswertung betreffen die zeitliche Dimension: Über die Internetseite kann man statistisch nicht auswerten, wieviel Zeit zwischen Anfrage und Ergebnis vergangen ist, sie stellt nur das initiale Anfragedatum dar. Weiters beruht die Auswahl der Antwortkategorie auf jener des Antragstellers (nicht jener der Behörde). Somit ist für den Leser der Seite nicht klar, inwieweit Statuszuweisungen überlappend sein können (zum Beispiel ist unklar, ob eine Anfrage zugleich abgelehnt und mit Gebühren behaftet sein kann). Inhaltlich können keine Auswertungen erstellt werden, ohne die Anfragen im Einzelnen durchzugehen (zum Beispiel mit Blick auf Ablehnungsgründe). Es wäre hilfreich, wenn künftig entsprechende Auswertungen im Portal möglich sind.

7.1.4 E-Government-Gesetze

Im Juli 2013 trat auf Bundesebene das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (EGovG) in Kraft, mit der Änderung durch Art. 12a des Gesetzes vom 13. Juli 2017 das Open Data-Gesetz (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, 2019). Das Open Data-Gesetz verpflichtet die Bundesbehörden unter anderem dazu, einen elektronischen Zugang zu eröffnen und erleichtert elektronische Nachweise und Bezahlungen. Des Weiteren wurden Grundsätze der elektronischen Aktenführung und des ersetzenden Scannens festgelegt. Wichtig für vorliegende Arbeit sind insbesondere die neue Regelung zur Veröffentlichung von maschinenlesbaren Datenbeständen durch die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung ab 13. Juli 2018 in § 12a Abs. 1 S. 1 EGovG (Bundesministerium des Innern, 2019b, S. 4 f.).
Die Pflicht zur Bereitstellung gemäß § 12a betrifft jene Daten, die die Behörden zuvor zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erhoben haben. Unbearbeitete Daten im Sinne von Art. 12a Abs. 1 EGovG – sogenannte Rohdaten – basieren nicht auf einem Bearbeitungsvorgang14. Diese Rohdaten müssen von der Behörde in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben selbst oder in ihrem Auftrag erhoben worden sein, wobei die Erhebung das aktive Beschaffen meint und eine vollständige Datensammlung umfasst. In zeitlicher Hinsicht gilt die Bereitstellungsverpflichtung nur für Daten, die nach dem 13. Juli 2017 erhoben wurden (§ 19 Abs. 1 S. 1 EGovG). Voraussetzung ist, dass die Daten bei der Behörde elektronisch gespeichert sind und strukturiert (insbesondere in Tabellen oder Listen) vorliegen15. Des Weiteren darf kein Hinderungsgrund gemäß §§ 3 bis 6 IFG bestehen, beispielsweise wenn die Daten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten oder datenschutzrechtliche Reglungen entgegenstehen. Wenn die Voraussetzungen zur Veröffentlichung erfüllt sind, sollen die Daten maschinenlesbar und mit Metadaten verbunden auf dem Portal https://​www.​govdata.​de bereitgestellt werden (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, 2018). Das bedeutet, dass auch öffentliche Einkaufsdaten über dieses Portal einzustellen sind.
Für die Länder gilt, dass diese entweder bereits eigene E-Government-Gesetze haben oder diese vorbereiten. Den aktuellen Stand zeigt Tabelle A.5 im Anhang.

7.2 Organisatorische Umsetzung

Die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, ist eine Herausforderung, die organisatorische Umsetzung eine andere. Es gibt durchaus Vorgehensweisen zur Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten sowie Ideen zu Geschäftsmodellen, die sich mithilfe offener öffentlicher Einkaufsdaten realisieren lassen könnten. Sie werden im Folgenden skizziert, beginnend mit den Vorgehensweisen.

7.2.1 Vorgehen zur Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten

Vorgehensweisen zeigen einen systematischen und schrittweisen Weg von der Problemstellung bis zur Lösung auf und können des Weiteren notwendige Voraussetzungen, Chancen und Risiken sowie messbare Erfolgskriterien zutage fördern. Im Folgenden sollen nun konkret OCDS und Digiwhist verglichen werden. Zu Beginn wird das Modell, auf das für diesen Vergleich zurückgegriffen wird, beschrieben, dann werden die Verfahrensweisen OCDS und Digiwhist näher betrachtet. Abschließend werden die Ergebnisse des Vergleichs präsentiert.

7.2.1.1 Vergleichsmodell

Mithilfe eines Vergleichsmodells geht es um die Beantwortung der Frage, was das jeweilige Vorgehen charakterisiert, sodass die Übertragung auf einen realen Kontext leichter möglich ist. Das hier genutzte Vergleichsmodell setzt auf den allgemeinen, definierenden Eigenschaften von Vorgehensmodellen gemäß Filß, dem Fünf-Sterne Vorgehen der OCP und weiteren einkaufsrelevanten Dimensionen auf (Filß, 2005, S. 50 ff.; Open Contracting Partnership, 2019i). In Summe ergeben sich die acht Dimensionen Abstraktionsstufe, Formalisierungsgrad, Abdeckung des Einkaufsprozesses, Variablen, Datenumfang, Datenqualität, Interaktion und Zukunftsfähigkeit. Ihnen liegen verschiedenen Ausprägungen zugrunde, die in Tabelle A.6 im Anhang näher erläutert sind.
Die „Abstraktionsstufe“ als erste Dimension beschreibt die Art des Modells in den Ausprägungen Metamodell, Methodensammlung, Framework und Vorgehensmodell. Der „Formalisierungsgrad“ zeigt den Umfang des Modells in den Ausprägungen universell, weltlich und atomar. Die Dimension „Abdeckung des Einkaufsprozesses“ nach Abschnitt 6.​3.​2 führt auf, welche der fünf Phasen des öffentlichen Einkaufsprozesses (Planung, Ausschreibung, Bewertung, Vergabe, Ausführung) durch das Vorgehen adressiert werden. Die Dimension „Datenvariablen“ beschreibt, wie detailliert ein Vorschlagsset an Datenvariablen des öffentlichen Einkaufs aussieht. Die Ausprägungen sind mit minimal, moderat und umfangreich vorgegeben. Die Dimension „Datenumfang“ zeigt, in welcher Form Daten verfügbar gemacht werden. „Datenqualität“ als vorletzte Dimension beschreibt, inwieweit ein Ansatz zur Herbeiführung und Absicherung von Datenqualität beschrieben wird. Dies erfolgt in den Ausprägungen kein Ansatz, moderat und umfangreich. Die siebte Dimension „Interaktion“ stellt dar, inwieweit Interaktionsmöglichkeiten durch das Vorgehen in den Ausprägungen kein Ansatz, moderat und umfangreich gegeben sind. Die letzte und achte Dimension bewertet die „Zukunftsfähigkeit“ des Vorgehens über die zuletzt genannten Ausprägungen. Nach Erläuterung der Vorgehensweisen erfolgt in Abschnitt 7.2.1.4 der Vergleich.

7.2.1.2 Open Contracting Data Standard

Wie bereits in Abschnitt 5.​2.​4.​6 erläutert, wurde der OCDS durch die Initiative OCP und damit überwiegend von Praktikern entwickelt. Er wird bereits in zahlreichen Ländern eingesetzt (Open Contracting Partnership, 2019j), Deutschland zählt allerdings (noch) nicht dazu. Die Initiative stellt ein detailliertes, siebenstufiges Vorgehen dazu bereit, welche öffentlichen Einkaufsdaten wie über den gesamten Einkaufsprozess von der Planung bis zur Implementierung unter Beachtung von Partizipation und Kollaboration publiziert werden können. Das Vorgehen orientiert sich am klassischen Softwareentwicklungsprozess. Zu jedem Prozessschritt werden Hilfsmittel, Tools und Templates vorgeschlagen.
In der Phase „Design“ sollen die Ziele und Prioritäten, Meilensteine, messbare Ergebnisse, das Team, relevante Stakeholder und eine Absichtserklärung festgelegt werden. In der Phase „Map“ geht es darum, über eine Scoping-Analyse ein tieferes Verständnis für den Rahmen, die vorhandene Rechtsprechung sowie Erfahrung und Fähigkeiten der Stakeholder zu entwickeln. Weiters erfolgt über ein System-Mapping die Analyse, in welchen Datenbanken und wie Informationen im Ist-Zustand abgelegt und gespeichert werden. Dies geht bis auf die Ebene der Feldanalyse und berücksichtigt auch Lokalisierungsanforderungen (zum Beispiel an Sprache). In der Phase „Build“ wird die Architektur festgelegt, das heißt es wird festgelegt, wie die verschiedenen Daten konsolidiert werden, zum Beispiel über Exporte aus bestehenden Systemen oder APIs oder Eigenentwicklungen. Des Weiteren wird die Art der Veröffentlichung definiert, damit Endnutzer diese später verwenden können. In der Phase „Publish“ erfolgt schließlich die Veröffentlichung der Daten über verschiedene, zuvor festgelegte Wege. Hierzu gehört auch die Bereitstellung der Veröffentlichungsrichtlinien, das Bereitstellen einer offenen Lizenz und die Pflege der Daten. In der Phase „Use“ müssen entsprechende Tools benannt und implementiert werden, die es ermöglichen, die Daten zu analysieren, zu visualisieren und zu vergleichen. Nur so kann auch ein Nutzen erzeugt werden. In der Phase „Evaluate“ wird schließlich die Qualität der Datenstruktur der Daten selbst und die Anwenderfreundlichkeit überprüft. Basierend hierauf können Baselines für Vergleiche gesetzt werden. In der letzten Phase „Learn“ wird festgestellt, ob Nutzer die Daten anwenden; zudem geht es darum, Erfahrungen aufzugreifen, Verbesserungen umzusetzen und in der Community zu teilen (Open Contracting Partnership, 2019f).
Die OCP stellt außerdem eine Liste zu veröffentlichender öffentlicher Einkaufsdaten bereit. Diese erstreckt sich über alle Phasen des Einkaufsprozesses und umfasst Stand Juni 2019 364 Einträge. Ihre Anwendung wird entlang der Kategorien „Basic“, „Intermediate“ und „Advanced“ empfohlen und zugeordnet. Diese Kategorien beschreiben den Reifegrad der Öffnung der Einkaufsdaten und unterstützen ein schrittweises Vorgehen (Open Contracting Partnership, 2019i).
Rund um Wissensaufbau und Vernetzung werden auf der Website sehr umfängliche Quellen bereitgestellt. Sie reichen von unterschiedlichen Dokumenten (zum Beispiel Berichte, Analysen) und Trainingsmaterialien (zum Beispiel Vorlagen zur technischen Erhebung, eine Matrix zur Feldzuordnung, die Vorlage für die Scoping-Analyse) über Werkzeuge, Best Practices, Pilot- und Leuchtturmprojekte und Blogs bis zu Vernetzungsmöglichkeiten im Rahmen von Workshops oder Konferenzen. Zusätzlich bietet die Initiative einen weltweiten Informationsschalter (Helpdesk) zur Klärung von Implementierungsfragen an.
Der OCDS ist der einzige erprobte Standard zur schrittweisen Veröffentlichung öffentlicher Einkaufsdaten. Deutschland sollte sich hier ebenfalls aktiv einbinden und unter der Prämisse einer politischen Absichtserklärung bewerten, wie die Anwendung des Standards unter den landesspezifischen Gegebenheiten seinen größten Mehrwert entfalten könnte beziehungsweise welche flankierenden Maßnahmen erforderlich wären. Tabelle 7.4 zeigt in einer SWOT-Analyse zusammenfassend die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken.
Tabelle 7.4
SWOT-Analyse Open Contracting Data Standard
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-658-31687-7_7/MediaObjects/501159_1_De_7_Tabd_HTML.png

7.2.1.3 Digiwhist

Das Projekt Digiwhist (Digital Whistleblower) wurde von 2015 bis 2018 durchgeführt und mithilfe des EU Programms Horizon 2020 finanziert. Sechs europäische Forschungsinstitute16 arbeiteten an dem Projekt. Das Ziel war es, sowohl das Vertrauen in die Regierungen zu erhöhen als auch die Effizienz der öffentlichen Vergaben in Europa zu verbessern. Um dies zu erreichen, hat man von 35 Nationen17 Informationen zu öffentlichen Vergaben oberhalb und unterhalb der nationalen Schwellenwerte18 sowie der Finanz- und Eigentümerstruktur der Ausschreibungsgewinner systematisch gesammelt, strukturiert und analysiert. Diese Daten verknüpfte man dann mit aggregierten Haushalts- und Einkommenserklärungen, um so Unregelmäßigkeiten aufzudecken und hinterfragen zu können. Die Ergebnisse sind in 35 landesspezifischen Portalen19 dargestellt und über https://​opentender.​eu/​ in einem gemeinsamen übergreifenden Portal abgebildet worden. Hierüber können die einzelnen Datensätze sowie Dokumente heruntergeladen, interaktive Analyse-Werkzeuge genutzt sowie mit den Nutzern des Portals interagiert werden (Hertie School of Governance GmbH, 2019a). Über sieben Arbeitspakete wurden die Projektergebnisse erarbeitet:
1)
Mapping der legalen und regulatorischen Rahmenbedingungen,
 
2)
Quantitative Datensammlung und -bereinigung,
 
3)
Entwicklung von Indikatoren für Transparenz, Korruptionsrisiken und qualitativ hochwertige Administration,
 
4)
Entwicklung von Transparenz-Werkzeugen20,
 
5)
Kommunikation der Projektergebnisse,
 
6)
Absicherung der Nachhaltigkeit und
 
7)
Projektsteuerung (Mungiu-Pippidi, 2019).
 
Das Projekt setzte auf bereits bestehenden, öffentlichen Einkaufsdaten auf. Es war somit nicht beabsichtigt, öffentliche Einkaufsdaten initial verfügbar zu machen, wie dies die OCP als Zielsetzung adressiert, sondern vorhandene Daten zu extrahieren, zu strukturieren, zu bereinigen und miteinander zu verknüpfen, um so neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das genutzte Datenmodell basierte allerdings auf dem OCDS (Czibik et al., 2015, S. 6) – das Projekt erzeugte beispielsweise eine Mapping-Tabelle der genutzten Daten auf Feldebene in Digiwhist und jenen des OCDS (Czibik et al., 2015, S. 46 ff.). Das Mapping verdeutlicht, dass es Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gab, da Digiwhist aufgrund seiner europäischen Ausrichtung beispielsweise zusätzliche Felder für die Identifikation der einzelnen Mitgliedsstaaten benötigte.
Insgesamt umfasste das Datenschema von Digiwhist etwa 200 Variablen (Czibik et al., 2015, S. 46 ff.). In einem Implementierungsleitfaden stellte Digiwhist final eine gekürzte Liste von 39 minimal zu veröffentlichenden Variablen bereit. Diese betreffen die Auftragsbekanntmachung, die Auftragsvergabe und die Umsetzung. Sie orientieren sich weitestgehend am TED-Standard und berücksichtigen keine Variablen für die Planungs- und Bewertungsphase (Mendes & Fazekas, 2018, S. 18). In Abschnitt 6.​3.​2 wurde hierauf bereits Bezug genommen.
Auf der Website (Hertie School of Governance GmbH, 2019c) befinden sich begleitende Forschungsberichte, aber auch Informationen zu Netzwerken rund um den öffentlichen Einkauf. Besonders interessant sind die herunterladbaren Datensätze, die zu den Bereichen „Public Procurement“, „European Accountability Mechanisms (EuroPAM)“, „Budget“ und „Accountability Mechanisms“ bereitgestellt werden (Hertie School of Governance GmbH, 2019b). Im Rahmen des Projekts wurden darüber hinaus nationale Workshops durchgeführt und die Projektergebnisse auf diversen Konferenzen vorgestellt. Weitere, über das Projektende hinausgehende Mechanismen zur Kommunikation oder Partizipation sind nicht bekannt.
Im Implementierungsleitfaden werden diverse Empfehlungen gegeben. Über das Projekt wurde herausgefunden, dass 821 der 35 Länder mehrere nationale und subnationale Portale mit oftmals überlappendem Inhalt besitzen, was für den Anwender verwirrend ist und Barrieren für die Marktteilnahme, unnötige Komplexität, ökonomische Ineffizienz und Korruptionsrisiken erzeugt.
Des Weiteren wird ausdrücklich gefordert, dass Schwellenwerte möglichst niedrig angesetzt werden und dass der gleiche legale Rahmen für den gesamten öffentlichen Einkauf gilt. So verlangt Portugal, dass alle Verträge veröffentlicht werden. Vier Länder (Österreich, Deutschland, Luxemburg, Niederlande) haben keine einheitlichen nationalen Schwellenwerte unter jenen der EU definiert. Dies impliziert laut Digiwhist, dass „they essentially do the bare minimum in terms of public procurement regulatory scope“ (Mendes & Fazekas, 2018, S. 13).
Digiwhist schlägt eine Wertgrenze für Verträge von 20.000 bis 40.000 Euro vor, ab der eine volle Transparenz gewährleistet sein sollte, für Kleinstverträge könne ein vereinfachtes Verfahren gelten (Mendes & Fazekas, 2018, S. 14). Dies wäre für einige Länder eine deutliche Veränderung. Hier reichen die Wertgrenzen, unterhalb derer frei beschafft werden kann, je nach Land und Vergabeordnung von aktuell 10.000 bis 100.000 Euro (Brockhoff et al., 2019, S. 50 ff.).
Weitere Aspekte betreffen eine Verbesserung der Datentiefe, die Verknüpfung mit anderen Daten, die Verbindung von Bekanntmachungen zu Originaldokumenten, das Monitoring der Datenqualität, das Mapping von Veröffentlichungssystemen zu Ausschreibungen, Verträgen und Zahlungsmanagement und die Aufforderung der Verwaltung zur regelmäßigen Nutzung öffentlicher Einkaufsdaten innerhalb und außerhalb der Verwaltung (Mendes & Fazekas, 2018).
Digiwhist ist demnach kein Standard zur Initiierung der Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten, bietet aber ein unter mehreren Aspekten sehr interessantes Vorgehen, wenn eine Datenbasis besteht. Zum anderen stellt es wichtige Erkenntnisse zur Datenbeschaffung und -verwendung bereit, die bereits bei Anlage eines Datenpools berücksichtigt werden sollten, um künftige Aufwände für die Qualitätssicherung zu begrenzen. Darüber hinaus ist es ein Leuchtturmprojekt in der Verknüpfung öffentlicher Einkaufsdaten mit anderen Daten und der Interpretation der hieraus entstandenen Erkenntnisse (siehe Tabelle 7.5).
Tabelle 7.5
SWOT-Analyse Digiwhist
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-658-31687-7_7/MediaObjects/501159_1_De_7_Tabe_HTML.png

7.2.1.4 Ergebnis des Vergleichs

Während die OCP mit dem OCDS ein detailliertes praktisches Vorgehen beschreibt, ist Digiwhist eher als Framework einzuordnen: Die Initiative beschreibt die Rahmenbedingungen und Arbeitsergebnisse, bietet aber keine stufenweise Anleitung. Beiden Vorgehensweisen ist ein starker Fokus auf Daten gemein, allerdings mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Die OCP setzt auf die Einführung eines öffentlichen Einkaufsdatenstandards in einem Land über den gesamten öffentlichen Einkaufsprozess – Digiwhist hatte zum Ziel, vorhandene öffentliche Einkaufsdaten (nicht über den gesamten möglichen Einkaufsprozess) mit weiteren Daten zu verbinden und hier eine länderübergreifende, europäische Betrachtung anzuwenden. Somit sind die Anforderungen an das Datenschema etwas unterschiedlich; Digiwhist benötigte zum Beispiel eher Identifikationsmöglichkeiten für die Vielzahl der teilnehmenden Länder, die OCP benötigte Daten über alle Phasen des öffentlichen Einkaufsprozesses. Die Zukunftsfähigkeit ist bei Digiwhist mit moderat einzustufen, da insbesondere die Verknüpfung der öffentlichen Einkaufsdaten mit anderen Daten im Zentrum steht, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Neue Technologien, zum Beispiel künstliche Intelligenz (KI) oder Einsatz von Blockchain, werden durch keine der Initiativen bewertet oder angewendet. In punkto Interaktion geht die OCP recht weit, indem sie zum Beispiel Netzwerkveranstaltungen organisiert und auch Blogs anbietet. Digiwhist nutzte die übergreifende Zusammenarbeit hauptsächlich im Rahmen des Projektes über zum Beispiel nationale Workshops und Konferenzen zur Diskussion und zum Erkenntnisgewinn, weniger jedoch als sich verstetigendes, kommunikatives Element. Dies ist auch dem Wesen des Projektes geschuldet, welches eine zeitlich begrenzte, wissenschaftlich besetzte Initiative darstellte.
Die vergleichende Betrachtung bestätigt, dass beide Ansätze ihre Berechtigung besitzen, jedoch auf unterschiedliche Problemstellungen allein oder in Kombination angewendet werden können. Für die weitere Verwendung mit Blick auf Deutschland ist es wichtig zu verdeutlichen, dass der OCDS hier der einzige Standard ist, den man zunächst anwenden sollte. Inwieweit man ihn dann für Deutschland spezifiziert oder um Daten aus Digiwhist erweitert, wäre Teil der Ist-Analyse und des Sollkonzepts im Rahmen eines Projektes.
Nach Beschreibung der Vorgehensweisen erfolgt nun abschließend die Zuordnung des OCDS und von Digiwhist auf das oben beschriebene Vergleichsmodell in Tabelle 7.6 und Tabelle 7.7.
Tabelle 7.6
Einordnung des OCDS in das Vergleichsmodell (blau bedeutet Erfüllung des Kriteriums)
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-658-31687-7_7/MediaObjects/501159_1_De_7_Tabf_HTML.png
Tabelle 7.7
Einordnung Digiwhist in das Vergleichsmodell (blau bedeutet Erfüllung des Kriteriums)
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-658-31687-7_7/MediaObjects/501159_1_De_7_Tabg_HTML.png

