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07.04.2020 | Betriebsstoffe | Interview | Online-Artikel

"Vielen Werkstätten sind illegale Kältemittel nicht bewusst"

verfasst von: Christiane Köllner

4 Min. Lesedauer

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Der illegale Handel mit Kältemitteln untergräbt nicht nur das Ziel der F-Gase-Verordnung, HFKW zu reduzieren, sondern birgt auch Sicherheitsrisiken. Wie sich der Kältemittel-Schmuggel eindämmen lässt, erläutert Felix Flohr von Daikin Chemical Europe im Interview. 

springerprofessional.de: Der Schwarzmarkt für illegal importierte HFKW (Fluorkohlenwasserstoffe) wächst zunehmend. HFKWs finden überwiegend in Kälte- und Klimaanlagen Verwendung, darunter auch Fahrzeug-Klimaanlagen. Illegal importierte HFKWs untergraben die F-Gase-Verordnung und damit auch die Klimabemühungen der Europäischen Union (EU). Warum hat sich überhaupt ein illegaler Kältemittel-Markt etabliert?

Flohr: Mit Blick auf den Klimaschutz wird durch die sogenannte F-Gase-Verordnung der EU die verfügbare Menge bestimmter Kältemittel schrittweise reduziert. Betroffen sind unter anderem teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW), etwa das bekannte R134a, das in automobilen Klimaanlagen zum Einsatz kommt. Durch eine Quotenregelung sinkt nach und nach die verfügbare Menge im Markt. Die Kehrseite der Medaille: Die Preise für diese Kältemittel ziehen an, was den illegalen Import nach Europa begünstigt. Während gesetzestreue Hersteller und Importeure der Quotenregelung unterliegen, zieht die organisierte Kriminalität daraus ihren Profit, zumal die Strafen bislang gering sind. 

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Woher stammen die illegalen HFKWs und wer kauft sie?

Die Quellen sind, ähnlich wie bei legal importierter Ware, vor allem aus China kommend. Besonders für kleinere Betriebe kann es auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, die preisgünstige Schmuggelware zu erwerben. Vielen Werkstätten ist aber auch gar nicht bewusst, dass sie illegal gehandelte Kältemittel in die Fahrzeuge ihrer Kunden füllen. Letztlich helfen da nur seriöse Händler, vor allem der Großhandel, der sein Renommee nicht durch illegal importierte Ware aufs Spiel setzt.

Welche Kältemittel werden geschmuggelt? Betrifft der Schmuggel im Kfz-Bereich vorwiegend das Kältemittel R134a, das stark im Preis gestiegen ist?

Exakte Zahlen liegen mit Blick auf den Schmuggel leider nicht vor. Die von der F-Gase-Verordnung betroffenen Kältemittel kommen nicht nur im Kfz-Bereich zum Einsatz, sondern auch in Gebäude-Klimaanlagen oder in Kühltheken im Einzelhandel – häufig dort, wo Kälte-/Klimaanlagen als Nebengewerk behandelt werden. Für den Kfz-Bereich dürfte es aber ausschließlich R134a sein, das illegal gehandelt wird.

Für Betrieb und Wartung von Kfz-Klimaanlagen können illegale HFKWs gesundheitliche und juristische Risiken mit sich bringen. Welche Risiken sind das genau? Und welche technischen Probleme können sich aus illegal importierten HFKWs für ein Fahrzeug ergeben?

Die potenziellen Risiken für die einzelne Werkstatt sind vielfältig. Das reicht von der Frage "Sind die illegal gehandelten Druckbehälter sicher?" über Fragen der Gesundheit für den Handwerker, etwa beim unbeabsichtigten Austritt der Gase, bis hin zur Haftung gegenüber dem Kunden bei möglicherweise gepanschten Gasen, die in den Kühlkreisläufen der Kunden landen.

Wie lässt sich der Kältemittel-Schmuggel eindämmen?

Zunächst sind es die Zollbehörden der EU-Mitgliedsstaaten, die den illegalen Handel an den Grenzen aufdecken und zur Strafverfolgung bringen müssen. Der Zoll ist leider chronisch überlastet, etwa wegen des Drogen-, Waffen- oder Medikamentenschmuggels. Deshalb geht der Appell des EFCTC auch an die gesamte Wertschöpfungskette: Wenn niemand mehr illegal gehandelte Kältemittel abnimmt, verliert auch der Schwarzmarkt seine Grundlage.

Der Käufer erkennt illegale Kältemittel zumeist an den Gebinden. Häufig werden sie in pfandfreien Einwegzylindern angeboten, zum Beispiel bei den einschlägigen Online-Börsen. Einwegzylinder sind mittlerweile verboten – wer sie angeboten bekommt, sollte sich bewusst sein: das ist illegale Ware. Aber auch wiederbefüllbare Zylinder können Schmuggelware enthalten. Fragen Sie ihren Händler, ob er Pfand erstattet. Tut er das nicht, landen die Mehrwegzylinder genauso im Müll wie Einwegzylinder. Das Problem: Bei der Verschrottung entweichen die enthaltenen Restmengen an HFKW dann letztlich in die Umwelt – der Klimaschutz wird weiter zur Farce, und ehrliche Händler haben das Nachsehen.

Wer sich unsicher ist, sollte sich an die "Action line" des EFCTC wenden. Hier können fragwürdige Angebote anonym gemeldet werden, damit die zuständigen Behörden mögliche Vorfälle prüfen können.

Wie hängt die Preisexplosion bei R134a mit der Diskussion um alternative Kältemittel, etwa CO2 oder R1234yf, zusammen?

Hier muss man trennen: Die Diskussion um CO2 oder R1234yf als alternative Kältemittel betrifft vor allem Neufahrzeuge ab Werk, also die Fahrzeughersteller. R134a hingegen kommt mittlerweile nur noch für das Nachfüllen von Bestandsfahrzeugen in der Werkstatt zum Einsatz. Der Preis für R134a ist tatsächlich stark gestiegen, sodass gerade kleinere Werkstätten in Versuchung geraten können, dafür die illegale Ware einzukaufen.

Diesen illegalen Markt bekämpfen wir aber nur, wenn Hersteller, Behörden, Lieferanten und auch die abnehmenden Werkstätten an einem Strang ziehen. Letztlich hilft es vor allem, auf vertrauenswürdige Lieferanten zu setzen und jede verdächtige Aktivität zu melden. Vom illegalen Handel profitiert vor allem die organisierte Kriminalität – das kann niemand wollen.

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