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2019 | Buch

Bevölkerung – Familie – Sozialstaat

Kontexte und sozialwissenschaftliche Grundlagen von Familienpolitik – Herausgegeben von Tilman Mayer

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Über dieses Buch

Folgen des demographischen Wandels und die Belastung der Familien durch die strukturellen Rücksichtslosigkeiten der gesellschaftlichen Verhältnisse sind lange vernachlässigte Herausforderungen, die im kommenden Jahrzehnt die politische Agenda in der Bundesrepublik mitbestimmen werden. Der Autor hat diese Themen als einer der ersten in die wissenschaftliche Diskussion gebracht. Seine hier erstmals im Zusammenhang veröffentlichten Analysen aus vier Jahrzehnten sind weiterführende Beiträge für ein vertieftes Verständnis der aktuellen Probleme – u.a. zum demographischen Altern, zum Strukturwandel von Ehe und Familie, zur Familienpolitik, zu den Generationenbeziehungen und zum Wohlfahrtsstaat.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Bevölkerung

Frontmatter
Kapitel 1. Makro-soziologische Überlegungen zu den Folgen eines Bevölkerungsrückgangs in industriellen Gesellschaften (1975)
Zusammenfassung
Nach einer kurzen Darstellung elementarer demographischer Zusammenhänge und einem Überblick über die bisherige wissenschaftliche Diskussion von Vor- und Nachteilen eines Bevölkerungsrückgangs werden die Folgen eines langfristigen Bevölkerungsrückgangs auf Wirtschaft und Gesellschaft analytisch und empirisch untersucht. Wirtschaftswachstum ohne Bevölkerungswachstum setzt intensivere Anpassungsprozesse und beschleunigten sozialen Wandel voraus. Es lässt sich jedoch zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Anpassungsfähigkeit einer Bevölkerung, sozialem Wandel und Bevölkerungswachstum besteht. Beim Wegfall des Bevölkerungswachstums treffen steigende Anpassungserfordernisse mit sinkender Anpassungsfähigkeit zusammen. Ein Bevölkerungsrückgang beeinträchtigt die Fähigkeiten eines komplexen sozialen Systems, die von ihm in der Regel geforderten Anpassungsleistungen zu erbringen, weil der demographische Faktor eine wesentliche Komponente des Grades struktureller Anpassungsfähigkeit industrieller Gesellschaften darstellt.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 2. Gesellschaftliche Folgen des Bevölkerungsrückgangs (2015)
Zusammenfassung
Die Bevölkerungsentwicklung entwickelt sich sehr langsam, fast unmerklich, aber sie entfaltet auf die Dauer eine zunehmende Wucht. Neuere Entwicklungen der ökonomischen Wachstumstheorie räumen dem Faktor Humankapital eine zentrale Stellung ein. Und es wird ein enger Zusammenhang zwischen sektoralem Wirtschaftswachstum und Produktivitätsentwicklung postuliert. Deutschland kann es nur mit ganz außergewöhnlichen Bildungsanstrengungen und besonderer Förderung der bildungsfernen Schichten sowie einer auf Gewinnung qualifizierter Zuwanderer gerichteten Migrationspolitik gelingen, den Nachwuchsmangel