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2017 | Buch

Bremsenhandbuch

Grundlagen, Komponenten, Systeme, Fahrdynamik

herausgegeben von: Bert Breuer, Prof. Dr. Karlheinz H. Bill

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : ATZ/MTZ-Fachbuch

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Über dieses Buch

Dieses Buch behandelt umfassend Grundlagen, Anforderungen, Auslegungen, Aufbau, Gestaltungen, Komponenten und Teilsystemfunktionen im modernen Kraftfahrzeug auch von geländegängigen Rad- und Kettenfahrzeugen sowie von Zweirad- und Luftfahrzeugen. Als einziges Fachbuch in deutscher Sprache stellt es diesen sensiblen sicherheitsrelevanten Bereich der Fahrzeugtechnik fachwissenschaftlich fundiert und gleichzeitig praxisorientiert dar. Kfz-Ingenieure und -Techniker kommen ohne detailliertes Wissen über moderne Fahrzeugbremsen bis hin zur Mechatronik nicht mehr aus. Diese Auflage wurde gründlich überarbeitet, aktualisiert und erweitert. Damit wird das Bremsen von Elektro- und Hybridfahrzeugen besonders berücksichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Zur Geschichte der Kraftfahrzeugbremse

Die Geschichte der Bremse ist ungleich länger als die des Verbrennungsmotors, der heute weltweit individuelle Mobilität sicherstellt. Bereits die Phönizier kannten simple Vorrichtungen zum Abbremsen ihrer Streitwagen, und die Kutschen des 18. und 19. Jahrhunderts bremsten mit an Ketten hängenden Bremsschuhen oder Keilen. Als der Automobilbau Ende des 19. Jahrhunderts langsam begann, wurde die Bremse noch als eher unbedeutendes Nebenaggregat betrachtet – die Ingenieure dieser Zeit waren in der Hauptsache auf die Entwicklung leistungsfähiger Verbrennungsmotoren konzentriert. Wilhelm Maybach etwa verwandte ein Großteil seines Genies darauf, die Drehzahl des Ottomotors von 180 auf 600 Umdrehungen pro Minute zu steigern, was diesen erst wirklich praktikabel machte. Dass die Bremse ein Schattendasein führte, lag auch an den erreichbaren Geschwindigkeiten. Der von Wilhelm Maybach und Gottlieb Daimler gebaute „Reitwagen“ erreichte 1885 gerade einmal 12 km/h. Die Reibung im Antriebsstrang war so hoch, dass sich das Gefährt auch ohne Bremse ausreichend verzögern ließ. Eine gelenkte Achse oder gar ein gelenktes Rad abzubremsen, kam vor diesem Hintergrund auch wegen der konstruktiven Komplexität niemandem in den Sinn.

Peter Rieth, James Remfrey
2. Grundlegendes zum Bremsvorgang

Im Jahre 1885 lag bei dem von Wilhelm Maybach und Gottlieb Daimler gebauten berühmten „Reitwagen“ die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit bei 12 km/h. Die Reibwerte im Antriebsstrang waren damals noch so hoch, dass auch ohne Betätigung der Bremse das Fahrzeug effektiv verzögerte. So spielte die Bremse nur eine untergeordnete Rolle. Die Entwicklung konzentrierte sich zu dieser Zeit vornehmlich auf die Erhöhung der Motorleistung. Diese Gegebenheiten haben sich heute deutlich verändert. Ein Pkw mit etwa 100 kW Motorleistung und einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h entwickelt heute eine Bremsleistung von mehr als 800 kW.

Claus Wolff
3. Fahrzeugtechnische Anforderungen

Die Auslegung der Bremsanlage von Fahrzeugen erfolgt unter der Maßgabe, das Fahrzeug komfortabel und zuverlässig zu verzögern und im Notfall eine Vollbremsung mit möglichst kurzem Bremsweg unter Beibehaltung der fahrdynamischen Stabilität zu gewährleisten. Die Bremse muss dabei erhebliche Leistungen aufnehmen.

Ulrich Eichhorn, Stefan Gies, Jonathan Layfield, Frank Rischbieter
4. Menschliche Anforderungen

Die technische Auslegung eines Bremssystems wäre unvollständig, wenn die Einwirkung des Fahrers, also die Bremse als Informationsgeber und Handlungsorgan oder die Kontaktstelle Mensch/Bremse unberücksichtigt bliebe. Die Gestaltung der Mensch–Maschine-Schnittstelle, also das Zusammenwirken und die Gesamtheit der Wechselbeziehungen zwischen Fahrer und Bremse, werden daher im folgenden Kapitel behandelt.

