verfasst von: Moritz Dhom, eFuelsNow
Wie fährt es sich mit synthetischem Dieselkraftstoff? Ingenieure und Techniker von eFuelsNow haben es getestet: Sie sind mit einem HVO100 angetriebenen Alfa Romeo rund 6.300 km quer durch Südeuropa gefahren. Ein Fahrbericht.
Mit HVO100 quer durch Südeuropa: Ingenieure und Techniker von eFuelsNow sind mit einem HVO100 betankten Alfa Romeo 159 rund 6.300 km durch Südeuropa gefahren. Funktioniert das, auch wenn das Fahrzeug nicht für HVO freigegeben ist? Und gibt es ausreichend Tankstellen? Die Teilnehmer der Autotour haben es in der Praxis intensiv erprobt und getestet. Das sind die Erkenntnisse, die sie während ihrer Tour gewonnen haben.
eFuelsNow ist eine Gruppe von Ingenieuren und Technikern, die sich aus persönlicher, intrinsischer Überzeugung für das Thema der reFuels einsetzen. Unter diesen Begriff fallen sowohl strom-, als auch reststoffbasierte, synthetische Kraftstoffe wie HVO100. eFuelsNow arbeitet sehr eng vernetzt mit Professoren von renommierten Universitäten zusammen. Ziel ist es, über das Thema fundiert und anschaulich aufzuklären. Deshalb wurde eine weltweite HVO-Tankstellen-Karte mit insgesamt weit über 12.000 HVO-Stationen veröffentlicht, die man auch per Google-App mit dem Smartphone nutzen kann. Diese wurde auch im Rahmen der Fahrt eingesetzt.
Die 13tägige-Autotour startete in der Nähe von Stuttgart und führte über Italien bis in die griechische Hauptstadt Athen. Von dort aus ging es bis nach Malta und dann wieder über Rom zurück nach Süddeutschland. Während der Tour wurde HVO100/XTL getankt. Insgesamt konnte über die gesamte Fahrstrecke der CO2-Footprint um bis zu 87 % (27g/CO2) gesenkt werden (bei 96 % HVO-Anteil). In Deutschland ist der alternative Kraftstoff, welcher der Norm DIN EN 15940 entspricht, seit Mai ganz regulär an der Tankstelle erhältlich.
Tour-Daten | |
Start | 27.10.2023 um 09:57 Uhr in Ludwigsburg (D) |
Tachostand (Start) | 362.984 km |
Ziel | 09.11.2023 um 09:54 Uhr in Ludwigsburg (D) |
Tachostand (Ziel) | 369.263 km |
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Dauer | fast genau 13 Tage |
Regenerativer Anteil | 96,5 % mit synthetischem HVO100 Diesel |
Gesamt-Fahrstrecke (auf Rädern) | 6.279 km |
Ø Tages-Fahrstrecke (auf Rädern) | 483 km |
Fahrstrecke Deutschland | ca. 421 km (6,70 %) |
Fahrstrecke Österreich | ca. 230 km (3,66 %) |
Fahrstrecke Italien | ca. 4064 km (64,72 %) |
Fahrstrecke Albanien | ca. 78 km (1,24 %) |
Fahrstrecke Griechenland | ca. 1.132 km (18,03 %) |
Fahrstrecke Malta | ca. 74 km (1,18 %) |
Fahrstrecke Schweiz | ca. 280 km (4,46 %) |
Tourfahrzeug ohne offizielle HVO-Hersteller-Freigabe
Gefahren wurde mit einem serienmäßigen Alfa Romeo 159 (Baujahr 2011) mit einem 2-l-Common-Rail-Dieselmotor. Das 170 PS starke Fahrzeug hat fast die Hälfte seiner mittlerweile knapp 400.000 km Laufleistung mit HVO100 zurückgelegt. Ergänzend zu der intensiven Nutzung des klimafreundlichen Kraftstoffs kommt die sehr lange, nachhaltige Nutzung der Technik. Bei der Fahrzeug-Produktion entsteht ein CO2-Footprint. Ein durchschnittlicher Pkw ist auf eine Lebensdauer von 150.000 bis 200.000 km ausgelegt. Damit hat der Alfa den bei der Herstellung emittierten CO2-Fussabdruck mehr als doppelt so lange genutzt. Der CO2-Rucksack ist also schon lange amortisiert. Da HVO100 mit Bestands-Infrastruktur auskommt, entstehen außerdem keine weiteren Footprints für den Aufbau einer neuen Infrastruktur. Wenn man die Pariser Klimaziele erreichen will, dann darf nur eine begrenzte Menge an CO2 emittiert werden. Dieses noch zur Verfügung stehende "CO2-Budget" wird durch die lange Nutzungsdauer von Fahrzeug und Infrastruktur geschont.