in etwa auszugleichen und sich in der internationalen Standortkonkurrenz zu behaupten. Alles in allem dürfte vom Rückgang der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter eine deutliche Dämpfung wirtschaftlicher Wachstumspotentiale ausgehen. Weil alle anderen Gesellschaftsbereiche von der Leistungsfähigkeit des Wirtschaftssystems wenigstens indirekt abhängen, ist vom Nachlassen der wirtschaftlichen Dynamik auch eine Dämpfung in den übrigen Gesellschaftsbereichen zu erwarten.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 3. Was meint Alter? – Was bewirkt demographisches Altern?
Soziologische Perspektiven (2008)
Zusammenfassung
Alter meint heute gesellschaftlich vor allem chronologisches Alter. Das Alter wird dadurch zu einem numerischen Phänomen, mit dem sich rechnen lässt. Das subjektive Alter löst sich so vom gesellschaftlich kodierten Alter, wie auch das subjektive Zeiterleben von der Norm der physikalischen Zeit. Daher die verbreitete Irritation über den Begriff des Alters. Aus soziologischer Sicht sind die Unterscheidungen diverser Lebensalter gesellschaftliche Konstruktionen. Hier interessiert das demographische Altern, d.h. der zunehmende Anteil der Alten an der Bevölkerung und entsprechende Spekulationen dazu, welche Auswirkungen das zum Beispiel für das Elektorat hat oder ob es zu Generationenkonflikten kommt. Das Problem ist nicht die Zunahme älterer Menschen, sondern das Fehlen von ausreichend qualifiziertem Nachwuchs. Wir haben es in Deutschland und anderswo in Europa nicht mit einer „Überalterung“, sondern mit einer „Unterjüngung“ der Bevölkerung zu tun. Die Älteren werden anteilmäßig stark zunehmen und noch länger leben, aber kaum einen größeren Anteil am Volkseinkommen für sich in Anspruch nehmen können.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 4. Sozialpolitik und Bevölkerungsprozess (1990)
Zusammenfassung
Thema sind die Wechselwirkungen zwischen der Entstehung des Wohlfahrtsstaates und dem demographischen Wandel. Sozialpolitik wirkt als kumulativer Prozess sozialstaatlicher Intervention auf die ganze Bevölkerung, ihre Lebensperspektiven, Interessenlagen und Mentalitäten. Die Kollektivierung der Alterssicherung bei gleichzeitiger Familialisierung der Kosten der Nachwuchssicherung hat zu einem endogenen, Nachwuchs beschränkenden Umverteilungsmechanismus geführt, und es gibt gute Gründe für die Annahme, dass der Ausbau der Sozialpolitik sowohl für den Sterblichkeitsrückgang wie für den Geburtenrückgang im 20. Jahrhundert eine langfristig und nachhaltig wirksame Ursache darstellt. Durch sozialpolitisch gemeinte Interventionen entstehen zwei neue Versorgungsklassen – Kinder und Ältere, die von der Erwerbsklasse zu unterhalten sind. Das in vieler Hinsicht zweckmäßige Umlagesystem der Gesetzlichen Alterssicherung stößt an seine Grenzen, wenn von einer weitgehenden Konstanz der demographischen Altersstruktur nicht mehr die Rede sein kann.
Franz-Xaver Kaufmann

