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2005 | Buch

Bionik

Aktuelle Forschungsergebnisse in Natur-, Ingenieur-und Geisteswissenschaft

verfasst von: Dr. Torsten Rossmann, Professor Dr.-Ing. Cameron Tropea

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

In vielen Wissenschafts- und Technikzweigen ist der praktische Nutzen der Bionik anerkannt. Die Lösung technischer Probleme mit Hilfe biologisch motivierter Prinzipien wird erfolgreich praktiziert. Außen vor blieb jedoch bisher die Verständigung zwischen den beteiligten Wissenschaftszweigen.

Dieses Buch gibt einen aktuellen Überblick über die unterschiedlichen Forschungsfelder, angefangen von Optimierungsstrategien in der Robotik über Adaptive Beinprothesen, Informationsverarbeitung in natürlichen und künstlichen Systemen, Optimierungsstrategien in der Industrie bis hin zu Philosophischen Aspekten der Bionik. Somit unterstützt es erstmals einen Diskurs zwischen den Disziplinen und ermöglicht einen Austausch zwischen Forschern unterschiedlicher Fachgebiete. Die Beiträge sind allgemein verständlich geschrieben und wagen einen Blick in die Zukunft spannender Forschungsaufgaben.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Bionik im natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereich

Sprachlich beschriebene Dynamik und rekurrente Fuzzy-Systeme

Über die Jahrtausende hat sich die Sprache als effizienter Informationsträger herausgebildet. Neben der Mathematik eignet auch sie sich oft zur Beschreibung dynamischer Systeme und Prozesse in der Biologie, den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und der Technik. Die verbale Beschreibung ist einfacher zugänglich und verständlich. Die mathematische ist quantitativ und präzise. Durch eine neue Klasse dynamischer Systeme, den rekurrenten Fuzzy-Systemen, kann man beide Modellformen, die verbale wie die mathematische, gemeinsam gewinnen. In diesem Beitrag wird dies beispielhaft anhand eines ökologischen und eines technischen Prozesses illustriert.

Jürgen Adamy, Roland Kempf
Adaptronik — ein technischer Ansatz zur Lösung bionischer Aufgaben

Adaptronische Systeme bieten dem Maschinenbau völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten für Maschinen und Konstruktionselemente. Wesentlich und grundlegend neu ist hierbei, dass die bisher passive Struktur sich mit Hilfe geeigneter Aktor-, Sensor- und Regelelemente aktiv an die jeweilige Betriebsbedingung anpasst. Eine solche „intelligente“ Struktur arbeitet effizienter, ökonomischer und mit erhöhter Lebensdauer. Die Natur lebt uns solche adaptiven Systeme vor, z.B. passt ein Vogel seine Flügel ständig den Strömungsverhältnissen an. Die Bionik beschäftigt sich mit der Aufgabe, von der Natur zu lernen und diese Erkenntnisse in neue Konstruktionsprinzipien umzusetzen. Der vorliegende Artikel verdeutlicht das enorme Potential der Adaptronik zur Lösung dieser Aufgabe.

Thilo Bein, Holger Hanselka, Jürgen Nuffer
Microelectronics meets Bionics

Bioelectronics has been developing as a special subject since the middle of last century. Nowadays, more and more electrical theories and technologies are used for biology and medicine, which leads to the close cooperation between electrical engineers, biologists, medical scientists and physicists. The following text will give an introduction to the status of microelectronics nowadays, and how microelectronics technologies can be used for bionics.

Manfred Glesner, Hao Wang, Thomas Hollstein
Wirbelbildung hinter schlagenden Tragflächen

Das Projekt beschäftigt sich mit der experimentellen Analyse des Schlagflugs. Auftriebs- und Schuberzeugung durch den Flügelschlag sollen hierbei näher untersucht werden. Ziel ist die Gewinnung grundlegender Erkenntnisse auf dem Gebiet der instationären Aerodynamik sowie die Weiterentwicklung vorhandener Messtechnik für instationäre Untersuchungen. Zu diesem Zweck werden an einem vogelähnlichen flügelschlagenden Modell Kraftmessungen und Strömungsvisualisierungen im Windkanal vorgenommen.

