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04.04.2016 | Biomasse | Interview | Online-Artikel

"Wir verdeutlichen die Unverzichtbarkeit der Bioenergie"

verfasst von: Günter Knackfuß

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Artur Auernhammer

Landwirt Artur Auernhammer ist Mitglied des Bundestages und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands BioEnergie (BBE).

Noch fließen Benzin und Diesel in die Tanks - aber immer mehr Treibstoff stammt aus Pflanzen. Springer Professional sprach mit Artur Auernhammer über die Kraftstoffe der Zukunft.

Springer Professional: Ihr internationaler Fachkongress "Kraftstoffe der Zukunft" in Berlin hatte alle Kraftstoffe der Zukunft auf der Agenda. Für welche sehen sie die besten Chancen?

Artur Auernhammer: In erster Linie sind hier Biodiesel und Bioethanol zu nennen, da sie die weitaus größte Verbreitung und Marktreife haben. Über viele Jahre haben sich entsprechende Technologien entwickelt und wurden optimiert. Dadurch werden sie auch in den kommenden Jahren dominant sein, zumal nahezu die gesamte Treibhausgaseinsparung bei der Nutzung von Biokraftstoffen im Verkehrssektor durch Biodiesel und Bioethanol getragen wird. Aber auch Biomethan und sogenannte Biokraftstoffe der zweiten Generation aus verschiedenen Roh- und Reststoffen haben hier positive Entwicklungsperspektiven. Grundlegend gilt, dass es gegenwärtig und auch nach dem Jahr 2020 einen technologieoffenen Wettbewerb im Biokraftstoffsektor geben muss, in dem Biokraftstoffe der ersten und zweiten Generation einen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz leisten können.

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Biokraftstoffe

Für die Synthese von Biokraftstoffen kommen verschiedene Verfahrenswege infrage, nachfolgend soll dazu ein kurzer Überblick gegeben werden.Die aktuelle Diskussion um die Nachhaltigkeit und mögliche Verdrängungsmechanismen in Bezug auf die Lebensmittelindustrie wird hier ausdrücklich ausgeklammert. 


Deutschland steht als EU-Leitmarkt bei Biokraftstoffen jetzt vor neuen Herausforderungen. Welche sind das?

Wie alle anderen europäischen Märkte steht auch die deutsche Biokraftstoffindustrie vor der Herausforderung, mit den im September 2015 in Kraft getretenen Änderungen der europäischen Richtlinien Erneuerbare Energien (2009/28/EG) und Kraftstoffqualität (2009/30/EG) umzugehen. Fehlende Aussagen über den Zeitraum nach 2020 müssen bewertet und daran geknüpfte Investitionsentscheidungen für einen Marktausbau getroffen werden. Eine aktuell noch speziell für die deutsche Biokraftstoffindustrie geltende Herausforderung ist die zum 1.01.2015 eingeführte Treibhausgas Minderungspflicht für die Mineralölwirtschaft. Die Verpflichtung konnte mit einer geringeren Menge von Biokraftstoffen erfüllt werden, weil sich die Treibhausgasbilanz von Biodiesel und Bioethanol in jüngster Zeit deutlich verbessert haben. Die mit der Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes festgelegte Verpflichtung zur Treibhausgasvermeidung für die Mineralölwirtschaft ist aus Sicht der Branche daher nicht erst ab 2017 auf 4 Prozent anzuheben, sondern schon früher und dann schrittweise jährlich weiter steigend, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen. Diese stetige Anhebung ist essentiell für die Branche. Darüber hinaus ist es erforderlich, die Mineralölwirtschaft in der gesamten Europäischen Union zur Treibhausgasminderung zu verpflichten, damit nachhaltig hergestellte Biokraftstoffe flächendeckend zu mehr Klimaschutz im Verkehr beitragen können.

Immer wieder ist die Rede von einer Treibhausgasminderungspflicht für Kraftstoffe. Was kann man bis 2020 und danach erwarten?