Familie

Frontmatter
Kapitel 5. Familie und Modernität (1988)
Zusammenfassung
Diese familiensoziologische Studie will zum Verständnis aktueller familialer Entwicklungstendenzen durch parallele Argumentation auf drei Ebenen beitragen: (1) empirischer Erhebungen über Veränderungen familialer Lebensverhältnisse und Einstellungen, also mit Bezug auf die Familie als Gruppe; (2) der Ebene des Wandels von Ideen und familialen Leitbildern, unter Einschluss der Rechtsnormen, also mit Bezug auf die Familie als Institution; (3) der Ebene makrosoziologischer Interpretationen des Verhältnisses von Familie und Gesellschaft, also mit Bezug auf Familie als ausdifferenzierten gesellschaftlichen Funktionsbereich. Was sich heute als krisenhafte Symptomatik familialer Lebensformen manifestiert, lässt sich auch als soziales Wirksamwerden des kulturellen Komplexes „Modernität“ im Bereich von Familie interpretieren. Die gegenwärtige geringe Geburtenhäufigkeit ist aus institutioneller Perspektive im Wesentlichen als Wirksamkeit des Normkomplexes verantworteter Elternschaft in Verbindung mit der ökonomischen Benachteiligung kinderreicher Familien und hohen Ansprüchen an die Kindererziehung zu begreifen.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 6. Strukturwandel der Familie – Eine soziologische Analyse (1997)
Zusammenfassung
Zur Erklärung des Strukturwandels von Ehe und Familie wird das Konzept der „strukturellen Rücksichtslosigkeit“ der modernen Gesellschaft gegenüber den Familien entwickelt. Dieses behauptet eine Indifferenz der Gesellschaft gegenüber dem Umstand, ob Menschen Verantwortung für den Nachwuchs übernehmen – oder eben nicht. Ehe und Elternschaft sind mit der Übernahme von Verpflichtungen verbunden, die von Seiten der übrigen Gesellschaftsbereiche nicht honoriert werden. So geraten Eltern in weit stärkere Zwänge als Kinderlose, um schlecht koordinierte Anforderungen aus verschiedenen Lebensbereichen aufeinander abzustimmen. Kinderlose werden durch das Zusammenspiel von Wirtschaft und Sozialpolitik laufend privilegiert. In der Folge kommt es zu einer Polarisierung zwischen Familien und kinderlos Lebenden. Die unentgeltlichen Investitionen der Familie sind nahezu doppelt so hoch wie die gesamten Sachinvestitionen unserer Volkswirtschaft. Es ist daher keine Übertreibung, zu behaupten, unser Wirtschaftssystem profitiere von den unentgeltlichen Leistungen der Familien parasitär. Ähnliches gilt auch für den Staat.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 7. Familiäre Konflikte und gesellschaftliche Spannungsfelder (1975)
Zusammenfassung