Tatjana Hubel, Cameron Tropea
Infobionik — Entwurf einer menschzentrierten Benutzerschnittstelle

In vielen Wissenschafts- und Technikzweigen ist der praktische Nutzen der Bionik anerkannt. Die Lösung technischer Probleme mit Hilfe biologisch motivierter Prinzipien wird erfolgreich praktiziert. Maschinenbau, Architektur, Materialwissenschaft und andere profitieren vom sprichwörtlichen Blick über den Tellerrand. Die Vorteile einer Kooperation von Informatik und Bionik dagegen sind bislang nicht Gegenstand eines gesteigerten Interesses gewesen. Tatsächlich existiert ein großes Potential für Innovationen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. Im Rahmen diese Beitrags soll exemplarisch die Gestaltung einer biologisch motivierten Benutzerschnittstelle diskutiert werden.

Tobias Limberger, Max Mühlhäuser
Neurobionik — Prothetik, Biohybride und intelligente Algorithmen

Der Bereich der Neurobionik kann eingeteilt werden in die Neuroprothetik, die Biohybridelemente und den Rechenvorschriften, mit denen die Natur Informationsverarbeitung betreibt. In allen diesen Bereichen hat es in den letzten Jahren einen enormer Fortschritt gegeben, der hier anhand von verschiedenen Beispielen skizziert wird. Durch das zunehmende Verständnis der biologischen Elemente sowie den technische Fortschritt im Bereich Miniaturisierung und Materialien ist zu erwarten, dass die Neurobionik in den kommenden Jahren eine Führungsrolle in der bionischen Forschung beanspruchen wird.

Harald Luksch
Animal attachments: Minute, manifold devices. Biological variety — Basic physical mechanisms — A challenge for biomimicking technical stickers
Werner Nachtigall
Bionik im Bauwesen

Die Anwendung von Grundsätzen der Bionik im Bauwesen ist keineswegs eine zeitgeistige Tendenz. Beobachtungen in der Natur und Überlegungen zu ihrer technischen Verwertbarkeit werden seit hunderten von Jahren angestellt, bis sie Anfang der 60er Jahren von einem amerikanischen Luftwaffenmajor eher zufällig den Namen „Bionik“ erhielten. Der nachfolgende Bericht dokumentiert ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit zahlreiche Beispiele und wirft die Frage auf: Hat die Natur auf alle unsere technischen Problemstellungen ein „Patent“ parat? Anhand eines im Anschluss näher erläuterten Beispiels aus dem Bereich der Evolutionären Algorithmen soll aufgezeigt werden, wie leistungsfähig manche Phänomene der Natur sind und wie diese bei einer Optimierung von strömungsmechanischen Systemen innerhalb von Gebäudefassaden genutzt werden können.

Stefan Schäfer, Björn Briegert, Stefan Menzel
Laufbewegungen bei Roboter, Tier und Mensch: Analyse, Modellierung, Simulation und Optimierung

Die Wurzeln der Forschung zum Verständnis der komplizierten Laufprozesse bei Robotern, Tieren und Menschen liegen in der Biologie, der Medizin und den Ingenieurwissenschaften. In der Biologie und Medizin ist das Interesse u.a. durch die Diagnose und bessere Heilung von Laufproblemen und die Entwicklung intelligenter, aktiver Beinprothesen begründet. Die Ingenieurwissenschaften sind z.B. an Bau und Betrieb von Laufmaschinen zur Fortbewegung in unebenem Gelände und der Integration von interner und externer Sensorik und Motorik in die zielorientierte Planung und Steuerung der Laufbewegung autonomer Roboter interessiert. Für alle diese Untersuchungen sind Modellierung und Simulation der Dynamik des Laufens von zentraler Bedeutung.

Maximilian Stelzer, Oskar von Stryk
Ein bionisches neuronales Netz zur Periodizitätsanalyse

In diesem Kapitel wird ein neuronales Modell zur Verarbeitung von Schallsignalen eingeführt. Das Periodizitäts-Analyse-Netzwerk (PAN) ist ein bioinspiriertes neuronales Netzwerk spikender Neurone. Das PAN besteht aus komplexen neuronalen Modellen, die für die Untersuchung der Dynamik von einzelnen Neuronen und neuronalen Netzen benutzt werden können. Das Netzwerk kann Eigenschaften der Grundfrequenz von harmonischen Schallsignalen verarbeiten. Daher kann das PAN-Modell in klassischen schallverarbeitenden Anwendungen eingesetzt werden, wie z.B. zur Trennung von Schallquellen, zur Periodizitätsanalyse und zur Lösung des Cocktail-Party-Problems.