Bettina Abendroth, Kurt Landau, Jochen Weiße
5. Interaktion Fahrbahn-Reifen-Bremse

Bei dem Thema „Interaktion Fahrbahn-Reifen-Bremse“ steht das Kraftschluss- und Übertragungsverhalten des Reifens in Abstimmung mit dem Bremssystem im Vordergrund. Im System Fahrzeug/Straße nimmt der Reifen eine hervorragende Rolle ein: Als Bindeglied zwischen Fahrbahn und Fahrzeug überträgt er alle Kräfte und Momente, sein Kraftschluss- und Übertragungsverhalten geht deutlich in Fahrverhalten, Komfort und Sicherheit des Gesamtfahrzeugs ein. Beim pneumatischen Reifen ist das unter Überdruck eingeschlossene Gas oder Gasgemisch das tragende Element, nur ein Anteil von etwa 10–15 % der Radlast wird direkt durch die Reifenstruktur getragen. Die Reifenhülle bestimmt nach Form, konstruktiver Auslegung und Materialeinsatz weitgehend die Gebrauchseigenschaften des Reifens. Die Entwicklung von Pkw- und Lkw-Reifen wird entscheidend durch die sich ständig ändernden und zunehmenden Anforderungen an die Kraftfahrzeuge beeinflusst.

Heinrich Huinink, Heiner Volk, Manfred Becke
6. Auslegung und Simulation von Pkw-Bremsanlagen

Bremsanlagen haben sich mit dem Fortschritt der Fahrzeuge kontinuierlich weiterentwickelt. Grundanforderungen an die Bedienbarkeit und Modulierbarkeit werden fast ausnahmslos von den im Markt befindlichen Fahrzeugen erfüllt. Die durch den Druck der Motor Sport Presse gesteigerten Anforderungen an das Fading-Verhalten und die Bremsleistung werden heute bei der Auslegung von Bremssystemen speziell im europäischen Raum berücksichtigt. Derzeit verfügt ein hoher Prozentsatz von Fahrzeugen über Regelsysteme zur Unterstützung des Fahrers beim Bremsen (ABS-Systeme) oder zur Verbesserung der Fahrzeugstabilität (ESP-Systeme). Das erste Brake-by-Wire Bremssystem wurde 2001 im SL Roadster von Daimler Chrysler in den Markt eingeführt.

Josef Pickenhahn, Thomas Straub
7. Aufbau und Komponenten von Pkw-Bremsanlagen

Die Funktionstüchtigkeit der Bremsen bestimmt maßgeblich die Sicherheit jedes Fahrzeuges und seiner Insassen sowie die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer. Die Komponenten des Bremssystems zählen daher zu den Sicherheitsteilen und unterliegen strengen gesetzlichen Bestimmungen.

James Remfrey, Steffen Gruber, Jan Sendler
8. Bremssysteme, Fahr- und Bremsverhalten von Nutzfahrzeugen und Zügen

Wesentlichstes Kriterium ist die Richtungsstabilität beim Bremsen. Während des Bremsvorganges eines beispielhaft angenommenen, zweiachsigen Fahrzeugs ohne elektronische Schlupfregelsysteme können drei verschiedene fahrdynamische Zustände auftreten:Blockieren der Vorderachse:Dieser Zustand wird als „stabiles Bremsverhalten“ bezeichnet.Bei blockierter Vorderachse geht die Lenkfähigkeit des Fahrzeuges verloren, weil ein blockiertes Rad keine nennenswerten Seitenführungskräfte übertragen kann. Die Seitenführungskräfte der Hinterachse verhindern ein Ausbrechen des Fahrzeuges.Blockieren der Hinterachse:Dieser Zustand wird als „instabiles Bremsverhalten“ bezeichnet. Das Fahrzeug gerät in einen labilen Fahrzustand und bricht über die Hinterachse unkontrollierbar aus.Blockieren aller Achsen:Blockieren alle Achsen, so bewegt sich das Fahrzeug bei fehlender Störkraft zunächst geradeaus weiter. Treten Störkräfte auf, so dreht sich das Fahrzeug noch zusätzlich.Ein Fahrzeug mit blockierter Vorderachse befindet sich in einem stabilen Fahrzustand, da eine durch Störkräfte hervorgerufene Gierreaktion des Fahrzeugs durch das rückdrehende Moment der Seitenkräfte an der Hinterachse kompensiert wird. Beim Blockieren der Hinterachse wird die Gierreaktion um die Fahrzeughochachse durch das Moment der Seitenkräfte an der Vorderachse verstärkt, da die Hinterachse aufgrund der blockierten Räder keine Seitenführung mehr aufbauen kann. Das Fahrzeug beginnt zu schleudern.

