Skip to main content

29.05.2017 | Biomasse | Interview | Online-Artikel

"Restriktion von Biokraftstoffen setzt ein falsches Signal"

verfasst von: Günter Knackfuß

3 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …
Interviewt wurde:
Prof. Dr. sc. agr. Dr. h.c. Jürgen Zeddies

forscht am Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Hohenstein.

Biokraftstoffe haben einen großen Einfluss auf den Klimaschutz im Straßenverkehr und die Tierfutterproduktion. Prof. Zeddies erklärt im Interview die in einer Studie analysierten Zusammenhänge.

Springer Professional: Von welcher Basis beim Einsatz von Biokraftstoffen sind Sie in ihrer Studie ausgegangen?

Jürgen Zeddies: Biokraftstoffe umfassen im wesentlichen Bioethanol (1,2 Millionen Tonnen) und Biodiesel (2,3 Millionen Tonnen). Der Anteil am Gesamtkraftstoffverbrauch beträgt circa sechs Prozent. Dafür werden 3,2 Millionen Tonnen Rapssaat, 3,2 Millionen Tonnen Getreide und 3,1 Millionen Tonnen Zuckerrüben verarbeitet. Das sind immerhin 60 Prozent der deutschen Rapsernte, sieben Prozent der Getreideernte und 14 Prozent der Zuckerrübenernte. Mit 3,1 Millionen Tonnen Ölschrote und Getreideschlempe (Dried Distillers Grains with Solubles, DDGS) werden fast 40 Prozent des Gesamtverbrauchs an Sojaschrot gedeckt. Ausgehend von dieser Produktion 2015 haben wir unter anderem die Veränderungen bei steigender Treibhausgas-Minderungsverpflichtung (sechs Prozent ab 2020) berechnet.

Empfehlung der Redaktion

2017 | OriginalPaper | Buchkapitel

Konzeption einer Marketing–Strategie für nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe

Um die Treibhausgasemissionen des bundesdeutschen Transport- und Verkehrssektors deutlich reduzieren zu können, müssten Biokraftstoffe bis 2030 – je nach Szenario – zwischen 15 und 45 % des gesamten Kraftstoffbedarfs decken.

Was leisten Biokraftstoffe für den Klimaschutz?

Der Beitrag zur Triebhausgasminderung lag 2015 bei 6,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent. Im Jahr 2020 werden es 12,9 Millionen Tonnen sein, wenn die Mineralölindustrie sechs Prozent Treibhausgas-Minderung erbringen muss. Bezogen auf den Klimaschutzplan der Bundesregierung sind das 20 Prozent bei vorgesehen Einsparungen im Verkehr (60 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent). Dazu müssen insgesamt 5,2 Millionen Tonnen Biokraftstoffe eingesetzt werden. Bis 2020 gibt es praktisch keine Alternative, weil die Elektro-Mobilität gegenüber vergleichbaren Verbrennungsmotoren keine Treibhausgas-Minderung verspricht. 

Laut Proteinstrategie des Bundes bleibt auch die Nutzung in der Landwirtschaft wichtig?

Die wichtigsten Nebenprodukte der Biokraftstoffherstellung sind proteinreiche Futtermittel. Sie ersetzen Soja, sind außerdem gentechnikfrei. Raps und Zuckerrüben sind wichtige Kulturen in der Fruchtfolge: Sie erschließen die Nährstoffe tieferer Bodenschichten und verbessern die Wasserspeicherkapazität des Bodens. Ohne diese Kulturen gibt es in weiten Landsteilen nur Weizenmonokultur.

Gegenwärtig gibt es Diskussionen um die Treibhausgas-Quote. Wie ordnen sich die Biokraftstoffe dort ein?

Eine zentrale Rolle spielt die sieben Prozent Restriktion für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse. Bei 70 Prozent Treibhausgas-Effizienz erreicht man damit fünf Prozent Treibhausgas-Minderung. Mit abfallbasierten Biokraftstoffen aus Deutschland kommt man gerade so auf sechs Prozent Treibhausgas- Minderung. Das halte ich 2020 für möglich. Deutschland zieht diese abfallbasierten Biokraftstoffe aus benachbarten Staaten an, deshalb wäre eine Treibhausgas-Quote auch in den Nachbarstaaten sinnvoll. 

Welche Konsequenzen kann die neue EU-Richtlinie in diesem Zusammenhang haben?

Der Vorschlag der EU- Kommission sieht eine schrittweise Absenkung der sieben Prozent auf 3,8 Prozent bis 2030 vor. Der Anteil der Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse würde auf zwei Prozent zurückfallen, plus etwa ein Prozent aus abfallbasierten Kraftstoffen. Das wäre deutlich weniger als der jetzige Beitrag zum Klimaschutz.

Zu welchen Schlussfolgerungen sind sie insgesamt gekommen?

Man kann die Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse verbieten oder zurückfahren. Die Ziele des Klimaschutzplans 2030 erreicht man allerdings nur mit mehr Biokraftstoffen. Mit der Restriktion von sieben Prozent Biokraftstoffen aus der Anbaubiomasse wird ein falsches Signal gesetzt. Die Beschränkung ist aufzugeben. Neue Kraftstoffsorten E 20 und B 30 müssen stärker in den Markt gehen. Ziel muss es sein, in Deutschland acht Prozent Treibhausgas-Minderung und damit einen signifikanten Beitrag zum Treibhausgas-Minderungsziel 2030 von ca. 25 Prozent zu erreichen. Das geht mit Biokraftstoffen.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

23.11.2015 | Erneuerbare Energien | Interview | Online-Artikel

Sind Biokraftstoffe besser als ihr Ruf?

02.05.2017 | Biomasse | Schwerpunkt | Online-Artikel

Biomasse der 2. Generation großindustriell nutzen