Kyriakos Voutsas, Gerald Langner, Jürgen Adamy, Michael Ochse

Bionik im gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich

Zirkulierende Körperstücke, zirkulierende Körperdaten: Hängen Biopolitik und Bionik zusammen?

Der Beitrag wirft eine Frage auf und verfolgt sie mit Hilfe einer Geschichte von Beispielen. Es handelt sich um eine philosophisch-politische Frage: Hängen das, was den Namen Bionik trägt, und das, was wir allgemein Biopolitik nennen, zusammen? Meine Überlegungen dienen ganz allgemein einer Ortsbestimmung der Bionik. Sie versuchen auch zu klären, was überhaupt man unter „Biopolitik“ verstehen kann. In beiden Fällen verstehen sie sich als ein Beitrag der Philosophie zu einem interdisziplinären Zusammenhang.

Petra Gehring
Was ist TechnoWissenschaft? — Zum Wandel der Wissenschaftskultur am Beispiel von Nanoforschung und Bionik

Bionik und Nanoforschung setzen auf synergetische Effekte aus neuen disziplinären Konstellationen. Indem ihre Problemstellungen über traditionelle Forschungszusammenhänge hinausgehen, stehen Bionik und Nanoforschung als „TechnoWissenschaften“ womöglich für einen grundsätzlichen Wandel der Wissenschaftskultur. Die Feststellung eines derartigen Wandels setzt eine historische Perspektive voraus, die angesichts einer gegenwärtig erst im Aufbruch befindlichen Forschung noch gar nicht zur Verfügung steht. Die These vom Wandel der Wissenschaftskultur kann hier also noch nicht abschließend begründet, aber wenigstens plausibel gemacht werden: Stellt das traditionelle Wissenschaftsverständnis die Formulierung und Prüfung von Theorien und Hypothesen in den Vordergrund, zeichnen sich die TechnoWissenschaften durch ihr qualitatives Vorgehen bei der Aneignung neuer Handlungs- und Eingriffsmöglichkeiten aus.

Alfred Nordmann
Bionik und Interdisziplinarität
Wege zu einer bionischen Zirkulationstheorie der Interdisziplinarität
Jan C. Schmidt
Technologie- und marktorientierte Entwicklung von Bionik-Produkten

Lernen von den biologischen Systemen der Natur im Bereich der Technik wird durch Wissen aus der Betriebswirtschaftslehre gefördert. Durch Markt- und Kompetenzorientierung steigen die Erfolgschancen. Dabei kommt der Kompetenz im Kooperationsmanagement in den interdisziplinären Projekten der Bionik-Forschung große Bedeutung zu. Eine geeignete Methode zur Auswahl von Innovationsfeldern ist der Darmstädter Ansatz eines Innovationsfeld-Portfolios. Bei der Entwicklung von Bionik-Produkten sind Anforderungen aus allen Lebensphasen eines Produkts zu berücksichtigen. Für die Steuerung des Ablaufs der Innovationsprojekte stehen Stufenmodelle der Produkt- und Prozessentwicklung zur Verfügung.

Günter Specht
Industriedesign für nachhaltige Produkte, was bringt Bionik?

Mit der Industrialisierung und der fortschreitenden Arbeitsteilung im 19. Jahrhundert begann die Trennung von Entwurf und Realisierung. Industriedesign befasst sich mit der ganzheitlichen Planung und Gestaltung von Produktqualitäten im Prozess der Entwicklung hinsichtlich der Mensch-Produkt-Beziehungen. Die Anmutung des Produktes ist dabei nur ein Gestaltungsaspekt. Sie soll sinnlich wahrnehmbar Qualitäten und wesentliche Merkmale des Produktes widerspiegeln. Beim Industriedesign erlangt die Optimierung der Mensch-Produkt-Interaktion und der Produkt-Umwelt-Integration zunehmend Bedeutung. Knapper werdende Ressourcen lassen es sinnvoll erscheinen, zunehmend intelligente Produkte und Technologien zu konzipieren, deren Material- und Energiebilanz komplex betrachtet und auf minimalen Verbrauch hin optimiert wird. Ähnlich wie in der Natur sind auf diese Weise technische und biologische Kreisläufen ohne schädliche Nebenwirkungen zu organisieren. Bionik ist ein probates Werkzeug, mit dem Prozesse und Lösungen der Natur in technische Anwendungen transformiert werden können. Bionik-Design ist damit mehr als der Transfer von Anmutungen und die Anwendung von Lösungen aus der bionischen Forschung. Es geht um komplexe Prozess- und Produktplanung für nachhaltiges Wirtschaften.