7.2.2 Geschäftsmodelle

Die Literatur über Geschäftsmodelle spiegelt unterschiedliche Betrachtungsweisen zur Frage wider, wie offene Daten einen Mehrwert erzeugen können. Die Perspektiven reichen von Geschäftsmodellen als Definition, Taxonomie, Bestandteilen, Repräsentationen, Ontologie, Methode bis hin zu Messkriterien (Bonina, 2013, S. 9; Fielt, 2013, S. 87 f.; Osterwalder, 2004, S. 24).
Für die Ausprägung von Geschäftsideen können – angepasst an öffentliche Einkaufsdaten – die acht Geschäftsmodellarchetypen für die Wiederverwendung von öffentlichen Informationen genutzt werden (Ferro & Osella, 2013), kombiniert mit der Ontologie von Osterwalder (Osterwalder & Pigneur, 2009), da sich damit eine Vielzahl vorgefundener Varianten einordnen lassen. Allerdings gilt vor dem Hintergrund der Vielfalt an Perspektiven auf ein Geschäftsmodell, dass dessen Anwendung nicht den Anspruch besitzt, abschließend oder überlappungsfrei zu sein.
Geschäftsmodellarchetypen
Die acht Geschäftsmodellarchetypen bestehen, wie in Abbildung 7.2 skizziert, aus „Premium“, „Freemium“, „Open Source-ähnlich“, „Infrastrukturelle Razor und Blades“, „Nachfrageorientierte Plattform“22, „Angebotsorientierte Plattform“23, „Free as Branded Advertising“ und „White Label Development“. Diese Varianten können entlang der Dimension „Position im Prozess der Mehrwertgenerierung“ sowie „Strategische Vision des PSI-Bereichs“ eingeordnet werden. So gibt es einmal diejenigen, die PSI als Kerngeschäft für sich anwenden (Hauptnutzer und Geschäftsbesorger/„Enabler“) und jene, die hierin eine zusätzliche Werbemöglichkeit sehen (Inserenten und Werbeagenturen) (Ferro & Osella, 2013, S. 2).
Im Rahmen dieser Arbeit ergeben sich insbesondere für die Dimension „PSI als Brot- und Buttergeschäft“ nachvollziehbare Anwendungsmöglichkeiten für den öffentlichen Einkauf, daher soll auf die erstgenannten sechs Geschäftsmodelle fokussiert werden.24
Business Model Canvas
Der Business Model Canvas nach Osterwalder & Pigneur (Osterwalder & Pigneur, 2009, S. 44) hat neun Bestandteile. Eine Organisation bedient eines oder mehrere Kundensegmente über Produkte und/oder Dienstleistungen (Wertbeitrag). Dieser Wertbeitrag stiftet einen Nutzen beziehungsweise löst Probleme und wird dem Kunden über verschiedene Kanäle bereitgestellt, zum Beispiel über Kommunikations-, Distributions- und/oder Vertriebskanäle. Mit jedem Kundensegment werden Kundenbeziehungen etabliert, die kurz-, mittel- oder langfristig sein können. Die Einnahmen resultieren aus dem erfolgreichen Wertbeitrag. Dieser wird durch Schlüsselressourcen erbracht, zum Beispiel finanzielle Ressourcen, Mitarbeiter, Wissen aufgrund von Schlüsselaktivitäten. Partnerschaften dienen dazu, einige Aktivitäten auszulagern beziehungsweise von außen Ressourcen einzukaufen. Die Kostenstruktur zeigt schließlich die Kostentreiber auf (Osterwalder & Pigneur, 2009, S. 16 f.). Ergänzt wurde der Business Model Canvas um den Bezug zu öffentlichen Einkaufsdaten sowie konkrete Beispiele.
Anwendung auf öffentliche Einkaufsdaten
Das Kennzeichen des „Premium-Geschäftsmodells“ sind Produkte und Services, die für den Kunden einen hohen Wert besitzen, sodass er bereit ist, hierfür ein Premium-Entgelt zu bezahlen. Über dieses Modell werden kostenpflichtige Dienste angeboten. Im Bereich offener Verwaltungsdaten kann dieses Modell bei der Erfüllung spezieller Wünsche angewendet werden. Die Bezahlung kann sowohl als Abonnement, als Pauschalpreis oder auch in einer Bezahlung pro Transaktion liegen. Weitere Bezahlvarianten beziehungsweise Abstufungen in den angebotenen Diensten sind möglich (Ferro & Osella, 2013, S. 3). Für öffentliche Einkaufsdaten werden vorrangig durch Plattformanbieter oder Softwareentwickler Smart Assistance-Lösungen zum Auffinden passender Ausschreibungen, Möglichkeiten der Marktsegmentierung oder die Ermittlung eines durchschnittlichen Einkaufspreises, aber auch die Verknüpfung mit anderen Daten, zum Beispiel Unternehmensregistern, angeboten. Diese Dienste können von der Wirtschaft, NGOs und Medien gegen eine Gebühr genutzt werden. Das Preismodell kann je nach Anwendergruppe, Ausgestaltung der Dienste, Art der Zahlung oder Region anders aussehen (siehe Abbildung 7.3).
Im Modell „Freemium“ wird ein Teil des Angebots kostenfrei bereitgestellt, während andere Dienste kostenpflichtig sind. So kann der Kunde zum Beispiel kostenfrei Zugriff auf einen bestimmten Teil der Daten, ein bestimmtes Format oder nur einen begrenzten Zeitraum oder nur eine begrenzte Anzahl an API-Abrufen erhalten. Darüber hinausgehende Dienste sind kostenpflichtig (Ferro & Osella, 2013, S. 3), wie die Aufstellung in Abbildung 7.4 illustriert.
Im Szenario „Open Source ähnlich“ (siehe Abbildung 7.5) werden Daten der Allgemeinheit kostenfrei bereitgestellt. Kennzeichen ist eine Open Source-Lizenzierung. Diese Form der Lizenzierung erlaubt dem Endanwender die Daten zu verwenden, zu verändern und in veränderter Form weiterzugeben. Aus diesen Daten können dann neue Dienstleistungen und Produkte entwickelt werden. In der Regel erfolgt eine Querfinanzierung durch Produkte und Services, für die Gebühren erhoben werden, oder durch die Berechnung von Zusatzaufwänden beziehungsweise Anwendung von Lizenzvarianten (zum Beispiel die Mehrfachlizenzierung) (Ferro & Osella, 2013, S. 3).
Bei dem Modell „Infrastrukturelle Razor und Blades“ gemäß Abbildung 7.6 bieten Unternehmen Produkte zu einem niedrigen Preis an, um mit Komplementärgütern Erlöse zu erzielen. Eine Variante ist, die Speicherung der Datensätze auf einer Cloud Computing-Plattform kostenlos zu ermöglichen. Der Abruf der ersten Datensätze ist dann zum Beispiel kostenfrei, der Abruf ergänzender, hochwertiger Datensätze hingegen kostenpflichtig (Ferro & Osella, 2013, S. 3 f.). Anwendungsfälle für öffentliche Einkaufsdaten sind aktuell noch nicht bekannt.
Bei der „nachfrageorientierten Plattform“ (siehe Abbildung 7.7) ist es das Ziel, veredelte Datensätze und Services anzubieten. Diese werden den Kunden auf einer Plattform gegen Bezahlung eines Entgeltes zur Verfügung gestellt. Schlüsselakteure dieses Geschäftsmodells sind die Entwickler, welche die Daten neu aufbereiten, kategorisieren und zusätzliche Services anbieten. Dazu bedienen sie sich der Rohdaten unterschiedlicher Datenquellen und transferieren diese auf die Plattform. Die Mehrwerte für den Kunden liegen in der Kategorisierung der Daten durch Metadaten, in der Nutzung definierter Dienstleistungen und in der Bereitstellung einer standardisierten API, mit welcher sämtliche auf der Plattform gehosteten Datensätze abgerufen werden können. Dies reduziert den zeitlichen Aufwand der Informationsbeschaffung für den Kunden, und zwar noch mehr, wenn ein One Stop Shop-Prinzip angeboten wird. Die Preisgestaltung bei Open Government Data setzt voraus, dass ein Mehrwert geboten wird. Das Preismodell orientiert sich am Freemium- oder Premium-Modell, je nach Art der angebotenen Funktionen (Ferro & Osella, 2013, S. 4).
Ziel des Geschäftsmodells der „angebotsorientierten Plattform“ (siehe Abbildung 7.8) ist es, Datenbestände auf einer nicht vom öffentlichen Sektor gehosteten Plattform zur Verfügung zu stellen. Die Verwaltung übermittelt die Datenbestände in Form von Rohdaten an ein externes Unternehmen. Anschließend werden die Datenbestände vom Betreiber der Plattform in ein standardisiertes Format umgewandelt und mit Metadaten hinterlegt. Die Standardisierung erleichtert auch App-Entwicklern die Bereitstellung und Verwertung von Daten. Weitere Möglichkeiten für die Verwaltung ergeben sich aus der Nutzung von Zusatzdiensten wie Cloud Storage. Betreiber der Plattform stellen zudem APIs und grafische Benutzeroberflächen (Graphical User Interfaces; GUI) für den Abruf der Daten zur Verfügung.
Erlöse aus dem Betrieb der Plattform werden infolge von langfristigen Verträgen des Betreibers der Plattform mit öffentlichen Einrichtungen erzielt. In der Regel ist eine vom Leistungsumfang der Plattform abhängige Gebühr zu entrichten (Ferro & Osella, 2013, S. 4).

7.3 Technische Durchdringung

Im Vordergrund der Betrachtung der Technologieaspekte steht, dass es sich bei der Veröffentlichung öffentlicher Einkaufsdaten nicht allein um die Offenlegung von Daten handelt. Vielmehr muss das gesamte Datenökosystem in den Blick gefasst werden. So fordert die OKFN: „The open data community should recognise that after more than a decade of open data initiatives, we are not just releasing datasets, we are actively creating data infrastructure“ (Davies et al., 2019, S. 269). Demzufolge ist die Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten über eine Open Government Data-Plattform ein Zusammenspiel zwischen Architektur, Datenkatalogen, Lizenzen, Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen, aber auch Anwenderfreundlichkeit.

7.3.1 Ökosystem der Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten

Abbildung 7.9 illustriert ein Ökosystem der Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten. Zum Begriff „offenes Datenökosystem“ gibt es allerdings noch keine einheitliche Definition und sehr unterschiedliche Ansätze; die Forschung steht hier noch am Anfang (Csáki, 2019, S. 74).
Der Endnutzer und App-Entwickler erhält auf einer Open Data-Plattform als Herzstück über den Browser oder mobile Applikationen einen Zugang zu den offenen Daten. Mithilfe von APIs erfolgt dann über ein Open Data-Portal der Zugriff auf den Open Data-Katalog. APIs ermöglichen Entwicklern, die bereitgestellten Daten direkt und automatisiert in das eigene Programm zu integrieren beziehungsweise Datenbereitstellern hierüber Daten an die Plattform zu liefern.
Die APIs dienen dem Austausch und der Weiterverarbeitung von Daten unterschiedlicher Quellen und Anbieter. So können Dritte Zugang zu vorher in Datenbanken verschlossenen Daten erlangen. Die API selbst ist eine für Software erstellte Schnittstelle und damit maschinenlesbar (Gründerszene Lexikon, 2019). Je nachdem, welche Daten wie bereitgestellt und veröffentlicht werden sollen, kommen unterschiedliche APIs in Betracht. So erlauben REpresentational State Transfer (REST)-APIs das Indexieren von Datensätzen anhand von Uniform Resource Locators (URLs) sowie das Auslesen von maschinenlesbaren Daten aus diesen URLs im Kontext der Linked Open Data (Hyland et al., 2019).
Zum Begriff und Wesen des Portals wird folgende Definition herangezogen:
„Ein Portal ist […] eine Applikation, die […] einen zentralen Zugriff auf personalisierte Inhalte sowie bedarfsgerecht auf Prozesse bereitstellt. Charakterisierend für Portale ist die Verknüpfung und der Datenaustausch zwischen heterogenen Anwendungen über eine Portalplattform. Eine manuelle Anmeldung an den in das Portal integrierten Anwendungen ist durch Single-Sign-On nicht mehr notwendig, es gibt einen zentralen Zugriff über eine homogene Benutzeroberfläche. Portale bieten die Möglichkeit, Prozesse und Zusammenarbeit innerhalb heterogener Gruppen zu unterstützen“ (Kirchhof et al., 2004).
Ein Open Data-Portal ist demzufolge eine web-basierte Oberfläche, die es den Anwendern erleichtert, wiederverwendbare Informationen zu finden (European Commission, 2019d). Sogenannte „Enrichment oder Refinement Tools“ bieten zusätzliche Funktionalitäten wie zum Beispiel im Bereich der Datenbereinigung, -strukturierung oder -suche.25
Unter einem Open Data-Katalog wird eine strukturierte Sammlung von Metadaten über Datensätze verstanden. Ein Katalog ist typischerweise agnostisch mit Blick auf die Lokation der Daten: Diese können auf dem gleichen Webserver wie der Katalog abgelegt sein (wenn der Katalog einen Datenspeicher beinhaltet) oder die Daten können verteilt im Web abgelegt sein, sodass der Katalog die Remote-Lokationen über eine URL anbindet. Im zweiten Fall ist der Katalog ein Datenaggregator.
Metadaten werden als Sammlung von Daten definiert, die einen Datensatz beschreiben, zum Beispiel Titel, Lizenz, Datenbereitsteller. Die Metadaten können in unterschiedlichen Formaten wie zum Beispiel JSON, XML oder RDF bereitgestellt werden. Datensätze sind eine Sammlung von Daten, die durch einen einzelnen Anbieter gepflegt und publiziert werden und die in verschiedenen Formaten zugänglich oder herunterladbar sind. Ein Datensatz wird normalerweise in einem Open Data-Speicher abgelegt und gehört zu einer oder mehreren Domänen (Simperl et al., 2014, S. 15 f.).
Ein Linked Open Data Store in Form eines RDF Triple Store wird benötigt, wenn die Verarbeitung als Linked Open Data (LOD) im Web erfolgen soll. Ein RDF-Speicher ist eine Datenbank, in der Informationen über semantische Abfragen mittels Tripeln in Form einer Subjekt-Prädikat-Objekt-Beschreibung abgelegt und abgerufen werden können (zum Beispiel Maria ist 35; Maria kennt Max) (Gilbert, 2016).26
In Abgrenzung zu Portalen bilden Plattformen den technischen Unterbau für die Integration von Hard- und Software in ein bestimmtes System. Dabei kann zwischen Netzwerk-, Betriebssystem- und Softwareplattformen, aber auch zwischen Entwicklungs- und Ausführungsplattformen unterschieden werden (von Lucke, 2008, S. 129). Eine offene Daten-Plattform ist eine Softwareplattform, die wesentliche Funktionalitäten wie zum Beispiel das Nutzermanagement, Datenbereitstellung, Management der Metadaten, Speicherung der Datensätze, Zugangskontrolle, Suche und Visualisierung zum Management offener Daten anbietet. Die Datenbereitsteller selbst liefern über zum Beispiel API-Schnittstellen Daten aus verschiedenen Quellen wie Webpräsenzen, internen IT-Systemen, Open Data-Katalogen oder -Fachkatalogen an die Plattform.

7.3.2 Offene Datenkataloge

Im Kern der technologischen Betrachtungen steht der Aufbau und die Nutzung eines offenen Datenkatalogs. Hierbei handelt es sich um eine web-basierte Anwendung, die den Benutzern den öffentlichen Zugang zu Daten gemäß der Definition „offener Daten“ (siehe Abschnitt 5.​1.​5) über ein Frontend (Portal) ermöglicht. Im Minimum sollte es möglich sein, nach Daten verschiedener Domänen zu suchen, entsprechende Datensätze in offenen Formaten herunterzuladen, die Nutzungsbestimmungen einfach einzusehen sowie andere Angebote wie Metadaten und Dokumente nutzen zu können.
Wichtig ist die Abgrenzung, dass offene Datenkataloge keine Datenmanagement-Systeme sind. Letztere umfassen in der Regel das Management der Daten über ihren vollständigen Lebenszyklus. Dennoch müssen offene Datenkataloge mit den vorhandenen Datenmanagement-Systemen interagieren können. Die allgemeinen Charakteristika eines offenen Datenkatalogs werden im Anhang in Tabelle A.7 dargestellt. Weitere technologische Überlegungen mit Blick auf den Datenkatalog betreffen die Skalierbarkeit und das Datenmanagement: Die Skalierbarkeit des Datenkatalogs muss möglich sein, da zu erwarten ist, dass immer mehr Daten in Kombination mit größeren Datensätzen entstehen und immer mehr Behörden als Datenbereitsteller angebunden werden. Es muss möglich sein, das Volumen bei gleichzeitiger Sicherstellung der Performance zu verarbeiten. Gleiches gilt für die zu erwartende Nachfrage nach Daten. Der Server muss in der Lage sein, Anfragen bei steigenden Nutzerzahlen zu bewältigen. Auch eine Erweiterung des Datenkatalogs um zusätzliche Funktionalitäten muss bei steigenden Zugriffszahlen und Datenvolumina noch möglich sein (Herzog, 2014, S. 3 ff.). In Bezug auf das Datenmanagement ist es möglich, je nach Bedarf drei Ansätze zu verfolgen: zentral aus einer Hand, verteilt über einen Verbundkatalog oder als Hybrid. Eine aktuell häufig genutzte Anwendung ist der Verbundkatalog. Perspektivisch sollte man hierauf aufbauend in Richtung Linked Open Data gehen.

7.3.2.1 Traditionelle Ansätze der Datenhaltung

Datenhaltung im zentralen Katalog
Gemäß dem in Abbildung 7.10 illustrierten Ansatz werden der Datenkatalog und die dazugehörigen Datensätze auf einem gemeinsamen Web- und Dokumentenserver abgelegt. Der Server selbst kann intern oder in einer Cloud bereitgestellt und verwaltet werden. Sofern API-Schnittstellen genutzt werden, können diese separat verwaltet werden. Funktionalitäten wie Blogging, Benutzersupport oder Feedback können in der gleichen Umgebung angeboten werden. Dieser Ansatz eignet sich für zum Beispiel eine kleinere Anzahl von Datensätzen im Datenkatalog (kleiner als 200), kleinere Volumina (kleiner als 100 MB) und wenn intern die Kapazitäten für die Koordination vorhanden sind.
Die Vorteile dieses Modells liegen darin, dass alle Daten auf einer einzigen Plattform gespeichert und verwaltet werden, somit bleibt die gesamte Kataloginfrastruktur in einer Hand. Dies ist zum Beispiel dann hilfreich, wenn nicht alle angebundenen Behörden selbst den öffentlichen Zugang zu ihren Daten anbieten könnten (zum Beispiel mangels eigener IT-Infrastruktur). Außerdem muss der Benutzer nicht auf weitere verlinkte Datenportale navigieren, um die Originaldaten zu erhalten. Der Nachteil bei diesem Modell ist, dass die verantwortliche Behörde auch die Verantwortung für das Management der Daten übernimmt (auch das Änderungsmanagement). Bei stark wachsenden Datensätzen verschiedener Behörden unterschiedlicher föderaler Ebenen kann das herausfordernd sein (The World Bank Group, 2019d).
Datenhaltung im Verbundkatalog
Abbildung 7.11 zeigt, wie das Katalogmanagement dezentralisiert erfolgen kann. Bei Verbundkatalogen können die originären Daten auf verteilten Web-Servern liegen, zum Beispiel auf Servern bei unterschiedlichen Behörden. Diese Behörden warten selbst die Daten und API-Schnittstellen und liefern Metadaten an den zentralen Datenkatalog. Auch denkbar ist, dass eine Behörde selbst einen eigenen Datenkatalog bereitstellt (zum Beispiel für spezifische Daten wie Geodaten) und dann ebenfalls Metadaten an den zentralen Katalog liefert. Der zentrale Datenkatalog selbst würde nur einen Link (URL) zu den originären Daten beinhalten.
Verbundkataloge belassen eine größere Autonomie bei den zuliefernden Behörden, auch in Bezug auf die Sicherstellung des Datenmanagements. In diesem Modell ist es nur erforderlich, die aktuelle URL sowie aktuelle Metadaten anzubieten. Gleichzeitig wird der Benutzer aber gefordert, sich selbstständig über die bereitgestellten URLs zu den originalen Datensätzen zu navigieren, was eine bestimmte IT-Grundkompetenz voraussetzt. Ebenso denkbar sind hybride Modelle, in denen Daten sowohl zentral wie auch verteilt gespeichert werden (Herzog, 2014; Sasse et al., 2017, S. 39 f.; The World Bank Group, 2019d).
Eine Untersuchung von 50 Datenportalen aus dem Jahr 2012 ergab folgende Verteilung: 55 % der Portale nutzten eine Link-Sammlung, 29 % einen Downloadkatalog und 6 % Hybride zwischen Linksammlung und Downloadkatalog, 8 % nutzten integrierte Datenbanken über ein Datenbankmanagement-System, die neben relationalen Daten auch LOD bereitstellten (Braunschweig et al., 2012, S. 4).

7.3.2.2 Linked Open Data als wichtige Weiterentwicklung

Informationen liegen folglich entweder zentral oder verteilt in unterschiedlichen Applikationen und auf unterschiedlichen Webseiten. Die Mittel, um eine Integration herbeizuführen (sogenanntes „Mashing“ der Daten), sind oftmals zu zeitaufwendig und kostspielig. Daten, Metadaten und Informationen sind nicht ausreichend von der Applikationslogik getrennt und ihre Weiterverwendung wird damit erschwert (Bauer & Kaltenböck, 2012, S. 22). Aus diesem Grund ist eine wichtige Weiterentwicklung jene in Richtung LOD und Linked Open Government Data (LOGD). LOGD sind vernetzte offene Verwaltungsdaten, und zwar:
„… jene Datenbestände des öffentlichen Sektors, die von Staat und Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit ohne jedwede Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung frei zugänglich gemacht und über das World Wide Web miteinander vernetzt sind“ (Geiger & von Lucke, 2012, S. 269).
Durch den barrierefreien Zugriff können Zusammenhänge schneller erkannt und verstanden werden. Durch die Kombination einzelner Daten über Organisationsgrenzen und Domänen hinweg kann neues Wissen entstehen und visualisiert werden. Von Lucke betont darüber hinaus, dass dies nicht nur mit Daten, sondern auch mit den auf ihnen beruhenden Informationen in Form von Texten, Bild-, Ton- oder Filmwerken etc. geschehen sollte, da dies eine schnelle Verteilung von Ergebnissen ermöglicht (von Lucke, 2012b, S. 6).
Um den Grad der Vernetzung zu bewerten, hat Tim Berners-Lee das in Tabelle 7.8 skizzierte Fünf-Sterne-Schema eingeführt.
Tabelle 7.8
Fünf-Sterne-Schema zur Beurteilung des Vernetzungsgrades von Daten (in Anlehnung an Berners-Lee, 2006, S. 6, übersetzt durch Verfasserin)
Anzahl der Sterne
Bedeutung
*
Verfügbar im Internet (unabhängig vom Format), aber mit einer offenen Lizenz
**
Verfügbar im Internet als maschinenlesbare, strukturierte Daten (zum Beispiel in Form eines Excels anstelle eines Scans einer Tabelle)
***
Wie 2) zuzüglich eines nicht-proprietären Formats (zum Beispiel als CSV anstelle von Excel)
****
Wie 3) zuzüglich der Nutzung offener Standards des W3C (World Wide Web Consortium: RDF und SPARQL), damit andere Personen auf sie verweisen können
*****
Wie 4) zuzüglich der Vernetzung der eigenen Daten mit Daten anderer Personen, um so Kontext zu erzeugen
Um einen möglichst umfassenden, barrierefreien Zugriff zu ermöglichen (fünf Sterne), müssen offene Standards, offene Schnittstellen (APIs), offene Lizenzen, quelloffene Software sowie Uniform Resource Identifier (URI) und Resource Description Frameworks (RDF) verwendet werden. Diese sorgen für eine offene Kommunikation der Anwendungen und Anwender untereinander und ermöglichen so Interoperabilität (von Lucke, 2012b, S. 6).
Somit entsteht eine Entwicklung vom „Internet der Dokumente“ zum „Internet der Daten“ (Bauer & Kaltenböck, 2012, S. 23). Einige der Vorteile sind, dass hiermit neue Interrelationen und Korrelationen erzeugt und sowohl breitere wie auch tiefere Erkenntnisse gewonnen werden können, neue Mehrwertdienste entstehen und sich Vorteile durch die Optimierung der Wiedernutzung der Daten selbst für alle mit ihnen verbundenen Datensätze ergeben können (Alexopoulos et al., 2018, S. 5; Geiger & von Lucke, 2012, S. 268).
Obwohl es bereits einige Projekte und Ergebnisse in diesem Bereich gibt, ist es ein in der Praxis noch wenig genutzter Ansatz. So besteht zum Beispiel die LOD Cloud mit mehr als 50 Milliarden Fakten aus unterschiedlichsten Domänen wie Geografie, Medien, Biologie etc. Stand März 2019 waren 1 239 Datensätze mit über 16 147 Links verzeichnet (https://​lod-cloud.​net/​). Weitere wichtige Projekte waren das Linked Open Data 2-Projekt (LOD2) (Auer et al., 2014) und das Tetherless World Constellation LOGD-Projekt (TWC LOGD) (DiFranzo et al., 2011).
Um Daten zu verknüpfen, werden folgende Schritte empfohlen: Erstellung eines Datenmodells mit entsprechenden Verbindungen, Benennung mit URIs, Wiederverwendung der Bezeichnung so weit wie möglich, Veröffentlichung von menschen- und maschinenlesbaren Beschreibungen, Konvertierung von Daten in RDF, Identifikation einer geeigneten Lizenz und Bekanntgabe der neuen Datensätze (Bauer & Kaltenböck, 2012, S. 33). Auch in der IT-Architektur müssen die Voraussetzungen hierfür eingeplant und geschaffen werden, zum Beispiel über einen Linked Open Data Store (Lapi et al., 2012, S. 12) oder die Verwendung bestimmter Tools, um die Auffindbarkeit der Daten zu erleichtern beziehungsweise diese als Metadaten zu strukturieren, zu speichern und weiterzuverarbeiten.
Mit Blick auf öffentliche Einkaufsdaten im Sinne von Linked Open Public Procurement Data sind Verknüpfungen zu Quellen gemäß Abbildung 7.12 denkbar. Die Entwicklungen hierzu stehen allerdings erst am Anfang.27

7.3.3 Softwarebereitstellung

Neben der traditionellen Eigenentwicklung kann Open Source Software oder externe Software as a Service (SaaS)-Produkte und -Leistungen oder eine Kombination aus beidem bereitgestellt werden (siehe Abbildung 7.13). Ihre Einordnung findet entlang der Dimension „on premise“ versus „off premise“ (in eigenen Räumen, vor Ort, lokal versus in fremden Räumen, global) sowie entlang der Dimension „closed source“ und „open source“ (nicht zugänglicher versus offener Quellcode) statt.
Um eine Entscheidung über die bereitzustellende Software treffen zu können, kann zum Beispiel das Analytical Hierarchy Process-Modell (AHP) mit verschiedenen Kriterien genutzt werden. Beispiele für Software-Paketkriterien sind Funktionalität, Verlässlichkeit, Kosten, Einfachheit der Nutzung; Beispiele für Implementierungskriterien sind Anpassungsmöglichkeiten und -umfang, Einfachheit der Implementierung und Supportmöglichkeiten (Benlian, 2011, S. 549).
Open Source Software ist kostenfrei und kann sehr flexibel verändert werden. Dennoch fallen Kosten für das Hosting der Software, die Pflege des Quellcodes, das Management der Updates und Sicherheitspatches sowie Schulungen an. Für die technischen Anpassungen muss interne IT-Kompetenz vorhanden sein, zum Beispiel in den relevanten Programmiersprachen wie zum Beispiel Python oder Hypertext Preprocessor (PHP). Gleichzeitig wird eine performante und verlässliche Server-Architektur benötigt. In Bezug auf den Support verteilt sich dieser zumeist auf verschiedene, nicht fest organisierte Entwickler- und Nutzergruppen – feste Service Level Agreements oder Erreichbarkeiten sind nicht gegeben.
Im Gegensatz dazu bieten SaaS-Produkte in der Regel proprietäre Produkte eines einzelnen Lieferanten an, welcher dann sowohl die Software als auch das Hosting bereitstellt. Die Wartung, Serververfügbarkeit und -ausfallsicherheit und Skalierbarkeit stellt der Lieferant gegen feste Gebühren sicher. Anpassungen sind jedoch nur in dem Umfang möglich, den der Lieferant zulässt. Der Support wird durch eine definierte Gruppe vorgenommen.

