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15.09.2016 | Betriebsstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Erdgasmobilität auf dem Prüfstand

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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Der Markt für Erdgasmobilität entwickelt sich derzeit negativ. Dabei hat Erdgas als Kraftstoff großes Potenzial - aber auch noch Schwachstellen.

Erdgasmobilität ist derzeit in aller Munde. Bei einem Unfall am vergangenen Freitag ist offenbar einer von vier Gastanks eines VW Touran Ecofuel beim Tankvorgang an einer Tankstelle in Duderstadt, Kreis Göttingen, geborsten. Hierbei wurde der Fahrer des Fahrzeugs verletzt. Die Unfallursache ist noch nicht abschließend geklärt. Für das betroffene Fahrzeugmodell galt bereits seit mehreren Monaten eine Rückrufaktion des Herstellers. Einzelne Tankstellenmarken haben laut der Deutschen Energie-Agentur (dena) vorsorglich die Empfehlung herausgegeben, den Verkauf von Erdgas an den eigenen Tankstellen vorübergehend zu stoppen. Konkrete Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko beim Tanken lägen jedoch nicht vor, so die dena. Laut des Vereins Zukunft Erdgas sei davon auszugehen, dass alle CNG-Tankstellen kurzfristig von den Mineralölunternehmen wieder freigegeben werden.

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Erdgasfahrzeuge sind eine bereits heute verfügbare und ausgereifte Technologie zur Lösung der durch Automobile verursachten Umweltprobleme. Der Vorteil beruht auf den Eigenschaften des Haupt-Kraftstoffanteils Methan. Bei Einhaltung von Mindest-Krafts


Absatz von Erdgasfahrzeugen um 30 Prozent gesunken

Der Unfall mit dem CNG-Fahrzeug kommt zu einer Zeit, da sich der Markt für Erdgasmobilität negativ entwickelt. Der aktuelle Fortschrittsbericht der von der dena koordinierten Initiative Erdgasmobilität zeigt, dass der Absatz von Erdgas-Pkw im Jahr 2015 um rund 30 Prozent auf 6520 zurückgegangen ist. Der Bestand an Erdgasfahrzeugen und Tankstellen ist damit zum ersten Mal niedriger als im Vorjahr. So sank der Bestand an Erdgasfahrzeugen bis Anfang 2016 auf insgesamt 98.000, 1,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Erdgastankstellen ging um 10 auf 911 zurück. Damit waren beide Kenngrößen erstmals rückläufig. Der negative Trend habe sich auch im ersten Halbjahr 2016 fortgesetzt.

Als wesentliche Ursachen für die Marktentwicklung nennt der Bericht die niedrigen Preise für Benzin und Diesel und die Ungewissheit über die geplante Verlängerung der Energiesteuerermäßigung für Erdgas und Biomethan über das Jahr 2018 hinaus. Ein Gesetzentwurf werde derzeit von den verantwortlichen Ministerien abgestimmt. Die Nutzerakzeptanz leide auch darunter, dass vielen Verbrauchern die Vorteile der Erdgasmobilität nicht bewusst seien. Aufgrund wenig durchschaubarer Preisangaben an den Tankstellen sei vielen Kunden nicht auf den ersten Blick bewusst, wie günstig Erdgas tatsächlich ist. CNG wird an der Zapfsäule in Kilogramm angeschlagen, was den Vergleich erschwert. Der Unfall mit dem VW-Erdgasauto dürfte die Kunden zusätzlich verunsichern und die Akzeptanz des Kraftstoffs weiter beeinträchtigen.

Saubere Alternative

Dabei bietet Erdgas als Kraftstoff mehrere Vorteile für Umwelt- und Klimaschutz: 

Das CNG-Fahrzeug ist nicht nur eine hier und heute praktikable und wirtschaftliche Option, um Treibhausgasemissionen zu verringern. Es ist auch ein Schlüsselelement bei der Energiewende und ein perfekter Partner für das Elektroauto. Darüber hinaus könnte es in der mittel- bis langfristigen Perspektive der entscheidende Türöffner für die breite Anwendung der Brennstoffzellentechnologie auch im Pkw sein", steht im Kapitel Erdgas und erneuerbares Methan.

