Hochvoltsysteme im Fahrzeug können zu einer Gefahr für elektronische Systeme werden. Etwa dann, wenn die Gesetzmäßigkeiten der elektromagnetischen Verträglichkeit außer Acht gelassen werden.
Ausfälle elektronischer Systeme im Automobil aufgrund elektromagnetischer Interferenz sind möglich, aber sehr selten.
Andreas Burkert
Ein gestörtes Bordnetz, die sporadische Ausfälle des Touchscreens und der Autopilot-Sensoren, wie sie vor fünf Jahren an einem Tesla Model 3 zu beobachten waren, wurden auf den Einfluss elektromagnetischer Strahlung zurückgeführt. Wie auf manchen Foren berichtet wurde, sei die elektromagnetische Interferenz (EMI, Electromagnetic Interference) ursächlich gewesen. Das EMI-Problem ist den Entwicklungsateilungen schon sehr lange bekannt – als prominentes Beispiel sei Hochvoltzündspule genannt, die in den 1980iger Jahre den Radioempfang auch anderer Fahrzeuge störte. Doch beherrscht werden die Auswirkungen elektromagnetischer Störstrahlung noch lange nicht.
Das Wesen dieser oszillierenden elektrischen und magnetischen Felder ist nämlich das Übertragen von Energie. Und zwar in Form von Wellen oder Teilchen, die sich nahezu ungehindert durch den Raum bewegen. Je hochfrequenter die Strahlung, umso schwieriger lässt sie sich abeschirmen. Das musste auch der US-Amerikanische Automobilhersteller erkennen, als er unter anderem aufwendig die Hochvoltleitungen abschirmen musste.
Riskante Grenzüberschreitung
Elektromagnetische Störungen im Fahrzeug werden allerdings nicht nur durch interne Quellen verursacht – dabei ist es unerheblich, ob es sich um rein batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge, Hybridmodelle oder aber Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor handelt. Auch externe Quellen, zu denen etwa Mobilfunkmasten, Stromtrassen aber auch andere Fahrzeuge und Radaranlagen gehören, können die elektronischen Systeme im Fahrzeuge mitunter erheblich stören.
So konnte im Rahmen einer Studie der TU München von 2018 nachgewiesen werden, dass starke Radarsignale (24 GHz, 100 V/m) von Flughäfen oder militärischen Anlagen die Sensoren für Abstandswarner oder Notbremssysteme gestört haben. In einem Testfeld überschritten dabei 5 % der getesteten Fahrzeuge (Verbrenner und E-Autos) die Fehlertoleranz. Je umfangreicher also die Ausstattung der Fahrzeug mit elektronischen Systemen ist, umso herausfordernder ist der Entwicklungsprozess.
Sicherheitskritische Systeme im starken Störfeld
Denn schon ab einer elektrischen Feldstärke von 10 bis 20 V/m weisen empfindliche Systeme wie Radarsensoren (für autonomes Fahren) oder GPS-Empfänger Störungen auf – sei es ein unerwünschtes Signalrauschen oder Datenverlust. Laut IEEE Transactions on Electromagnetic Compatibility gelten bei Störfeldern von 20 V/m GPS-Signale als unzuverlässig. Um allerdings ein sicherheitskritisches System wie ein Motorsteuergerät oder gar die Bremssteuerung außer Gefecht zu setzen, sind Feldstärken von 100 bis 300 V/m notwendig - je nach Abschirmung und Design.
Messungen an aktuellen Hochvoltsystemen eines eletromotorisch angetriebenen Fahrzeugs – im Fokus der Untersuchungen standen die Traktionsbatterie, der Inverter und der Elektromotor – zeigen, dass dort im Nahfeld EMS-Werte von 10 bis 50 V/m auftreten können. Damit sollten sicherheitsrelevante Systeme hinreichend geschützt sein. Zumindest sieht es so die ISO 11452 (für EMV-Tests von Fahrzeugkomponenten) und die ECE-Regelung Nr. 10 (für die Typgenehmigung) vor. Diese definieren, welche Störstrahlungspegel Fahrzeuge aushalten müssen, ohne dass sicherheitskritische Systeme (Bremsen, Lenkung, Airbags) oder Komfortsysteme (Infotainment) ausfallen. Je nach Teststufe müssen die verbauten Komponenten Feldstärken von 25 bis 50 V/m für nicht sicherheitskritische Systeme und 100 bis 200 V/m für sicherheitsrelevante Systeme standhalten. Typische Tests decken dabei den Frequenzbereich von 20 MHz bis 18 GHz ab.