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03.01.2023 | Bilanz | Gastbeitrag | Online-Artikel

Bankensektor steht vor einer Zeitenwende

verfasst von: David Makarov, Dr. Tim Laas

3:30 Min. Lesedauer

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Das Ende der Nullzinspolitik in Europa hat vielfältige Folgen für den Bankensektor: Einerseits drohen steigende Kreditrisiken und Wertminderungen, andererseits könnte das Kredit- und Einlagengeschäft eine neue Dynamik entfalten. Wie der Markt die aktuelle Gemengelage bewertet, offenbart eine Studie von Alvarez & Marsal. 

Die Studie bezieht sich auf börsennotierte Banken in den entwickelten Märkten Europas im Zeitraum September 2012 bis September 2022 und macht deutlich: Nach deutlichen Erholungen seit dem Corona-Tief im Juni 2020 ist der Börsenwert des europäischen Bankensektors im Zuge des Ukraine-Kriegs um 15,4 Prozent auf 890 Milliarden Euro zum September 2022 zurückgegangen. Davon entfallen 29 Milliarden Euro auf deutsche Banken, was einen Rückgang von 22,2 Prozent ausmacht. 

Empfehlung der Redaktion

2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Der deutsche Bankenmarkt

Deutschland ist "Overbanked"! So oder so ähnlich lautet das Urteil vieler, die
sich als Kenner der deutschen Bankbranche zu erkennen geben. Die Vielzahl
dieser Aussagen zielen dabei zum einem auf die große Anzahl an Bankinstituten und deren Zweigstellen ab, zum anderen jedoch auch auf den scheinbaren Renditemangel deutsche Kreditinstitute, insbesondere im Vergleich zu den angelsächsischen Wettbewerbern.

Die erzielte Gesamtrendite europäischer beziehungsweise deutscher Institute (definiert als Summe von Kursgewinnen und Dividenden) schlägt im laufenden Jahr zwar den europäischen und deutschen Aktienmarkt, ist aber mit 10,5 Prozent beziehungsweise 16,3 Prozent weniger deutlich im Minus.

Halbjahresergebnisse und Gewinnprognosen solide

Der Kursverfall mag überraschen, denn auf den ersten Blick stehen europäische und deutsche Banken gut da. Die Rendite auf das durchschnittliche Eigenkapital (ROE) der letzten zwölf Monate (LTM) ist im zweiten Quartal 2022 auf 8,7 beziehungsweise 4,2 Prozent gestiegen und befindet sich nahe dem Höchststand der letzten zehn Jahre.

Bei der Cost-Income Ratio (CIR) - definiert als Verhältnis der operativen Aufwendungen zu den Gesamterträgen vor Risikovorsorge (RV) - konnten deutsche Institute nach einer weiteren Kostensenkung Boden gegenüber der Konkurrenz aus Europa gutmachen. Der Rückstand bleibt jedoch mit 58,8 Prozent gegenüber 71,2 Prozent bestehen und liegt im Wesentlichen in den niedrigeren Margen im Zinsgeschäft und nicht in den höheren Kosten begründet.

Die RV deutscher Institute verharrte trotz des schwierigen ökonomischen Umfelds mit 0,27 Prozent unter dem Zehn-Jahres-Durchschnitt von 0,31 Prozent. Es scheint bemerkenswert, dass europäische Institute bei den Risikokosten (0,20 Prozent) nun marginal besser abschneiden als die deutschen. In den letzten zehn Jahren lagen deren Risikokosten höher und zwar bei durchschnittlich 0,54 Prozent. Die jüngste Trendumkehr liegt zum einen an der jahrelangen Restrukturierung des südländischen Bankensektors, zum anderen am höheren Russland-Exposure deutscher Banken.

Auch die Gewinnerwartungen beziehungsweise Konsensprognosen der Analystengemeinschaft für das Folgejahr (FY+2) sind seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs stetig gestiegen und betragen zum 30. September 2022 109,4 Prozent (europäische Banken) beziehungsweise 112,2 Prozent (deutsche Banken) des Ausgangswerts vom 23. Februar 2022. Hier sehen die Analysten nach einer Rückkehr der Zinsen langfristig höhere Margen im Kredit- und Einlagengeschäft der Geldinstitute. 

Zunehmend Verluste im Eigenkapital

Anders sieht es bei der Entwicklung der Kapitalausstattung aus. Hier mussten europäische Banken trotz solider operativer Ergebnisse einen Rückgang der harten Kernkapitalquote (CET1) von 15,8 Prozent im Juni 2021 auf 14,4 Prozent im Juni 2022 hinnehmen. Grund hierfür sind Abschreibungen im Handels- beziehungsweise Derivatebuch, die mit einem Anstieg der Zinsstrukturkurve einhergehen. Nach IFRS fließen diese Wertverluste zwar nicht durch die Gewinn- und Verlustrechnung der Banken, werden aber dennoch im Eigenkapital erfasst. Dies sorgt dafür, dass die Börsenwerte europäischer Banken unter Druck geraten. Anleger befürchten weitere Verluste in Hinblick auf die derzeit steigenden Marktzinsen. Hinzu kommen Warnungen der Bundesbank zu Verwundbarkeiten im Kreditbestand und der Aufruf zu einer umsichtigen Risikovorsorge aufgrund der angespannten konjunkturellen Lage. 

Eigenkapitalkosten auf Allzeithoch

Die Kombination aus einerseits fallenden Börsenkursen und andererseits ungetrübten Gewinnprognosen treibt die impliziten Renditeerwartungen (beziehungsweise Eigenkapitalkosten) der Institute in die Höhe. Zum September 2022 betragen diese 14,8 Prozent für europäische Banken beziehungsweise 17,4 Prozent p.a. für deutsche Banken. Den Kapitalkosten stehen die prognostizierte Eigenkapitalrentabilität (ROE) gegenüber. Für das Folgejahr (FY+2) beträgt diese 10,3 Prozent beziehungsweise 6,5 Prozent und lässt darauf schließen, dass die Banken - ungeachtet der verbesserten Ertragslage - weit davon entfernt sind, ihre Kapitalkosten zu verdienen.

Diese Entwicklung schlägt sich auch im Kurs-Buch-Verhältnis (P/B LTM) nieder, das für europäische beziehungsweise deutsche Institute auf 0,76x beziehungsweise 0,32x sinkt. Die niedrige Bewertung deutscher Institute spiegelt die höheren operativen Kosten (Aufwand-Ertrag-Verhältnis) und die geringere ROE wider. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinnerwartungen für das Folgejahr (P/E FY+2) fällt wiederum auf 6,2x beziehungsweise 4,8x und markiert ein Zehn-Jahres-Tief. Im Augenblick stehen für Investoren die Abwärtsrisiken aus einem Konjunktureinbruch im Vordergrund, während das Ertragspotenzial nach dem jüngsten Zinsanstieg in den Hintergrund zu treten scheint.

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