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16.05.2019 | Biomasse | Interview | Online-Artikel

"Bioenergie systemdienlich im Energiesystem nutzen"

verfasst von: Nico Andritschke

5 Min. Lesedauer
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Interviewt wurden:
Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän

ist Leiterin des Departments "Bioenergie" beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Bereichsleiterin "Bioenergiesysteme" am Deutschen Biomasse­forschungszentrum (DBFZ). Sie ist Leiterin der Arbeitsgruppe "Bioenergie" im Akademienprojekt "Energiesysteme der Zukunft" (ESYS).

Prof. Dr. Gernot Klepper

forscht am Institut für Weltwirtschaft (IfW) der Universität Kiel und ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Klimakonsortiums. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe "Bioenergie" im Akademienprojekt "Energiesysteme der Zukunft" (ESYS).

Biomasse im Spannungsfeld zwischen Klima- und Energiepolitik. Prof. Dr.-Ing. D. Thrän und Prof. Dr. G. Klepper erklären, wie die energetische Nutzung von Biomasse nachhaltig gestaltet werden kann.

Springer Professional: Welche Rolle spielt die Bioenergie derzeit im Zuge der Energiewende in Deutschland und worin sehen Sie Vorteile im Vergleich zu anderen regenerativen Energiequellen?

Daniela Thrän: Schon heute deckt Bioenergie ein Zehntel des Energiebedarfs in Deutschland und liefert mehr Energie als Wind- und Wasserkraft, Solarenergie und Geothermie zusammen. Der Energieträger wird vielseitig im Energiesystem eingesetzt, beispielsweise als Biokraftstoff im Verkehr, zum Heizen oder zur Stromerzeugung. Da sich Bioenergie gut speichern lässt, eignet sie sich, um Schwankungen von Wind- und Sonnenenergie auszugleichen. 

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Bereitstellungskonzepte

Die Biomassebereitstellung ist der Abschnitt im "Lebensweg" der Biomasse, durch den sichergestellt wird, dass diese zur richtigen Zeit mit der geforderten Qualität und Quantität am Ort der jeweiligen Konversionsanlage (z. B. Feuerungsanlage für Hackschnitzel, Biogasanlage für Exkremente, Ethanolanlage für Zuckerrüben) verfügbar ist.


Wo sehen Sie Grenzen des Wachstums und ist der Erfolg der Energiewende letztlich überhaupt an den Ausbau von Bioenergie gebunden?

Gernot Klepper: Klar ist: Die Bioenergiepotenziale sind begrenzt. Je stärker der Mensch die Landnutzung ausweitet, desto größer wird der Druck auf Umwelt und Natur. Dabei stehen wir vor der Herausforderung, dass nur schwer abschätzbar ist, wie groß die weltweit nachhaltig nutzbaren Bioenergiepotenziale überhaupt sind. Schätzungen schwanken zwischen fünfzig Exajoule pro Jahr, was ungefähr dem heutigen Verbrauch entspricht, und mehreren hundert Exajoule pro Jahr. Ohne den Einsatz von Bioenergie wird die Energiewende nicht gelingen, da sind wir uns sicher. Uns geht es jedoch nicht darum, die Bioenergienutzung in Zukunft per se auszuweiten. Stattdessen schlagen wir vor, Bioenergie systemdienlich im Energiesystem zu nutzen: Sie kann dort eingesetzt werden, wo andere Erneuerbare versagen.

Die wachsende Nachfrage nach Anbaubiomasse verschärft die globale und regionale Landnutzung und die ökologischen Folgen der Intensivierung der Landwirtschaft. Dass die Energie nicht wirklich nachhaltig erzeugt wird, besteht als reale Gefahr. Wie beurteilen Sie daraus entstehende Wirkungen und sollte man sich nicht im Sinne des Kreislaufgedankens auf die Verwertung von Rest- und Abfallstoffen beschränken?

Gernot Klepper: Richtig ist, dass es bei der Bioenergieproduktion ganz darauf ankommt, wie sie hergestellt wird. Bei der energetischen Nutzung von Waldholz und Agrarrohstoffen besteht das Risiko, dass die erhöhte Nachfrage nach diesen Stoffen irgendwo auf der Welt zur Abholzung von Wäldern führt. Wird das von den Wäldern gebundene CO2 wieder freigesetzt, ist dem Klima nicht geholfen. Diese globalen Effekte sind sehr schwer zu kontrollieren, solange es keine wirksamen, internationalen Regelungen für den Schutz der Wälder gibt. Wir empfehlen daher, Bioenergie vor allem aus Rest- und Abfallstoffen zu produzieren, zum Beispiel aus Restholz, Stroh und tierischen Exkrementen. Sie können risikoarm energetisch verwendet werden. Wenn wir die in Deutschland vorhandenen Potenziale heben, könnten Rest- und Abfallstoffe in Zukunft 13 bis 17 Prozent der Primärenergie decken.  

