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23.09.2020 | Betriebsstoffe | Fragen + Antworten | Online-Artikel

Fragen und Antworten zu synthetischen Kraftstoffen

verfasst von: Christiane Köllner

7 Min. Lesedauer

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Emissionsfrei unterwegs mit dem Verbrennungsmotor? Sogenannte E-Fuels versprechen genau das. Doch halten sie ihr Versprechen? Fragen und Antworten zu synthetischen Kraftstoffen.

Das Pariser Klimaschutzabkommen verlangt, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber dem Beginn der Industrialisierung begrenzen, möglichst sogar auf 1,5 Grad. Dafür müssen auch die fossilen CO₂-Emissionen des Verkehrs in den nächsten drei Jahrzehnten gegen Null gesenkt werden. Ein CO2-neutraler Verbrennungsmotor kann dabei helfen. Eine viel diskutierte Lösung sind synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels. Was können diese Kraftstoffe leisten? Welche Vor- und Nachteile synthetische Kraftstoffe haben, lesen Sie in unseren Fragen + Antworten. 

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01.01.2020 | Im Fokus

Potenziale synthetischer Kraftstoffe

Synthetische Kraftstoffe werden in Zukunft unentbehrlich sein. Nur sie versprechen die hohe Energiedichte, die etwa in Schifffahrt, Luftverkehr und Schwerlastlogistik benötigt wird. Batterieelektrische Antriebe werden dies in ähnlicher Form voraussichtlich nie leisten können.

  • Wie werden synthetische Kraftstoffe hergestellt?

E-Fuels werden ausschließlich mit erneuerbaren Energien hergestellt, indem aus Wasser zunächst Wasserstoff produziert wird. Dazu sind große Mengen elektrischen Stroms notwendig. Für einen flüssigen Kraftstoff wird nun noch Kohlenstoff benötigt. Dieser kann aus Industrieprozessen oder mit Filtern aus der Luft gewonnen werden. Damit wird das Treibhausgas zum Rohstoff. Aus CO2 und H2 gewinnt man anschließend den synthetischen Kraftstoff – also Benzin, Diesel, Gas oder auch Kerosin. Es entsteht ein Kreislauf: Das auch bei der Verbrennung von E-Fuels entstehende und ausgestoßene CO₂ kann sozusagen wiederverwertet und für die Herstellung neuen E-Fuels genutzt werden. Für diese Verfahren haben sich die Begriffe Power-to-X (PtX), Power-to-Liquid (PtL) oder Power-to-Gas (PtG) durchgesetzt.

  • Welchen Umweltbeitrag können E-Fuels leisten?

Mit synthetischem Kraftstoff betriebene Fahrzeuge sind klimaneutral unterwegs. Wie groß der Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung allein im Pkw-Bestand Europas wäre, haben Bosch-Experten 2017 errechnet: Bis 2050 könnte der konsequente Einsatz von synthetischen Kraftstoffen ergänzend zur Elektrifizierung bis zu 2.800.000.000.000 Kilogramm CO2 (= 2,8 Gigatonnen) einsparen. Das entspreche der dreifachen Menge des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes von Deutschland im Jahr 2016. 

Hinzu kommt, dass synthetische Kraftstoffe so designt werden können, dass sie praktisch rußfrei verbrennen. Sie seien idealerweise immer aus gleichartigen, sogenannten C1-Molekülen aufgebaut, und verbrennen annähernd vollständig und damit fast emissionsfrei, erklärt Wolfgang Maus im Interview "Fahrzeuge sollten die Luft reinigen können" aus der MTZ 1/2016. Die Anforderungen an die Abgasnachbehandlungssysteme und damit auch die Kosten für solche Systeme könnten sinken. 