Dieser früheste familiensoziologische Beitrag fragt im Anschluss an René König, inwieweit die “Desintegration” der modernen Familie, d.h. ihre strukturelle Verselbständigung als Kleinfamilie im Zuge gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse auch ihre “Desorganisation”, d-h. ihre Instabilität als Lebensform fördert, Die moderne Familie ist im Unterschied zur vormodernen Hauswirtschaft zu einem spezialisierten, aber auch störungsanfälligen Lebenszusammenhang geworden, der unter der Drohung der Selbstauflösung steht. Die Stabilität der Paarbeziehung wird zur entscheidenden Grundlage der „isolierten Kleinfamilie“ Die moderne Familie ist zwar gesellschaftlich fest institutionalisiert, aber gleichzeitig ein recht verletzliches Gebilde. Familie lässt sich als ein tendenziell überlastetes gesellschaftliches Teilsystem begreifen, das aus sich selbst heraus nicht die genügenden Kräfte besitzt, um mit den Spannungen fertig zu werden, die aus der Dynamik anderer gesellschaftlicher Teilbereiche resultieren. Familienpolitik sollte es nicht um Eingriffe in die familiäre Privatsphäre gehen, sondern um Gestaltung der Umweltbedingungen und Teilhabechancen von Familien.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 8. Makrosoziologie und Mikrosoziologie der Familie – mehrebenenanalytische Perspektiven (2007)
Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden unterschiedliche Konzeptionen der Mehrebenenanalyse in der Familienforschung diskutiert: Urie Bronfenbrenners Konzeptualisierung der ökologischen Sozialisationsforschung, der pragmatische und wissenssoziologische Ansatz von Kurt Lüscher (und seiner Konstanzer Forschergruppe) sowie der wirkungsanalytische und sozialpolitische Ansatz der Bielefelder Forschungsgruppe um F.-X. Kaufmann. Letztere versteht die Familie als Instanz zur Kontrolle und Vermittlung von Umwelt, über die aber auch indirekte Einflüsse, z.B. sozialpolitische Interventionen, in den Sozialisationsprozess hineinwirken können. Diskutiert wird außerdem das Problem der Mehrebenenanalyse: Makrosoziologische Phänomene wie die Bevölkerungsentwicklung müssen mikrosoziologisch auch mit den Verhaltensänderungen der Menschen kombiniert werden.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 9. Lässt sich Familie als gesellschaftliches Teilsystem begreifen? (1994)
Zusammenfassung
Familie als soziales System zu verstehen, hat sich in den Sozialwissenschaften durchgesetzt, wobei stets die einzelne Familie als System interpretiert wird. Diese systemische Betrachtung wird hier auf die Gesamtheit der familialen Lebensformen angewendet. Strukturell (z.B. demographisch) lassen sich so soziale Gleichförmigkeiten erkennen, die im Rahmen der – makrosoziologisch gesehen – gesellschaftlichen Verfassung der Familie zu erklären sind. Ein Gemeinwesen, das sich zur Konzeption und Institutionalisierung familienpolitischer Maßnahmen bekennt, setzt implizit voraus, dass Familien ihn wie auch immer geartete gesellschaftliche Zusammenhänge verflochten sind, die einer politischen Beeinflussung offenstehen. Deshalb wird hier die Familie als ausdifferenzierte funktionsorientierte Makrostruktur in den Blick genommen.
Franz-Xaver Kaufmann