Egon-Christian von Glasner
9. Nutzfahrzeugbremsen

In Westeuropa hat die druckluftbetätigte Scheibenbremse in schweren Lkw und Omnibussen die Trommelbremse weitgehend verdrängt. Auch bei Anhängefahrzeugen besteht eine zunehmende Tendenz zur Anwendung der Scheibenbremse. Für spezielle Anwendungen im Lkw und in Anhängefahrzeugen werden noch S-Nocken-Trommelbremsen benutzt. Andere Trommelbremsbauarten wie die spreizkeilbetätigten Simplex- und Duplex-Bremsen kommen bei Neufahrzeugen nur noch in geringem Umfang zur Anwendung.

Hans Baumgartner, Eduard Gerum, Wolfgang Pahle, Alf Siebke, Michael Pehle
10. Bremsverhalten und Bremsen von Einspurfahrzeugen

Die fahrdynamischen und bauartbedingten Unterschiede zwischen Ein- und Mehrspurfahrzeugen müssen im Aufbau und der Auslegung der Bremsanlage besonders berücksichtigt werden. Dies gilt gleichermaßen für motorisierte und nicht motorisierte Einspurfahrzeuge aufgrund des kippinstabilen Verhaltens und des ungünstigen Verhältnisses von Schwerpunkthöhe zu Radstand.Wichtige Kriterien bei der Bremsanlagengestaltung von Zweiradfahrzeugen sind neben der reinen Bremsfunktion ebenso das Anlagengewicht, das Geräuschverhalten und ein robustes und witterungsbeständiges Design. Aufgrund der in aller Regel fehlenden Hilfskraftunterstützung ist ein hoher Wirkungsgrad der Übertragungseinrichtung und ein geringer Spannenergiebedarf der Radbremse notwendig.Spezielle Anforderungen an die Bremskraftverteilung von Integralbremsanlagen, die Energieversorgung und den Aufbau von Bremsregelsystemen, Radschlupfregelstrategien incl. Überschlagschutz sowie ein ansprechendes Design der optisch zugängigen Komponenten müssen bei Motorradbremsanlagen erfüllt werden.Bei nicht motorisierten Fahrzeugen (Fahrrädern) sind ein modularer und kompatibler Aufbau für unterschiedliche Rahmenkonstruktionen, die Schleiffreiheit der Radbremse und eine einfache Wartung ebenso wichtig.

Christian Landerl, Helmut Köhler, Hans-Albert Wagner, Ralf Lewien, Gerd Vilsmeier, Gerrit Heyl, Stefan Fritschle
11. Auflaufbremsanlagen

Auflaufbremsanlagen müssen gemäß den Anforderungen der ECE-Richtlinie R13 das selbstständige Abbremsen von ein- und mehrachsigen Anhängern, im Gewichtsbereich von 750 bis 3500 kg, durch derenAuflaufkraft auf das abbremsende Zugfahrzeug gewährleisten. Sie bestehen aus der Auflaufeinrichtung, der Übertragungseinrichtung sowie den Radbremsen und werden z. B. bei Boots-, Pferde, Wohn- und Transportanhängern aller Art eingesetzt.

Johann Loipl, Josef Strasser
12. Bremsen von Off-Road Radfahrzeugen

Die Entwicklung der Bremsen für Off-Road Fahrzeuge war in derVergangenheit immer eng gekoppelt an die Bremsentwicklung von Eisenbahnen und Kraftfahrzeugen. Die ersten mechanischenHebelbremsen stammen aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der weiteren Folge wurden diese dannweiterentwickelt und perfektioniert.