Ulrich Wohlgemuth

Didaktik und Methodik der Bionik

Lectus CV — „Bionik trifft Adaptive Ergonomie“

Maschinenbaustudenten entwickelten in einem Studentenprojekt den Liegestuhl „Lectus CV“ nach folgenden Visionen: 1. individuelle Körperformanpassung; 2. revolutionärer Liegekomfort; 3. innovatives Gestelldesign; 4. Flexibilität für gehandicapte Menschen. Das bionische Vorbild des Stuhles ist die menschliche Wirbelsäule. Wie das menschliche Gegenstück besitzt die Liege Wirbelkörper um die Rückenlehne einzustellen. Das Problem der Höhenverstellung der Sitzfläche wird durch zusammenziehbare Rippen gelöst. Ein weiterer wichtiger Teil des Stuhles ist die Matratze. Sie ist denen ähnlich konstruiert, welche im Rettungsdienst für den schonenden Transport und die Rettung von Patienten eingesetzt werden. Dabei spielt die Füllung aus Schaumstoffkügelchen die tragende Rolle.

Matthias Breitenfeld, Aike Ulrich
Interdisziplinarität: „Kritisches“ Bildungsprinzip in Forschung und Lehre

Interdisziplinarität ist mehr als ein Begriff für die Zusammenarbeit von Disziplinen. Interdisziplinarität markiert nämlich die Wundstelle unserer Wissenschaftsverfassung und ist zugleich aber auch der Ansatzpunkt für die theoretische und praktische Revision in der Entwicklung unserer technologischen Zivilisation. Der Beitrag entfaltet daher Interdisziplinarität als kritisches, der Humanität verpflichtetes Bildungsprinzip von Wissenschaft und Technik in Forschung, Lehre und gesellschaftlicher Praxis. Er beschreibt damit den durch die Bionik visierten Paradigmenwechsel und fordert zugleich die volle Entfaltung des interdisziplinären Charakters der Bionik ein, was veranlasst, gerade auch die „soziobionische“ Dimension des Projekts zu beachten.

Peter Euler
Naturorientierte Innovationsstrategie — Entwickeln und Konstruieren nach biologischen Vorbildern

Entwicklungsteams orientieren sich noch zu wenig an den Evolutionsgesetzmäßigkeiten und Strukturprinzipien biologischer Systeme. Dabei könnte das Orientieren an den Gesetzmäßigkeiten der Evolution biologischer Systeme sowie an den effizienten Funktions-, Struktur- und Organisationsprinzipien der lebenden Natur vielfältige Anregungen für neue Produktideen liefern. Aus diesem Grund konzipierte der Autor dieses Beitrages eine Konstruktionsbionik, die dem Entwicklungsingenieur hilft, die lebende Natur systematisch und zielgerichtet als Inspirationsquelle zu nutzen.

Bernd Hill
Die Untersuchung des Lokomotionsapparates von Fischen mit der ‘Transduktions-Methode’
Konstruktions-Biologie und Biomechanische Konstruktion technischer Apparate

Es werden die einzelnen Schritte der neuen Transduktions-Methode dargestellt. Sie führen von einer biologischen Untersuchung der Morphologie eines Fisch-Körpers und über Abbildungen der Morphologie zu abstrahierten technischen Zeichnungen. Diese werden mit CAD-Programmen weiter ausgearbeitet. Ziel ist es Konstruktionsunterlagen für bionische Konstruktionen zu erstellen.

Bernhard Köhler
"Biomechanical Animal Design" — ein neues Praktikums-Modell

An der TU Darmstadt wurde im Rahmen eines Semesterpraktikums die Übertragung morphologischer Untersuchungen des Bewegungsapparates einer Forelle in ein biomechanisches Modell nach der Transduktionsmethode [3] durchgeführt. Das Praktikum gliederte sich in drei Teile. Im ersten Teil wurde die Anatomie des Bewegungsapparates einer Forelle untersucht und gezeichnet. Im zweiten Abschnitt wurden diese Handskizzen mit Hilfe eines CAD-Programms in CAD-Skizzen übertragen. Diese dienten im dritten Teil als Grundlage für die Konstruktion eines dreidimensionalen Modells.