Familienpolitik

Frontmatter
Kapitel 10. Warum nicht Bevölkerungspolitik? (1983)
Zusammenfassung
Bevölkerungspolitische Argumentationen orientieren sich an der Optimierung demographischer Sachverhalte, ohne Berücksichtigung der politisch weit relevanteren außerdemografischen Gesichtspunkte. Deshalb bleiben handlungstheoretische Ansätzen in der Nationalökonomie wie in der Bevölkerungswissenschaft kurzschlüssig. Es kann kein einheitlicher Handlungsentwurf als entscheidend vorausgesetzt werden, es geht immer um mehrstufige politische Prozesse. Bei dem Problem, das heute unter dem Namen „Bevölkerungspolitik“ vergeblich an die Oberfläche politischer Legitimität drängt, geht es im Kern um die Frage der Entwicklungschancen von Familie in unserer Gesellschaft, bzw. um die Attraktivität familialer Karrieren für junge Frauen und Männer.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 11. Familiale Probleme und sozialpolitische Intervention (1982)
Zusammenfassung
Im Zentrum des Beitrags steht die Frage nach einer effektiven, erfolgreichen, zielgerichteten Familienpolitik. Staatliche Maßnahmen sind mit Bezug auf die individuelle Wohlfahrt grundsätzlich als ambivalent zu qualifizieren, da die Bedingungen ihrer Wirksamkeit von spezifischen und in hohem Maße variablen situativen Umständen abhängig sind. Deshalb fassen wir staatliche Politik zugunsten der Familie unter dem Gesichtspunkt sozialpolitischer Intervention, also als politischen Eingriff in bereits konstituierte soziale Verhältnisse auf, die ihrerseits auf derartige Interventionsversuche zu reagieren und deren Erfolg bzw. Misserfolg (sowie allfällige Nebenfolgen) zu beeinflussen vermögen. Vier Formen der staatlichen Förderung sozialer Teilhabe für Familien bzw. ihre Mitglieder werden unterschieden: Rechtliche, ökonomische, ökologische und pädagogische. Der Sinn gerade dieser Typisierung beruht auf der Einsicht, dass sie Maßnahmen in der Perspektive ihrer Wirkungsweise und damit auch von deren Erfolgsbedingungen zusammenfasst.
Alois Herlth
Kapitel 12. Familienpolitik im deutschen Sozialstaat (1989)
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird die Geschichte der westdeutschen Familienpolitik nachgezeichnet und die Regulierungsabsichten von Bundes- und Länderpolitik dargestellt. Die Darstellung konzentriert sich auf die Grundprobleme jeder Familienpolitik und auf die Art und Weise, wie Familie in den ersten 40 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik politisch berücksichtigt wurde.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 13. Familienpolitik in Europa (1993)
Zusammenfassung
Gegenstand des Beitrags sind die nationalen Eigenarten und internationalen Gemeinsamkeiten von Familienpolitik in Europa. Eine Schwierigkeit der Betrachtung ergibt sich, weil nicht alle Staaten eine explizite Familienpolitik verfolgen. Zur Familienpolitik sind alle Maßnahmen und auf sie bezogenen Diskurse zu zählen, die einen erkennbaren direkten Bezug auf die Gestaltung der institutionellen Voraussetzungen oder strukturellen Bedingungen der Entwicklung familialer Lebensformen aufweisen. Familienpolitische Argumentationsmuster werden systematisiert im Hinblick auf eine Analyse nationaler Familienrhetoriken. Am Beispiel Frankreichs, Deutschlands, Schwedens und Großbritanniens werden unterschiedliche Stile der Familienpolitik verdeutlicht.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 14. Familienberichterstattung in der Bundesrepublik (2007)
Zusammenfassung
Die Familienberichterstattung in der Bundesrepublik gehört zu den unterschätzten Quellen der sozialwissenschaftlichen Forschung, obgleich die Familienberichte „die repräsentativste Form des öffentlichen Nachdenkens über ‚Familie‘ in Deutschland“ darstellen und das Werk von Experten ihrer Zeit zum Ausdruck bringen. In dieser knappen Darstellung werden die Essentials des zweiten, dritten, fünften und siebten Familienberichts herausgearbeitet. Die Berichte der Sachverständigen sollten dem sich entwickelnden familienpolitischen Bewusstsein stets einige Schritte voraus sein. Das ist die Aufgabe der Sozialwissenschaften mit Bezug auf gesellschaftliche Praxis.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 15. Wie Familien zu helfen wäre (2006)
Zusammenfassung
Dieser der konkreten Familienpolitik nahe Beitrag betont, dass trotz wiederholter familienpolitischer Anläufe verschiedener Regierungen die relative ökonomische Situation von Haushalten mit Kindern im Verhältnis zu kinderlosen Haushalten im Laufe der letzten Jahrzehnte immer ungünstiger geworden ist. Neben strukturellen Gründen ist auch die kulturelle Auffassung einflussreich: Kinder gelten als Privatsache, die für sie getätigten Ausgaben als Konsum. von einer kollektiven Anerkennung der volkswirtschaftlichen Produktivität der Familien kann in Deutschland nicht die Rede sein. Weitgehend auf der Strecke bleibt in den familienpolitischen Debatten auch das Kindeswohl. Die Aufgabe des Staates sollte Politik der Nachwuchssicherung bestimmt werden und stärkere Koordination von Familien-, Migrations-, Jugend- und Bildungspolitik beinhalten.
Franz-Xaver Kaufmann