Hermann Beck, Wolfgang Grünbeck
13. Bremsen für Kettenfahrzeuge

Die Bremsanlagen von Kettenfahrzeugen für die Verwendung im militärischen Bereich zeichnen sich durch sehr enge Bauräume und strenge Gewichtsvorgaben aus. In Verbindung mit sehr hohem Fahrzeuggewicht und hoher Fahrzeuggeschwindigkeit führt dies zu extremen Bauteilbelastungen. Darüber stellt die Abfuhr der bei der Bremsung anfallenden Energie eine eigene Herausforderung dar, da die Bremsen meist unter Panzerschutz im geschlossenen Raum montiert sind. In modernen Fahrzeugen ist die Bremse in der Regel vollständig im Getriebe - und damit im Triebwerk - integriert. Der Artikel beschreibt verschiedene Prinzipien und Lösungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit verschiedenen Triebwerksanordnungen und verschiedenen Anforderungen.

Manfred Hirt, Max Witzenberger
14. Flugzeugbremsen

Die Radbremse ist bei allen Flugzeugen, die mit hohen Geschwindigkeiten am Boden operieren, eines der am stärksten belasteten Bauteile und für die Sicherheit von großer Bedeutung.Als sich vor mehr als 100 Jahren die ersten Flugzeuge in die Luft erhoben, waren Fahrwerke mit gebremsten Rädern allerdings noch unüblich. Einige Maschinen waren nicht einmal mit Rädern, sondern nur mit Kufen ausgerüstet.

Gerd Roloff, Burkard Ohly
15. Bremssysteme für Rennwagen

In diesem Kapitel werden Bremsanlagen für Rennwagen beschrieben, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften mehr auf einen leistungsorientierten Einsatz ausgerichtet sind, als auf Komfort und Wirtschaftlichkeit. Die Leistungsanforderungen an diese Bremsanlagen werden veranschaulicht, einhergehend mit Funktionsdiagrammen und einer Betrachtung jeder Einzelkomponente. Das Kapitel stellt schließlich die im Rennsport gebräuchlichen Reibungsmaterialien dar, wobei auf Carbonkomponenten detailliert eingegangen wird.

Riccardo Cesarini, Omar Cividini, Mauro Piccoli
16. Bremssysteme von Schienenfahrzeugen

Zu Bremssystemen von Schienenfahrzeugen gibt es eine große Zahl an unterschiedlichen Systemen mit vielfältigen Funktionen, über die hier nur ein knapper Überblick gegeben werden kann. Schienenfahrzeuge sind spurgebundene Fahrzeuge, bei denen der Spurkranz an den Rädern die Spurführung auf den Schienen übernimmt. Schienenfahrzeugbremsen unterliegen sehr hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit und Sicherheit. Hohe Zuggewichte von z. B. 10.000 t, hohe Geschwindigkeiten von z. B. 350 km ∕ h und kurze Zugfolgezeiten erfordern Bremsen, die den Zug unter allen Umständen mit höchster Sicherheit zum Stehen bringen können.

Peter Berger, Rainer Rau, Jens Galander, Reinhard Loebner
17. Mechatronische Systeme – eine kurze Einführung

Integrierte mechanisch-elektronische Systeme entstehen durch eine geeignete Kombination von Mechanik, Elektronik und Informationsverarbeitung. Dabei beeinflussen sich diese Bereiche wechselseitig. Man beobachtet zunächst eine Verlagerung von Funktionen der Mechanik zur Elektronik, dann die Hinzunahme von erweiterten und neuen Funktionen. Schließlich entwickeln sich Systeme mit gewissen intelligenten bzw. autonomen Eigenschaften. Für dieses Gebiet der integrierten mechanisch-elektronischen Systeme wird der Begriff „Mechatronik“ verwendet. Mechatronische Systeme spielen für die Entwicklung von Kraftfahrzeugen seit etwa 1985 eine zunehmende Rolle, wie man an modernen Bremssystemen, Lenksystemen, Radaufhängungen und an Verbrennungsmotoren mit Einspritzsystemen und Aufladung und automatischen Schaltgetrieben erkennen kann. Die folgende Darstellung ist eine allgemeine Einführung mit verschiedenen Beispielen aus Maschinenbau und Fahrzeugtechnik.