Obwohl der Hersteller des Fahrzeugs keinerlei offizielle HVO/XTL-Freigabe für den Motor erteilt hat, gab es nie Probleme. Der Erfinder des HVO, die finnische Firma Neste, verweist darauf, dass sein Produkt für alle Dieselmotoren geeignet ist. Die Dichte ist nur 6 % niedriger als bei normalem Diesel. HVO übertrifft ansonsten die herkömmliche Dieselnorm und ist nicht mit Biodiesel (FAME) zu verwechseln. Der Kraftstoff ist nicht aggressiv und resistent gegen Dieselpest. Mit Pumpen und Dichtungen gab es nie Probleme.
Nordeuropa und Kalifornien tanken HVO seit 10 Jahren
Das Alfa-Aggregat läuft dank der höheren Cetanzahl deutlich ruhiger und spricht etwas agiler an. Außerdem nehmen die Partikelfilter-Regenerationen aufgrund der saubereren Verbrennung spürbar ab. Der Motor erreicht die Emissionsstufe Euro 5 und wurde in ähnlicher Form auch in zahlreichen Opel- und Saab-Modellen verbaut, die ebenfalls nicht für HVO zertifiziert wurden.
Dass HVO keine Probleme verursacht, ist nicht verwunderlich. Langzeiterfahrungen aus dem Ausland liegen schon lange vor. In Nordeuropa und Kalifornien wird der Kraftstoff schon seit 10 Jahren in jedes Dieselfahrzeug getankt. Denn oftmals kommt man um HVO gar nicht herum, sodass auch nicht freigegebene Fahrzeuge den Kraftstoff tanken müssen. An US-Tankstellen gibt es in der Regel nur eine Diesel-Zapfsäule. Die Tankstellenkette 76 bietet in Kalifornien fast nur noch 95-99%igen HVO an. Motorprobleme sind nicht bekannt. In Kalifornien und Nordeuropa wird bereits zwischen 20 und 50 % des Dieselmarktes mit HVO (Renewable Diesel) abgedeckt. Ein Video mit einer Motoranalyse findet man hier.
Fahrzeug-Daten | |
Fahrzeugtyp | Alfa Romeo 159 2.0 JTDm Sportwagon |
Baujahr | Juni 2011 |
Motorleistung | 125 KW (170 PS) |
Emissionsstufe | Euro 5 |
Kilometerstand (Start) | 362.984 km |
Kilometerstand (Ziel) | 369.263 km |
Tankvolumen | 65 l |
Reichweite (maximal) | ca. 1.100 km, Fülldauer: 1 min 50 s |
Bisher bereits mit HVO100 gefahren | ca. 180.000 km |
Ölverbrauch während der Fahrt | ca. 0,3 l |
Sonstiger Tour-Verschleiß | 2 Glühlampen gewechselt |
Bereifung | Dunlop SP Winter 225/50 R17 |
Nutzung des Produktions-/Lebensdauer-Footprints | mehr als 2-fache Nutzung |
Strombedarf HVO (bei 5 l/100 km Verbrauch) | <5 KWh/100 km (waste-to-fuel) |
Alle 25 km eine HVO100-Tankstelle
In der Praxis bietet die enorm hohe Energiedichte eines Dieselkraftstoffs bedeutende Anwendungsvorteile. An einer normalen Pkw-Zapfsäule kann der 65-l-Tank des Alfas in unter 2 min. gefüllt werden. Danach ist das Auto wieder fit für weitere 1.100 klimaneutrale Kilometer. Das Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart (FKFS) ermittelte für eine Pkw-Zapfsäule (35 l/min) eine Leistung von circa 18.000 KW. Während der ganzen Reise musste an Tankstellen insgesamt nur 25 min. gestoppt werden – inklusive Laufwegen und Bezahlvorgängen. Am Verbrauch änderte sich so gut wie nichts im Vergleich zu normalem Diesel (+/-0,1l/100 km). Der Verbrauch lag zwischen 5,3 auf der Autobahn und bis zu 7,3 l/100 km im Stadtverkehr. Auch preislich gab es keine Überraschungen. In Deutschland und Österreich kostet HVO100 ungefähr 5 bis 15 Cent mehr. In Italien ist er sogar zwischen 5 und 10 Cent billiger als fossiler Dieselkraftstoff. Über die gesamte Strecke wurden durchschnittlich 1,81 Euro/l bezahlt. An der günstigsten Tankstelle zahlten wir 1,71 Euro/l.