Bernhard Köhler, Doris Schmidt, Wolfgang Kilkowski, Martin Zeuch, Torsten Rossmann

Biomedizintechnik

Titan in der Gelenk- und Zahnprothetik: Verschleiß und Ermüdung als lebensdauerbegrenzende Faktoren

Reintitan und einige Titanlegierungen werden als Ersatz für mechanisch hochbelastete Teile in den menschlichen Körper eingebaut. Die positiven Eigenschaften wie exzellente Biokompatibilität und hoher Korrosionswiderstand werden in einigen Anwendungen durch unzureichende mechanische Stabilität eingeschränkt. Diese Problematik wird an zwei Beispielen aufgezeigt: Bei Gelenkprothesen führt häufig der Verschleiß bei Reibung gegen den als Gegenkörper eingesetzten Kunststoff zum Ausfall. Durch Ionenimplantation von Stickstoff und Kohlenstoff wird der Verschleißwiderstand wesentlich erhöht. Im Zahnersatz wird ein Unterbau aus Titan aus ästhetischen Gründen und zum Verschleißschutz durch eine Keramikauflage verblendet. Kritisch für den Einsatz ist, ob diese Maßnahmen andere Eigenschaften, und zwar vor allem die Ermüdungslebensdauer und den Korrosionswiderstand, in nicht zulässigem Maß verändern. Forschungsergebnisse, die in Zusammenarbeit verschiedener Institutionen gewonnen wurden, lassen Schädigungsmechanismen besser verstehen und liefern die Grundlage zu Verbesserungen und neuen Anwendungen von Titanwerkstoffen in der Humanmedizin.

Eckart Exner, Clemens Müller, Harald Schmidt
Tieftemperaturkonservierung lebender Bioproben — Kryotechnologieplattform für die Biotechnologie und Medizin

Zellen spezieller Ausprägung, insbesondere Stammzellen sind die Hoffnungsträger der Biotechnologie und regenerativen Medizin. Man will sie in immer komplexer werden Prozeduren, Kultivierungs- und Behandlungsverfahren sowie in kombinatorischer Weise zusammenfügen und medizinisch wie großtechnisch nutzen. Eine derartige Biotechnologie benötigt eine umfangreiche Lager- und Verfügbarhaltung. Da sich lebende Zellen permanent verändern, muss auch dieser Prozess auf molekularer Ebene angehalten werden, will man definiertes Zellmaterial verwenden. Im Bereich höherer Zellen gelingt dies seit Jahrzehnten über die Tieftemperaturkonservierung und Lagerung von Proben in Kryotanks, die sich weltweit zu immer größer werdenden Kryobanken formieren. Die Kryotechnologie ist jedoch auf den zu erwartenden enormen Lagerbedarf kaum vorbereitet. Im nachfolgenden Artikel werden neue Ansätze und bereits fertige Lösungen, die eine effektivere, kostengünstigere und automatisierbare Lagerung großer Probenmengen sowie ihre risikofreie Teilentnahme bei gleichzeitig verwechslungssicherer Datenverwaltung ermöglichen, vorgestellt. Mit diesem Technologieportfolie wird es möglich, auch grundlegende Fragen der Kryobiophysik erneut aufzugreifen und neue Kryoprozeduren zu entwickeln. Der Miniaturisierung und elektronischen Datenspeicherung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Günter R. Fuhr
Mikro-Elektromechanische-Systeme in der Medizintechnik - Projektkanon am Institut für Elektromechanische Konstruktionen (EMK)

Es gibt medizintechnische Innovationen, die an das Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit gelangen: Die bildgebenden Verfahren des Computertomographen oder der Magnetresonanztomographie gehören mit Sicherheit dazu. Auch Produkte aus der konservativen Medizin werden von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen: Aspirin ist ein quasi historisches Produkt dieser Sparte. Doch Medizintechnik besteht nicht nur aus großen Innovationen. In der Regel bedarf es vielmehr einer Unzahl kleiner Verbesserungen in diagnostischen und therapeutischen Systemen, welche eine sicherere Erkennung von Krankheiten und eine zuverlässigere Behandlung ermöglichen. Auf diesem Feld innovativer Kleinprodukte mit Schwerpunkt Sensor- und Sensor-Aktorsysteme forscht das Institut für EMK. Dieser Artikel gibt einen Überblick über unsere Projekte in der minimal-invasiven Chirurgie, der Kathetertechnologie, der Endoskopie sowie der Diagnostik auf Basis von Druckmessung bei unterschiedlichen Indikationen.