Generationen und Sozialstaat

Frontmatter
Kapitel 16. Generationsbeziehungen und Generationenverhältnisse im Wohlfahrtsstaat (1993/97)
Zusammenfassung
Generationsbeziehungen äußern sich in sozialen Interaktionen zwischen Angehörigen verschiedener familial definierter Generationen, Generationenverhältnisse dagegen sind das Ergebnis des Zusammenwirkens bestimmter Institutionen des Sozialstaates, die Zusammenhänge von Lebenslagen und Schicksalen unterschiedlicher Altersklassen vermitteln. Aufgrund der Verteilungswirkung sozialstaatlicher Maßnahmen ist es zu einer altersspezifischen Polarisierung der Erwerbsbeteiligung und zu einer asymmetrischen Entwicklung der Generationen gekommen, infolge derer die Finanzierung des Altenanteils immer schwieriger wird. Die hohe Akzeptanz des die alte Generation begünstigenden Verteilungsmusters beruht auf dem Umstand, dass alle Menschen Eltern und sonstige ältere Verwandte haben, von denen die meisten das Rentenalter erleben. Wachsende Spannungen hinsichtlich der Finanzierung der Alterssicherung dürften zu verbreiteten Desolidarisierungserscheinungen nur dort führen, wo die familialen Solidaritäten fehlen oder brüchig werden. Neben der Nachwuchssicherung und der Regeneration von Humanvermögen gehört somit auch die Erhaltung der intergenerationellen Solidarität zu den unverzichtbaren gesellschaftlichen Funktionen von Familie.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 17. Gibt es einen Generationenvertrag? (2003)
Zusammenfassung
In der Entstehungsphase des deutschen Sozialstaats und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Eingrenzung des Klassenkonflikts das Hintergrundthema aller sozialpolitischen Auseinandersetzungen. Im 21. Jahrhundert scheint die Eingrenzung des Generationenkonflikts eine ähnlich zentrale Aufgabe zu werden. Ursache ist das infolge der niedrigen Geburtenhäufigkeit aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnis zwischen den erwerbenden Generationen und den auf öffentliche Alterseinkommen angewiesenen Generationen. Die nachwachsenden Generation, welche die von vorangehenden Generationen hinterlassenen Verpflichtungen tragen sollen, erfahren geringe Beachtung und werden stetig kleiner. Folglich bedarf es spezifischer institutioneller Vorkehrungen, um eine nachhaltige, d.h. mindestens den Bestandserhalt der Generationen gewährleistende Nachwuchssicherung zu erreichen und den Rückgang an Humankapital mittelfristig auszubremsen. Der Generationenvertrag zwischen der Erwachsenen- und der Altengeneration ist so zu modifizieren, dass die volkswirtschaftliche Leistung der Kindererziehung äquivalent zu einer höheren Sparrate der Kinderlosen gilt.
Franz-Xaver Kaufmann
Kapitel 18. Der Wohlfahrtsstaat und seine Kinder: Bedingungen der Produktion von Humanvermögen (2003)
Zusammenfassung
Wie kann der Wohlfahrtsstaat kindergerechter gedacht werden? Der bundesdeutsche Wohlfahrtsstaat privilegiert seit Jahrzehnten die ältere Generation und scheut sich, Kinderlosigkeit kalkulatorisch bei der Finanzierung der Sozialversicherungen zu berücksichtigen. Kinder bleiben – verteilungspolitisch betrachtet – strukturell schwach; aus der Investitionsperspektive jedoch sind sie das Humanvermögen der Zukunft, auf das die heute Erwachsenen als alt gewordene angewiesen sein werden. Kinderpolitik zielt makrotheoretisch auf Nachwuchssicherung, mikrotheoretisch aber auf kindliche Wohlfahrt. Sie muss als Querschnittsaufgabe und als Mehrebenenpolitik, als Verzahnung von Leistungen des Staates, der sozialen Dienste und der Familien konzipiert werden. Die Entwicklung von Humanvermögen ist das Resultat des Zusammenwirkens der verschiedenen Einrichtungen. Familiale Vermittlungsleistungen sind ein Katalysator für das Wirksamwerden von Kinderpolitik. Kinderpolitik ist auch auf die Eltern angewiesen, wenn es darum gehen soll, wohlfahrtsstaatliche Leistungen wirksam werden zu lassen.
Angelika Engelbert
Kapitel 19. Eltern und Kinder in den Spannungsfeldern gefährdeter Sozialstaatlichkeit – auch eine Zusammenfassung (2008)
Zusammenfassung
Ausgehend von einer Kritik an der praktischen Familienpolitik in Deutschland werden Bedingungen und Ursachen für die mangelhafte Effektivität aufgezeigt. Als potentiell konsensfähige Zielvorstellung wird „Nachwuchssicherung“ vorgeschlagen, ein Konzept, das in zwei Dimensionen zu entfalten ist: Als Elternpolitik im Sinne einer Anerkennung von Leistungen der Eltern und zum den Abbau ihrer Benachteiligungen; und als Kinderpolitik im Sinne der Förderung der Entwicklungs-und Teilhabechancen von Kindern. Effektive Familienpolitik muss kinderreiche Familien gezielt fördern und vielfältigen Vorteilen von Kinderlosigkeit entgegenwirken. Die bisherige zersplitterte Erbringung von Leistungen für Familien und deren Finanzierung werden kritisch hinterfragt und deren Koordinierung über eine einheitliche Familienkasse mit eigener Rechtspersönlichkeit zur Diskussion gestellt, zumal diese auch eine öffentliche Agentur der Interessenwahrnehmung von Familien werden könnte.
Franz-Xaver Kaufmann
Backmatter
Metadaten
Titel
Bevölkerung – Familie – Sozialstaat
verfasst von
Prof. Franz-Xaver Kaufmann
Copyright-Jahr
2019
Electronic ISBN
978-3-658-23171-2
Print ISBN
978-3-658-23170-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-23171-2