Rolf Isermann
18. Grundlagen elektrisch betätigter Pkw-Bremssysteme

Die Zielsetzung bei der Gestaltung moderner Bremssysteme ist über die ursprüngliche Funktion einer durch den Fahrer ausgelösten Fahrzeugabbremsung mittlerweile weit hinausgewachsen. Der Fahrer kann von modernen Bremsanlagen bei der Abbremsung auf schlechten Fahrbahnuntergründen und kurvenreichen Strecken, beim Beschleunigen auf μ-split oder Fahrbahnen mit Niedrigreibwert und in fahrdynamisch kritischen Situationen unterstützt werden.Für voll- und teilautonome Bremsmanöver ist eine energetische Entkopplung der Betätigungseinrichtung von der Übertragungseinrichtung erforderlich, wenn störende haptische Rückwirkungen vermieden werden sollen. Eine zeitgemäße Lösung hierfür bieten ’Brake-by-wire’ Systeme mit hydro- und elektromechanischen Radbremsen. Die Verwendung elektromechanisch betätigter Radbremsen eröffnet dabei neue Gestaltungsmöglichkeiten der Bremsanlage und kann zu einer weiteren Verbesserung der Bremskraftregelung beitragen, da direkt betätigte elektromechanisch aktivierte Radbremsen nicht durch hydraulische Dämpfungen in ihrer Dynamik eingeschränkt werden und somit insbesondere das Löseverhalten der Radbremse positiv beeinflusst werden kann. Ganz im Sinne moderner Fahrzeugsubsysteme bieten mechatronische Radbremsen neue Kommunikationsmöglichkeiten zur Signalisierung des Betriebs- und Verschleißzustandes. Aktive Regeleingriffe in die Radbremsenmechanik können darüber hinaus Bauart abhängig flexible Nutzungsmöglichkeiten von Bremsenselbstverstärkungsmechanismen für eine Verringerung der Bremsenspannenergie – und somit auch der Radbremsenmasse - eröffnen. Durch eine sinnvolle Kombination unterschiedlicher Systemdesigns mittels hybrider Bremsanlagen kann die Bremsanlagensicherheit und die Funktionsvielfalt der Bremsanlage bei einer Reduktion des Gesamtgewichts gesteigert werden, auch wenn konventionell hydromechanisch betätigte Radbremsen nach dem Stand der Technik eine geringere Reifen gefederte Masse besitzen.

Karlheinz H. Bill
19. Regenerative Bremssysteme

Zukünftige Fahrzeugkonzepte zeigen vermehrt eine Elektrifizierung des Triebstrangs. Bei diesen Elektro- oder Hybridfahrzeugen werden die elektrischen Maschinen zum elektrischen Fahren oder zum elektrischen „Boosten“ (d. h. die Bereitstellung eines zusätzlichen elektrischen Antriebsmoments) eingesetzt. Zusätzlich werden diese Maschinen aber auch im generatorischen Betrieb zum Verzögern des Fahrzeugs verwendet. Das generatorische Bremsen hat den Vorteil, dass Teile der Schwungenergie des Fahrzeugs wieder in elektrische Energie umgewandelt und in einer Hochvoltbatterie gespeichert werden können. Die zurück gewonnene Energie kann dann wieder zum Antreiben des Fahrzeugs benutzt werden. Daher wird generatorisches Bremsen auch als „regeneratives Bremsen“ bezeichnet. Dieser Begriff wird im Weiteren verwendet.

Michael Kunz, Rachad Mahmoud, Andreas van de Sand, Ralph Michalski
20. Integrierte Bremssysteme

Seit der Markteinführung von ABS im Jahre 1978 beruhen Druckmodulationssysteme für die Bremse auf überwiegend dezentral aufgebauten Systemen. In einer Baueinheit sind Ventilblock, Elektromotor, Pumpe, 8–12 Magnetventile, Speicher und Druckgeber mit dem elektronischen Steuergerät (ECU) zusammengefasst und separat zum Bremskraftverstärker (BKV) im Motorraum platziert. Weiterhin benötigen konventionelle Bremssysteme eine leistungsfähige Unterdruckversorgung des Bremskraftverstärkers. Durch die Optimierungen an den Verbrennungsmotoren benötigen heute nicht nur Fahrzeuge mit Dieselmotoren eine Vakuumpumpe für den Bremskraftverstärker. Bei Hybridfahrzeugen muss diese elektrisch angetrieben sein.