Thorsten Kern, Roland Werthschützky, Helmut F. Schlaak
Tumortherapie mit Ionenstrahlen

Die Therapie mit schweren Ionen ist eine logische Fortsetzung der Konformitäts- und Wirkungssteigerung der konventionellen Strahlentherapie mit anderen Mitteln. Schwere Ionen wie Kohlenstoff bieten die bestmögliche Dosisverteilung, kombiniert mit einer Wirkungssteigerung, die auf das Zielvolumen konzentriert bleibt. Die Produktion von Positronen-Emittern durch den Kohlenstoffstrahl gestattet es, den Therapie-Strahl nicht-invasiv im Patienten zu verfolgen und damit Bestrahlungsfehler zu vermeiden. Erste Ergebnisse der Kohlenstofftherapie an der GSI zeigen hervorragende Erfolge, ebenso wie ähnliche Bestrahlungen in Chiba, Japan. Deshalb sind weitere Kohlenstoff Therapie-Einheiten geplant und in Vorbereitung.

Gerhard Kraft
Analyse und Repräsentation akustischer Signale im Hörsystem

Sprachsignale enthalten Frequenzen bis über 10 kHz, der optimale Arbeitsbereich von Nervenzellen in unserem Hörsystem, die diese Information verarbeiten müssen, liegt aber unter 100 Hz. Eine wichtige Funktion des Hörsystems besteht daher offenbar darin, die hohen Frequenzen in niederfrequente oder sogar räumliche Information zu übertragen. Dementsprechend werden akustische Signale im Innenohr nicht nur nach Frequenzbereichen zerlegt, sondern auch durch zeitliche Intervalle von Nervenimpulsen repräsentiert. Durch die zentralnervöse Verarbeitung wird diese Information in Ortsinformation transformiert, d.h. Nervenzellen in neuronalen Karten im Mittelhirn und im Cortex signalisieren durch ihre relative räumliche Position die Frequenz- und Zeitinformation der repräsentierten Signale.

Gerald Langner
Mit Stammzellen und Tissue Engineering zu Netzhautimplantaten

Das

Tissue Engineering

befasst sich mit Verfahren der Gewebezucht und künstlichen Organbildung. Dieses zukunftsträchtige Feld der Biomedizintechnik vereinigt Aspekte der Bionik wie auch der Nanobiotechnologien. Es wird ein Überblick gegeben, wie

Tissue Engineering

zur Herstellung von künstlichen Implantaten, aber in Zukunft vor allem zu lebendem Ersatzgewebe führen kann, und wohin dieser riesige Markt in der Biomedizin mit Hilfe der Stammzellbiologie gehen könnte. Vorzüge und Nachteile von embryonalen Stammzellen werden mit denen von adulten verglichen. Am Beispiel der Erblindung werden zuerst elektronische, und dann biologische Ansätze zur Herstellung von Netzhautimplantaten vorgestellt. Während verschiedene Retina-Mikrochips technologisch hochinteressant sind, lässt nur das

Tissue Engineering

der menschlichen Retina langfristig auf eine echte Heilung hoffen. Um dieses Ziel der

regenerativen Medizin

zu erreichen, ist Grundlagenforschung an der embryonalen Retina von Huhn und Maus notwendig.

Paul Gottlob Layer
Funktionelle Behandlung von Kreuzbandverletzungen als Beispiel für angewandte bionische Medizin

Anatomie und Funktion des vorderen Kreuzbandes (vKB), Verletzungsmechanismus und Diagnostik, biologisch-technische Gesichtspunkte der funktionellen Behandlung von Kreuzbandrissen mit anschließender beschleunigter Rehabilitation werden dargestellt. Trotz aller Fortschritte innerhalb von 100 Jahren Kreuzbandchirurgie sind die Ergebnisse nur in 80% so erfolgreich, dass volle Belastungsfähigkeit und uneingeschränkte Sportfähigkeit wiederhergestellt werden. Mit Navigation und mit Verwendung „bioaktiver“ Substanzen wird eine weitere Optimierung der Behandlungsergebnisse verfolgt.