7.3.4 Informationssicherheit

Im Lagebericht 2018 führt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aus, dass im Jahr 2018 mehr als 800 Millionen Schadprogramme im Umlauf waren und jeden Tag etwa 390 000 neue Schadprogramm-Varianten erzeugt wurden. Während der Fokus der Angriffe früher auf den Browser, das Betriebssystem sowie JavaScript abzielte, sind die Angriffe nun breiter geworden: Sie umfassen das gesamte IT-Spektrum (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2018, S. 50). Entsprechend ernst ist die Informationssicherheit bei offenen öffentlichen Daten zu nehmen. Informationssicherheit bedeutet die Absicherung von IT-Systemen und Schutz von Informationen, allerdings empfiehlt das BSI über ein einmaliges Konzept hinaus den Aufbau eines Managementsystems für Informationssicherheit, um die Nachhaltigkeit über einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess abzusichern. Das BSI hat hierfür seit 1994 den IT-Grundschutz stetig weiterentwickelt, welcher mittlerweile nicht nur für Behörden, sondern auch für zahlreiche andere Branchen eine strukturierte Vorlage anbietet. Er besteht aus den BSI-Standards und den IT-Grundschutz-Katalogen28 (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2019a; b).
Der IT-Grundschutz bildet, wie Abbildung 7.14 darlegt, die sicherheitsrelevanten Aspekte des zu untersuchenden Informationsverbundes mithilfe der bestehenden Bausteine nach. Um als Ergebnis ein Modell zu erhalten, nutzt er die Strukturanalyse, die Schutzbedarfsfeststellung und die Modellierung. Sofern der Informationsverbund bereits besteht, wird zusammen mit dem Modell ein Prüfplan ausgegeben, im Falle eines geplanten Informationsverbunds ein Entwicklungskonzept.
Bei der Strukturanalyse werden Informationen zur Informationstechnik, zum Beispiel IT-Systeme und IT-Räume, erfasst. Bei der Schutzbedarfsfeststellung wird anhand von drei Kategorien bewertet, mit welchem Aufwand der IT-Verbund vor Schädigungen der Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit geschützt werden muss (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2012, S. 69). Vertraulichkeit ist der Schutz vor einer unerlaubten Bereitstellung von Informationen. Integrität bedeutet, dass Daten unversehrt sind, also nicht unbefugt verändert oder verfälscht wurden. Verfügbarkeit bedeutet, dass dem Anwender die benötigten Dienste, Funktionen eines IT-Systems oder Informationen zum gewünschten Zeitpunkt zur Verfügung stehen (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2012, S. 14). Als Teil einer ergänzenden Risikoanalyse muss jede Institution für jedes Risikoszenario und die Art der Daten einzeln festlegen, wie das Ausmaß der Risiken bezüglich der Grundwerte zu interpretieren ist (siehe Tabelle 7.9). Mögliche Schadensszenarien, die es zu berücksichtigen gilt, sind zum Beispiel
„Verstöße gegen Gesetze, Vorschriften oder Verträge, Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts, Beeinträchtigung der persönlichen Unversehrtheit, Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung, negative Innen- oder Außenwirkung und finanzielle Auswirkungen“ (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2016, S. 36).
Tabelle 7.9
Schutzbedarfskategorien bei der Informationssicherheit (in Anlehnung an Klessmann et al., 2012, S. 438)
Schutzbedarf
Schadensauswirkung
Normaler Schutzbedarf
Die Schadensauswirkungen sind begrenzt und überschaubar.
Hoher Schutzbedarf
Die Schadensauswirkungen können beträchtlich sein.
Sehr hoher Schutzbedarf
Die Schadensauswirkungen können ein existentiell bedrohliches, katastrophales Ausmaß erreichen.
Bei der Modellierung werden die einzelnen Bausteine der IT-Grundschutz-Kataloge den bestehenden Prozessen und dem Informationsverbund zugeordnet. Im Ergebnis wird eine Liste mit Sicherheitsmaßnahmen erstellt. Der Maßnahmenkatalog ist somit eine Art Pflichtenheft (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2012, S. 69 f.). Er umfasst übergreifende Aspekte der Informationssicherheit (Organisation, Personal etc.), Sicherheit der Infrastruktur (Gebäude, Rechenzentren etc.), Sicherheit der IT-Systeme (zum Beispiel Hardware), Sicherheit im Netz (zum Beispiel Netz- und Systemmanagement) und Sicherheit der Anwendungen (zum Beispiel Mail) (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2016, S. 37). Aktuell befindet sich der IT-Grundschutz in Überarbeitung (Münch et al., 2017).
Für den vorliegenden Kontext eines offenen Vergabedatenportals gilt es, den bestehenden oder geplanten Informationsverbund entlang dieses Rahmens zu bewerten und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Aufgrund der Vielzahl an möglichen Varianten können hier keine spezifischen Empfehlungen für einen (nicht näher definierten) IT-Verbund gegeben werden.

7.3.5 Datenschutz im öffentlichen Einkauf

Mit der fortschreitenden Entwicklung der IKT ist auch die Bedeutung des Datenschutzes gestiegen, da die Datenerfassung, -verarbeitung, -speicherung, -weitergabe und -analyse immer einfacher werden. Ob der Datenschutz als ein Hindernis bei der Öffnung öffentlicher Daten angesehen wird, wird im Zuge der Online-Befragung zu klären sein. An dieser Stelle seien die wesentlichen Aspekte des umfassenden Themenbereichs skizziert.
Am 25. April 2016 trat die sogenannte Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO; (EU) 2016/679) in Kraft. Mit der unmittelbaren Anwendbarkeit der höherrangigen Europäischen Datenschutz-Grundverordnung ersetzt diese seit Mai 2018 nationale datenschutzrechtliche Vorschriften wie das Bundes- und Landesdatenschutzrecht in Deutschland, wenn der entsprechende Sachverhalt durch die DSGVO erfasst wird. Aufgabe des Datenschutzes ist es nach § 1 Abs. 1 DSGVO, „die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten (zu schützen)“. Für öffentliche Stellen des Bundes und für private Unternehmen gilt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), für öffentliche Stellen der Länder und Kommunalbehörden das jeweilige Landesdatenschutzgesetz. Weitere bereichsbezogene datenschutzrechtliche Regelungen finden sich zum Beispiel im Telekommunikations- und dem Telemediengesetz. Diese individuellen Regelungen gehen dem BDSG vor, welches nur ergänzend wirkt.
Grundsätzlich sind die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene schriftlich eingewilligt hat. Weiters ist gemäß § 5 DSGVO die Datenverarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie für die Wahrnehmung der Aufgaben erforderlich sind. Weitere Grundsätze umfassen Transparenz, Rechtmäßigkeit, Treu und Glauben, Datenminimierung, Speicherbegrenzung, Datenrichtigkeit, Rechenschaftspflicht, Integrität, Vertraulichkeit und Verfügbarkeit.
Datenschutz kann mit anderen Zielen kollidieren. Er muss zum Beispiel gegenüber der Informationsfreiheit abgewogen werden. Die Informationsfreiheit steht für die Öffnung von Informationen der öffentlichen Verwaltung. Allerdings unterliegen auch diese Informationen dem Datenschutz. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz von 2006 (siehe Abschnitt 7.1.3) wurde mit § 5 hier eher zugunsten des Datenschutzes entschieden.
Offene Daten dürfen keinen Personenbezug aufweisen, damit eine Beeinträchtigung des Einzelnen in seinem Persönlichkeitsrecht ausgeschlossen ist. Von den Datenbereitstellern ist bereits vor der Veröffentlichung darauf zu achten, dass eine Anonymisierung der Daten erfolgt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass aus der Kombination offener Daten in Verwaltungsportalen beziehungsweise deren Verarbeitung mittels Algorithmen durchaus personenbezogene Daten entstehen können (Klessmann et al., 2012, S. 439; Sommer, 2018, S. 4 ff.). § 14 Abs. 2 DSGVO verlangt, dass „der betroffenen Person gegenüber eine faire und transparente Verarbeitung zu gewährleisten“ sei. Die weitere Praxis und Rechtsprechung wird etwaige Regelungslücken und -möglichkeiten aufzeigen.
Hinsichtlich der Anwendung des Datenschutzes auf den öffentlichen Einkauf und die eVergabe müssen zwei Fälle unterschieden werden: erstens die Anmeldung auf einem Vergabe- oder Bekanntmachungsportal und zweitens die Ausschreibungsdokumente im Einkaufsprozess. Bei der Anmeldung auf einem Vergabeportal werden personenbezogene Daten erhoben, um die Nutzung eines Vergabeportals überhaupt zu ermöglichen. Die Anmeldedaten sind zum Beispiel Informationen zur ausschreibenden Stelle, des Bieters, dortige Ansprechpartner mit Namen und E-Mail. Diese Daten sind nur für das Verhältnis des Vergabeportals zum öffentlichen Auftraggeber beziehungsweise Bieter/Bewerber relevant. Umgekehrt werden meist auch Nutzungsdaten erhoben, die Auskünfte über das Verhalten auf dem Portal (Verweildauer, Plattformaktionen etc.) enthalten. Auch diese Nutzungsdaten gelangen nur an den Anbieter des Vergabeportals.
Bei der Nutzung eines eVergabeportals gilt die Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig, wenn sie für „die Erfüllung eines Vertrags [erforderlich ist], dessen Vertragspartei die betroffene Person ist“ (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO). Der Vertrag besteht zwischen dem Vergabeportalbetreiber mit dem öffentlichen Auftraggeber beziehungsweise Bewerber/Bieter über die Nutzung des Portals. Allerdings sind der Vertragspartner (öffentlicher Auftraggeber) und die Person (in der Regel ein Mitarbeiter), deren Daten verarbeitet werden, meist unterschiedlich. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erlaubt jedoch eine Datenverarbeitung bei berechtigtem Interesse des Verantwortlichen für die Datenverarbeitung, wenn nicht die Interessen der hiervon Betroffenen überwiegen. Auch für die Erhebung von Daten über die Nutzung des Portals kann Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO angewendet werden. Das berechtigte Interesse des Portalbetreibers liegt dabei in dem ordnungsgemäßen Betrieb, der Anpassung und Verbesserung seines Vergabeportals. Für die Verarbeitung von Daten, die über diese Zwecke hinausgehen, wäre eine gesonderte Einwilligung erforderlich (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) (Luedtke, 2018).
Im zweiten Fall enthalten viele Ausschreibungsdokumente entlang des gesamten Vergabeprozesses personenbezogene Daten, neben den Namen der Beteiligten sind dies zum Beispiel Unterlagen im Rahmen der Eignungsprüfung. Ähnlich wie im ersten Fall kann mit personenbezogenen Daten, die im Rahmen des Vergabeprozesses auf die Plattform durch die Teilnehmer am Verfahren eingestellt werden, umgegangen werden. Vergabeverfahren haben den Abschluss eines Vertrags zum Ziel und sind gemäß Art. 6. Abs. 1 lit b DSGVO eine vorvertragliche Maßnahme. Auch hier gilt: Meist enthalten die Dokumente Daten des Mitarbeiters, nicht der Vertragspartei, die den Zuschlag erhält. Auch hier kommt Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zur Anwendung. Nach innen gerichtet kommt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer § 26 BDSG (Regelung Verwendung der Daten von Mitarbeitern) zur Anwendung (Luedtke, 2018).
Des Weiteren ist die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Grundsätze des Art. 5 DSGVO zwingend. Vor allem gelten die Grundsätze der Transparenz und der Zweckbindung. Der Transparenzgrundsatz bedeutet, dass die von der Verarbeitung ihrer Daten betroffenen Personen umfänglich und verständlich über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten informiert werden. Diese Verpflichtung trifft den Betreiber des Vergabeportals gegenüber den Nutzern des Portals und die ausschreibende Stelle gegenüber Bietern/Bewerbern.
Der Zweckbindungsgrundsatz wiederum besagt, dass personenbezogene Daten nur für den vorgesehenen Zweck ihrer Erhebung verwendet werden dürfen. Eine weitergehende Nutzung ist nur mit Erlaubnis gestattet. Endet der Zweck, etwa indem eine Vergabestelle oder ein Bewerber das jeweilige Angebot zurücknimmt, sind auch die jeweiligen personenbezogenen Daten zu löschen.
Hinsichtlich der Speicherung und des Löschens der Daten gilt mit Blick auf die Zweckbindung, dass die Daten nur so lange gespeichert werden dürfen, wie es für den Zweck der Verarbeitung erforderlich ist. Das bedeutet für die Nutzungsdaten und Anmeldedaten, dass sie bei Vertragsende zwischen Plattformbetreiber und öffentlichem Auftraggeber sowie Bewerber/Bieter zu löschen sind. Nach Ende des Vertragsverhältnisses ist zwar eine weitergehende Speicherung teilweise erforderlich, um vergaberechtliche Dokumentationspflichten oder steuerrechtliche Vorgaben aus der Abgabenordnung zu erfüllen oder aber Ansprüche durchsetzen zu können. Sobald diese Pflichten jedoch nicht mehr bestehen, muss eine endgültige Löschung erfolgen (Luedtke, 2018).
Ausgangspunkt der datenschutzrechtlichen Überlegungen der Auftraggeber und Bewerber/Bieter sollte stets die Frage sein, welche personenbezogenen Daten im Vergabeverfahren verarbeitet werden. Daran anknüpfend sollten die Rollen der handelnden Parteien gemäß DSGVO geklärt werden, das heißt, wer welche Informationspflichten wann zu erfüllen hat, wie die Informationen rechtlich sicher im Gesamtprozess bereitgestellt werden können, welche speziellen Datenschutzbedarfe berücksichtigt werden müssen und was vom Vertragspartner mit Blick auf Datenschutz eingefordert werden kann. Die Verträge sollten auf Basis des geltenden Datenschutzes entsprechende Klauseln und Nutzungsbestimmungen, die über die Offenlegung der Daten informieren, enthalten.
Dies setzt eine tiefere Auseinandersetzung mit dem operativen Einkaufsprozess voraus und addiert – zumindest am Anfang – die Komplexität, da dies in bestehende oder neue Handlungsanweisungen und Richtlinien für die Verwaltungen eingearbeitet werden muss. Weiters muss sorgfältig geprüft werden, wo personenbezogene Daten vorliegen beziehungsweise in der Kombination mit anderen Daten entstehen können. Dort wäre eine Anonymisierung der Daten empfehlenswert.

7.3.6 Lizenzierung

7.3.6.1 Definition und Anforderungen an ein Lizenzmodell

„Eine Lizenz ist die vom Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts oder urheberrechtlichen Verwertungsrechts einem Dritten eingeräumte Befugnis, die dem Rechtsinhaber zustehenden Verwertungsrechte auszuüben (Nutzungsrecht)“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2019).
Das Lizenzmodell für offene öffentliche Einkaufsdaten darf, da Lizenzfreiheit eines der zehn Prinzipien ist, denen offene Daten folgen sollten, weder Lizenzkosten verlangen, noch ausschließende, räumlich oder zeitlich beschränkte Rechte beinhalten. Weitere optionale Eigenschaften umfassen zum Beispiel die Praktikabilität oder die Anpassungsmöglichkeit der Nutzungsbestimmungen, ohne neue Lizenzen schaffen zu müssen (Dulong De Rosnay et al., 2014; Klessmann et al., 2012, S. 246 ff.).
Es sollte – auch nach Art. 8 der novellierten PSI-Richtlinie (EU) 2019/1024 – nach Möglichkeit auf Standard-Lizenzen zurückgegriffen werden. In diesem Fall wird auf individuell formulierte Lizenzen verzichtet, die Begriffe und auch rechtlichen Konsequenzen sind bei Nutzung von Standard-Lizenzen für alle Beteiligten klar und sie ermöglichen eine schnellere und effektivere Abwicklung über das Internet. Ein Lizenzmodell sollte die angedachten Nutzungsrechte und Bedingungen enthalten (zum Beispiel kommerziell, nicht-kommerziell). Im Umfeld offener Daten ist es wichtig, dass die Nutzung von Daten über verschiedene Portale hinweg möglich ist. Daher sollten Lizenzen möglichst kompatibel zu den bereits bestehenden Lizenzmodellen sein. Wenn Bedingungen sich gegenseitig ausschließen, wäre eine durchgängige Nutzung erschwert oder sogar unmöglich und im schlimmsten Fall würde man wieder auf Datensilos zurückfallen.
Sowohl die OKFN als auch OCP empfehlen die Nutzung von Lizenzen zur gemeinfreien Widmung (Public Domain Dedication) oder von Lizenzen mit Namensnennung (Attribute only) (Open Contracting Partnership, 2019d; Open Knowledge Foundation International, 2019e). Beispiele hierfür sind die CC-Zero-Lizenz oder die CC-BY-4.0-Lizenz.
Im Folgenden werden die Deutschland Lizenz, die Creative-Commons(CC)-Lizenzen und die Open Data Commons-Lizenzen kurz erläutert, da sie sich auf offene Daten anwenden lassen. Wichtig ist, dass es hier ein Spannungsfeld geben kann zwischen den Anforderungen der Open Data-Philosophie (möglichst geringe Bedingungen, weitgehende Rechte) und den Ansprüchen der Verwaltung (Schutz bestimmter Daten, Einschränkung von Rechten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen).

7.3.6.2 Kurzvorstellung ausgewählter Lizenzmodelle Datenlizenz Deutschland

Die Datenlizenz Deutschland entsprang einer Kooperation von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zur Erstellung des Open Data-Portals (GovData, siehe Abschnitt 7.3.6.2). Ihre Nutzungsbestimmungen sind für Verwaltungsdaten in Deutschland entwickelt worden und vom „Open Definition“ Advisory Council der OKFN anerkannt (Ministerium für Wirtschaft, 2019d). Die im Juli 2014 veröffentlichte Datenlizenz Deutschland 2.0 gibt es in zwei Ausführungen:
  • Die Variante „Zero“ ermöglicht eine einschränkungslose Weiterverwendung (dl-de/zero-2-0) (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019b).
  • Die Variante „Namensnennung“ verpflichtet den Datennutzer zur Nennung des jeweiligen Datenbereitstellers (dl-de/by-2-0).
Die Kompatibilität mit anderen weit verbreiteten Open Data-Lizenzen erweist sich allerdings in den meisten Fällen als problematisch. Die Kompatibilitäten müssen insbesondere mit Blick auf Gewährleistungsrechte, Haftungsausschlüsse und teilweise Vorgaben zum Quellenvermerk im Einzelfall geprüft werden (siehe Tabelle 7.10).
Tabelle 7.10
Kompatibilität der Datenlizenz Deutschland mit CC und ODC (in Anlehnung an Ministerium für Wirtschaft, 2019a, S. 27 ff.)
Art der Kompatibilität
Betroffene Lizenzen
Wesentliche Unterschiede (Bsp.)
Kompatibilität
dl-de/zero-2.0 und alle anderen Lizenzen (außer der ODC-PDDL)
Ausgenommen ist die ODC-PDDL aufgrund ihrer Rechtswahlklausel
Eingeschränkte Kompatibilität
dl-de/by-2.0 und ODbL 1.0
Gewährleistungsrechte und Haftungsausschlüsse, Vorgaben zum Quellenvermerk
dl-de/by-2.0 und die ODC-BY
Gewährleistungsrechte und Haftungsausschlüsse, Vorgaben zum Quellenvermerk
dl-de/by-2.0 und die CC-BY-4.0
Gewährleistungsrechte und Haftungsausschlüsse
dl-de/by-2.0 und der CC-BY-SA 4.0
Share-Alike-Klausel, Vorgaben zum Quellenvermerk
Keine Kompatibilität
dl-de/by-2.0 und ODC-PDDL
Unterschiede bezüglich Namensnennung, Urhebervermerke, Haftungsausschlussklausel, Rechtswahlklausel
Creative Commons
Creative Commons (CC) ist der Name einer im Jahr 2001 gegründeten gemeinnützigen amerikanischen Organisation, die den freien Austausch von Inhalten im Internet unterstützt. Ihr Ziel ist die Vereinfachung der Lizenzierung über vorgefertigte Standardlizenzverträge. Eine Besonderheit der CC Lizenzen ist, dass jeweils länderspezifische Anpassungen dieser Lizenzen bestehen, die für mehr als 50 Länder an die nationale Rechtslage angepasst und übersetzt wurden.
Die CC-Lizenztypen bestehen aus vier Grundelementen (Tabelle 7.11). Durch ihre Kombination ergeben sich insgesamt sechs CC-Lizenzen, die in der Version 4.0 nach deutschem Recht zur Verfügung stehen. Sie sind in Tabelle 7.12 aufgeführt.
Tabelle 7.11
Rechtemodule Creative Commons (in Anlehnung an Creative Commons, 2019, übersetzt durch Verfasserin; Klessmann et al., 2012, S. 249 ff.)
Kürzel
Name des Moduls
Kurzerläuterung
by
Namensnennung (englisch: Attribution)
Der Name des Urhebers muss genannt werden.
nc
Nicht kommerziell (Non-Commercial)
Das Werk darf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden.
nd
Keine Bearbeitung (No Derivatives)
Das Werk darf nicht verändert werden.
sa
Weitergabe unter gleichen Bedingungen (Share Alike)
Das Werk muss nach Veränderungen unter der gleichen Lizenz weitergegeben werden.
Tabelle 7.12
Kernlizenzen Creative Commons (in Anlehnung an Creative Commons, 2019, übersetzt durch Verfasserin; Klessmann et al., 2012, S. 249 ff.)
Kürzel
Vollständige Bezeichnung
CC0
kein Copyright, wenn möglich
by
Namensnennung
by-sa
Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen
by-nd
Namensnennung, keine Bearbeitung
by-nc
Namensnennung, nicht kommerziell
by-nc-sa
Namensnennung, nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen
by-nc-nd
Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung
Hier relevant sind insbesondere die Lizenzen CC0, CC BY und CC BY SA, da sie der Definition „freie Lizenz“ nach der Open Definition entsprechen (Tsiavos, 2014, S. 7). Die CC0-Lizenz besagt, dass Nutzungsbedingungen und Namensnennungen entfallen, es wird auch auf urheberrechtliche und sonstige Schutzrechte verzichtet. Kopien, Veränderungen und die kommerzielle Nutzung sind ohne weitere Bedingungen möglich. Die CC-BY-4.0-Lizenz fordert die Nennung des Namens oder Pseudonyms des Rechteinhabers beziehungsweise Lizenzgebers. Weitere verpflichtende Nennungen sind der Titel des Inhalts, ein Hinweis auf die originäre Ressource und eine Kennzeichnung im Fall von Veränderungen. Im Unterschied zur CC-BY-4.0-Lizenz fordert die CC-BY-SA-4.0-Lizenz, dass das Ergebnis der Veränderung nur unter identischen oder vergleichbaren Bedingungen des Lizenzvertrags weitergegeben werden darf. Der neu entstandene Schutzgegenstand darf also keine weitergehenden Lizenzbedingungen (beispielsweise ein Verbot der Vervielfältigung oder der kommerziellen Nutzung) erhalten.
Vorteilhaft ist, dass die CC-Lizenzen bereits vielfach genutzt werden und entsprechend bekannt sind. Dies bietet eine gewisse Rechtssicherheit, Einzelverhandlungen reduzieren sich. Auch die Einschränkungsmöglichkeiten über die Kombination der Rechtemodule bietet Flexibilität. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Lizenzen berücksichtigt sich verändernde rechtliche Rahmenbedingungen.
Die Nachteile beziehen sich unter anderem auf die nicht klare Definition der kommerziellen Nutzung, was vor allem bei der Erhebung von Nutzungsgebühren von Bedeutung ist. Eine Haftung des Lizenzgebers umfasst nur Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit bei mindestens nachgewiesener Fahrlässigkeit, für alle anderen Schäden wird nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz gehaftet. Eine freiwillige Haftung darüber hinaus gibt es nicht. In dem Fall, dass Rechte Dritter am Schutzgegenstand bestehen, könnte der Nutzer jedoch auf Schadensersatz verklagt werden. Eine Erstattung des zu leistenden Schadensersatzes vom Lizenzgeber ist dabei nicht möglich (Klessmann et al., 2012, S. 249 ff.).
Open Data Commons
Open Data Commons (ODC) ist ein Projekt der OKFN, das sich mit rechtlichen Lösungen für freie offene Daten befasst. Hierzu zählen auch Lizenzen für freie Datenbanken und deren Inhalte. Zu diesen Lizenzen gehören die Attribution License (ODC BY), die Open Database License (ODC ODbL) und die Public Domain Dedication and License (ODC PDDL). Für die einzelnen ODC-Lizenzen gibt es Entsprechungen bei den Creative-Commons-Lizenzen.
Alle ODC-Lizenzen erlauben ein Kopieren, Bearbeiten und (Weiter-)Verteilen von Daten beziehungsweise Datenbanken für beliebige Zwecke auch derart, dass weitere Werke anhand ihrer Daten hergestellt oder abgeleitet werden dürfen. Unterschiede liegen in der Art, wie die Daten beziehungsweise Datenbanken verwendet werden dürfen, sowie in den im Gegenzug zu erbringenden Leistungen des Nutzers.
Die ODC-BY-Lizenz stimmt im Wesentlichen mit der Creative-Commons-BY-4.0-Lizenz überein. Bearbeitungen und das Recht zur kommerziellen Nutzung sind ebenfalls zulässig. Die ODC ODbL ist mit ihren Nutzungsbestimmungen vergleichbar mit der Creative-Commons-BY-SA-4.0-Lizenz. Namensnennung und die Weitergabe erfolgen unter gleichen Bedingungen. Die ODC PDDL ist das Gegenstück zur Creative-Commons-Zero-Lizenz. Vervielfältigungen, Veränderungen und die kommerzielle Anwendung von Daten sind ohne die Pflicht zur Namensnennung möglich. Sie stellt somit die freieste der drei Lizenzen dar – was für den ursprünglichen Rechteinhaber die größte Einbuße darstellt, da bei ihm keine Rechte verbleiben (Klessmann et al., 2012, S. 251 f.; Open Knowledge Foundation International, 2019d).

7.3.6.3 Anwendung von Lizenzmodellen auf den öffentlichen Einkauf

Mit Blick auf den öffentlichen Einkauf ist zu beachten, dass Behörden oft Dritte beauftragen, Dienste auszuführen. Diese Dritten müssen ebenfalls informiert und verpflichtet sein, die entsprechenden Daten als offene Daten bereitzustellen. Hier sind zwei Wege denkbar: Einerseits lässt sich dies als Geschäftsbedingung im Vertrag aufnehmen. Andererseits ist es möglich, das Eigentum an den Daten zu erhalten, um diese selbst veröffentlichen zu dürfen. Entsprechende Nutzungsbestimmungen müssen unter anderem (Dulong De Rosnay et al., 2014, S. 14 f.; Open Data Institute, 2019):
  • die Quellenangaben beinhalten,
  • die Rechte zur Veröffentlichung von Daten Dritter als offene Daten enthalten,
  • die Zugriffsrechte auf die Daten, die im Rahmen einer Dienstleistung erbracht werden, definieren,
  • aufzeigen, dass die Daten den beauftragenden Behörden gehören,
  • die genutzten Standardlizenzen anführen und
  • die Schritte zur Handhabung persönlicher Daten beziehungsweise zur Datenschutz-Folgeabschätzung enthalten.