Wissenschaftler des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) kommen in einer aktuellen Studie für das Umweltbundesamt (UBA) zu folgendem Ergebnis: Mit den PtX-Energieträgern ließen sich Treibhausgase einsparen, aber selbst mit 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen sei die Herstellung synthetischer Brennstoffe mit erheblichen Umweltlasten verbunden. So benötigt der Bau der Wind- und Photovoltaikanlagen, der Synthese-Einrichtungen und der Transportinfrastruktur Rohstoffe und ist mit Emissionen in Luft und Wasser verbunden. Der für die Herstellung von Kohlenwasserstoffen nötige Kohlenstoff müsse als CO2 aus Abgasen, der Luft oder aus Biomasse gewonnen werden. Daraus resultierten wiederum Umweltbelastungen.

  • Lohnt sich die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe?

Obwohl Elektroautos in den nächsten Jahren deutlich günstiger werden, könnte sich die Entwicklung der Kraftstoffe lohnen. Bosch hat 2017 errechnet, dass je nach Kosten der eingesetzten regenerativen Energie ein mit E-Fuels betriebener Hybrid bis zu einer Laufleistung von maximal 160.000 Kilometern günstiger sein könnte als ein Langstrecken-Elektroauto. Dazu kommt: Das bestehende Tankstellennetz kann weiter genutzt werden. Das gilt auch für das bestehende Know-how bei der Verbrennungstechnik. E-Fuels unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur und ihren Grundeigenschaften nicht von herkömmlichem Diesel oder Benzin aus Erdöl. Sie können auch herkömmlichem Kraftstoff beigemischt werden. Daher wirken sie unmittelbar im Bestand. Mit E-Fuels ist es auch möglich, große Mengen erneuerbarer Energie zu speichern und auch weltweit zu transportieren. 

Ein wichtiges Argument gegen synthetische Kraftstoffe: der niedrige Wirkungsgrad. Anstatt Autos direkt mit Ökostrom anzutreiben, wird dieser erst eingesetzt, um Wasserstoff und dann den Kraftstoff herzustellen. Eine Studie der Berliner Denkfabrik Agora Verkehrswende aus dem Jahr 2017 hat berechnet: Der höchste Gesamtwirkungsgrad ergibt sich für das batteriebetriebene Elektroauto mit 69 Prozent, dann folgt das Brennstoffzellenfahrzeug mit 26 Prozent. Am wenigsten effizient ist das Auto mit der Nutzung von synthetischen Kraftstoffen im Verbrennungsmotor, welches bei einem Gesamtwirkungsgrad von 13 Prozent landet. Anders ausgedrückt: "Für die gleiche Fahrstrecke benötigt das Auto mit Verbrennungsmotor rund fünfmal so viel erneuerbaren Strom wie das batteriebetriebene Elektroauto", so Agora Verkehrswende. Allerdings: Kommt der Strom aus entfernteren Regionen, also außerhalb Deutschlands, und muss für den Transport zunächst in einen chemischen Energieträger umgewandelt und anschließend wieder rückverstromt werden, sinkt auch der Wirkungsgrad eines Elektroautos der Kompaktklasse, wie Bosch vorrechnet, auf 20 bis 25 Prozent. 

Dietmar Goericke glaubt, dass wir "über den Punkt der Wirkungsgraddiskussion hinaus" seien, so der FVV-Geschäftsführer im gleichlautenden Interview. 

Wenn wir davon ausgehen, dass wir CO2-neutralen Kraftstoff brauchen, egal in welcher Form, ob flüssig oder gasförmig, und wir ihn effizient herstellen, transportieren und lagern können, ist es fast egal, ob das Fahrzeug einen halben Liter mehr oder weniger verbraucht. CO2 steht im Fokus. Die Gesamtbilanz eines jeden". 

Dr. David Bothe, Associate Director bei Frontier Economics pflichtet ihm im Interview bei: Physikalische Umwandlungsverluste der verschiedenen Energieketten seien nur ein Aspekt und nicht der entscheidende. In einer CO2-neutralen Welt sei die Effizienz nicht länger entscheidend, sondern viel mehr, was ist ökonomischer, also günstiger im Gesamtsystem. Viele Analysen würden zeigen, dass sich Umwandlungsverluste über die Nutzung vorhandener Infrastrukturen, Logistik und Speichermöglichkeiten kompensieren lassen.

  • Werden sich E-Fuels durchsetzen?