Kurt-Alexander Riel
Ion channels as functional components in sensors of biomedical information

The membranes of eukaryotic and prokaryotic cells contain proteins which function as ion channels. The activity of these ion-conducting enzymes is regulated by a variety of physical and chemical factors. In this sense these proteins are ideal components for bio-sensing devices, because they are able to convert the presence of analytes into electrical signals. The present article presents some conceptional and technical aspects on the application of ion channels in bio-sensing. These aspects are discussed in the context of recent advances in the molecular understanding of ion channel structure and function.

Gerhard Thiel, Anna Moroni
Neuronale Mechanismen der Entstehung von Tinnitus

Das Phantomgeräusch Tinnitus ist eine Hörempfindung, die nicht durch ein akustisches Signal ausgelöst wird. Unsere Untersuchungen legen nahe, dass eine dem Tinnitus entsprechende Nervenzellaktivität durch Selbstaktivierung der Hörgebiete im Gehirn entsteht. Vermutlich handelt es sich dabei um neuronale Mechanismen wie Hemmung und nichtlineare Rückkopplung, die normalerweise die Dynamik und Selektivität des Hörsystems steuern. Diese Mechanismen werden unter anderem zur Kompensation eines Hörschadens genutzt, und offenbar geschieht ihre notwendige Feinabstimmung durch die Aktivierung emotions- und aufmerksamkeitssteuernder Gehirngebiete. Wird die Rückkopplung unter Stresseinfluss übermäßig stark, könnte es in den Hörgebieten des Großhirns zur Überkompensation des Hörschadens und damit zu einem Tinnitus zu kommen.

Elisabeth Wallhäusser-Franke, Gerald Langner

Biomechanik

Magnetrezeption bei Brieftauben

In sechs Feldern der Oberschnabelhaut der Brieftaube befinden sich sensorische Nervenendigungen mit zweierlei eisenhaltigen Komponenten, die die Basis für die primären Rezeptorprozesse bei der Magnetfeldwahrnehmung darstellen könnten. Beim gegenwärtigen Stand der Forschung wird in einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Neurobiologen und Geo-Materialwissenschaftlern versucht, mit Hilfe von ortsauflösenden physikalischen und immunhistologischen Methoden die quantitativen und qualitativen Beziehungen dieser komplexen Strukturkomponenten zueinander und zur perzipierenden Membran aufzuklären, um eine magnetische Funktionalität nachzuweisen. Damit könnte es zum ersten Mal gelingen, am Beispiel der Brieftaube ein magnetfeldempfindliches Organ im Tierreich zu identifizieren. Dieses ist die Grundlage für die Orientierung anhand von Magnetfeldparametern.

Gerta Fleissner, Branko Stahl
Mechanical stress as the main factor in skull design of the fossil reptile Proterosuchus (Archosauria)

Biomechanical methods reveal construction principles in natural structures. To understand the process of shaping in the skeleton of vertebrates we assume that mechanical constraints are one of the most important factors. We begin by testing this hypothesis with simple models, which are analyzed using the Finite-Element- Method (FEM) with only minor basic rules for support and force initiation. The aim of this study of the crocodile-like fossil

Proterosuchus

is to obtain a simplified model, which is, in shape and internal structure, as close as possible to the natural counterpart. Our results of the virtual 2D- and 3D-model allow us to predict the origin of natural structures. This leads to a possible reconstruction of the soft tissues in the skull of

Proterosuchus

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Torsten Rossmann, Ulrich Witzel, Holger Preuschoft
Biodynamische Modellierung des Menschen — Anwendung ingenieurwissenschaftlicher Methoden auf das biologische System Mensch

Das Ziel biodynamischer Modelle ist die Simulation des menschlichen Schwingungsverhaltens. Die experimentellen und numerischen Menschmodelle liefern mechanische Größen, die die Grundlage für die Beurteilung von Ganzkörperschwingungen und deren Auswirkungen auf Gesundheit und Komfortempfinden des Menschen darstellen. Es werden zwei Ansätze, der phänomenologische und der anatomiebasierte, vorgestellt. Die unterschiedlichen Vorgehensweisen und Verwendungszwecke werden anhand eines Hardware-Schwingungsdummys und eines Software-Dummys, einem dynamischen Finite-Elemente-Modell, veranschaulicht.