Die Mineralölwirtschaft erreicht bereits heute durch die Beimischung von Biokraftstoffen hohe Treibhausgaseinsparungen. Durch die Einführung der THG-Minderungspflicht hat der Wettbewerb um die Treibhausgas-Effizienz der Rohstoffe bereits den erwünschten Effekt einer über alle Stufen beginnenden Optimierung ausgelöst. Die Mineralölwirtschaft ist seit dem 1.1.2015 gesetzlich verpflichtet, den Treibhausgasausstoß des von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffs um 3,5 Prozent zu senken. Die bisher erreichten Treibhausgas-einsparungen und die hohen Nachhaltigkeitsstandards der Biokraftstoffe als Ergebnis der gesetzlich vorgegebenen Anforderungen müssen ab 2020 weiterentwickelt werden. Deutschland hat mit der gesetzlich verankerten Zielvorgabe einer Treibhausgasminderung von 6 Prozent ab 2020 den Weg aufgezeigt.

Wie bewerten sie den Stand bei der Entwicklung von Biomethan?

Mit Biomethan aus Abfällen lassen sich klimaschädlicher Gase einsparen. Allerdings steckt die Marktentwicklung leider immer noch in den Kinderschuhen. Die Abfälle müssen zunächst im größeren Stile verfügbar gemacht werden. Ebenso ist der Erfolg von Biomethan auch vom nach wie vor schleppenden Ausbau der Erdgasinfrastruktur abhängig. Zudem gibt es einige ganz praktische administrative Hürden, die es noch zu überwinden gilt. Biomethan wird aus mehr als einem Stoff gewonnen, nämlich aus einem breiten Mix an Abfällen, und wird über das Erdgasnetz virtuell verteilt. Das unterscheidet es ganz erheblich von den flüssigen Biokraftstoffen, auf die jedoch alle Regularien bislang zugeschnitten waren. Diese Hemmnisse werden derzeit leider allzu zögerlich abgebaut, was die junge Marktentwicklung nahezu schon wieder im Keim zu ersticken droht.

Und wie sieht es bei Biokerosin aus?

Biokraftstoffe sind im Luftverkehr alternativlos, um langfristig eine Reduktion der THG-Emissionen herbeizuführen. Verschiedene Projekte haben in den letzten Jahren die Praxistauglichkeit von Biokerosin im Flotteneinsatz bewiesen. Eine Verbreitung von Biokerosin im weltweiten Flugverkehr ist auf gutem Wege. Als weltweit erster Flughafen beginnt Oslo mit der Belieferung von Biokerosin im regulären Flugbetrieb. Ab sofort können alle Nutzer des Flughafens der norwegischen Hauptstadt Kerosin mit einer Beimischung von nachhaltigem alternativem Flugkraftstoff tanken. Das Alleinstellungsmerkmal des neuen Angebots ist es, dass der Biokraftstoff in das bestehende Betankungssystem eingespeist und wie herkömmliches fossiles Kerosin getankt wird. Bisherige Tests wurden stets mit gesonderten Tankwagen durchgeführt, eine letztlich überflüssige Dopplung der Infrastruktur, wie man in Oslo jetzt beweist.

Welche wichtigen Ziele bestimmen ihre Verbandsarbeit in diesem Jahr?

Das Hauptziel der Verbandsarbeit in diesem Jahr ist es, die Bedeutung und Unverzichtbarkeit der Bioenergie im Strom-, Wärme- und Kraftstoffmarkt für eine erfolgreiche Energiewende und für einen nachhaltigen Klimaschutz gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Im Strombereich steht hier die EEG-Novelle 2016 im Fokus: hier ist es wichtig, zum einen insbesondere Anschlussregelungen für Bestandsanalgen für die Post-EEG-Zeit zu schaffen und zum anderen einen moderaten Zubau von Neuanlagen zu ermöglichen. Zudem ist es dringend notwendig, dass endlich auch der Wärme- und der Verkehrssektor integraler Bestandteil der Energiewende werden. Im Wärmemarkt kann die Bioenergie sowohl durch effiziente Einzelfeuerungen als auch durch leitungsgebundene Systeme passgenaue nachhaltige Lösungen bieten. Im Verkehrssektor müssen zertifiziert nachhaltige und in Europa hergestellte Biokraftstoffe im Rahmen der europäischen Dekarbonisierungsstrategie sofort und über das Jahr 2020 hinaus eine wichtige Rolle einnehmen und eine adäquate Marktperspektive erhalten. Dies sind die anstehenden Hauptaufgaben unserer Verbandsarbeit für 2016.  

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