Damit sich synthetische Kraftstoffe in der Breite durchsetzen, sind noch große Anstrengungen notwendig. Die Anlagentechnik ist heute noch teuer und es gibt nur wenige Testanlagen wie etwa in Norwegen. Aktuell ist "noch keine großtechnische PtX-Anlage in Planung, da die Gesetzgebung zurzeit noch keine CO2-Reduzierung durch E-Fuels anerkennt. Daher sehen Marktakteure noch keinen ausreichenden Business Case, um in die E-Fuel-Produktion zu investieren", erklären Ingenieure von FEV im Artikel Kohlenstoffneutraler Transport – die Rolle synthetischer Kraftstoffe aus der ATZextra-Sonderheft zur IAA 2019. Möglichkeiten, um synthetische Kraftstoffe attraktiver zu machen, seien eine Steuer auf CO2 oder Kohlenstoff aus fossilen Quellen oder die Anrechnung kohlenstoffneutraler Kraftstoffe auf die Flottenemissionen durch ein Zertifikatsystem.

Viele Experten sehen das Einsatzgebiet von E-Fuels aufgrund des schlechten Wirkungsgrads nicht im Pkw, sondern im Transport-Sektor. Also dort, wo weder Wasserstoff noch der direkte Stromeinsatz nach heutigen Erkenntnissen funktionieren: etwa in Schiffen, Flugzeugen und Teilen des Güterschwerverkehrs. Synthetische Kraftstoffe im Pkw könnten hingegen eine Lösung für den Übergang zwischen fossilen Kraftstoffen und E-Mobilität sein, um erst einmal so viel wie möglich CO2 einzusparen. In einem aktuellen Forschungsprojekt des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird versucht, den Wirkungsgrad in der Produktionskette bei synthetischen Kraftstoffen zu erhöhen. Theoretisch sei ein Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent möglich, heißt es vom KIT. Ob sich dieser Wert auch in der Praxis realisieren lässt, bleibt abzuwarten.

  • Wie teuer wird der Kraftstoff sein?

Noch ist die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen aufwendig und teuer. Doch ein Markthochlauf der Produktion sowie eine günstige Preisentwicklung beim Strompreis könnten dafür sorgen, dass synthetisch erzeugte Kraftstoffe deutlich günstiger werden, prognostiziert Bosch 2017. Langfristig seien bis 2030 reine Kraftstoffkosten von 1,20 bis 1,40 Euro pro Liter realisierbar (exklusive Steuer), bis 2050 nur noch Kosten um einen Euro. Die Deutsche Post DHL Group hat in ihrer Studie "Nachhaltige Kraftstoffe für die Logistik" ein Massenmarktpotenzial für synthetische Kraftstoffe in fünf bis zehn Jahren ermittelt.

  • Was unterscheidet E-Fuels von Biokraftstoffen?

Anders als bei Biokraftstoffen gibt es bei synthetischen Kraftstoffen nicht die Abwägung zwischen Tank und Teller. Mit erneuerbarem Strom lassen sich E-Fuels zudem ohne die bei Biokraftstoffen zu erwartende Mengenbegrenzung – zum Beispiel durch begrenzte Anbauflächen – herstellen. Frank Urbansky kommt in seinem Report Potenziale synthetischer Kraftstoffe aus der MTZ 1-2020 zu dem Schluss, dass erneuerbare Kraftstoffe im allgemeinen die einzige Möglichkeit seien, "den Kraftstoffbedarf in Logistik, Schiffs- und Luftverkehr in höherem Maße klimaneutral zu gestalten". Dabei seien jedoch biobasierte Kraftstoffe heute praktikabler als E-Fuels. "Die Technologien sind vielfältiger, die meisten davon praxiserprobt, und es lassen sich günstigere Kraftstoffe als E-Fuels erzeugen", so Urbansky. Es fehle jedoch für beide erneuerbaren Kraftstoffquellen noch an Forschung, noch mehr, so Urbansky "allerdings an politischem Willen, damit sie überhaupt in brauchbaren Mengen in den Markt gebracht werden."

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