Während der fast 6.300 km langen Tour erreichte der Alfa durchschnittlich alle 25 km eine Station mit HVO100. Inklusive HVO-Beimischungen lag alle 4,4 km eine Tankstelle im Bereich der Strecke. In Italien ist das Tanknetz bereits sehr dicht. Dort nahmen innerhalb eines Jahres circa 1.000 Tankstellen den neuen Kraftstoff ins Angebot auf. An 3.500 weiteren Stationen gibt es HVO-Beimischungen mit circa 15 % HVO.
HVO als wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Zukunft
HVO wird meist aus Altfetten, Tallölen, fortwirtschaftlichen Abfällen oder Abfällen aus der Lebensmittelindustrie etc. hergestellt. Prinzipiell kann man fast alle Abfälle verwenden, sofern sie keinen fossilen Kohlenstoff verwenden. Palmöl ist seit 2023 in der Europäischen Union (EU) nicht mehr erlaubt. Alle großen Hersteller wie die Konzerne Neste und Eni setzen es nicht mehr ein.
Nach einer Hochrechnung des finnischen Konzerns Neste könnten bis 2040 bei Nutzung sämtlicher Reststoffe und voller Auslastung jährlich bis zu 1.000 Mt erneuerbarer Kraftstoffe hergestellt werden. Das entspricht circa 40 % des weltweiten Verkehrsbedarfs (Straßenverkehr, Schiff und Flugzeug). Diese Zahlen decken sich auch mit Erhebungen von Professor Dr. Thomas Willner vom Department Verfahrenstechnik der HAW Hamburg. Zusätzlich gibt es nach einer Studie, die Willner vorliegt, noch ein großes HVO-Potenzial von circa 200 Mt pro Jahr auf Jatropha-Basis. Jatropha wächst in Wüstenrandgebieten auf marginalen Böden. Diese Menge an HVO aus Jatropha-Öl könnte den Kraftstoffbedarf der gesamten EU decken. Bereits heute existiert in einigen italienischen Kommunen ein gut ausgebautes öffentliches Rücknahme-System für Bioabfälle, die sich zu Kraftstoffen verarbeiten lassen. Die HAW Hamburg arbeitet an dezentralen Anlagen, die direkt beim Reststoffverwerter eingesetzt werden können.
Willner betont übrigens auch die hohe Stromeffizienz von HVO. Da viel Energie im Abfall ist, muss bei der Produktion wenig Strom eingesetzt werden. Man fährt daher stromeffizienter als mit dem Elektroauto. Schwedische Umweltbehörden weisen dem Kraftstoff sogar den mit Abstand größten Klimahebel aus, da man sofort mit dem Klimaschutz beginnen kann. HVO ist die zeit-, kosten- und ressourceneffiziente Klimaschutzlösung für den Verkehr.
Auf der eFuelsNow-Homepage finden Sie eine genaue Analyse der Südeuropa-Tour. Es wird sicher nicht die letzte HVO-Reise sein.