Hans-Jörg Feigel, Jochen Zimmermann, Anton van Zanten, Heinz Leiber, Thomas Leiber, Christian Köglsperger, Valentin Unterfrauner
21. Elektromechanisch betätigte Bremse

Ein bedeutender Schritt bei der Weiterentwicklung von Bremssystemen ist die Entwicklung einer elektromechanisch betätigten Radbremse (EMB). Da sie ohne Bremsflüssigkeit arbeitet, wird sie auch „trockenes Brake-by-wire“ genannt. Die EMB verwendet das aus der Hydraulik bekannte Prinzip der Teilbelagscheibenbremse mit einem Faustsattel. Die für das Erzeugen der Spannkraft benötigte Energie wird elektro-mechanisch am Rad bereitgestellt und von einer übergeordneten Kontrolleinheit gesteuert. Die realisierte Entkoppelung von Fahrerwunsch und Radbremse eignet sich insbesondere für Fahrzeugkonzepte mit alternativen Antrieben.Bei der Verzögerung von Hybrid- oder Elektrofahrzeugen wird ein großer Rekuperationsanteil zum Aufladen des elektrischen Energiespeichers angestrebt. Durch eine übergeordnete Regelung der Bremsen kann eine maximale Rekuperation erzielt werden. Der fehlende Anteil der Fahrzeugverzögerung wird bedarfsgerecht an die Radbremsen verteilt, wie dies auch bei hydraulischen Bremssystemen möglich ist. Der Fachbegriff dafür: Blending.Im Fokus der modernen Bremsenentwicklung steht ferner eine Bremse mit geringem Restbremsmoment. Das Restbremsmoment ist das Bremsmoment am Rad bei nicht betätigter Bremse. Ein hohes Restbremsmoment erhöht den Energiebedarf des Fahrzeugs. Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor steigt nachteilig der CO2-Ausstoß. Die EMB ist eine Radbremse, die den Belag aktiv von der Scheibe entfernt. Bereits kurz nach der Betätigung ist sie frei von Restbremsmomenten.

Martin Semsch, Hans-Jörg Feigel, Jens Hoffmann
22. Elektrisches Bremsen

Die Entwicklung neuer Fahrzeugkonzepte mit elektrifizierten Antriebskomponenten gewinnt in den letzten Jahren durch Verschärfungen der Abgasgrenzwerte bzw. Limitierungen der CO2-Emissionen immer mehr an Bedeutung.Hybridfahrzeuge und insbesondere Elektrofahrzeuge zeichnen sich als einer der Megatrends für die nächsten Jahre und Jahrzehnte in der Automobilindustrie ab.Durch die Rekuperation kinetischer Energie während des Bremsvorgangs ist bei Hybridfahrzeugen je nach Testbedingungen, Fahrzeug- und Antriebsarchitektur eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen möglich.Bei reinen Elektrofahrzeugen führt die Rekuperation zu einer deutlichen Erhöhung der elektrischen Reichweite.Bei beiden Varianten kommt eine elektrische Maschine, die als Generator betrieben wird, als Bremsaktuator zum Einsatz, der die Verzögerung des Fahrzeugs alleine oder in Kooperation mit dem Bremssystem realisiert.Das Bremssystem ist unterteilt in das klassische Reibbremssystem und ein elektronisches Bremssystem, welches radindividuelle Eingriffe ermöglicht und externe Anforderungen verarbeiten kann.Die Kommunikation zwischen den Systemen (z. B. Hybrid-Manager, Radarsysteme o. ä.) erfolgt über Bussysteme wie CAN oder Flexray.Während der Generator im Hochvolt-Netz ($${> }\,60$$> 60 V DC) eingebunden ist, arbeitet das Bremssystem im herkömmlichen 12 V-Bordnetz.

Marcus Bletz, Thorsten Wickenhöfer
23. Die Bremsanlage in Fahrerassistenzsystemen

Aktive Fahrsicherheitssysteme sind Regelsysteme im Fahrzeug, die der Unfallvermeidung dienen. Passive Fahrsicherheitssysteme dienen der Reduzierung von Unfallfolgen. In diesem Kapitel geht es um aktive Fahrsicherheitssysteme, welche auf die Bremse einwirken. Solche Systeme sind das Antiblockiersystem (ABS), die Antriebsschlupfregelung (ASR) und das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Kennzeichnend für die Leistungsfähigkeit dieser Systeme ist die Geschwindigkeit mit der große Bremskräfte und Bremskraftänderungen erreicht werden können. Bei ABS und ASR wird primär die Raddrehung geregelt, während bei ESP primär die Fahrbewegung geregelt wird. ESP enthält jedoch auch einen Regelkreis zur Regelung der Raddrehung. Es benutzt aber die Regelung der Raddrehung, um in jeder Situation die erforderlichen Längs- und Querkräfte an den Rädern, und damit auch die am Fahrzeug, einzustellen. Liefert das blockierte und das durchdrehende Rad keine Möglichkeit, die Kraftvektoren zwischen Rad und Fahrbahn über die Lenkung zu beeinflussen, so kann durch die Radregelsysteme das Blockieren und das Durchdrehen der Räder vermieden werden. Damit kann ein gewisses Niveau an Fahrstabilität und Lenkbarkeit erhalten bleiben. Im Folgenden werden einige Fahrerassistenzfunktionen, welche auf der elektronischen Regelung der Bremsen beruhen kurz beschrieben und die Anforderungen genannt.