7.3.7 Geldleistungsmodelle

Die Datenangebote staatlicher Stellen können kostenfrei oder auch gegen eine monetäre Leistung bereitgestellt werden, was unter den Oberbegriff der Geldleistung gefasst wird. Im Falle einer Geldleistungspflicht können sowohl privatrechtliche Entgelte als auch öffentlich-rechtliche Gebühren anfallen. Gebühren werden von verschiedenen Rechtsnormen adressiert.
Gemäß Novellierung der PSI-Richtlinie ((EU) 2019/1024) sieht Art. 6 vor, dass die Weiterverwendung von Dokumenten kostenfrei ist, allerdings Grenzkosten für die Reproduktion, Bereitstellung und Verbreitung erhoben werden können. Davon ausgenommen sind öffentliche Stellen, die einen erhöhten Kostendeckungsbedarf haben, Bibliotheken, Museen, Archive und öffentliche Unternehmen. In diesen Fällen darf eine angemessene Gewinnspanne erhoben werden. Die Gesamtkosten müssen nach objektiven, transparenten und nachprüfbaren Kriterien berechnet werden.
Das IWG ist die nationale Umsetzung der PSI-Richtlinie (die im Juli 2019 noch nicht an die novellierte PSI-Richtlinie angepasst war). Gemäß § 5 Abs. 1 IWG sind Entgelte für die Weiterverwendung von Informationen auf die Kosten der Bearbeitung und Weiterverbreitung beschränkt. Eine Ausnahme stellen gemäß § 5 Abs. 2 IWG öffentliche Stellen dar, die einen wesentlichen Teil der Kosten zur Erfüllung ihrer Aufgaben decken müssen.
Laut IFG-Bund hat jede Person das Recht, amtliche Informationen von Bundesbehörden einzusehen. Dies kann mit Gebühren oder Auslagen für den Antragsteller verbunden sein. Einfache Auskünfte sind gebührenfrei, je nach Aufwand kann eine Maximalgebühr von 500 Euro plus Auslagen gemäß Gebührenordnung des IFG verlangt werden. Die Regelungen der Länder-IFG können hiervon abweichen (siehe zum Beispiel Verwaltungsgebührenordnung (VerwGebO) IFG NRW) (Klessmann et al., 2012, S. 294).
Im BHO gibt es keinen speziellen Passus zu Geldleistungen für die Datenbereitstellung, sondern nur allgemeine Bestimmungen zu Geldleistungen (§ 63 Abs. 3 BHO: Regelungen zur unentgeltlichen Abgabe von Vermögensgegenständen, § 40 BHO: Andere Maßnahmen von finanzieller Bedeutung und in § 7 BHO: Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns). Im Zentrum steht dabei wirtschaftliches Verwaltungshandeln (Klessmann et al., 2012, S. 295).
Gemäß Verwaltungskostengesetz (VwKostG) kann eine Behörde, die Gebühren erheben darf, eine Gebührenordnung erlassen. Hierbei kommt insbesondere § 3 VwKostG zur Anwendung. Danach ist die Höhe der Gebühr nach Aufwand zu berechnen und kostendeckend zu handeln (Klessmann et al., 2012, S. 295).
Diese rechtlichen Vorgaben müssen bei Definition eines Geldleistungsmodells durch die öffentliche Verwaltung betrachtet werden. Gleichzeitig gibt es einen Trend „zur geldleistungsminimalen respektive geldleistungsfreien Bereitstellung von Daten öffentlicher Stellen“ (Klessmann et al., 2012, S. 296). Jedoch wird auch die Erhebung von anfallenden Zusatzkosten zunehmend festgeschrieben. So soll den öffentlichen Stellen ermöglicht werden, einen Teil des Aufwands für die Datenbereitstellung zu kompensieren (Klessmann et al., 2012, S. 286).29
In der Praxis werden öffentliche Einkaufsdaten aktuell wie folgt bereitgestellt:
  • GovData-Portal: Grundsätzlich ist die Bereitstellung der Daten kostenfrei, wenn es nicht anders in den Nutzungsbestimmungen des jeweiligen Datensatzes dargelegt ist (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019c). Andernfalls greifen die Bestimmungen des IFG-Bund.
  • Open.NRW: Grundsätzlich ist die Bereitstellung der Daten auf Open.NRW kostenfrei, wenn es nicht anders in den Nutzungsbestimmungen des jeweiligen Datensatzes dargelegt ist (Ministerium für Wirtschaft, 2019f). In der VerwGebO IFG NRW können nach Anlage Ziffer 1.3.3 bei außergewöhnlichem Verwaltungsaufwand, insbesondere, wenn Daten zum Schutz privater Interessen anonymisiert werden müssen (§ 10 Abs. 2 IFG), bis zu 1.000 Euro Gebühren anfallen.
  • Bremer Transparenzportal: Die Einsicht in elektronische Daten nach §11 BremIFG ist kostenfrei, ansonsten greift die Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem BremIFG. Für die Erteilung einer schriftlichen oder elektronischen Auskunft (Anlage Ziffer 4) oder Herausgabe von Duplikaten sowie Zurverfügungstellung von Akten (Akteneinsicht) oder sonstigen Informationsträgern (auch in elektronischer Form) (BremIFG, Anlage Ziffer 5) können bei besonderem Aufwand bis 500 Euro anfallen (bei mehr als acht Stunden Aufwand) (Der Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, 2006).
  • Hamburger Transparenzportal: Generell erfolgt die Datenbereitstellung auf dem Transparenzportal kostenfrei (Freie und Hansestadt Hamburg, 2019a). Nach der Gebührenordnung für Amtshandlungen nach HmbTG können Kosten für den Zugang zu (anderen als im Transparenzportal bereitgestellten) Informationen entstehen. Die maximale Höhe beträgt 500 Euro für einen besonders hohen Prüfaufwand (Ziffer 1.3.1.2.).

7.3.8 Betreibermodelle

Die Studie „Open Government Data Deutschland“ differenziert drei wesentliche Betreibermodelle für Open Government Data: föderale Betreibermodelle, Länderportale und Betreibermodelle in Fachdaten-Netzwerken. In einem föderalen Betreibermodell werden bestehende oder neu eingerichtete Organisationen mit dem Betrieb und der Koordination beauftragt. Ein Beispiel hierfür ist der IT-Planungsrat, der den Betrieb querschnittlicher Anwendungen wie Governikus oder die Behördennummer 115 übernommen hat (Bundesministerium des Innern, 2019a). Nach Projektende geht die Verantwortung für die Anwendungen auf eine Betreiberorganisation über. Das kann eine bestehende Behörde oder Gesellschaft von Bund und Ländern sein oder eine neu gegründete Organisation als Geschäfts- und Koordinierungsstelle (Klessmann et al., 2012, S. 350 f.). Als Beispiel kann hier das Datenportal GovData genannt werden. Weitere Varianten lassen sich auf Länderebene finden. Übereinstimmend ist, dass fachliche und technische Verantwortung oftmals in verschiedene Hände vergeben werden, sowohl intern wie auch extern, und dass eine ressourcenschonende Aufstellung erfolgt.
Ein weiteres Betreibermodell ergibt sich aus der Etablierung von Open Government Data in Fachdaten-Netzwerken. Hier ist es üblich, dass Koordinierungsstellen bei Fachbehörden von Bund und Ländern eingerichtet werden und auf Basis von Verwaltungsvereinbarungen agieren. In einem gemeinsamen Entscheidungs- und Steuerungsgremium von Bund, Ländern und Kommunen werden Entscheidungen getroffen. Dieses Gremium berichtet wiederum an den IT-Planungsrat (zum Beispiel im Fall der Geodateninfrastruktur Deutschland; GDI-DE) (Klessmann et al., 2012, S. 354 ff.).
Im Falle der Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten ist ein ebenenübergreifender Ansatz sinnvoll, da beispielsweise GovData als bestehendes Portal genutzt werden könnte. Für einen Überblick über Anforderungen und Aufgaben eines Betreibers sei auf Abbildung 7.15 verwiesen. Die Hauptaufgaben betreffen Strategie und Grundsatz, Betrieb, Entwicklung und Unterstützung sowie Kommunikation und Marketing. Demnach geht das Spektrum weit über rein technische Aufgaben hinaus. Möglicherweise ergibt sich hieraus ein weiteres Betätigungsfeld für die Rechnungshöfe und Beschaffungsstellen.
Bei den institutionellen Umsetzungsformen können insbesondere eine Koordinierungsstelle, das Kooperationsmodell oder das Partnermodell eingesetzt werden. Die Koordinierungsstelle als öffentlich-öffentliches Modell würde insbesondere strategisch-steuernde sowie kommunikative Aufgaben wahrnehmen und den technischen Betrieb an einen IT-Dienstleister auslagern. Finanziert würde die Koordinierungsstelle über Vereinbarungen mit Bund und Ländern. Das Kooperationsmodell als ebenfalls öffentlich-öffentliches Modell beinhaltet, dass der Betrieb durch einen bestehenden Betreiber eines anderen öffentlichen Open Data-Portals oder eines Fachdatenportals wahrgenommen wird. Beim Partnermodell wird ein privater Dienstleister beauftragt, der dann auf Vertragsbasis oder im Rahmen einer zu gründenden öffentlich-privaten Partnerschaft agiert. Die Bezahlung erfolgt entweder entgeltbasiert oder aber durch die Erzeugung von Erlösen aus Zusatzdienstleistungen (Klessmann et al., 2012, S. 370 f.).
Die Koordinierungsstelle hat die Vorteile einer hohen politischen und strategischen Außenwirkung, klarer Verantwortlichkeiten sowie eines für alle Teilnehmer gleichberechtigten Zugangs. Hingegen ist ihr Nachteil, dass sie extra geschaffen, budgetiert und mit Personal ausgestattet werden muss. Das Kooperationsmodell kann auf bestehende Strukturen und Erfahrungen zurückgreifen und sofort genutzt werden. Während die IT-Fachkompetenz und Einbindung in bekannte Netzwerke sehr hoch ist, ist das Potential, eine Signalwirkung nach außen zu erzeugen, eher gering. Beim Partnermodell wird schließlich die Chance zur Erlangung von Open Data-Kompetenzen an externe, private Dienstleister weggegeben, gleichwohl ist dieses Modell ressourcentechnisch skalierbar und es orientiert sich am aktuellsten Wissen rund um die technische und kommunikative Bereitstellung von Open Data-Portalen (Klessmann et al., 2012, S. 372 ff.).
Mit Blick auf eine mögliche Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten über das GovData-Portal scheint das bestehende Betreibermodell ebenfalls gut genutzt werden zu können. Weitere Varianten müssten vor dem Hintergrund eines konkreten Anwendungsfalls geprüft werden.
Nach Vorstellung der allgemeinen und technologisch konstituierenden Merkmale soll nun ein Blick in die aktuelle Praxis mit Blick auf Verwaltungsportale, die bereits heute öffentliche Einkaufsdaten unterschiedlicher Art bereitstellen, ergänzt werden. Dies beinhaltet auch die in Abschnitt 2.​3 erwähnte Portalanalyse.

7.3.9 (Offene) Verwaltungsportale mit öffentlichen Einkaufsdaten

7.3.9.1 Verwaltungsportale

Zur Schärfung des Verständnisses ist zunächst die Definition von „Verwaltungsportal“ hilfreich. Unter Verwaltungsportalen können
„leicht bedienbare, sichere und personalisierbare Zugangssysteme verstanden werden, über die Anwender mit Rücksicht auf ihre Zugriffsberechtigungen einen Zugang zu Informationen, Anwendungen, Prozessen und Personen aus Parlament, Regierung, Verwaltung, Justiz und öffentlichen Unternehmen erhalten, die ihrerseits in diversen Systemen der öffentlichen Hand bereitgestellt oder eingebunden und durch das Portal erschlossen werden“ (von Lucke, 2008, S. 119).
Für Verwaltungsportale lassen sich, wie in Abbildung 7.16 dargelegt, vier aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen darstellen (von Lucke, 2008, S. 120):
Die erste Stufe des „Einstiegspunkts“ besitzt den Charakter eines Wegweisers: Der Zugang zu Informationen und Verwaltungsleistungen wird gezielt über Verzeichnisse der jeweils zuständigen Stellen angeboten. In der zweiten Entwicklungsstufe steht die Bündelung von Informationen aus verschiedenen Quellen und ihre Weitergabe im Vordergrund. Da die Informationen aus verschiedenen Quellen stammen, ist hier eine fachkundige Analyse und Aufbereitung erforderlich, um Aktualität und Qualität der Informationen gewährleisten zu können. Die dritte Stufe des „Service Centers“ ermöglicht die rechtlich verbindliche Durchführung von Verwaltungsverfahren. Ein Beispiel hierfür ist die Beantragung von Verwaltungsleistungen. Eine notwendige Voraussetzung ist die Integration der relevanten Datenbanken und Verzeichnisse, sodass Daten bereits automatisch und personalisiert in Formulare übernommen werden können. Letztlich entsteht aus der Verbindung einzelner Service Center ein Service Cluster und somit ein Verbund von Verwaltungsportalen. Unabhängig vom Portal ist somit der Zugriff auf alle eingebundenen Informations- und Transaktionsangebote möglich, die ein nahtloses Interagieren und Kommunizieren im Sinne eines „Seamless Government“ (nahtloses Regieren) ermöglichen (von Lucke, 2008, S. 120 ff.).
Mit Bezug zum öffentlichen Einkauf (siehe Tabelle 7.13) bieten Einstiegspunkte Verzeichnisse mit übergeordneten Informationen zu aktuellen Ausschreibungen, Ansprechpartnern und Portalen. Informationssammelstellen bereiten Meldungen zu Ausschreibungen redaktionell auf und stellen teilweise ergänzte Ausschreibungstexte inklusive der dazugehörigen Dokumente bereit. Die Service Center gehen noch einen Schritt weiter und integrieren auch die Angebote der Verkäufer, indem sie diese ohne Öffnung entgegennehmen und bis zum Fristende und Öffnung aller Angebote aufbewahren. Der Mehrwert entsteht durch die Zuordnung der Ausschreibung auf die Angebote – über entsprechende Analysen können sofort die Anbieter und ihre Preisstrukturen verglichen werden, auch die Historie (wie oft hat ein Anbieter bereits einen Zuschlag zu welchem Preis erhalten, wie ist die Preisentwicklung), Bieterkartelle können leichter aufgedeckt und Bewertungssysteme integriert werden. In der letzten Ausbaustufe stehen Service Cluster, die im Sinne eines One Stop Shops eine einzige Anlaufstelle für Vergabestellen und Anbieter bilden. Hier entfällt die Anmeldung auf diversen Portalen, um ein möglichst umfassendes Bild aller Ausschreibungen als Interessent zu erhalten. Die Verwaltung gibt einmalig ihre Ausschreibung ein, die entsprechend auf allen relevanten Portalen automatisch eingestellt wird – der Interessent erhält eine Übersicht aus einem Portal über alle Ausschreibungen (von Lucke, 2008, S. 247 ff.).
Tabelle 7.13
Ansatzpunkte für die Entwicklung von Ausschreibungsportalen (in Anlehnung an von Lucke, 2008, S. 247 f.)
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In einer weiteren Unterscheidung können Offene-Daten-Portale sowie Vergabe30- und Bekanntmachungsportale auftreten. Offene-Daten-Portale bieten eine Vielzahl unterschiedlicher Regierungsdaten über Kategorien oder Domänen offen an, zu denen auch öffentliche Einkaufsdaten gehören können. Typische Beispiele für Domänen sind Soziales, Energie, Gesundheit, Verkehr, Umwelt, Justiz, Haushalts- und Finanzdaten, Raum- und Geodaten. Vergabe- und Bekanntmachungsportale beinhalten hingegen ausschließlich öffentliche Einkaufsdaten. Offene-Daten-Portale sollen insbesondere die Transparenz des Verwaltungshandelns gegenüber den unterschiedlichen Anspruchsgruppen fördern, Vergabe- und Bekanntmachungsportale sollen den Interessenten möglichst barrierefrei Zugang zu den Informationen verschaffen, um am Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Das heißt, hiermit werden vor allem die Veröffentlichungspflichten des Vergaberechts entlang der prozessualen Abwicklung erfüllt.
Während Bekanntmachungsportale nur als Informationsmedium und somit als Einstiegspunkt eingesetzt werden31, unterstützen Vergabeportale die elektronische Kommunikation zwischen Vergabestelle und Anbieter im Rahmen der förmlichen Vergabeverfahren. Sie decken damit einen größeren Teil des Vergabeprozesses als Bekanntmachungsportale ab, indem sie über die Funktion der Bekanntmachungen hinaus auch die Bereitstellung der Vergabeunterlagen, die Unterstützung der Kommunikation sowie die elektronische Angebotsabgabe anbieten. Sie stellen damit eine Informationssammelstelle dar. Alle diese Portale können auf jeder föderalen Ebene vorkommen (Bund, Länder, Kommunen).
Im Folgenden werden die relevantesten Verwaltungsportale mit Blick auf öffentliche Einkaufsdaten analysiert. Dabei wird auf Bundesebene das Open Government-Portale GovData erläutert, folgend die vier Open Government-Portale der Länder Hamburg, Bremen, NRW und Rheinland-Pfalz sowie schließlich die 26 wesentlichen Vergabe- und Bekanntmachungsportale auf Bundes- und Länderebene. Die Auswahl der OGD-Länderportale erfolgte vor dem Hintergrund der bestehenden Transparenzgesetze (Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz) beziehungsweise den bereits fortgeschrittenen Bemühungen (Nordrhein-Westfalen). Als Kriterium für die Selektion der 26 Vergabe- und Bekanntmachungsportale galt, dass diese durch die öffentliche Verwaltung verantwortet werden.

7.3.9.2 Offenes Verwaltungsportal GovData auf Bundesebene

Im Jahr 2012 wurde die Initiative zur Entwicklung eines zentralen Verwaltungsdatenportals für Deutschland (https://​www.​govdata.​de) ins Leben gerufen32 mit dem Ziel, die in der Verwaltung vorhandenen „Datenschätze“ besser nutzbar zu machen, „… sodass durch neue Ideen sowie Kombination und Analyse neue Erkenntnisse aus den vorhandenen Daten gewonnen und neue Anwendungsfelder erschlossen werden können“ (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019c). Im Februar 2013 begann der Pilotbetrieb des vom Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) entwickelten Portals und zum 01. Januar 2015 erfolgte die Liveschaltung (Catal et al., 2018, S. 149). Hiermit ging die Verantwortung für das bundesweite Datenportal des Bundes „GovData“ vom BMI auf die Stadt Hamburg über. Die Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData der Finanzbehörde Hamburg beauftragte die Seitenbau GmbH daraufhin mit dem umfassenden Ausbau des bis dahin bestehenden Pilotportals (Seitenbau GmbH, 2019). Die Anwendung GovData ist dem IT-Planungsrat zugeordnet und der Betrieb erfolgt auf Basis einer Verwaltungsvereinbarung, welcher bislang der Bund und zehn Länder beigetreten sind.33
Eine Grundvoraussetzung für die Aufnahme als Datensatz ist das Vorliegen klarer Nutzungsbestimmungen (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019c). Stand Juli 2019 konnte man 31 194 Datensätze über 13 Data Catalogue Vocabulary (DCAT)-Kategorien34 einsehen, welche über 41 Datenbereitsteller geliefert wurden (siehe Tabelle A.8 im Anhang). Die Zulieferungen zu den Stichworten „Verträge“ und „Vergaben“ ergeben genau zwei Metadatensätze von insgesamt 31 194 Datensätzen. Dies sind die Datensätze des Portals Open.NRW sowie der Stadt Bonn. Mit Blick auf ganz Deutschland ist dies stark ausbaufähig. Die Analyse ist in Tabelle 7.14 zusammengefasst.
Tabelle 7.14
Auswertung des GovData-Portals auf Bundesebene in Bezug auf öffentliche Einkaufsdaten (in Anlehnung an Palka et al., 2013, übersetzt durch Verfasserin)
Kriterien
Bund
Webseite
Datenangebot
Dokumente und Datensätze
Quantitäten zu den Schlagworten „Verträge“ und/oder „Vergaben“
Insgesamt 31 194 Datensätze; davon 2 zu Vergabe und Verträgen im öffentlichen Einkauf
Formattyp Dokumente
PDF/Verweis auf HTML-Seite
Berners-Lee
3 Sterne
Metadaten
Der Metadatensatz ist als XML und RDF herunterladbar
Datenzugang
Maschinenlesbar
Datenformat
Nicht proprietär
Feedback
Kommentar und Rating zum Datensatz möglich
Art der Partizipation und Kollaboration
Information, direkter Kontakt, Blog
Kosten der Nutzung
Frei
Art der Datenbereitstellung
Wiederkehrend
Aktualisierungszeitpunkte
Unbekannt
Informationssuche
Volltext und Filter
Auswertungsmöglichkeit auf der Seite
Nein
Visualisierungsmöglichkeit auf der Seite
Nein
Abruf
Juli 2019
Aus der Technologieperspektive betrachtet (siehe Abbildung 7.17) wurde das GovData-Portal mit offener Software auf Basis eines Verbundkatalogs entwickelt. GovData wird über den webbasierten Online-Dienst GitHub über https://​github.​com/​ bereitgestellt (GitHub Inc., 2019). Basis der Entwicklung ist die Portalsoftware Liferay, ein Open Source Content Management-System, welches wie die Plattform in Java entwickelt wurde. Für den Betrieb wird das Comprehensive Knowledge Archive Network (CKAN) verwendet. CKAN ist ein für offene Daten weit verbreiteter Metadaten-Katalog mit vollständiger REST-API, der in Linux-Umgebungen eingesetzt wird. Zur Anbindung an Java-Anwendungen wurde eine Java-Client-Bibliothek für die CKAN-API genutzt. Unterstützt wird CKAN 2.x. Es können auch andere Datenkataloge angeschlossen werden. Als Persistenz-Komponente dient ein Datenbank-Server. CKAN arbeitet nur mit PostgreSQL zusammen, Liferay mit allen vom Hibernate-Framework unterstützten Datenbanken, somit auch PostgreSQL. Das Portal unterstützt verschiedene Methoden für den Datenimport/-export, unter anderem die Bereitstellung per Web-Formular, CKAN-API (Im- und Export) sowie automatisches Importieren der Metadaten aus einem entferntem Datenkatalog (Harvesting) über im Wesentlichen das neue Metadatenmodell DCAT-AP.de (Catal et al., 2018, S. 149 f.; Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS, 2012; GitHub Inc., 2019). DCAT-AP.de (https://​www.​dcat-ap.​de) wurde im Juni 2018 als formaler Austauschstandard für allgemeine offene Verwaltungsdaten und somit alle deutschen Open Data-Portale vom IT-Planungsrat beschlossen. DCAT-AP.de ist die deutsche (kompatible) Adaption des DCAT-AP für Datenportale in Europa (Geschäftsstelle IT-Planungsrat im Bundesministerium des Innern, 2019b).
Eine Anbindung von GovData an das Open Data-Portal der EU (http://​data.​europa.​eu/​euodp/​en/​home) besteht ebenfalls (European Commission, 2019c). Die Metadaten werden nun im RDF/XML-Format exportiert und nicht mehr im JSON-Format und können in dieser Struktur perspektivisch ebenso als LOD angeboten werden (sofern ein Triple Store mit entsprechender SPARQL-Abfrage implementiert wird, siehe Abschnitt 7.3.2.2).
Die Anwender können auch über mobile Applikationen auf das Portal zugreifen und so nach den für sie relevanten Daten suchen; die Entwickler können über entsprechende Programmierschnittstellen (APIs) Zugriff auf die Metadaten erhalten. So wird es Entwicklern ermöglicht, eigene Anwendungen unter Nutzung der offenen Daten zu erstellen (Catal et al., 2018, S. 150). Leider fehlen Analyse- und Visualisierungswerkzeuge noch gänzlich, um die recherchierten Daten besser auszuwerten, ebenso mangelt es an Angaben zu Nutzer- und Zugriffszahlen sowohl für das Portal als auch für die einzelnen Kategorien.
Auf GovData wird die Datenlizenz Deutschland 2.0 Zero oder mit Namensnennung genutzt, die Datensätze sind unter verschiedenen – größtenteils offenen – Nutzungsbestimmungen verfügbar, so sind etwa 75 % der Datensätze im Juli 2019 frei verfügbar (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019b). Entwicklungsfelder sind jene in Richtung Linked Open Data, die Verbesserung von Visualisierungs- und Auswertungsmöglichkeiten sowie die Ergänzung der Prüfung der technischen Verfügbarkeit der Metadaten um eine inhaltliche Prüfung.