Zudem sind die Betriebskosten eines Fahrzeugs in Deutschland nur halb so hoch wie die beim Betrieb mit Ottokraftstoffen und der Mehrpreis eines Erdgasfahrzeugs je nach Typ amortisiert sich schon nach circa 10.000 km, wie Dr. Richard van Basshuysen im Interview "Kraftstoffe haben entscheidenden Anteil an klimaneutraler Mobilität" mit Springer Professional erklärt.

Allerdings gibt es auch Nachteile: die relativ geringe Dichte der Erdgastankstellen, die geringe Reichweite im Vergleich mit Benzin- und Dieselfahrzeugen, der Platzbedarf für den Tank und der zunehmende Aufwand für die Abgasnachbehandlung zur Erfüllung strenger Abgasgrenzwerte. Daher sei "kein Ersatz der heutigen Kraftstoffe durch Erdgas zu erwarten, sondern nur eine begrenzte Ergänzung", prognostizieren die Springer-Autoren im Kapitel Antriebe aus dem Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. Hinzu kommt: Durch notwendige Kompromisse bei einer bivalenten Auslegung auf Erdgas und Ottokraftstoff können die positiven Kraftstoffeigenschaften von Erdgas nur teilweise genutzt werden. Ein wichtiger Schritt zu größerer Kundenakzeptanz und damit höherer Verbreitung im Pkw-Segment wären monovalente CNG-Ottomotoren. Denn erst so ließe sich das Potenzial dieses Kraftstoffs umfänglich ausschöpfen, wie Martin Westerhoff im Online-Artikel Erdgas braucht eigenständige Motorenentwicklung erläutert.

Korrosionsschutz bei Erdgas-Kraftstoffsystemen

Aber was hilft einem all das, wenn das Auto schnell in die Luft geht, mögen viele Verbraucher denken? Dabei ist die Angst von einer erhöhten Explosionsgefahr bei Erdgasautos unbegründet. Erdgasautos kommen fast immer direkt vom Werk und Crashtest haben längst belegt: Das Brandrisiko bei Erdgasfahrzeugen ist nicht erhöht. Auch bei Unfällen verhält sich das Gasmodell kaum anders als die Standard-Version, hat der ADAC herausgefunden. Zudem testet der TÜV Erdgastanks auf einen Druck von 600 bar. Allerdings: Eine Korrosionsprüfung der Tanks ist laut ADAC im Turnus sinnvoll.

Und Korrosion am CNG-Tank war wohl auch das Problem des jetzt verunfallten VW-Erdgasfahrzeugs. Bei den Gastanks des Modells, dem VW Touran Ecofuel, könne es laut Volkswagen zu Korrosionsschäden an der Außenhaut kommen, berichtet die dena. Erst Ende August hatte Volkswagen Erdgasmodelle bis einschließlich der Modelljahre 2010 in die Werkstätten zurückgerufen. "Die CNG-Unterflurtanks sind äußeren Einflüssen ausgesetzt, welche zu einer Reduzierung der Dauerhaltbarkeit führen können", hieß es in einer Mitteilung. Und weiter: "Eine fortschreitende Korrosion führt zu einer kontinuierlichen Reduzierung der Wandstärke. Eine zu geringe Restwandstärke kann zum Bersten eines Gastanks führen."

Gerade bei Erdgas-Kraftstoffsystemen kommt dem Korrosionsschutz eine besondere Bedeutung zu, "da es für die Unterfluranordnung und den Betrieb in nördlichen Breiten kaum Auslegungshinweise gibt", schreiben die Springer-Autoren im Kapitel Fahrzeugentwicklung für Erdgas und erneuerbares Methan aus dem Buch Erdgas und erneuerbares Methan für den Fahrzeugantrieb . Und kritisieren: "Das Thema ist bisher in den entsprechenden Standards nicht hinreichend abgedeckt". Weiterhin sei, im Gegensatz zu normalen Unterbodenkomponenten, zu beachten, dass Erdgaskomponenten thermodynamischen Zyklen unterliegen, welche die korrosive Belastung ihrerseits erhöhen. Als Beispiel nennen die Autoren hier die Kondenswasserbildung (Schwitzen) an Typ-1-Tanks bei Betankung. Somit seien die Bewertungskriterien normaler Unterbodenkomponenten in entsprechenden Korrosionstests nicht ausreichend – es bedürfe der Verschärfung. Die Autoren mahnen: "Fortschreitende Korrosion an Erdgassystemen kann sicherheitsrelevant werden, was die Wichtigkeit ihrer Betrachtung unterstreicht". 

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