Anton van Zanten
24. Die Bremse im mechatronischen Fahrwerk

Das von der Radbremse erzeugte Bremsmoment wird über den die Radlast tragenden Reifen in eine Bremskraft umgeformt und im Reifenlatsch auf die Fahrbahn übertragen. Gleichzeitig werden die Reaktionskräfte über die verschiedenen Komponenten des Fahrwerks an den Radaufhängungspunkten in die Karosserie eingeleitet. Die Hauptfunktionen eines Fahrwerks – Tragen des Aufbaus, Radführung, Gewährleistung des Schwingungskomforts und der Fahrsicherheit bis in den Grenzbereich hinein – können durch passive mechanische Komponenten nur innerhalb von Grenzen, die durch den beschränkten Bauraum, die endliche Bauteilfestigkeit, die Materialeigenschaften etc. gegeben sind, realisiert werden. Außerdem führt die fehlende Adaptivität der mechanischen Lösungen zu weiteren Konflikten in der Fahrwerksentwicklung, die aus konkurrierenden Anforderungen resultieren. So erfordern unterschiedliche Fahrsituationen (z. B. μ-Split-Bremsung und Bremsen in der Kurve) unterschiedliche Auslegungen der Radaufhängungskinematik. Während eine Auslegung bei einem Fahrmanöver stabilisierend wirkt, kann sie bei einem anderen zur Destabilisierung führen. Daraus resultiert eine Kompromisslösung bei der Fahrwerksgestaltung, die dem Fahrer eine höhere Stabilisierungsaufgabe aufbürdet, als es eine optimal auf die Situation abgestimmte Auslegung verlangen würde. Um derartige Kompromisslösungen zu vermeiden und auch Fahrsituationen zu entschärfen, die der Fahrer nicht mehr meistern könnte, bietet sich der Einsatz mechatronischer Systeme an, die zu einem Zugewinn an Auslegungsfreiheitsgraden führen und Zielkonflikte auflösen oder entschärfen können.

Hermann Winner, Thomas Degenstein, Tobias Bischof-Niemz, Marcus Schumann
25. Reibbeläge

Reibbeläge, umgangssprachlich Bremsbeläge genannt, sind Funktionsteile in einer Bremse und gehen daher in die Berechnung der Bremsleistung mit ihrem Reibwert μ ein.Ohne Reibung würde kein Körper in seiner Ruhelage verharren und kein Fahrzeug zum Stehen kommen.Die bei der Reibung verrichtete Arbeit wird im Verlauf des Bremsprozesses in Wärme umgewandelt. Dabei werden die Atome bzw. Moleküle im Reibbelag durch die zugeführte thermische Energie deformiert bzw. gespalten, was nicht zuletzt zur Bildung von Verschleißteilchen führt. Mikroskopisch können Spitzentemperaturen auftreten, die den Schmelzpunkt einzelner Reibmaterialbestandteile erreichen. Makroskopisch jedoch werden dabei deutlich geringere Spitzentemperaturen gemessen.Die Tribologie als Wissenschaft aufeinander einwirkender Oberflächen in Relativbewegung umfasst die Teilgebiete Schmierung, Reibung und Verschleiß. Da Reibung und Verschleiß wesentliche Kriterien der Reibbelagentwicklung sind, stellt der Reibbelag im Zusammenwirken mit der Bremsscheibe ein tribologisches System dar.