Sebastian Rützel, Horst Peter Wölfel
Neue Prüfkonzepte für Primärstabilität und Dauerfestigkeit mandibulärer Osteosynthesesysteme sowie für mathematische Modelle des Kausystems

Zur Prüfung mathematischer Modelle des Kauapparates sowie der Primärstabilität und des Ermüdungsverhaltens entsprechender Osteosynthesesysteme wurden viele verschiedene Methoden publiziert. Im Gegensatz zur unteren Extremität sind wesentliche biomechanische interne Einflussgrößen des Kausystems, wie funktionelle Lasten, unzureichend erforscht und nachgewiesen. Folglich wurden bisher keine Normen zur Prüfung von Osteosynthese- und Rekonstruktionsplatten am Unterkiefer formuliert. Hier wird als Zwischenergebnis von sechs Jahren intensiver theoretischer und praktischer Forschungsarbeit ein multifunktioneller Prüfaufbau anhand relevanter klinischer Beispiele vorgestellt.

H. Schieferstein, S. Eichhorn, E. Steinhauser, R. Sader, H.-F. Zeilhofer
Prinzipien und Merkmale gelungener Bewegungen

Gelungene Bewegungen im Sport faszinieren seit jeher die Menschen. Für die bewegungswissenschaftliche Forschung stellt sich die Frage, wie ein so komplexes System von Freiheitsgraden wie das menschliche Bewegungssystem auf so elegante, ökonomische und effiziente Weise koordiniert werden kann. Als Antwort auf diese Frage werden verschiedene Optimierungsfunktionen, Ökonomie- und Effizienzkriterien sowie biomechanische Prinzipien diskutiert. Die verschiedenen Optimierungsfunktionen und Ökonomie- bzw. Effizienzkriterien haben den Vorteil, dass auf ihrer Grundlage Simulationen möglich sind. Biomechanische Prinzipien sind allgemeine Grundsätze, die als Richtlinien für zweckmäßige Bewegungen dienen können.

Josef Wiemeyer
Langfristige Verankerung künstlicher Gelenke — kann das gut gehen?

Schmerzhafte Gelenkdefekte, insbesondere an den großen Gelenken, werden mit Endoprothesen in der Regel erfolgreich operativ versorgt. Diese technischen Systeme besitzen aber im Gegensatz zu biologischen Strukturen keine regenerativen Eigenschaften und ihre Verschleißrate ist weitaus größer. Damit ist die Funktionsdauer der Endoprothesen relativ zur Lebenserwartung des Menschen begrenzt. Zusätzlich liegt ein Verbundsystem zwischen unbelebter und belebter Materie vor. Der lebende Knochen reagiert auf die Form, die Oberflächenbeschaffenheit und das Material des Implantats und vor allen Dingen auf die mechanischen Spannungen an der Implantat-Knochengrenze. Diese Spannungen müssen nach dem Wolffschen Transformationsgesetz der Knochen im Rahmen eines physiologischen Niveaus liegen, um nach erfolgreicher Primärstabilität durch einen Kraftformschluss eine dauerhafte Sekundärstabilität des Implantats im knöchernen Lager zu garantieren. Mit der Methode der finiten Elemente (FEM) ist es möglich geworden, nach einer virtuellen Implantation Berechnungen der mechanischen Spannungen in einem knöchernen Implantatlager durchzuführen und Spannungsverteilungen in beliebigen Schnitten des dreidimensionalen Knochen-Strukturmodells auszuwerten. Ebenfalls knöchernen Relativbewegungen zwischen Implantatbauteilen und in der Implantat-Knochengrenze bestimmt und bewertet werden. Damit werden präoperative Implantatoptimierungen und Prognosen knöcherner Reaktionen auf neu entwickelte Endoprothesen ermöglicht.

Ulrich Witzel
Backmatter
Metadaten
Titel
Bionik
verfasst von
Dr. Torsten Rossmann
Professor Dr.-Ing. Cameron Tropea
Copyright-Jahr
2005
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-540-26948-9
Print ISBN
978-3-540-21890-6
DOI
https://doi.org/10.1007/b138351

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.