7.3.9.3 Offene Verwaltungsportale der Länder

Im Rahmen der Open Government-Bewegung in Deutschland wurden aufgrund der föderalen Struktur nach und nach Open Data-Portale auf Länder- und Kommunalebene etabliert. So sind etwa 86 Portale mit offenen Verwaltungsdaten auf allen föderalen Ebenen vertreten (Tursics, 2019). Sie unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich Organisation, eingesetzter Technologie, bereitgestellter Daten, Betreiber- und Geldleistungsmodellen. Von diesen 86 Portalen werden über sechs Portale öffentliche Einkaufsdaten bereitgestellt, vier von ihnen sind Länderportale. Auf diese soll nun konkreter eingegangen werden.
7.3.9.3.1 Hamburgisches Transparenzgesetz
Treiber des Hamburgischen Transparenzgesetzes (HmbTG) war eine Volksinitiative von TI Deutschland e. V., dem Chaos Computer Club e. V. sowie Mehr Demokratie. Kernforderung war die umfassende Pflicht zur Veröffentlichung bislang verwaltungsinterner Informationen. Im Ergebnis trat das HmbTG am 06. Oktober 2012 in Kraft (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt, 2012).
„Um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen“ (§ 1 Abs. 1 HmbTG), werden hierüber seit der Online-Schaltung des Transparenzportals Hamburgs zum 01. Oktober 2014 im Dezember 2018 bereits 100 000 Datensätze der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Isermann, 2018). Das Transparenzgesetz zeigt, dass es weg vom Amtsgeheimnis hin zu größtmöglicher, proaktiver Offenheit geht, nämlich von einem Informationsrecht zu einer Informationspflicht. Im Katalog des § 3 Abs. 1 HmbTG werden insgesamt 15 Anwendungsbereiche genannt.
Für Hamburg erscheint in den Frequently Asked Questions (FAQs) der Hinweis, dass es unterschiedliche Nutzungsbestimmungen für die Nutzung der Datensätze, Dokumente und Anwendungen gibt. Die Lizenz ist in der jeweiligen Detailansicht hinterlegt (Freie und Hansestadt Hamburg, 2019a). Das Portal selbst wird durch die „Fachliche Leitstelle Transparenzportal“ betreut, die im Januar 2015 für den Regelbetrieb im Hamburger Staatsarchiv eingerichtet wurde und aus drei Mitarbeitern besteht (Freie und Hansestadt Hamburg, 2019b).
Mit Bezug zum öffentlichen Einkauf werden in § 3 Abs. 1 Nr. 4 HmbTG „Verträge der Daseinsvorsorge“ genannt. Unter Daseinsvorsorge werden
„… nach deutschem Staats- und Verfassungsrecht […] wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- oder kulturpolitische Leistungen verstanden, die mit staatlichen Mitteln erbracht werden. Die Daseinsvorsorge erfasst somit Aufgaben, an deren Erfüllung ein besonderes allgemeines Interesse besteht, und deckt sich damit in weiten Teilen mit der öffentlichen Leistungsverwaltung“ (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, 2006, S. 2).
Hierunter fallen zum Beispiel die Wasser- und Energieversorgung, aber auch Verträge mit Krankenhäusern sowie in Bezug auf den öffentlichen Nahverkehr. § 2 Abs. 10 Satz 2 HmbTG enthält einen abschließenden Katalog derjenigen Aufgaben, die zum Bereich der Daseinsvorsorge im Sinne dieses Gesetzes zählen. Nach § 10 Abs. 2 HmbTG sind Verträge, sobald sie die Schwelle von 100.000 Euro übersteigen, in Zukunft sofort bei Vertragsabschluss zu veröffentlichen und werden erst nach einem Monat wirksam. So haben die Bürger 30 Tage Zeit, Bedenken zu äußern. Die Volksinitiative hatte ursprünglich auf die Veröffentlichung sämtlicher Verträge abgezielt, sich dann aber hier kompromissbereit gezeigt aufgrund der großen Auslegungsmöglichkeit von „Daseinsvorsorge“ (Lohmeyer, 2012, S. 129). In §§ 4-7 HmbTG finden sich allerdings auch weitgehende Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten, öffentlicher Belange und von Geschäftsgeheimnissen. In § 3 Abs. 2 HmbTG finden sich weitere Veröffentlichungsgegenstände, beispielsweise Verträge, an deren Veröffentlichung ein öffentliches Interesse besteht (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 HmbTG). Jedoch dürften wirtschaftliche Interessen der Stadt nicht erheblich beeinträchtigt werden.
Mit Abruf im Juli 2019 finden sich 2 888 Verträge der Daseinsvorsorge und sonstige Verträge von öffentlichem Interesse über den Zeitraum 2014 bis 2019. Davon sind 2 887 als Dokumente im PDF-Format und ein Datensatz hinterlegt. Für jedes Dokument sind die Metadaten in unterschiedlichen Formaten herunterladbar (zum Beispiel RDF, XML, JSON).35 Es ist bedeutsam, dass im Transparenzportal insgesamt zu 90 % der Informationstyp Dokumente eingestellt wurde, gefolgt von Datensätzen mit 10 % (Herr et al., 2017, S. 65).
Im Abschlussbericht zur Evaluation des Hamburgischen Transparenzgesetzes aus dem Jahr 2017 finden sich unterschiedliche Rückmeldungen. So wird beispielsweise bemängelt, dass nicht alle Verträge gefunden werden konnten und dass es zu viele Schwärzungen gebe (Herr et al., 2017, S. 163 ff.). § 11 HmbTG regelt die Antragsberechtigung, das heißt den Antrag auf Zugang zu Informationen. Hier zählten Verträge in vielen Jahren zu den am stärksten nachgefragten Informationen (Herr et al., 2017, S. 192 f.). Dies bedeutet, dass es eine Nachfrage nach öffentlichen Verträgen gibt, diese jedoch noch nicht immer durch das vorhandene Angebot befriedigt werden konnte.
Dem entgegen stehen die benannten Überarbeitungsbedarfe. Im Wesentlichen beziehen sie sich darauf, dass die Informationspflichten zu Verträgen sowie Veröffentlichungspflichten und Auskunftsrechte zu internen Unterlagen zu weit gehen, dass die Unterschiede zwischen verwaltungsinternen und externen Verträgen nicht ausreichend berücksichtigt werden, dass eine bedingte Ausnahmeregelung von der Veröffentlichungspflicht befürwortet werde (zum Beispiel für laufende Verträge). Zudem werden eine Präzisierung im Bereich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewünscht und bessere Unterscheidungen, die etwa die Auskunftspflicht über Verträge genauer zugunsten des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen regeln (Herr et al., 2017, S. 243 f.). Eine weitere Kritik erfährt § 10 Abs. 2 HmbTG, in dem die Monatsfrist aufgeführt wird. Hier reichen die Wünsche von Hinweisen, über Präzisierung und Einschränkung bis hin zur vollständigen Streichung (Herr et al., 2017, S. 248 f.). Diese – teils gegensätzlichen Forderungen – unterstreichen die Notwendigkeit eines fortgesetzten Diskurses.
In Bezug auf Kosten/Nutzen wurden über den Untersuchungszeitraum von 2014 bis 2017 insgesamt 68 Fälle genannt, in denen fiskalische Schäden entstanden, indem eine Informationserteilung durch Streichung von § 8 Nr. 4 HmblFG-2009 erfolgte. Diese Schäden beliefen sich auf 1 Million Euro. Alle Fälle traten bei einer einzigen veröffentlichungspflichtigen Stelle auf (Herr et al., 2017, S. 71 f.). Man kann annehmen, dass der entstandene Schaden – verteilt über vier Jahre – überschaubar ist. Leider fehlt im Evaluationsbericht die Bezifferung des abgewandten Schadens durch die erzeugte Transparenz. Dies wäre eine sinnvolle Ergänzung für den folgenden Berichtszeitraum.
Schlussfolgernd hat Hamburg einen respektablen Vorstoß in der Offenlegung bestimmter Verträge gemacht, die überwiegend als Dokumente praktisch einsehbar sind. Für die weitere Verarbeitung kann ein maschinenlesbares Metadatenformat genutzt werden. Allerdings ist offen, wie vollständig die Daten sind, welche Qualität sie aufweisen und – aufgrund geschwärzter Stellen – welchen Grad der Öffnung. Hierfür würde eine vertiefende Analyse benötigt. Im Zeitraum 2012 bis 2017 wurden 325 Anfragen auf Informationsauskunft abgelehnt. Gut zwei Drittel entfielen dabei auf den Schutz personenbezogener Daten (Herr et al., 2017, S. 73). Für entsprechende Auswertungen der veröffentlichten Informationen fehlen auf der Webseite selbst entsprechende Applikationen. Der Evaluationsbericht zeigt weitergehende, auch juristische, Diskussionsbedarfe auf, die in der Praxis entstanden sind und nun adressiert werden müssen.
7.3.9.3.2 Bremer Informationsfreiheitsgesetz
Seit 2006 gibt es in Bremen das „Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Bremen“ (Bremer Informationsfreiheitsgesetz – BremIFG) vom 16. Mai 2006, welches zuletzt am 28. April 2015 geändert wurde. Von Beginn an sah das Gesetz nicht nur eine antragsbedingte Auskunftspflicht vor, sondern auch eine antragsunabhängige Pflicht zur Offenlegung bestimmter Informationen. Mit der letzten Neuerung wurden die antragsunabhängigen Veröffentlichungspflichten noch einmal präzisiert. Die Pflicht zu einer aktiven Veröffentlichung von den im Gesetz genannten Informationsgegenständen wurde von einer „Soll-Vorschrift“ zu einer „Muss-Vorschrift“ umgestaltet und um ein subjektiv einklagbares Recht auf Offenlegung ergänzt. Neben Verträgen der Daseinsvorsorge36 gemäß § 6a müssen nun auch Verträge gemäß § 6b, die von den Behörden oder landeseigenen Betrieben abgeschlossen werden, unaufgefordert veröffentlicht werden, sofern sie über einem Vertragswert von 50.000 Euro liegen. Gleiches gilt für Gutachten ab einem Wert von 5.000 Euro. Zudem wurde Bürgern das Recht eingeräumt, auf eine Veröffentlichung klagen zu können. Der rechtliche Rahmen wird durch das Bremer IFG abgebildet. Im Mai 2008 wurde nach einer mehrmonatigen Pilotphase das Bremer Informationsregister, das Transparenzportal, in Betrieb genommen (Senatorin für Finanzen, 2017, S. 14). Zum Mai 2018 waren 67 681 Suchergebnisse zu verzeichnen (Hagen et al., 2018, S. 9).
Auf dem Transparenzportal Bremen werden folgende Lizenzen genutzt: CC0 1.0; CC BY 3.0, CC BY-SA 3.0, CC BY-NC-SA 3.0, CC BY-NC-ND 3.0, amtliches Werk, lizenzfrei nach § 5 Abs. 1 Urhebergesetz (UrhG) und die Nutzungsbestimmungen für die Bereitstellung von Geodaten des Bundes. Die Bedingungen, zu denen eine Nutzung der hinterlegten offenen Daten gestattet wird, stehen im jeweiligen Datensatz (Der Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, 2019a; b).
2016 hatte die Linkspartei eine „Kleine Anfrage“37 an den Senat gestellt (Senatorin für Finanzen, 2016), wie viele Verträge im abgelaufenen Jahr abgeschlossen und wieviel davon veröffentlicht worden waren. Die Antwort lautete: Von insgesamt 193 abgeschlossenen Verträgen zwischen 2015 und 2016 waren nur 16 veröffentlicht worden.38 Es wurde seitens des Senats kommentiert, dass man noch in rechtlicher Prüfung der Dokumente sei und dass man – trotz Gesetz – die öffentlichen Stellen nicht zur Veröffentlichung verpflichten könne. Die Linkspartei richtete zum 05. Dezember 2017 erneut eine „Kleine Anfrage“ an den Senat. In dieser wurde unter anderem erfragt, wie viele Verträge wie in § 6b BremIFG beschrieben seit Inkrafttreten der Novellierung von den Behörden des Landes abgeschlossen worden seien und wie viele dann gemäß § 11 (4a) IFG im Informationsregister/Transparenzportal oder auf den entsprechenden Internetseiten der senatorischen Behörden veröffentlicht worden seien. Es wurde eine Liste der seit Mai 2015 oberhalb der Wertgrenzen abgeschlossenen Verträge erbeten, die aufführen sollte, wann die fehlenden Verträge in das Transparenzregister eingestellt werden. Außerdem verlangte die Linkspartei eine detaillierte rechtliche Begründung dafür, warum in den veröffentlichten Verträgen die Vertragssummen geschwärzt wurden. Die „Kleine Anfrage“ wurde im Februar 2018 detailliert beantwortet. Als Grund für die Schwärzungen wurde unter anderem der fehlende rechtliche Hinweis des Vertragspartners auf die Veröffentlichungspflicht der Verwaltung und der im Nachhinein initiierte Prozess des Nachholens aufgeführt (Senatorin für Finanzen, 2018, S. 5 f.). Zum 31. Januar 2017 gab es schließlich 320 veröffentlichte Verträge und Vereinbarungen (Senatorin für Finanzen, 2017, S. 17), zum Stichtag 31. Dezember 2017 waren es 612 Verträge und Vereinbarungen (Hagen et al., 2018, S. 10). Im Juli 2019 sind unter „Verträge und Vereinbarungen“ schließlich 1 234 Dokumente überwiegend im PDF-Format bereitgestellt (automatisch ist dies nicht über die Webseite auswertbar). Im Bereich Daten findet sich unter „Verträge“ ein als XML herunterladbarer Datensatz der Beschreibungen der Verträge und Vereinbarungen des Landes Bremen.
Der Bericht des Senats wird jährlich erstellt und im Transparenzportal bereitgestellt. Die Seitenaufrufe betragen im Jahr 2017 durchschnittlich 40 200 pro Monat (Hagen et al., 2018, S. 12 f.).
Bremen hat ein weit gehendes Informationsfreiheitsgesetz – trotz der Tatsache, dass sich die Anzahl der veröffentlichten Verträge nochmals erhöht hat, scheint es hier aber noch Nachholbedarf zu geben. Selbstkritisch reflektiert die Beauftragte für Informationsfreiheit im Jahr 2018:
„Insgesamt hat sich die Zahl auffindbarer Verträge leider bisher nicht signifikant erhöht. Besonders Verträge zwischen der Verwaltung und privaten Dritten sind kaum auffindbar. Sofern Verträge eingestellt wurden, wurden diese an vielen Stellen geschwärzt. Insbesondere die verbreitete Unkenntlichmachung des Gesamtpreises einer vertraglichen Leistung zeigt, dass Schwärzungen nicht immer von Ausschlussgründen gedeckt sind. Die Vertragssumme fällt regelmäßig nicht unter die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die das Bremer Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG) von einer Veröffentlichung ausnimmt. Gerade an den Gesamtkosten einer vertraglichen Leistung besteht ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit. Bei der Veröffentlichung von Verträgen bedarf es dringend einer erhöhten Anstrengung der einzelnen Ressorts“ (Sommer, 2018, S. 10 f.).
Sie empfiehlt einerseits Schulungsveranstaltungen für die Mitarbeiter zur einheitlichen Auslegung der Rechtsvorschriften, zugleich geht die Aufforderung an die Vertragspartner, bei Vertragsabschluss die entsprechenden Passagen zu kennzeichnen, die schutzbedürftig sind, sowie die Definition der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an die EU-Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen anzupassen. Auch heute muss der private Vertragspartner eine Begründung abgeben, warum er bestimmte Passagen für schutzwürdig hält – eine pauschale Verweigerung der Information wegen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist nicht ausreichend. Obwohl sich die Verwaltung bei der Entscheidung zur Öffnung der Informationen formell über den privaten Vertragspartner hinwegsetzen kann, muss dieser die Möglichkeit des Widerspruchs haben. Ein solcher Widerspruch kostet allerdings Zeit. Es wird daher angeregt, im Falle von Dissens ein Drittbeteiligungsverfahren zu nutzen beziehungsweise die beweissichere und abschließende Klärung bereits vor Vertragsabschluss herbeizuführen (Sommer, 2018, S. 10 ff.).
7.3.9.3.3 Die Open.NRW-Strategie
Die Open.NRW-Strategie, die vom nordrhein-westfälischen Kabinett am 27. Mai 2014 verabschiedet wurde (Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW, 2014a; b), ist die Grundlage für die Umsetzung des Open Government-Gedankens in Nordrhein-Westfalen als größtem Flächenland der BRD mit etwa 18 Millionen Einwohnern (Stand Dezember 2018) (Statista Research Department, 2019). In der Strategie ist bereits die Kooperation mit den nordrhein-westfälischen Kommunen verankert. Als Ergebnis wurde 2016 die „Rahmenvereinbarung zum Open Government Pakt NRW“39 zur Umsetzung der Open.NRW-Strategie beschlossen (Jäger et al., 2016). Allerdings setzte die Rahmenvereinbarung ebenfalls auf eine freiwillige Mitwirkung. Erweiternd findet sich nun im Entwurf der Digitalstrategie für NRW aus 2018 ein verpflichtendes Bekenntnis zu Open Data, denn er besagt:
„Ein Open-Data-Gesetz und die technischen Grundlagen zur umfassenden Veröffentlichung der Daten werden noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Die Landesregierung stellt soweit wie möglich alle Daten allen entgeltfrei zur Verfügung. […] Der Zugang zu den offenen Verwaltungsdaten erfolgt über das Open.NRW-Portal als zentralem Knoten für Verwaltung, Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger“ (Ministerium für Wirtschaft, 2018, S. 52).
Der finale Stand der Digitalstrategie wurde im April 2019 veröffentlicht (Ministerium für Wirtschaft, 2019b); der Passus rund um ein Open Data-Gesetz ist in der finalen Fassung nicht mehr zu finden (Ministerium für Wirtschaft, 2019e).
Als rechtlicher Rahmen für NRW ist neben dem E-Government-Gesetz NRW (EGovG NRW)40 das IFG NRW vom 27. November 2001 zu nennen (letztmals geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Mai 2018) (Justiz des Landes NRW, 2019). Über dieses konnte man bisher bereits den Zugang zu bestimmten Informationen beantragen. Allerdings gab es Überlegungen, mithilfe der Initiative „NRW blickt durch“41 ein Transparenzgesetz in Anlehnung an das Hamburger Vorbild zu verabschieden. Der Gesetzesentwurf vom 18. Februar 2014, welcher auch die proaktive Öffnung von Verträgen der Daseinsvorsorge und sonstigen Verträgen sowie Vergabeentscheidungen beinhaltete (Bund der Steuerzahler e. V. et al., 2014, S. 9), wurde dem Landtag übergeben, dort allerdings nicht verabschiedet. Als erstes Flächenland ging NRW dann mit dem Portal Open.NRW (https://​open.​nrw/​) im Jahr 2015 einen ersten Schritt in Richtung aktive und antragsfreie Öffnung ausgewählter Daten.
Mit Liveschaltung des Portals im März 2015 (Ministerium für Wirtschaft, 2015) standen 467 Datensätze bereit, ein Jahr später waren es schon 1 488 Datensätze (Ministerium für Wirtschaft, 2016, S. 4) und im Februar 2019 dann 3 753 Datensätze. Open.NRW ist ebenfalls an das Portal GovData angeschlossen.
Auf Open.NRW sind die redaktionellen Inhalte mit CC BY 3.0 dargestellt, bei den Daten und Bildern sind diese jeweils vom Bereitsteller hinterlegt. Hauptsächlich wird die Datenlizenz Deutschland 2.0 mit Namensnennung genutzt und in der Regel werden die Daten zur freien, auch kommerziellen, kostenlosen Nutzung herausgegeben. Sollten Datensätze in Ausnahmefällen kostenpflichtig sein, wird dies angegeben. Die jeweiligen Lizenzbedingungen sind explizit bei jedem Datensatz aufgeführt (Ministerium für Wirtschaft, 2019c; d). Die Geschäftsstelle Open.NRW übernimmt dabei die Aufgabe des organisatorischen und der Landesbetrieb IT.NRW die des technischen Betreibers der Open.NRW-Plattform (Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW, 2014a, S. 9).
Unter dem Stichwort „Vergabe“ in der Suchmaske des Bereichs „Open Data“ finden sich unter Open.NRW drei relevante Einträge. Hierunter werden die Metadatensätze des Vergabemarktplatzes NRW (JSON, XML) sowie jene der Stadt Bonn (JSON) und der Stadt Köln (JSON) angeboten. Auf den jeweiligen Marktplätzen finden sich dann die dazugehörigen Dokumente. Der Vergabemarktplatz NRW hat weitere sieben Vergabemarktplätze angeschlossen: Land NRW, Metropole Ruhr, Rheinland, Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW), Westfalen, Stadt Köln und die Wirtschaftsregion Aachen. Inwieweit alle Kommunen hierüber erfasst sind, vermag sich von außen allenfalls durch Detailrecherche der einzelnen angebundenen Marktplätze sagen lassen. Der Vergabemarktplatz NRW verfügt mit seiner seit 2019 neuen Schnittstelle der Cosinex GmbH über die Möglichkeit einer erweiterten Suche nach beabsichtigten Ausschreibungen, Ausschreibungen und vergebenen Aufträgen. Es kann nach Art der Vergabeordnung (VOB/A, VOL/A, UVgO, SektVO, Sonstige) sowie nach Postleitzahl, Region und Radius selektiert werden. Unter Auftragsgegenstand kann nach inhaltlichen Schlagworten gesucht werden.
Bei Selektion von „Alle“ erhält man insgesamt 5 359 Informationen (Stand 08. Juli 2019). Der älteste Eintrag stammt aus dem Jahr 2011, die neuesten Datensätze aus dem Jahr 2019. Selektiert man nach vergebenen Aufträgen, erhält man 3 395 Treffer. Leider gibt es keine weiteren Auswertungs- oder Eingrenzungsmöglichkeiten, es kann zum Beispiel nicht nach Zeitraum oder nach Formattyp eingeschränkt werden, auch weiß man nicht, ob es sich um vollständige Informationen handelt (im Sinne von: Sind die dargelegten Datensätze für eine Kommune wirklich vollständig für alle Ausschreibungen und alle Verträge?). Die Informationen sind weitestgehend nicht maschinenlesbar, sie bieten über „Aktion“ Absprungpunkte in die Details. Die Details sind als PDF bereitgestellt, die Informationen innerhalb der PDFs sind in unterschiedlicher Vollständigkeit vorhanden. Die Evaluationsberichte sowie Nutzungsstatistiken des Open.NRW-Portals sind öffentlich nicht einsehbar.
NRW hat mit dem Open.NRW-Portal einen technischen Rahmen geschaffen, über den Datensätze zu öffentlichen Einkaufsdaten zentral bereitgestellt werden. Vor allem mit der Anbindung an den Vergabemarktplatz NRW und vor dem Hintergrund, dass es für NRW kein Transparenzgesetz gibt, ist dies umso mehr zu würdigen.
Mit Blick auf Vollständigkeit, Qualität und Zeitraum der Daten ergeben sich für NRW ähnliche Fragestellungen wie beim Transparenzportal Hamburg. Auch sind zentrale und flächige Auswertungen der Daten noch nicht möglich – hier bedarf es geschulter beziehungsweise IT-kompetenter Anwender.
7.3.9.3.4 Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz ist zum 01. Januar 2016 das Landestransparenzgesetz Rheinland-Pfalz (LTranspG) in Kraft getreten. Damit war Rheinland-Pfalz das erste Flächenland mit einem Transparenzgesetz. Dieses ersetzt das vorherige Informationsfreiheits- und Umweltinformationsgesetz. Es kehrt die Holschuld des bestehenden Informationsfreiheitsgesetzes in eine Bringschuld der Landesverwaltung um. Weiters beinhaltet Teil 2 die Einführung einer Transparenzplattform. Unter § 7 Abs. 1 (4) LTranspG (Veröffentlichungspflichtige Informationen) finden sich dann „die wesentlichen Inhalte von Verträgen von allgemeinem öffentlichem Interesse mit einem Auftragswert von mehr als 20 000,00 EUR, soweit es sich nicht um Beschaffungsverträge oder Verträge über Kredite und Finanztermingeschäfte handelt.“ Die Kommunen sind gemäß § 7 Abs. 5 LTranspG ausdrücklich von der sich aus § 7 Abs. 1 LTanspG ergebenden Veröffentlichungspflicht ausgenommen. Gemeinden und Gemeindeverbände trifft nur eine Veröffentlichungspflicht für Organisationspläne und Umweltinformationen. Des Weiteren gibt es Beschränkungen für den Landtag, die Gerichte sowie Strafverfolgungs- und Vollstreckungsbehörden, den Rechnungshof und andere Behörden sowie Sparkassen und den Öffentlichen Rundfunk. Das Transparenzportal https://​tpp.​rlp.​de/​ soll innerhalb von drei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes mit den entsprechenden Informationen umgesetzt sein (Trennheuser & Quarz, 2015, S. 2). Stand August 2019 beinhaltete das Portal keinerlei Informationen zu Vergaben und Verträgen.
Die Bewertung der Auswirkungen des Gesetzes durch die Landesregierung erfolgt gemäß § 23 LTranspG vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes mit Bericht an den Landtag. Bislang liegt nur ein Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Informationsfreiheit aus 2016 vor. In diesem Bericht finden sich allerdings noch keine Aussagen rund um Verträge und/oder Vereinbarungen (Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, 2016).
7.3.9.3.5 Zwischenfazit: Erste Resultate auf Ebene der Länder
Insgesamt zeigt sich, dass nicht nur Länder, die ein Transparenzgesetz erlassen haben, einen respektablen Vorstoß in Richtung der Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten unternommen haben (Beispiel NRW). Zudem müssen Länder, die ein Transparenzgesetz haben, in der Offenlegung der öffentlichen Einkaufsdaten nicht unbedingt weiter fortgeschritten sein (Beispiel Rheinland-Pfalz). Allerdings ergeben sich anhand der verfügbaren Evaluationsberichte übereinstimmend praktische Anlaufschwierigkeiten und zu klärende Fragen. Diese betreffen vor allem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie die Schwärzung von Passagen und ein handhabbarer und rechtssicherer Umgang im Alltag, die weitere Öffnung oder sogar wieder Reduktion der Öffnung bestimmter Daten.
In Bezug auf die Darlegung der Daten befinden sich die Entwicklungen im Bereich von zwei bis drei Sternen gemäß des Schemas von Berners-Lee (Berners-Lee, 2006, S. 6). Weitere Schritte sollten erwogen werden, um hier perspektivisch auch im Bereich der fünf Sterne die vollen Potentiale ausschöpfen zu können. Und letztlich sollte im Rahmen der Benutzerfreundlichkeit auch über Auswertungsmöglichkeiten nachgedacht werden. Insgesamt wäre eine weitestgehende Harmonisierung zu begrüßen.
In Anlehnung an einige Kriterien von Palka können die zuvor beschriebenen Portale wie in (Tabelle 7.15) eingeordnet werden.
Tabelle 7.15
Auswertung der Open Data-Portale auf Landesebene in Bezug auf öffentliche Einkaufsdaten (in Anlehnung an Palka et al., 2013, übersetzt durch Verfasserin)
Kriterium
Bremen
Hamburg
NRW
Webseite
Datenangebot
Dokumente und Datensätze
Dokumente und Datensätze
Datensätze
Quantitäten zu den Schlagworten „Verträge“ und/oder „Vergaben“
1 234 Dokumente (Suche über Dokumente, Stichwort Vergabe) plus 1 Datensatz (Suche über Daten, Stichwort Verträge)
2 887 Dokumente plus 1 Datensatz
(Suche über Verträge)
3 Datensätze (beinhaltet den Vergabemarktplatz NRW sowie die Städte Bonn und Kölna)
Formattyp Dokumente
PDF/Verweis auf HTML-Seite
PDF
XML, JSON
Berners-Lee
2 Sterne
3-4 Sterne
3 Sterne
Metadaten und Formate
Der Datensatz ist als XML herunterladbar
Die Dokumente sind in den Details zum Datensatz als RDF, JSON, XML, TTL, N3, JSONLD herunterladbar
3 Datensätze als JSON oder JSON und XML herunterladbar
Datenzugang
Dokumente: Nicht maschinenlesbar, Download möglich
Dokumente: Nicht maschinenlesbar, Download möglich
Datensätze: Maschinenlesbar
Datenformat
Nicht proprietär
Feedback
Direkt zum Datensatz möglich, sofern fehlerhaft
Nicht vorgesehen
Nicht vorgesehen
Kosten der Nutzung
Frei
Art der Datenbereitstellung
Wiederkehrend
Aktualisierungszeitpunkte
Unbekannt
Informationssuche
Volltext und Filter
Art der Partizipation und Kollaboration
Information, direkter Kontakt
Information, direkter Kontakt
Information, teilweise Kommentare, direkter Kontakt, Workshops, Diskurse
Auswertungsmöglichkeit auf der Seite
Nein
Visualisierungsmöglichkeit auf der Seite
Nein
Abruf
Juli 2019
Bezüglich der Open Data-Portale werden diverse Lizenzen und Nutzungsbestimmungen angewendet. Diese scheinen sich an den üblich genutzten offenen Lizenzen zu orientieren, bedeuten aber für den Nutzer eine datensatzspezifische Analyse. Eine Kompatibilität der Lizenzen untereinander ist nicht durchgängig gegeben, was zum Beispiel die Weiterverwendung erschweren kann, insbesondere in der Kombination von Daten (siehe Abschnitt 7.3.6).
Am Beispiel von NRW als größtem Flächenland Deutschlands kann man in Abbildung 7.18 gut sehen, wie eine Verbindung der Portale heute aussieht: Das EU Open Data-Portal (http://​data.​europa.​eu/​euodp/​en/​home) liest Metadaten aus dem GovData-Portal aus, GovData liest im obigen Fokus Metadaten aus Open.NRW aus, Open.NRW liest Metadaten aus dem Vergabemarktplatz NRW aus. Dieser wiederum beinhaltet die tatsächlichen Dokumente im PDF-Format. Der Benutzer muss also verstehen, dass die originären Detailinhalte nur über den Vergabemarktplatz NRW einsehbar sind. Dies setzt ein gewisses Grundverständnis des Zusammenhangs voraus. Gleichzeitig wird an diesem Beispiel deutlich, wie hoch die Anzahl der Datenbereitsteller bereits heute ist. Vor diesem Hintergrund ist eine vollständige Integration der unterschiedlichen Strukturen im Backend nicht zu empfehlen. Bislang gibt es keine Analysen über die anderen Länder und die dortigen Portale beziehungsweise Portalverbindungen, dies wäre zu ergänzen. Grundsätzlich fehlt eine Portalstrategie – hier bleibt abzuwarten, was die neu gegründete FITKO diesbezüglich aufgreifen wird (Aufbaustab Föderale IT-Kooperation (FITKO), 2019; Geschäftsstelle IT-Planungsrat im Bundesministerium des Innern, 2019c).