Biomasse ist vielfältig nutzbar, sei es zur Strom- und Wärmegewinnung oder als Treibstoff. Macht es Sinn, sich künftig mehr auf Bereiche zu konzentrieren, wo erneuerbare Energien an Grenzen stoßen?

Daniela Thrän: Auf jeden Fall. Wir glauben, dass Bioenergie in Zukunft anders genutzt werden wird als heute. Beispiels¬weise halten wir es nicht für sinnvoll, viel Strom aus Bioenergie herzustellen – das geht effizienter und kostengünstiger aus Windkraft und Photovoltaik. Strom aus Biomasse sollte nur genutzt werden, um wind- und sonnenarme Zeiten zu überbrücken. Langfristig sind Kraftstoffe für Flugzeuge, Schiffe und Schwertransporter ein wichtiges Anwendungsfeld für Bioenergie. Ein zweites sinnvolles Einsatzgebiet sind Industrieanlagen, die Prozesswärme benötigen, denn Biomasse und Biogas können auch bei hohen Temperaturen verbrannt werden.

Neben dem Ziel, die Erderwärmung weltweit auf max. 1,5 ° Grad Celsius zu beschränken, fordert der Weltklimarat IPCC, dass die Länder Maßnahmen zur Entnahme und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre ergreifen sollten. Damit rücken Technologien wie CCS und BECCS wieder ins Blickfeld. Deren Folgen sind unzureichend erforscht und die Technologien finden wenig gesellschaftliche Akzeptanz. Wie will man damit umgehen?

Daniela Thrän: Wir müssen uns dieser Diskussion stellen. Denn ohne der Atmosphäre CO2 zu entziehen und "negative Emissionen" zu erzeugen, schmälert Deutschland seine Chancen, die Klimaziele zu erreichen. Bisher bemängelt die Bundesregierung, dass ihr die wissenschaftliche Grundlage für eine umfassende Bewertung fehle. Um diese Lücke zu schließen, plädieren wir dafür, Technologien wie die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung mit CCS (BECCS) dringend genauer zu erforschen. Eingesetzt werden können sie allerdings nur dann, wenn sie auch von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert werden. Die gesellschaftliche Debatte über CO2-Entnahmetechnologien muss daher schnellstmöglich beginnen. Dazu schlagen wir vor, alle beteiligten Akteure in einer Dialogplattform zusammenzubringen, um mögliche Entwicklungspfade der Bioenergienutzung aus verschiedenen Perspektiven zu bewerten. 

Als Anreiz für eine klimafreundliche Herstellung und Nutzung von Bioenergie schlagen Sie die Ausweitung und Nutzung des CO2-Preises als Steuerungsinstrument auf alle Wirtschaftsbereiche vor, einschließlich Land- und Forstwirtschaft vor. Das birgt viel Konfliktpotenzial. Ist der Vorschlag umsetzbar?

Gernot Klepper: Mit dem Vorschlag versuchen wir den Spagat, Energie-, Ressourcen- und Landnutzung sowie Entsorgungswirtschaft integriert zu betrachten. Denn nur eine konsistente Klimaschutzpolitik, die diese Politikbereiche stärker miteinander verzahnt, schafft die notwendigen Anreize, damit alle Produkte aus Biomasse klimafreundlich hergestellt und genutzt werden können. Unser Ansatz, einen einheitlichen CO2-Preis zu etablieren, der alle Treibhausgase in allen Wirtschaftssektoren erfasst, ist daher nur konsequent.  

Wir sind uns bewusst, dass die Einführung eines globalen CO2-Preises derzeit unwahrscheinlich ist. Deshalb schlagen wir in unserer Stellungnahme weitere Instrumente vor. Zum Beispiel könnte eine Zertifizierung bei Biomasseimporten dazu beitragen, dass CO2-Mindesteinsparungen und weitere Nachhaltigkeitskriterien erreicht werden. Um die globale Entwaldung einzudämmen, müssten solche Vorgaben allerdings nicht nur für Bioenergie, sondern für alle land- und forstwirtschaftlichen Produkte gelten.

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