7.3.9.4 Vergabe- und Bekanntmachungsportale auf Bundes- und Landesebene

7.3.9.4.1 Organisation
Die Vergabestellen von Bund und Ländern verfügen über etwa 26 verschiedene elektronische Vergabe-/Bekanntmachungsportale (Handelskammer Hamburg, 2019), des Weiteren gibt es etwa neun privatwirtschaftlich organisierte Portale (siehe Tabelle A.9 im Anhang). Die einzelnen Vergabeportale sind untereinander nicht interoperabel und besitzen keinen einheitlichen Bieterzugang. Dies bedeutet, dass ein Bieter die Vergabeportale aller Anbieter kennen und sich in die für ihn relevanten Vergabeportale einarbeiten muss, damit er sich an allen für ihn wichtigen Ausschreibungen elektronisch beteiligen kann. Die elektronische Veröffentlichung von Ausschreibungen erfolgt darüber hinaus in den jeweiligen Ausschreibungsorganen, die von der Vergabestelle ausgewählt werden (zum Beispiel auf https://​www.​service.​bund.​de, in der hessischen Ausschreibungsdatenbank, im Deutschen Ausschreibungsblatt etc.). Teilweise nutzen die Unternehmen auch Ausschreibungsdienste, welche alle öffentlichen Bekanntmachungsinformationen durchsehen und die relevanten für die Unternehmen zusammenstellen. Anschließend muss der Zugriff des Bieters auf das jeweilige Vergabeportal erfolgen, um die Vergabeunterlagen bereitzustellen. Dies stellt sich als großes Hindernis dar, da der Bewerber sich in die jeweiligen Techniken, Formate und Prozesse der Vergabeportale einarbeiten muss. Weiterhin kann es erforderlich sein, bereits in der Anforderungsphase Software installieren zu müssen. Dies kann sich je nach Portal unterscheiden.
Es erscheint aufschlussreich, sich die registrierten Vergabestellen beziehungsweise angemeldeten Vergabeverfahren anzuschauen, sofern diese überhaupt veröffentlicht werden. Beispielsweise wirbt das Vergabeportal des Bundes (https://​www.​evergabe-online.​de, Stand Mai 2019) mit 1 101 aktiven Vergabestellen und 3 228 aktiven Vergabeverfahren. Der private Anbieter Healy Hudson GmbH (https://​www.​deutsche-evergabe.​de) wirbt mit 11 199 Vergabestellen, 6 535 Bekanntmachungen und 127 184 Unternehmen (Stand Mai 2019). Das bedeutet, dass jedes Portal einen bestimmten Teilnehmerkreis und bestimmte Daten abdeckt, sodass es für Bietende erforderlich ist, möglichst viele Portale zu nutzen, um eine möglichst hohe Abdeckung zu erreichen. Anhand der Daten der Portale kann allerdings keine Aussage zur Vollständigkeit oder gar Qualität der Vergabestellen und Einkaufsdaten getroffen werden.
7.3.9.4.2 Umfang der Analyse
Um die Frage zu beantworten, welche öffentlichen Einkaufsdaten im Status quo veröffentlicht werden, wird im Rahmen vorliegender Untersuchung eine Analyse der Vergabe- und Bekanntmachungsportale der Verwaltung in Deutschland auf Bundes- und Landesebene mit Blick auf vorhandene öffentliche Einkaufsdaten im Unterschwellenbereich durchgeführt. Der Steckbrief gemäß Tabelle 7.16 zeigt die Inhalte:
Tabelle 7.16
Steckbrief zur Analyse der Vergabeportale
Thema
Ausprägung
Gegenstand der Analyse
26 Vergabe- und Bekanntmachungsportale der Verwaltung in Deutschland auf Bundes- und Landesebene mit Blick auf vorhandene öffentliche Einkaufsdaten im Unterschwellenbereich
Nicht Gegenstand der Analyse
Portale privater Anbieter; Oberschwellenbereich; bestimmte Warengruppen/Sektoren; keine Unterscheidung nach Vergabeordnungen; Vergleich der Funktionalität, Technik und Anwenderfreundlichkeit der Portale; kommunale Portale
Recht
VOB/A (2016), VOL/A (2010), UvGO-Bund (2017)
Analysemethode
Manuelle Sichtung von bis zu vier Beispielen pro Portal
Ziel der Analyse
Folgende Fragen sollen beantwortet werden:
– Auf welchen Portalen werden welche öffentlichen Einkaufsdaten im Unterschwellenbereich dargelegt?
– In welchen Formaten werden diese bereitgestellt?
– Gehen diese über den rechtlichen Rahmen heraus?
– Welche allgemeinen Schlussfolgerungen und Beobachtungen gibt es rund um die Portale mit Blick auf Betreibermodelle, Technologie und Bedienbarkeit?
Untersuchte Portale
26 Portale, davon 14 privatwirtschaftlich und 12 öffentlich betrieben; Publikation in den Kategorien Ausschreibungen über Auftragsbekanntmachungen und vergebene Aufträge über Vergabebekanntmachungen
Zeitraum
Juni-Juli 2018
Von den 26 betrachteten Portalen werden 14 privatwirtschaftlich und 12 öffentlich betrieben. Einen Überblick bietet Tabelle A.10 im Anhang. Die Analyse wurde (schematisch) entlang der Matrix in Tabelle 7.17 durchgeführt:
Tabelle 7.17
Schema der Auswertung
Prozess
Ausschreibungen (ABM)
Vergebene Aufträge (VBM)
Planung
Datenerhebung
Ausschreibung
Bewertung
Vergabe
Ausführung
Die Analyse orientiert sich in einer ersten Dimension am Aufbau der Portale, die zumeist nach „Ausschreibungen“ und „vergebenen Aufträgen“ unterteilen: Unter Ausschreibungen werden sämtliche veröffentlichte Ausschreibungsbekanntmachungen zu öffentlichen Ausschreibungen, beschränkten Ausschreibungen mit Teilnahmewettbewerb sowie Verhandlungsvergaben/Freihändigen Vergaben mit Teilnahmewettbewerb zusammengefasst. Vergebene Aufträge fassen Veröffentlichungen der ex-post Vergabebekanntmachungen zu vergebenen beschränkten und vergebenen Verhandlungsvergaben/freihändigen Vergaben ohne Teilnahmewettbewerb zusammen. Die erhobenen Daten orientieren sich schließlich in einer zweiten Dimension am zuvor skizzierten Vergabeprozess (siehe Abschnitt 6.​3.​2). Darüber hinaus gehende Erkenntnisse und Entwicklungstendenzen wurden in die Themenfelder Organisation, Internetauftritt und Qualität der Daten eingeteilt. Eine Begriffsschärfung dieser Kategorien erfolgt im jeweiligen Abschnitt. Die Analyse stellt die veröffentlichten Daten in den Vordergrund – sie leistet keinen detaillierten Portalvergleich mit Blick auf zum Beispiel Technik oder Anwenderfreundlichkeit, da dies für die Beantwortung der Frage, welche öffentlichen Einkaufsdaten im Unterschwellenbereich verfügbar sind, unerheblich ist.
Im Zuge der Auswertung wurde überprüft, ob die Veröffentlichungen den rechtlichen Vorgaben entsprechen, darüber hinaus gehen oder hinter den Veröffentlichungspflichten zurückbleiben. Der Gesetzgeber hat in den Vergabeordnungen (siehe Abschnitt 6.​1.​2) definiert, welche Informationen verpflichtend zu veröffentlichen sind. Nicht alle Portale bieten zugleich Informationen zu Ausschreibungen und vergebenen Aufträgen an – einige Portale bieten nur einen Dienst an. Das Landesportal Thüringen verweist auf https://​www.​evergabe-online.​de – welches bereits Teil der Auswertung ist – und wird daher ebenfalls nicht gesondert untersucht. In der Auswertung summieren sich daher die auswertbaren Portale auf nur 23, obwohl 26 existieren.
Die Auswertungen in Tabelle 7.21 und Tabelle 7.25 zeigen in der Spalte „Ergebnisse der Analyse“, welche Daten in welcher Prozessphase von wie vielen Portalen veröffentlicht werden („vorhanden“). „Unterschiedlich“ bedeutet, dass die Information in den erhobenen Beispielen mal vorhanden war und mal nicht. „Nicht vorhanden“ bedeutet, dass das Datum nicht vorhanden war. Die Angabe „n/r“ (nicht relevant) bedeutet, dass die Information zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung nicht verfügbar sein konnte (zum Beispiel steht der finale Lieferant bei der Ausschreibung noch nicht fest, sondern erst nach der Vergabe) oder aber nicht sinnvoll ist (zum Beispiel ist die Veröffentlichung einer Zuschlagsfrist bei der Bekanntmachung eines vergebenen Auftrags nicht mehr relevant). In der Spalte „Recht“ wird aufgeführt, ob eine Pflicht zur Veröffentlichung gemäß Vergabeordnung besteht („ja“) oder nicht („nein“) beziehungsweise, inwieweit dies dort verschieden je nach Vergabeordnung geregelt ist („unterschiedlich“).
7.3.9.4.3 Auftragsbekanntmachung
Für die Auftragsbekanntmachung gilt, dass die Daten aus den Prozessphasen Planung und Ausschreibung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung vorliegen könnten. Für die Prozessphasen Bewertung, Vergabe und Ausführung sind zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung noch keine Daten verfügbar, können also auch nicht veröffentlicht werden (n/r).
Abbildung 7.19 zeigt ohne Abgleich gegen die juristischen Vorgaben, welche Daten in der Phase Planung und Ausschreibung vorhanden sind, welche nicht und wo dies unterschiedlich ist. Es lässt sich feststellen, dass keine einzige untersuchte Veröffentlichung Daten enthält, die in die Planungsphase fallen, weder Bedarfs- und Marktanalysen noch Business Cases. Das geplante Vertragsvolumen wird in 91 % der Fälle nicht veröffentlicht.
Die Daten, die in der Phase der Ausschreibung bereitgestellt werden, können folgend in die drei Gruppen 1) entsprechen den juristischen Vorgaben, 2) weichen positiv davon ab und 3) weichen negativ davon ab unterteilt werden.
1)
Veröffentlichte Daten entsprechen den juristischen Vorgaben
 
Fast 100 % aller untersuchten Veröffentlichungen beinhalten Angaben zur Bezeichnung/Beschreibung des Auftrags, der Vergabestelle, dem Ort der Leistungserbringung, der ausgewählten Verfahrensart, der Angebotsfrist sowie Angaben zur Kategorisierung des Vergabeverfahrens (siehe Tabelle 7.18). Dies ist nicht überraschend, da es sich hierbei um Hygienefaktoren zur Auffindbarkeit von Ausschreibungen handelt.
Tabelle 7.18
Veröffentlichte Angaben wie rechtlich vorgegeben (Auftragsbekanntmachung)
Veröffentlicht wie rechtlich erforderlich (ohne Nennungen zu „unterschiedlich“)
Anzahl Nennungen
In % (n = 23)
Bezeichnung/Beschreibung
23
100 %
Vergabestelle/Auftraggeber
22
96 %
Ort Leistungserbringung/Ausführungsort
22
96 %
Ausgewählte Verfahrensart
22
96 %
Vergabeverfahren, Vertragsart oder Art des Auftrags
22
96 %
Teilnahmefrist
18
78 %
Angebotsfrist
22
96 %
Ausschreibungs-/Vergabeunterlagen
17
74 %
Die Angabe der Einkaufsmethode und des Vertragsvolumens wird in 91 % der untersuchten Veröffentlichungen ausgelassen – juristisch ist das korrekt. Allerdings wäre vor allem mit Blick auf das Vertragsvolumen mehr Transparenz wünschenswert im Sinne einer besseren Kontrolle, zum Beispiel späterer Vertragsänderungen oder -anpassungen. Die Vertragslaufzeit wird in 83 % der Fälle angegeben – laut UvGO beziehungsweise VOL/A ist dies Pflicht, laut VOB/A allerdings nicht.
2)
Veröffentlichte Daten gehen über die juristischen Vorgaben hinaus
 
Tabelle 7.19 zeigt, dass Eignungskriterien in 61 % der Fälle angegeben werden, obwohl dies rechtlich nicht erforderlich ist. Ebenfalls positiv weichen mit 22 % die Angabe der Einkaufsrichtlinien und mit 4 % die Angabe der Einkaufsmethode ab. Zuschlagskriterien (nicht Gegenstand der Tabelle) werden in 57 % der Fälle angegeben – diese müssen laut UvGO beziehungsweise VOL/A veröffentlicht werden, laut VOB/A (Fassung 2016) allerdings nicht.42
Tabelle 7.19
Mehr veröffentlicht als rechtlich vorgegeben (Auftragsbekanntmachung)
Mehr veröffentlicht als rechtlich erforderlich (ohne Nennungen zu „unterschiedlich“)
Anzahl Nennungen
In % (n = 23)
Eignungskriterien
14
61 %
Einkaufsrichtlinien
5
22 %
Einkaufsmethode
1
4 %
3)
Veröffentlichte Daten bleiben hinter den juristischen Vorgaben zurück
 
Die Teilnahmefrist wird zwar in 78 % der Fälle hinterlegt, aber in 17 % der Fälle fehlt sie. In 13 % der Fälle sind keine Ausschreibungsunterlagen vorhanden, obwohl dies vorgeschrieben ist (siehe Tabelle 7.20).
Tabelle 7.20
Weniger veröffentlicht als rechtlich vorgegeben (Auftragsbekanntmachung)
Weniger veröffentlicht als rechtlich erforderlich (ohne Nennungen zu „unterschiedlich“)
Anzahl Nennungen
In % (n = 23)
Teilnahmefrist
4
17 %
Ausschreibungsunterlagen
3
13 %
Bezüglich der Bereitstellung von Vergabeunterlagen bieten die Portale diese mehrheitlich (in 74 % der Fälle) als PDF-Download an. Negativ fällt hier die baden-württembergische Lösung auf. Dort wird ausschließlich mit dem privatwirtschaftlichen Vergabeportal „Vergabe24“ zusammengearbeitet. Dort können Vergabeunterlagen nur kostenpflichtig über ein Kiosk-System bestellt werden, was eine Registrierung voraussetzt.
Fazit
Die veröffentlichten Daten orientieren sich überwiegend an den juristischen Vorgaben. Es gibt einige positive, aber auch negative Ausreißer. Die fehlende oder darüberhinausgehende Offenlegung scheint keiner Kontrolle zu unterliegen (Tabelle 7.21).
Tabelle 7.21
Veröffentlichte Daten im Abgleich mit den juristischen Vorgaben (Auftragsbekanntmachung)
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7.3.9.4.4 Vergabebekanntmachung
Für die Vergabebekanntmachung gilt, dass die Daten aus den Prozessphasen Planung, Ausschreibung, Bewertung und Vergabe theoretisch vorliegen könnten. Für die Prozessphase der Ausführung wären zum Zeitpunkt der Vergabebekanntmachung noch keine Daten verfügbar, sodass diese dort auch nicht veröffentlicht werden könnten (n/r).
Abbildung 7.20 zeigt, welche Daten in den jeweiligen Phasen des öffentlichen Einkaufs vorhanden sind, welche nicht und wo dies unterschiedlich ist. Auch hier enthält keine einzige untersuchte Veröffentlichung Daten, die in die Planungsphase fallen – weder Bedarfs- und Marktanalysen noch die Veröffentlichung eines Business Cases. Aber auch im späteren Verlauf des Einkaufsprozesses werden kaum Daten bereitgestellt. Jene, die bereitgestellt werden, können in die 3 Gruppierungen 1) entsprechen den juristischen Vorgaben, 2) weichen positiv davon ab und 3) weichen negativ davon ab unterteilt werden.
1)
Veröffentlichte Daten entsprechen den juristischen Vorgaben
 
Insbesondere in der Phase der Ausschreibung hält man sich in fast allen Fällen an die Vorgaben zur Veröffentlichung (siehe Tabelle 7.22).
Tabelle 7.22
Veröffentlichte Angaben wie rechtlich vorgegeben (Vergabebekanntmachung)
Veröffentlicht wie rechtlich vorgeben (ohne Nennungen zu „unterschiedlich“)
Anzahl Nennungen
In % (n = 23)
Vergabestelle/Auftraggeber
23
100 %
Ausgewählte Verfahrensart
23
100 %
Vergabeverfahren, Vertragsart oder Art des Auftrags
22
96 %
Die Bezeichnung/Beschreibung wird in 100 % der Fälle, der Ort der Leistungserbringung/Ausführungsort in 87 % der Fälle angegeben. Laut VOL/A und VOB/A ist dies Pflicht, laut UvGO allerdings nicht. Ähnlich verhält es sich mit der Vertragslaufzeit. Diese ist nur in 13 % der Fälle angegeben – laut VOL/A und VOB/A ist dies keine Pflicht, laut UvGO muss veröffentlicht werden. Juristisch nicht erforderlich und auch nicht vorhanden sind zu 96 % Basisinformationen über Mitbietende, Einkaufsrichtlinien und die Einkaufsmethode, zu 91 % die ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen. Eignungs- und Zuschlagskriterien werden zu 100 % respektive 83 % nicht veröffentlicht. Dabei wären vor allem bei den vergebenen Aufträgen die finalen Eignungs- und Zuschlagskriterien von öffentlichem Interesse. Nur so kann für die Bürger oder Aufsichtsbehörden transparent aufgezeigt werden, welche Entscheidungsgrundlage die jeweilige Vergabe besaß.
In der Phase der Bewertung werden (juristisch ebenfalls nicht verpflichtend) zu 100 % keine Angaben zur Eignung der Mitbietenden bereitgestellt und zu 83 % keine Informationen über die Gewichtung der Zuschlagskriterien. Es ist somit nicht möglich, die Vergabeentscheidung auch nur annähernd von außen nachzuvollziehen. Und schließlich gibt es in der Phase der Vergabe (juristisch ebenfalls nicht verpflichtend) zu 100 % keine Veröffentlichung des finalen Vertrags und zu 96 % keine Veröffentlichung der finalen Zahlungsbedingungen/Konditionen.
2)
Veröffentlichte Daten gehen über die juristischen Vorgaben hinaus
 
Obwohl in der Phase der Bewertung und Vergabe kaum Angaben gemacht werden, gibt es dennoch ein paar Ausnahmen (siehe Tabelle 7.23). In 17 % der Fälle werden das Vertragsvolumen, die Anzahl und Höhe der eingegangenen Angebote (zum Beispiel in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern) und die Zuschlagshöhe bekannt gegeben. In 9 % der Fälle werden die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung sowie Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen veröffentlicht. Nur eine einzige Veröffentlichung (Mecklenburg-Vorpommern) enthält Basisinformationen zu Mitbietenden.
Tabelle 7.23
Mehr veröffentlicht als rechtlich vorgegeben (Vergabebekanntmachung)
Mehr veröffentlicht als rechtlich erforderlich (ohne Nennungen zu „unterschiedlich“)
Anzahl Nennungen
In % (n = 23)
Vertragsvolumen
4
17 %
Anzahl und Höhe eingegangener Angebote
4
17 %
Zuschlagshöhe
4
17 %
Zuschlagskriterien
2
9 %
Ausschreibungs-/Vergabeunterlagen
2
9 %
Gewichtung Zuschlagskriterien
2
9 %
Einkaufsrichtlinien
1
4 %
Einkaufsmethode
1
4 %
Basisinformationen Mitbietende
1
4 %
Finale Zahlungsbedingungen
1
4 %
3)
Veröffentlichte Daten bleiben hinter den juristischen Vorgaben zurück
 
Negativ fällt auf, dass der finale Lieferant nur in 70 % der Fälle angegeben wird – in 26 % der Fälle wird er nicht hinterlegt trotz der juristischen Vorgabe (siehe Tabelle 7.24). Dies ist im Zuge der Transparenz allerdings ein sehr wichtiges Kriterium, um beispielsweise Häufungen erkennen und hinterfragen zu können.
Tabelle 7.24
Weniger veröffentlicht als rechtlich vorgegeben (Vergabebekanntmachung)
Weniger veröffentlicht als rechtlich erforderlich (ohne Nennungen zu „unterschiedlich“)
Anzahl Nennungen
In % (n = 23)
Finaler Lieferant
6
26%
Fazit
Das Ergebnis der Veröffentlichungen ist für die Vergabebekanntmachung weniger einheitlich als für die Auftragsbekanntmachung – eine Orientierung an den juristischen Vorgaben ist vorhanden, es wird aber mehr veröffentlicht als erforderlich. Dennoch ist die Transparenz nur punktuell vorhanden. Sensiblere Informationen wie der finale Lieferant, das Vertragsvolumen, Eignungskriterien und Eignung sind nur in wenigen Fällen offengelegt. Dabei sind es vor allem diese Informationen, welche relevante Datenauswertungen ermöglichen (Tabelle 7.25).
Tabelle 7.25
Veröffentlichte Daten im Abgleich mit den juristischen Vorgaben (Vergabebekanntmachung)
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7.3.9.4.5 Bereitstellung und Betrieb
Dieses Themenfeld behandelt die Bereitstellung und den Betrieb der Vergabe- und Bekanntmachungsportale. Es lässt sich festhalten, dass bereits hinsichtlich der zuständigen Aufsichtsbehörden auf der Landesebene eine große Diversität herrscht: Relativ häufig ist das Innenministerium (Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen) oder das Finanzministerium (Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt) verantwortlich. Teilweise sind Staatskanzleien, Ministerien für Verkehr, Bau oder Umwelt und Anstalten des öffentlichen Rechts (zum Beispiel IT-Dienstleister, Gebäudemanagement) für die Vergabeportale zuständig.
Die Hälfte aller Länder führt mehr als ein Vergabeportal – und dies mit jeweils unterschiedlichen Veröffentlichungen und Zuständigkeiten. So gibt es allein in Schleswig-Holstein drei verschiedene Portale, jeweils betrieben vom Gebäudemanagement Schleswig-Holstein, dem Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz sowie vom Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr.
Der Vergleich zwischen den Ländern fördert darüber hinaus erhebliche Unterschiede im Bereich des technischen Supports und Betriebs der Portale zutage. 56 % aller untersuchten Portale werden von privaten IT-Dienstleistern betrieben, das heißt, die Länder haben den Betrieb und Support ausgelagert. Als wichtigste privatwirtschaftliche Akteure sind hier die Healy Hudson GmbH (https://​evergabe.​de/​), die RIB Software AG (Auftragsplattform iTWO-Tender) und die Cosinex GmbH (Entwickler und Betreiber einiger Länder-Portale) zu nennen. Der Rest der Portale wird intern beim IT-Dienstleister des Landes entwickelt und betrieben. Dies ist zum Beispiel in Niedersachsen der Fall. Sachsen-Anhalt und Thüringen sind wiederum die einzigen Länder, welche das Vergabeportal des Bundes (https://​www.​evergabe-online.​de) verwenden.
Solch eine Diversität bezüglich der genutzten Portale kann sich negativ auf die Interoperabilität auswirken. Es kommt erschwerend hinzu, dass jedes einzelne Portal über einen eigenen Client-Zugang, beziehungsweise über eine eigene Zugangs- und Veröffentlichungslogik verfügt. Eine geringe Akzeptanz und Nutzung bei den (potentiellen) Nutzern der verschiedenen Portale scheint zwangsläufige Folge zu sein. Dass man versucht, diesem Zustand durch die Schnittstelle „xVergabe“ entgegenzuwirken, indem ein einziger Zugang auf alle Vergabeverfahren und -portale geschaffen wird, ist höchst sinnvoll.
7.3.9.4.6 Die Uneinheitlichkeit des Internetauftritts
Die beschriebene strukturelle Diversität hat zur Konsequenz, dass sich die Internetauftritte der Portale ebenfalls stark unterscheiden. Dies betrifft das Layout, die Logik des Portals, die Anwenderfreundlichkeit der angebotenen Funktionen wie zum Beispiel die Suchfunktion oder auch die Verknüpfung mit anderen Plattformen: Keines der Portale ist identisch. Ausgenommen davon sind jene Länder, welche sich zur Nutzung von privatwirtschaftlichen Portalen entschieden haben. Hier sind die Benutzeroberflächen – gleicher Anbieter vorausgesetzt – identisch.
Es fehlt wiederum an Standards bezüglich der übersichtlichen Gestaltung des Internetauftrittes. Die Suchfunktionen sind teilweise unbrauchbar und PDF-Downloads oftmals nur über Workarounds verfügbar. Darunter leidet die Anwenderfreundlichkeit der Webseiten stark: Man braucht teilweise mehr als vier Klicks, um zu der Information zu gelangen, für die man auf die Webseite gekommen ist. Auch solche Faktoren beeinflussen selbstverständlich die Akzeptanz der elektronischen Vergabeportale bei den Bietern.
Positiv zu bewerten ist die Auflösung von Zugangsbeschränkungen. Das Einsehen der Veröffentlichungen sowie der Download von Vergabeunterlagen und Bekanntmachungen ist, falls überhaupt möglich, mehrheitlich kostenlos und ohne Registrierung möglich. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist das bundesweite Portal des Beschaffungsamts des BMI https://​www.​evergabe-online.​de. Das Portal ist ein positives Beispiel für ein übersichtliches und logisches Layout, eine detaillierte und sinnvolle Suchfunktion sowie eine hohe Qualität der bereitgestellten Daten.
Zusammenfassend lässt sich bei den Internetauftritten ebenfalls eine hohe Divergenz feststellen. Vor allem vor dem Hintergrund der Akzeptanzfrage gilt es, funktionale Standards zu implementieren, welche die Benutzerfreundlichkeit der Vergabeportale stärken. Dies beinhaltet beispielsweise Fragen nach dem optischen und logischen Aufbau der Portale (Hierarchieebenen etc.). Aber auch die Optimierung der Suchfunktionen, das Angebot von PDF-Downloads sowie der Einsatz sinnvoller Auswertungsmöglichkeiten müssen im Rahmen einer Standardisierung berücksichtigt werden. Um ein genaueres Bild zu zeichnen, müsste eine Analyse der Anwenderfreundlichkeit durchgeführt werden.
7.3.9.4.7 Qualität der Daten
Bezüglich der Qualität der bereitgestellten Daten ist auffällig, dass offenbar kein standardisiertes Muster zum Erstellen von Bekanntmachungen jeglicher Art existiert. Selbst innerhalb der Portale weichen die veröffentlichten Bekanntmachungen stark voneinander ab, zum einen optisch und logisch, zum anderen hinsichtlich der bereitgestellten Informationen. Für den Anwender ist es schwer, anhand der diversen Vergabeordnungen und -verfahren die Unterschiede nachzuvollziehen. Hier ist im Fall der Veröffentlichung der öffentlichen Einkaufsdaten ein entsprechender Schulungsbedarf zu erwarten.
Dazu kommt, dass Begrifflichkeiten uneinheitlich verwendet werden: Die Rubrik, in denen Informationen von schon vergebenen Aufträgen veröffentlicht werden, heißt manchmal „Vergebene Aufträge“, dann wieder „Zuschlagsbekanntmachungen (ex post)“; die „Vergabeart“ wird manchmal „Vertragsart“ genannt. Schon allein das macht es für einen Außenstehenden schwieriger, die benötigten Informationen zu finden.
Die Datenbereitstellungsformate sind durchgängig über alle Portale PDF-Dokumente und/oder Verweise auf HTML-Seiten. Aus diesen müssten die Daten dann aufwendig ausgelesen und weiterverarbeitet werden, da ein direktes Importieren als Datensatz nicht möglich ist. Mit Blick auf eine potentielle Öffnung der Daten müssten hier maschinenlesbare Formate forciert werden.
Diese Punkte betreffen lediglich die Art der Bereitstellung, sie umfassen weder Kriterien zur Beschreibung und Bewertung der inhaltlichen Qualität und Aktualität der Daten beziehungsweise Dokumente noch einen verankerten Gesamtprozess zur Pflege und Kontrolle der Datenqualität.

7.3.9.5 Zwischenfazit: Inkonsistente und fragmentierte Datenlage

Von Lucke ordnet öffentliche Ausschreibungsportale in Deutschland überwiegend als Einstiegspunkt oder Informationssammelstelle ein, weil es an einer durchgängigen Verbindung der Portale untereinander und dem automatischen Zuordnen der Ausschreibungen zu Angeboten sowie ihren Auswertungen mangelt. Ein Beispiel für eine Weiterentwicklung in Richtung Service Center wurde beispielsweise durch das BMI mit https://​www.​evergabe-online.​de verfolgt, stellt damit aber eine Ausnahme dar (von Lucke, 2008, S. 249 f.). Im Zuge der Open Government Data-Bewegung gewinnen die Möglichkeiten des Service Centers oder Service Clusters an Bedeutung. Die technologischen Möglichkeiten, einen Verbund über die Nutzung von Metadaten und LOD zu erzeugen, ohne eine zeit- und kostspielige Integration der gesamten Infrastruktur herbeizuführen, bestehen durchaus (siehe auch das Beispiel Portugal in Abschnitt 7.4.1.).
Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die verfügbaren Daten überwiegend an der vorherrschenden Rechtslage orientieren. Es gibt einige positive Ausnahmen, die mehr veröffentlichen als erforderlich, dies ist jedoch die Minderheit. Zudem gibt es negative Ausreißer, das heißt, es wird weniger publiziert als vorgeschrieben, was anscheinend nicht kontrolliert oder beanstandet wird.
Bezüglich des öffentlichen Einkaufsprozesses findet sich der Schwerpunkt der Veröffentlichung in den Prozessphasen Ausschreibung, Bewertung und Vergabe; zur Planung und Ausführung finden sich keine Daten. Die Qualität bereitgestellter Daten ist zu hinterfragen. Insgesamt lassen sich über die Summe aller Portale keine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der öffentlichen Einkaufsdaten und Kennzahlen wie „Anzahl“ oder „Volumen“ ziehen. Es müsste beim Betreiber und/oder Datenbereitsteller genauer recherchiert werden, welchen Vollständigkeitsgrad die Datensätze haben und wie ihre Aktualisierung erfolgt.
Wenngleich die Heranziehung der Beispiele pro Portal nicht repräsentativ ist, lassen sich Tendenzen aufzeigen. Sofern man die Analyse ausweiten wollte, müsste man Methoden wie zum Beispiel Web-Crawling überdenken. Einen abschließenden Blick bietet die SWOT-Analyse in Abbildung 7.21.

7.4 Die Wirkung offener öffentlicher Einkaufsdaten auf Transparenz, Partizipation und Kollaboration

7.4.1 Internationale Beispiele zur Erhöhung der Transparenz

Die Effekte von Transparenz, die aus der Öffnung von Daten entsteht, können, wie in Abschnitt 6.​5.​1 dargelegt, vielfältig sein. Einige internationale Beispiele illustrieren dies, auf die nun Bezug genommen wird.
Offene Einkaufsdaten können unter anderem zu einem verbesserten wirtschaftlichen Handeln und zur Reduktion von Korruption führen. Ein Beispiel für positive wirtschaftliche Effekte ist das Portal BASE in Portugal (http://​www.​base.​gov.​pt/​Base/​en/​Homepage), eingeführt im Januar 2008. Es stellt der Öffentlichkeit alle Informationen zum öffentlichen Auftragswesen zentral zur Verfügung. Die Anwendung der vollelektronischen Vergabeverfahren erfolgt dabei nicht über ein zentrales Portal, sondern auf mehreren Portalen, um so den privaten Markt für elektronische Portale (und Plattformen) weiterzuentwickeln. BASE ist allerdings das einzige Portal, welches alle Informationen von allen anderen Portalen konsolidiert und bereitstellt und so ein Instrument der Rechenschaftspflicht und Transparenz geworden ist. Sobald eine Bekanntmachung über die Eröffnung eines Vergabeverfahrens im nationalen Amtsblatt erscheint, wird der Inhalt automatisch an BASE übertragen. Auch die Vergabe- und Beschaffungsplattformen übermitteln diese Informationen automatisch an BASE. Entsprechend wird – gleichermaßen automatisch – eine Datenbasis erzeugt. Die übermittelten Daten unterscheiden sich je nach Vertragsart und Vergabeverfahren. Es werden auch statistische Informationen zu Verträgen geliefert, die sich die Anwender in Wertetabellen darstellen lassen können. Gleichzeitig werden die Daten zur Entwicklung von Studien, Indikatoren und Statistiken verwendet (EPSA – European Public Sector Award, 2017). Die Implementierung dieses Portals ergab drei Jahre nach Etablierung Einsparungen in Höhe von 7,8 Millionen Euro bei einem Gesamtauftragswert von 39 Millionen Euro. Allerdings waren hierfür gut 800 öffentliche Organisationseinheiten und 1 389 Personen in das Projekt involviert (OECD, 2007b, S. 35). Insgesamt konnte durch E-Procurement die Prozesstransparenz in der Wahrnehmung der einkaufenden Behörden deutlich erhöht werden (Costa et al., 2013, S. 244). Besonders positiv stechen die gesamthafte Betrachtung und Offenlegung des öffentlichen Einkaufsprozesses hervor, der automatisierte Abgleich der Daten und die enge Verschränkung mit den amtlichen Statistiken.
Mit Blick auf die Wirkung von Transparenz auf Korruption ist das Portal „ProZorro“ aus der Ukraine interessant. Im Jahr 2014 betrug das jährliche öffentliche Einkaufsvolumen der Ukraine etwa 10 Milliarden Euro. Hiervon wurde die Hälfte oberhalb der Schwellenwerte und die andere Hälfte unterhalb der Schwellenwerte beschafft. Der Anteil der Korruption belief sich auf etwa 20 % des Bruttosozialprodukts (Galuschak et al., 2018, S. 60). Zu diesem Zeitpunkt formierte sich die Initiative „ProZorro“, die von Aktivisten (insbesondere TI) und Einkaufsexperten ins Leben gerufen wurde. Die Initiative umfasste Vertreter aus der Gesellschaft, der Wirtschaft und Politik, welche die Vision eines besseren öffentlichen Einkaufs teilten. So begann man mit der gemeinsamen Entwicklung eines Konzepts rund um das E-Procurement-System der Ukraine, welches später breite Unterstützung erlangte. Die Grundsätze waren: Wettbewerb unter den Teilnehmern, maximale Einsparungen und Effizienz, Transparenz in allen Beschaffungsphasen, Nichtdiskriminierung der Teilnehmer, objektive und unparteiische Bewertung der Ausschreibungsvorschläge und Prävention von Korruption und Missbrauch (Tkachenko, 2016, S. 475). Über Crowd Sourcing konnte eine Open Source Software entwickelt und im Februar 2015 der erste Pilot des neuen Einkaufssystems lanciert werden (Urjumelashvili & Marghania, 2015). Als Datenmodell wurde der OCDS genutzt. Externe, kommerzielle Seiten43 sind ebenfalls an das Portal angebunden (Tkachenko, 2016, S. 474). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Initiative bereits 100 institutionelle und individuelle Teilnehmer. Seitdem haben sich mehr als 80 Behörden registriert und wickeln ihre Einkäufe unterhalb der Schwellenwerte hierüber ab. Die durchschnittlichen Ersparnisse liegen bei 12 % (Urjumelashvili & Marghania, 2015). Es wurde erwartet, dass ab 01. April 2016 alle Behörden hieran angebunden sind und somit alle Einkäufe unterhalb der Schwellenwerte hierüber abgewickelt werden. Im Jahr 2016 erhielt ProZorro die World Procurement Awards und die Open Government Awards, im Jahr 2017 den Davos Award (bei 86 Bewerbern aus 30 Ländern und fünf Kontinenten (Galuschak et al., 2018, S. 61)). Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass nur die Kontrolle durch die Teilnehmer selbst und durch eine breite Öffentlichkeit das Ausmaß von Missbrauch verringern kann (Galuschak et al., 2018, S. 62) (siehe hierzu vertiefend Abschnitt 7.4.3).
Die Ergebnisse des Projektes wurden über einen „Monitoring, Evaluation and Learning-Plan“ (Open Contracting Partnership, 2017) erfasst und begleitet. Mit Blick auf Wirtschaftlichkeit konnte die durchschnittliche Anzahl der Gebote pro Ausschreibung zwischen Januar 2015 und März 2017 um 15 % erhöht werden. Es konnte eindeutig eine Verstärkung des Wettbewerbs wahrgenommen werden. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Lieferanten um 45 %, sodass sich potentielle Einkäufe nun auf eine breitere Lieferantenbasis stützen (Frauscher et al., 2017).
Es wurde ein positiver Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Ersparnissen festgestellt: Je mehr Anbieter sich bewerben, desto mehr Ersparnisse werden erzielt. Die Einsparungen bei Ausschreibungen mit mehr als drei Anbietern betragen etwa 20 % (Frauscher et al., 2017), bei mehr als fünf Anbietern sogar 30 % (Granickas, 2018). Insgesamt führte dies im Durchschnitt für die Ukraine zu Ersparnissen von 9,7 %. Bei 45 % Einkaufsvolumen vom jährlichen BIP in Höhe von 112 Milliarden US-Dollar (im Jahr 2017) (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018) sind dies etwa 4,9 Milliarden US-Dollar Einsparungen pro Jahr.
Des Weiteren wurde im Zuge einer Befragung unter 300 Unternehmen herausgefunden, dass die Befragten glaubten, dass ProZorro signifikant (27 %) oder teilweise (53 %) die Korruption reduziert (Frauscher et al., 2017). Allerdings gilt auch hier die Schwierigkeit der tatsächlichen Messung jenseits von Wahrnehmung. Gemäß CPI von TI ließ sich eine Verbesserung von Rang 142 auf Rang 120 im Jahr 2018 feststellen (Transparency International e. V., 2014a; 2018a). Insgesamt lässt sich durch den engmaschigen und integrierten Ansatz ein Erfolg auf vielen Ebenen feststellen.

7.4.2 Beispiele für Partizipation in einem offenen, öffentlichen Einkauf

Wie in Abschnitt 6.​5.​1.​5 erläutert, setzt die offene Partizipation unabhängig von der Entscheidung an. Die Beispiele in Tabelle 7.26 zeigen, dass auch für den öffentlichen Einkauf diverse Ansätze für offene Partizipation so oder in abgewandelter Form genutzt werden könnten – Umsetzungswille und Kreativität vorausgesetzt.
Tabelle 7.26
Beispiele für offene Partizipation im öffentlichen Einkauf (P: Planung, A: Ausschreibung, B: Bewertung, V: Vergabe, Df.: Durchführung; in Klammern stehen mögliche Prozessstufen)
Intensitätsstufe
Beispiele offene Partizipation im öffentlichen Einkauf
Information
1. Zugriffsmöglichkeit auf öffentliche Wettbewerbsregister, Lieferantenleistung über ein Portal (P)
Konsultation/Kooperation
2. Feedbackmöglichkeit über soziale Netzwerke, zum Beispiel Ukraine: https://​twitter.​com/​the_​prozorro (prozessunabhängig)
3. Einbindung der Zivilgesellschaft in den Entscheidungsprozess zum Beispiel bei der Vergabe oder auch bei erforderlichen Änderungen (denkbar bei beispielsweise Großprojekten) über öffentliche Anhörungen, die aufgezeichnet und über ein Portal verfügbar gemacht werden (P, B, Df.)
4. Kostenfreie Bereitstellung der Vergabeunterlagen und Bewertungskriterien über ein Portal mit Möglichkeit der Online-Kommentierung (A)
5. Öffnung der Angebote mit den Bietern und anwesenden Experten per Video und/oder Publikation eines Sitzungsprotokolls über ein Portal (B)
6. Bereitstellung der Vergabebekanntmachung und Verträge über Portale mit Möglichkeit der Online-Kommentierung (V)
7. Zusammenarbeit/Entscheidungsvorbereitung über verschiedene Formate wie Hackdays, Workshops, zum Beispiel Deutschland (NRW): https://​open.​nrw/​zusammenarbeit (prozessunabhängig)
8. Öffentliche Kommentierung von Datensätzen auf Open Government Data-Portalen, zum Beispiel Deutschland: https://​www.​govdata.​de/​web/​guest/​suchen/​-/​details/​ausschreibungen-des-vergabemarktplat​zes-nrw (prozessunabhängig)
Als ein Beispiel kann die Erarbeitung des zweiten NAP im Rahmen einer Online-Konsultation in Deutschland angeführt werden. Ziel war es, Anregungen für den zweiten NAP im Rahmen der OGP, an der auch Deutschland teilnimmt, zu erhalten. Das Bundeskanzleramt unterstützte interessierte NGOs logistisch dabei, an drei Präsenzterminen die über eine Online-Beteiligung generierten Vorschläge zu präzisieren. Die Ergebnisse des Konsultationsprozesses flossen in die Erstellung eines Aktionsplans durch die Bundesregierung im Rahmen der Teilnahme Deutschlands an der OGP ein. Bis Ende August 2019 erfolgten die Einschätzungen der Bundesregierung zu den einzelnen Vorschlägen sowie eine abschließende Rückmeldung an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Konsultationsprozess. Mit dem Kabinettsbeschluss im August/September 2019 erhält der NAP politische Verbindlichkeit (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019d).
Über die Website https://​www.​govdata.​de wurde die Öffentlichkeit zum Mitmachen bei Vorbereitung des zweiten NAP aufgerufen. Hierzu wurde gefragt, welche Maßnahmen, die dem Leitbild von „Open Government“ entsprechen, in welchen der Politikfelder wie zu Verbesserungen beitragen könnten. Es wurde unter anderem eine klare Zeitleiste für den Konsultationsprozess hinterlegt (Bundeskanzleramt, 2019a). Der aktive, die Öffentlichkeit einbeziehende Konsultationsprozess lief vom 26. März bis zum 15. Mai 2019. Man setzte bewusst auf eine Kombination klassischer und offener Formate unterstützt durch IKT. Vom 26. März bis 26. April 2019 war es möglich, über die Plattform „Your Priorities“ https://​ogpde.​yrpri.​org Ideen einzureichen und zu diskutieren (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019d). Insgesamt gingen 107 Vorschläge ein (Peters, 2019b).
Ein Arbeitstreffen am 09. April 2019 hatte zum Ziel, die eingereichten Ideen qualitativ und redaktionell weiterzuentwickeln – etwa 20 Personen nahmen teil. Das Arbeitstreffen vom 09. Mai 2019 beinhaltete ebenfalls einen kleinen Teilnehmerkreis von etwa 20 Personen und wurde vor Ort in Berlin durchgeführt. Zusätzlich wurde eine Remote-Mitarbeit angeboten (Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., 2019b).
Im Multi-Stakeholder Workshop am 15. Mai 2019 waren wiederum etwa 20 Personen anwesend, die das Erreichte, Verbesserungsvorschläge sowie die nächsten Schritte besprachen. Es wurde insbesondere der Wunsch einer frühzeitigeren Vorbereitung adressiert sowie eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und NGOs. Weiters wurde angeregt, die Verwaltungsmitarbeiter stärker einzubeziehen, aber auch wirtschaftliche Aspekte von Open Government intensiver zu beleuchten (Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), 2019). 42 Vorschläge wurden abschließend an die Bundesregierung weitergereicht (Peters, 2019b). Anschließend wurden diese Vorschläge durch die Bundesregierung kommentiert. Alle Ergebnisse und Teilnehmerlisten sind online und barrierefrei einsehbar.44
Positiv herauszuheben ist die klare Zeitleiste und Kommunikation, die Möglichkeit, für die Öffentlichkeit Anregungen online abzugeben, der Versuch, unterschiedliche Formate zu kombinieren sowie die transparente Darstellung der Ergebnisse auf der Website. Mit Blick auf die Teilnehmerlisten fällt allerdings auf, dass die Beteiligung an den Präsenzworkshops sehr gering war (nur jeweils etwa 20 Teilnehmer). Diese stammten überwiegend aus dem Bundeskanzleramt auf Verwaltungsseite und aus der OGP sowie OKFN auf Seiten der NGOs und erfassen damit keineswegs alle wesentlichen Gruppen, zum Beispiel fehlten Vertreter der Wirtschaft, Wissenschaft und der Medien. Das heißt, hier könnte man sich künftig noch breiter im Sinne der Akteure aufstellen und auch stärker (gegebenenfalls mit mehr Zeitvorlauf) für die Teilnahme am NAP werben. Dies ist wichtig, damit derartige Formate nicht Gefahr laufen, nach Involvierung der Öffentlichkeit lediglich eine Alibifunktion zu erfüllen (Peters, 2019a).

7.4.3 Kollaborationsmöglichkeiten im offenen öffentlichen Einkauf

Der zugrunde liegende Prozess für offene Kollaboration ist die Auslagerung von Tätigkeiten, die ursprünglich innerhalb einer Organisation umgesetzt wurden, auf eine Masse an Personen über das Internet (Crowd Sourcing) (von Lucke, 2012c). Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Umsetzungsoptionen offener Kollaboration. Dies sind unter anderem die Einladung von Akteuren über Webseiten, die gemeinsame Programmierung in Form von Hackathons oder mithilfe von Labs; die Möglichkeit, Datensätze auf Open Government Data-Portalen direkt zu kommentieren, Gremienarbeit sowie Begutachtung, Monitoring und Evaluation (von Lucke, 2012c, S. 6).
Bei den bisher untersuchten Portalen finden sich jedoch rund um den öffentlichen Einkauf allenfalls Möglichkeiten, per E-Mail in Kontakt zu treten (alle Portale). Nur bei GovData können Datensätze kommentiert und bewertet werden. Das bedeutet, dass man hier überwiegend auf Web 2.0-Anwendungen setzt und noch viel Raum für die Etablierung geeigneter offener Kollaborationsmechanismen besteht.
Hierfür sollte eine Strategie definiert werden, die eine Vision, Handlungsfelder, Maßnahmen und Messkriterien für die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahmen enthält. Durch die jeweiligen öffentlichen Behörden muss geprüft werden, inwieweit eine Mitwirkung der Öffentlichkeit sinnvoll und rechtlich zulässig ist und wie mit möglichen Nachteilen umgegangen wird. Das umfasst die Bewertung der Risiken genauso wie die Erarbeitung von Beendigungsoptionen und auch Sanktionen, sofern sich Beteiligte nicht angemessen verhalten. Ein weiteres Handlungsfeld umfasst den Datenschutz und die Sicherstellung des Schutzes personenbezogener Daten sowie die Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze und den Schutz von Amts-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. In einem Prozess der Kollaboration muss gewährleistet werden, dass diese Rechte gewahrt bleiben. Gleiches betrifft die Sicherstellung der Informationssicherheit. Organisatorisch sollten die Verwaltungen offene Kollaborationsformen weitestgehend in ihre bestehenden, internen Prozesse integrieren – in Bezug auf die technische Umsetzung, die interne und externe Kommunikation zum Beispiel mit Blick auf den Umgang mit direktem Feedback unterschiedlicher Anspruchsgruppen sowie die Vermarktung (von Lucke, 2012c, S. 35 ff.).
Weitere Perspektiven betreffen die Vernetzung der Verwaltungseinheiten wie Vergabestellen untereinander. Ziel könnte sein, voneinander zu lernen, da Ausschreibungstexte möglicherweise vereinfacht oder beschleunigt werden könnten oder sich Ansätze für eine Einkaufskooperation ergeben. Denkbar ist auch die Einrichtung von Feedback-Mechanismen zwischen Öffentlichkeit und Verwaltungen beziehungsweise Aufsichtsbehörden oder die Einbeziehung der Öffentlichkeit in frühen Phasen der Nutzenanalyse/Machbarkeitsstudie oder der Planung. Gleichermaßen interessant erscheint die Integration neutraler Dritter in den Auswahlprozess des finalen Lieferanten. Inwieweit dies befürwortet oder abgelehnt wird, wird sich in der Online-Befragung zeigen (siehe Abschnitt 8.​2.​3).
Tabelle 7.27 zeigt Beispiele für offene Kollaborationen im öffentlichen Einkauf. Dies sind einerseits allgemeine Ansätze, die gegebenenfalls für den öffentlichen Einkauf angepasst übernommen werden könnten, oder bereits bestehende, spezifische Umsetzungsbeispiele für den öffentlichen Einkauf (in Klammern stehen mögliche Prozessstufen).
Tabelle 7.27
Beispiele für offene Kollaboration im öffentlichen Einkauf (P: Planung, A: Ausschreibung, B: Bewertung, V: Vergabe, Df.: Durchführung)
Intensitätsstufe
Beispiele offene Kollaboration im öffentlichen Einkauf
Information
1. Bereitstellung von Statusberichten und Sitzungsergebnissen aus Sitzungen über ein Portal, zum Beispiel Deutschland (Bonn): http://​video.​bonn.​de (prozessunabhängig)
Konsultation/Kooperation
2. Einbindung von Vertretern der Zivilgesellschaft zur Überprüfung des Projektfortschritts beziehungsweise bei Projektänderungen (zum Beispiel bei Großprojekten) in zum Beispiel Steering Committees per Videokonferenz (Df.)
3. Bereitstellung von Sitzungsergebnissen per Video, Publikation eines Protokolls über ein Portal, zum Beispiel http://​video.​bonn.​de (prozessunabhängig)
4. Gemeinsame Programmierung von Lösungen, zum Beispiel international über https://​github.​com (prozessunabhängig)
5. Gemeinsames zivilgesellschaftliches Monitoring, zum Beispiel DoZorro und RiskZorro in der Ukraine: https://​dozorro.​org/​ und https://​dozorro.​org/​tools/​risk-dozorro (prozessunabhängig)
6. Gemeinsame Erstellung von Einkaufsportalen/Apps, zum Beispiel ProZorro in der Ukraine: https://​prozorro.​gov.​ua/​ (prozessunabhängig)
7. Verbindung unterschiedlicher Daten mit dem öffentlichen Einkauf, zum Beispiel international: https://​opentender.​eu/​, https://​redflags.​com, https://​theybuyforyou.​eu (prozessunabhängig)
In dem Zusammenhang sei nochmals ein Blick auf das Beispiel aus der Ukraine geworfen: In Bezug auf die gemeinsame Erstellung des Einkaufsportals ProZorro in der Ukraine war eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass nur die Kontrolle durch die Teilnehmer selbst und durch eine breite Öffentlichkeit das Ausmaß von Missbrauch verringern kann (Galuschak et al., 2018, S. 62). Ein gutes Ergebnis war dort zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen NGOs und Verwaltungen mit Blick auf die Integrität im öffentlichen Einkauf. Gemeinsam analysieren sie Ausschreibungen und reagieren bei Auffälligkeiten. In sechs Monaten konnten so etwa 5 000 Ausschreibungen geprüft und etwa 1 200 Maßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel Anpassungen der Ausschreibungen, Sanktionen oder Strafverfolgung (Frauscher et al., 2017; Granickas, 2018).
Des Weiteren führte man das Monitoring-Portal https://​dozorro.​org/​ für Feedback durch die Öffentlichkeit ein, ein Business Intelligence-Tool http://​bi.​prozorro.​org für weitergehende Analysen und das Tool https://​dozorro.​org/​tools/​risk-dozorro, um Korruptionsrisiken zu identifizieren. Seit November 2016 haben 60 000 Ukrainer allein DoZorro besucht und 1 700 Personen haben dort Feedback hinterlassen. Sieben Behörden haben DoZorro als Monitoringkomponente in ihre Portalstrategie mit eingebunden, um hierüber Feedback zu erhalten (Frauscher et al., 2017). Das meiste Feedback kam von Unternehmen, ab Mai 2017 wurde DoZorro um einen verbesserten Zugang für die Zivilgesellschaft erweitert (Frauscher et al., 2017). Gemeinsam hatten diese Plattformen 2017 etwa 220 000 Nutzer (Granickas, 2018).
Ende 2017 hat das Parlament, den Empfehlungen TI Ukraine folgend, der Kontrolle des öffentlichen Einkaufs über das System ProZorro durch die Öffentlichkeit zugestimmt (Beschluss 4738-d). Es werden automatische Risikoindikatoren genutzt, um verdächtige Verfahren zu identifizieren. Der Prozess wird vollelektronisch durchgeführt und die Ergebnisse werden öffentlich dargelegt (Kluttz et al., 2017, S. 13; Transparency International Ukraine, 2017). Insgesamt suchen jeden Monat 200 000 Ukrainer nach ProZorro oder hiermit verbundenen Schlagworten (Granickas, 2018). Insgesamt stiegen die Suchzugriffe über Google zwischen Januar 2015 von 680 pro Monat auf mehr als 191 000 im Februar 2017. Die Öffentlichkeit hat offenbar die Veränderungen nachvollzogen und verstanden, dass ihr ein transparenter öffentlicher Einkauf einen Mehrwert bietet.

7.5 Zwischenfazit: Nur punktuelle Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten in Deutschland trotz technologischer Basis

Insgesamt kann in Deutschland bislang lediglich von einer zögerlichen Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten gesprochen werden, da dies allenfalls punktuell in nur wenigen Ländern und Kommunen erfolgt. In der Gesamtschau ergibt sich, dass eine durchgängige Umsetzungsstrategie für die ebenenübergreifende Bereitstellung offener Verwaltungsdaten, somit auch öffentlicher Einkaufsdaten, über ein gemeinsames Portal zu fehlen scheint.
Die bestehenden Gesetze (IFG, IWG, EGovG) haben die Zugangsrechte der Bürger, die Bereitstellung offener Daten durch die Verwaltung sowie die Weiterverwendungsmöglichkeiten durch Dritte verbreitert. Dies geht auch aus den beispielhaft genannten Urteilen hervor, die gleichzeitig den Bedarf an weiterer Differenzierung aufzeigen (zum Beispiel Informationsanspruch gemäß IFG gegenüber Vertraulichkeitsgebot gemäß Vergaberecht). Die 6 % aller Anfragen auf dem Portal „FragDenStaat“ zu Vergaben und Verträgen belegen durchaus Interesse vor dem Hintergrund der Komplexität des öffentlichen Einkaufs, der Vielzahl öffentlicher Themenfelder, von denen der Einzelne noch betroffen ist, und der Tatsache, dass jede Anfrage mit einer gewissen Mühe sowie einer zeitlichen Investition verbunden ist. Gleichzeitig gibt es Kritiken und Verbesserungsvorschläge, zum Beispiel des InGFA, die nicht ignoriert, sondern dort wo sinnvoll (gegebenenfalls in einem gemeinsamen Abwägungsprozess) aufgegriffen werden sollten. Trotz dieser Kritiken, zum Beispiel in Bezug auf eine benötigte Schärfung von Definitionen zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sind hiermit zusätzliche Chancen für alle Beteiligten verbunden. Diese Möglichkeiten sollte man sich stärker als bislang zunutze machen.
Für die Bereitstellung offener öffentlicher Einkaufsdaten bietet sich ein ebenenübergreifendes Portal an, wie es mit GovData bereits existiert. GovData wird über eine Koordinierungsstelle der Finanzbehörde Hamburg organisiert, während der technische Ausbau über eine externe Firma (Seitenbau GmbH) erfolgt. In der technischen Bereitstellung sind Aspekte der Architektur, die genutzten Datenkataloge, Lizenzen, Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen sowie Anwenderfreundlichkeit zu betrachten. Dieses Ökosystem muss den Ansprüchen einer durchlässigen, offenen Verarbeitung von Daten genauso standhalten wie den Ansprüchen an Vertraulichkeit der Daten. Mit Blick auf öffentliche Einkaufsdaten ist dies erfüllt und könnte genutzt werden. Im Zuge des weiteren technischen Ausbaus sind Aspekte wie die Verknüpfung offener öffentlicher Einkaufsdaten als LOGD zu beachten. Erste Schritte wurden im Jahr 2018 bereits unternommen, indem das Metadatenschema DCAT-AP.de eingeführt wurde. Des Weiteren werden die Einführung eines Triple Stores mit SPARQL-Abfrage sowie verbesserte Auswertungs- und Visualisierungsmöglichkeiten auf der Seite erwogen.45
Die Portale der Länder Hamburg, Bremen und NRW zeigen ebenfalls erste Ansätze in der Veröffentlichung von Dokumenten und Datensätzen rund um öffentliche Vergabeverfahren und Verträge. Jedoch sind diese überwiegend nicht maschinenlesbar und sie lassen mangels vollständiger Daten, Zeit- und Aktualisierungsangaben keine umfassenden Auswertungen zum öffentlichen Einkauf zu. Es zeichnet sich jedoch ab, dass Länder, die bereits einen aktiven Zugang zu Informationen anbieten, eher bereit und in der Lage sind, Auskünfte zu erteilen – die Entwicklung zu „open by default“ scheint ein richtiger Schritt zu mehr Transparenz zu sein. Dies ist auch die deutliche Forderung im 6. Tätigkeitsbericht der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – verbunden mit einer weiteren Öffnung der öffentlichen Einkaufsdaten und -dokumente (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, 2018a, S. 114 und S. 117 f.).
Die 26 auszugsweise analysierten Vergabe- und Bekanntmachungsportale stellen seit von Luckes Feststellung vor etwa zehn Jahren immer noch überwiegend Einstiegspunkte und Informationssammelstellen dar. Sie verfügen vor allem über Dokumente, die die Prozessphasen der Ausschreibung sowie teilweise Vergabe betreffen. Weitestgehend orientiert man sich bei der Bereitstellung von Informationen an den Vergabeordnungen, doch gibt es auch einige (wenige) Ausnahmen, die mehr Daten als juristisch erforderlich bereitstellen. Zu den Prozessphasen der Planung, Bewertung und Ausführung gibt es insgesamt keinerlei Daten. Die Partizipations- oder Kollaborationsmöglichkeiten sind bei allen untersuchten Portalen im Wesentlichen auf den direkten Kontakt beschränkt. Sie sollten ausgebaut werden, da die in diesem Kapitel aufgeführten Beispiele durchaus auf positive Ergebnisse verweisen.
Zu der Frage, welche Daten überhaupt bereitgestellt werden sollten und wie ein Musterdatenschema aussehen könnte, bietet sich die Anwendung des OCDS an. Dies ist aktuell der einzige internationale Standard, der eine umfängliche Datensammlung über den gesamten öffentlichen Einkaufsprozess hinweg beinhaltet. Er ist mit den real genutzten Feldern in den Bestandssystemen sowie speziellen Anforderungen, die sich aus den deutschen Vergabeverfahren und -varianten ergeben, abzugleichen. Abschließend fasst die SWOT-Analyse in Abbildung 7.22 die Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten zusammen.
Die Stärken offener öffentlicher Einkaufsdaten können im erhöhten Wettbewerb und in möglichen Preisreduktionen gesehen werden, aber auch in der Eindämmung von Korruption. Dies kann in verbesserter Haushaltstransparenz münden, was eine Optimierung der Nutzung der Steuermittel zur Folge haben kann. Hierdurch könnten Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit gestärkt werden. Das Potential zur Einsparung ist im Bereich des öffentlichen Einkaufs hoch – würden nur 5 % der geschätzten Ausgaben in Höhe von 350 Milliarden Euro eingespart werden, wären dies 12,5 Milliarden Euro jährlich. Weitere Chancen, dieses Thema zu treiben, bietet die breitere Verankerung des Unterschwellenbereichs in der Vergabestatistik und eVergabe. Dies setzt allerdings den Willen zur Umsetzung bei den politischen Entscheidern voraus, aber auch die Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg mit unterschiedlichen Akteuren. Der Nutzen der Öffnung sollte größer sein als die damit verbundenen Kosten und Konsequenzen bei Fehlverhalten dürfen nicht ausbleiben. Risiken bestehen in der weiteren juristischen Auslegung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, mangelnder Datenqualität, Glaubwürdigkeitsverlust bei unvorteilhaften Verträgen sowie einem noch zu geringen Verständnis des öffentlichen Einkaufs. Ebenfalls als Risiko einzustufen ist die Veröffentlichung öffentlicher Einkaufsdaten, die sich nicht am Verhältnis der eingesetzten Steuermittel orientiert (etwa Veröffentlichung vieler Verträge mit nur geringen Einkaufsvolumina im Verhältnis zur Nicht-Veröffentlichung der Verträge zu großen Bauprojekten). Hier bestünde die Gefahr eine Alibipolitik.
Diese vielen theoretisch erörterten und anhand von Beispielen illustrierten Aspekte gilt es nun nochmals aus anderer Perspektive, nämlich aus jener von Führungskräften und Experten, zu hinterfragen. Die folgenden Befragungsergebnisse sollen zudem eine Brücke zwischen dem Status quo und einem künftigen Leitbild schlagen.
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Fußnoten
1
In den Begriffsbestimmungen in Art. 2 (EU) 2019/1024 bezeichnet die „Standardlizenz“ eine Reihe vorgegebener Bedingungen für die Weiterverwendung, die in digitalem Format vorliegen und vorzugsweise mit standardisierten online verfügbaren öffentlichen Lizenzen kompatibel sind.
 
2
Dies ist das Potential für die Erzielung bedeutender sozioökonomischer oder ökologischer Vorteile und innovativer Dienstleistungen, für eine große Zahl von Nutzern, für die Erzielung von Einnahmen und zur Kombination mit anderen Daten (Art. 14 (EU) 2019/1024). In Anhang 1 der novellierten PSI-Richtlinie (EU) 2019/1024 werden die Kategorien gelistet: Georaum, Erdbeobachtung und Umwelt, Meteorologie, Statistik, Unternehmen und Eigentümerschaft von Unternehmen, Mobilität.
 
3
Die Europäische Kommission finanzierte zwei Projekte rund um „legal aspects of (reusing) public sector information“ (LAPSI). Hier arbeiteten Wissenschaftler mit den öffentlichen Behörden und Endnutzern zur Bereitstellung öffentlicher Informationen für die Weiterverwendung zusammen. Das erste Projekt lief von Januar 2010 bis Dezember 2012. LAPSI 2.0 lief von Januar 2013 bis Dezember 2014 (European Commission, 2015b).
 
4
Dies sind in § 3 IFG-Bund Schutz von besonderen öffentlichen Belangen, in § 4 IFG-Bund Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses, in § 5 IFG-Bund Schutz personenbezogener Daten und in § 6 IFG-Bund Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen.
 
5
So auch VG Düsseldorf, Urteil vom 09. Juli 2004 – 26 K 4163/03 (zu § 8 IFG NRW); vergleiche auch VG Schleswig, Urteil vom 31. August 2004 – 6 A 245/02 (zu § 11 IFG SH). Demnach sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse „…Tatsachen, die sich nur auf einen bestimmten Gewerkebetrieb beziehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind, nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber ein berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse hat“ (BGHSt 41, 140: BGH 1 StR 764/94 – Urteil vom 10. Mai 1995 (LG Nürnberg-Fürth)) (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, 2011, S. 51).
 
6
Für öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte, also das nationale Vergaberecht, gilt lediglich das Haushaltsrecht (§§ 55 BHO, LHO). Das Haushaltsrecht umfasst interne Verwaltungsvorschriften, denen keine Außenwirkung zukommt. Die Bieter können sich somit nicht auf diese Regelungen berufen, was zur Folge hat, dass ihnen kein subjektives Recht auf Einhaltung der nationalen Vergabevorschriften zusteht (Harms, 2013, S. 86 ff.). Auch mit Einführung der UVgO wurde kein Nachprüfungsverfahren vorgesehen. Vereinzelt gibt es ein Rechtsschutzverfahren für Vergaben im Unterschwellenbereich ab bestimmten Auftragswerten (beispielsweise in Sachsen und Thüringen). Wenn öffentliche Aufträge aber unterhalb der EU-Schwellenwerte bleiben, kann der vierte Teil des GWB nicht angewendet werden und damit auch nicht die Bestimmungen zum Nachprüfungsverfahren (§§ 160 ff. GWB – dieser gewährt einen effektiven Primärrechtsschutz des Bieters). Für Vergaben im Unterschwellenbereich sind die Zivilgerichte (nicht die Verwaltungsgerichte) zuständig. Hier kann dann auf Unterlassung vergaberechtlicher Verstöße geklagt werden, es geht also darum, einen Vertragsschluss zu verhindern. Ein bereits erteilter Zuschlag kann im Unterschwellenbereich nicht rückwirkend für unwirksam erklärt werden (ABZ Auftragsberatungszentrum Bayern e.V., 2017; Rechten & Röbke, 2017, S. 245).
 
7
Zum Beispiel das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG), das Recht auf Zugang zu EU-Dokumenten (vgl. Abschnitt 2.​5), Bundesarchivgesetz für Akten, die älter als dreißig Jahre sind (BArchG), das Umwelt- und das Verbraucherinformationsgesetz (UIG und VIG), Regelungen im Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG), Geodatenzugangsgesetz (GeoZG), in § 19 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und in § 8 Melderechtsrahmengesetz (MRRG) sowie Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz (AFIG) (Klessmann et al., 2012, S. 103 f.; Semsrott, 2016, S. 21).
 
8
1) Bayern, Niedersachsen, Sachsen; 2) Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen; 3) Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz.
 
9
Siehe Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Bundeshaushaltsordnung vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2395), Geltung ab 18. Juli 2013; FNA: 603-12, 63-1.
 
10
Die Beispiele erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität. Außerdem können sie keine umfängliche juristische Bewertung ersetzen; eine solche würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
 
11
Das Transparenzranking ist ein Projekt der gemeinnützigen Vereine OKFN Deutschland e. V. und Mehr Demokratie e. V., welches im Jahr 2017 durchgeführt wurde (Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. & Mehr Demokratie e. V., 2019).
 
12
Die 11 Anfragen zum Thema Vergabe für „München“ wurden herausgenommen mangels Anzeige von Unterkategorien.
 
13
„Rest“ entspricht hier „zurückgezogen aufgrund zu hoher Gebührenforderungen“, „zurückgezogen vom Nutzer“, „wartet auf Antwort“, „Antwort verspätet“, „Gebühr erhoben“.
 
14
So die Begründung des Gesetzentwurfs in der Bundestagsdrucksache (BT-Drs.) 18/11614 mit Verweis auf § 2 Nr. 2 IWG (Deutscher Bundestag, 2018, S. 16). Allerdings ist die Frage durchaus berechtigt, ob es solche unbearbeiteten Daten überhaupt gibt beziehungsweise wie diese definiert sind (Hill, 2014).
 
15
Dies schließt zum Beispiel Anträge, Vermerke, Verwaltungsakte, sonstige Fließtexte und E-Mails aus (Deutscher Bundestag, 2018, S. 18). Auch Bild- und Tonaufnahmen dürften danach nicht dem Datenbegriff des § 12a EGovG unterfallen.
 
16
Dies waren die University of Cambridge, Großbritannien; Hertie School of Governance, Deutschland; Government Transparency Institute, Ungarn; DATLAB, Tschechien; OKFN Deutschland, Deutschland; Transcrime (Università Cattolica del Sacro Cuore), Italien (Hertie School of Governance GmbH, 2019a).
 
17
Dies sind die 28 EU-Mitgliedsstaaten, die Europäische Kommission, Armenien, Georgien, Island, Norwegen, Serbien, Schweiz (Hertie School of Governance GmbH, 2019a).
 
18
Gegenstand des Projekts sind Vergaben oberhalb und unterhalb der nationalen Schwellenwerte, die zum Stichtag August 2015 online und frei verfügbar waren. Für den Umfang der deutschen Daten wurden nur TED-Daten berücksichtigt und damit zu 95 % Oberschwellenwerte. Diese betrafen die Auftragsbekanntmachung, die Vergabebekanntmachung und Details zum Vertrag (Cingolani et al., 2016, S. 10 ff.; Hrubý et al., 2016, S. 4).
 
19
Für Deutschland ist dies https://​opentender.​eu/​de/​.
 
20
Dies sind zum Beispiel The European Accountability Mechanisms (EuroPAM; http://​europam.​eu/​) und Monitoring European Tenders (MET; https://​monitoringeutend​ers.​eu/​).
 
21
Explizit werden Belgien, Frankreich, Deutschland, Island, Italien, Malta, Spanien und UK genannt (Mendes & Fazekas, 2018, S. 10).
 
22
Anm. d. Verf.: Der Begriff „Plattform“ wird hier analog zu „Portal“ verwendet.
 
23
Anm. d. Verf.: Der Begriff „Plattform“ wird hier analog zu „Portal“ verwendet.
 
24
Im Modell „Free as Branded Advertising“ werden die Produkte und Dienstleistungen, die auf öffentlichen Informationen beruhen, von Unternehmen grafisch aufbereitet, mit kommerziellen Botschaften hinterlegt und anschließend veröffentlicht. Ziel dieser Geschäftsform ist es, die Wirtschaftsleistung in anderen Unternehmensbereichen zu fördern, indem die Marketingreichweite erhöht wird (Ferro & Osella, 2013, S. 5). Beim „White Label Development“ entwickeln Unternehmen Produkte oder Services, ohne diese mit einer eigenen Marke zu versehen. Ziel dieses Geschäftsmodells ist es, die Entwicklungen an eines oder mehrere Unternehmen weiterzuverkaufen. Die Kunden können bei Erwerb das Produkt mit ihrem eigenen Markendesign kennzeichnen. White Label Development richtet sich besonders an Unternehmen, welche über die Kapazitäten und Kompetenzen verfügen, ein qualitativ hochwertiges Produkt, beispielsweise eine App, herzustellen und anschließend zu verkaufen. Den Endkunden wird dadurch der Aufwand, ein Produkt oder einen Service selber entwickeln zu müssen, abgenommen. Zugleich kann das Produkt an mehrere Unternehmen veräußert werden und steigert den Gewinn des Herstellers (Ferro & Osella, 2013, S. 5).
 
25
Beispiele für Anwendungen sind hier zu finden: http://​opendata-tools.​org/​en/​data/​.
 
26
Ein Beispiel hierfür ist der Virtuoso Universal Server (http://​virtuoso.​openlinksw.​com).
 
27
So sind im öffentlichen Einkauf vor allem das LOD2-Projekt (Svátek et al., 2014), Digiwhist (Hertie School of Governance GmbH, 2019b), LOTED (Valle et al., 2010) und MOLDEAS (Alvarez et al., 2012) zu nennen. LOTED (Linked Open Tender Electronic Daily) fokussierte sich auf die Datenextraktion aus einer einzigen Beschaffungsquelle, einfache statistische Aggregationen über einen SPARQL-Endpunkt und auf die Modellierung der rechtlichen Ontologie. MOLDEAS widmete sich in erster Linie der Matchmaking-Aufgabe und verwendete ausgefeilte Computertechniken wie die Verbreitung von Aktivierungen und RDF-Klassifizierungen. Im Rahmen des LOD2-Projekts wurden systematisch viele Phasen der beschaffungsbezogenen Datenverarbeitung (von der Domänenmodellierung über die Datenextraktion, -transformation und -vernetzung in mehreren Richtungen bis hin zum Matchmaking und zur Datenanalyse) sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene behandelt (Svátek et al., 2014, S. 197).
 
28
Die IT-Grundschutz-Kataloge umfassen das Schichtenmodell und die Modellierung, Rollen, Glossar, Bausteine (übergreifende Aspekte, Infrastruktur, IT-Systeme, Netze und Anwendungen), Gefährdungskataloge (elementare Gefährdungen, höhere Gewalt, organisatorische Mängel, menschliche Fehlhandlungen, technisches Versagen, vorsätzliche Handlungen), Maßnahmenkataloge (Infrastruktur, Organisation, Personal, Hardware/Software, Kommunikation, Notfallvorsorge) und Hilfsmittel (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2019b).
 
29
In diesem Zusammenhang ist auch die jüngste Rechtsprechung interessant, nach welcher öffentliche Auftraggeber Vergabeportalen nicht kostenfrei Auskunft erteilen müssen. Im dargelegten Fall handelte es sich nicht um presserechtliche Auskünfte, die kostenfrei erteilt werden müssen, sondern um kommerzielle Zwecke (BVerwG, 21.03.2019, 7 C 26.17).
 
30
Oft wird der Begriff „Ausschreibungsportal“ synonym zu „Vergabeportal“ verwendet.
 
31
Zum Beispiel https://​ted.​europa.​eu für europaweite Ausschreibungen oder https://​www.​service.​bund.​de für alle Ausschreibungen in Deutschland.
 
32
Auf Bundesebene wurde im August 2010 das Regierungsprogramm „Vernetzte und transparente Verwaltung“ beschlossen. Nach Verabschiedung der NEGS im September 2010 beschloss der IT-Planungsrat im Jahr 2011 das Projekt „Förderung des Open Government“ als eines von sieben Steuerungsprojekten. Mitte 2012 veröffentlichte das Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) die Studie „Open Government Data Deutschland“. Eine wesentliche Empfehlung der Studie war es, ein ebenenübergreifendes Datenportal aufzubauen (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019c).
 
33
Dies sind Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen (beteiligt sich nur an der Finanzierung, ist der Vereinbarung aber nicht beigetreten), Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2014).
 
34
Dies sind Bevölkerung und Gesellschaft; Bildung, Kultur und Sport; Energie; Gesundheit; Internationale Themen; Justiz, Rechtssystem und öffentliche Sicherheit; Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft und Nahrungsmittel; Regierung und öffentlicher Sektor; Regionen und Städte; Umwelt; Verkehr; Wirtschaft und Finanzen; Wissenschaft und Technologie (Geschäfts- und Koordinierungsstelle GovData, 2019a).
 
35
Nach Zeiträumen ergibt sich folgende Verteilung: 2014: 867 Verträge, 2015: 697 Verträge, 2016: 442 Verträge, 2017: 320 Verträge, 2018: 322 Verträge, 2019 bis Juli 2019: 240 Verträge (Herr et al., 2017, S. 192 f.).
 
36
Gemäß § 6a Abs. 2 BremIFG ist ein Vertrag der Daseinsvorsorge ein Vertrag, den eine Stelle im Sinne von § 1 Abs. 1 BremIFG abschließt und mit dem die Beteiligung an einem Unternehmen der Daseinsvorsorge übertragen wird, der Leistungen der Daseinsvorsorge zum Gegenstand hat oder mit dem das Recht an einer Sache zur dauerhaften Einbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge übertragen wird. Zur Daseinsvorsorge gehören insbesondere die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung, die Abfallentsorgung, der öffentliche Personennahverkehr, die Energieversorgung, die Wohnungswirtschaft, die stationäre Krankenversorgung und die Datenverarbeitung für hoheitliche Tätigkeiten.
 
37
„Kleine Anfrage“ bezeichnet in deutschen Parlamenten die abgegrenzte Fragestellung eines Abgeordneten oder einer Partei an die Exekutive (zum Beispiel die Regierung) (Deutscher Bundestag, 2019).
 
38
„Beim Umweltsenator zum Beispiel sind es 22 abgeschlossene Verträge, veröffentlicht wurde davon keiner. Der Senator für Inneres schloss 17 Verträge ab, davon veröffentlicht: null. Universität Bremen: 36, veröffentlicht: nada. Selbst ein Vertrag, den das Kulturressort mit der landeseigenen Wirtschaftsförderung abgeschlossen hat, wurde nicht veröffentlicht. Nur die Hochschule Bremerhaven machte zwei von acht Verträgen zugänglich sowie das Finanzressort die Hälfte der 28 abgeschlossenen Verträge“ (Baeck, 2016).
 
39
Als gemeinsame Erklärung der Arbeitsgruppe Open Government, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der drei kommunalen Spitzenverbände, des Dachverbands Kommunaler IT-Dienstleister (KDN) und der Landesverwaltung zusammensetzte.
 
40
Laut Pressemitteilung der Landesregierung NRW umfasst die e-Government-Strategie NRW auch die Novellierung des EGovG NRW. Ein Gesetzesentwurf sei für das erste Quartal 2019 geplant (Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, 2018).
 
41
Initiatoren waren der Bund der Steuerzahler e. V., Mehr Demokratie e. V. und TI Deutschland e. V. (Bund der Steuerzahler e. V. et al., 2014, S. 2).
 
42
Neu: In der VOB/A 2019 sind laut § 12 Abs. 1 Nr. 2 r) Zuschlagskriterien in den Vergabeunterlagen beziehungsweise in der Auftragsbekanntmachung anzugeben.
 
45
Gemäß Hintergrundgespräch mit Ralph Nörenberg am 23. Juli 2019. Ralph Nörenberg ist der zuständige Projektleiter der Seitenbau GmbH für das GovData-Portal.
 
Metadaten
Titel
Bestandsaufnahme offener öffentlicher Einkaufsdaten
verfasst von
Britta Reuter
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31687-7_7