Christian Wiaterek
26. Eigenschaften der Reibpaarungen im Bremsenprozess

Bremsen sind Funktionseinheiten komplexer Maschinen, die deren Bewegungsenergie, die sog. kinetische Energie, begrenzen oder verringern können. Ein sehr wirkungsvolles Prinzip, kinetische Energie zu verringern, ist die Nutzung der Reibung zwischen zwei Körpern. Reibung ist eine Kraft, die immer dann auftritt, wenn zwei Körper mit einer Kraft FN, der Normalkraft, gegeneinandergedrückt werden und eine Tangentialkraft F versucht, die Körper gegeneinander zu bewegen. Die Reibkraft liegt in der Kontaktfläche und behindert sowohl Gleitbewegungen der Körper gegeneinander als auch den Versuch, eine Gleitbewegung zu initiieren Abb. 26.1. Ist die Gleitgeschwindigkeit v ungleich Null, so spricht man von Gleitreibung, ansonsten von Haftreibung.Zum Aufbau dieser Reibkräfte sind hochkomplexe energetische Umwandlungsprozesse notwendig, die bis heute kaum verstanden sind. Ein sehr bekanntes Umwandlungsprodukt ist Wärmeenergie. Dieser Prozess wurde schon von den Urmenschen zum Feuermachen genutzt. Aktive Beeinflussungen der Reibpaarungen sind von den Ägyptern überliefert, die vor etwa 7000 Jahren den Gleittransport großer Steinquader zum Aufbau von Pyramiden mit vermutlich Öl so modifizierten, dass die auftretenden Reibkräfte möglichst klein waren.

Georg-Peter Ostermeyer
27. Mechanische Bremsen in stationären Industrieanlagen

Mechanische Bremsen in stationären Industrieanlagen haben ein breites Anwendungsfeld. Entsprechend vielfältig sind die an sie gestellten Anforderungen und ihre Bauarten. In leistungsstarken Anlagen werden vorzugsweise Trommel- und Scheibenbremsen eingesetzt. In Getriebemotoren oder Elektrozügen arbeiten neben Scheibenbremsen auch Kegelbremsen. In vielen Bereichen dienen Reibkupplungen gleichzeitig auch als Bremse. In Bagger-, Montage- und Schiffswinden mit großen Trommeldurchmessern sind Bandbremsen üblich. Mit ihnen lassen sich große Bremskräfte aufbringen und manuell steuern [1].Dieses Kapitel stellt die wichtigsten Bauarten der in Industrieanlagen eingesetzten mechanischen Bremsen vor, beschreibt das energetische Zusammenspiel zwischen Bremse und Triebwerk, zeigt die Reibungs- und Verschleißeigenschaften im praktischen Bremsbetrieb, und gibt Unterstützung bei der Dimensionierung der Bremsen.

Claus Kleinlein, Dietrich Severin
28. Schwingungen und Geräusche

Die meisten Schwingungen und Geräusche, die im Zusammenhang mit der Bremsung von Fahrzeugen auftreten, beeinträchtigen den Fahrkomfort und werden daher als störend empfunden. Ausnahmen bilden vibroakustische Informationen, die dem Fahrer eine gewünschte Rückmeldung über den Betriebszustand seines Fahrzeugs geben. Von derartigen Geräuschen erwartet der Fahrer, dass sie zuverlässig und reproduzierbar auftreten, aber nie lästig wirken.Beide Aufgaben, das Vermeiden unerwünschter Geräusche sowie das Erzeugen gewünschter Schallereignisse, sind gleichermaßen anspruchsvoll und stellen den Entwicklungsingenieur oft vor eine Herausforderung. Eine zielführende Geräuschoptimierung erfordert sowohl die Kenntnis über die Wirkmechanismen der zugrundeliegenden Schwingungen als auch eine methodische Vorgehensweise. In diesem Kapitel werden die unterschiedlichen Erscheinungsformen, Entstehungsursachen und mögliche Abhilfemaßnahmen der wichtigsten Bremsgeräusche behandelt. Es verfolgt das Ziel, einen Beitrag zum Verständnis der schwingungstechnischen Zusammenhänge zu leisten, der die theoretischen Grundlagen mit bremsenspezifischen Anwendungsfällen aus der Praxis verbindet.

Holger Marschner, Alexander Pfaff, Paul Leibolt, Giuseppe Maggi-Trovato
29. Bremsen mit nichtmetallischen Bremsscheiben

Mit der sukzessiven Verbreitung der Scheibenbremse im Automobilbau wurde auch der klassische Bremsscheibenwerkstoff Grauguss kontinuierlich weiterentwickelt. Zur Kostenreduzierung und Qualitätssicherung wurden großserientaugliche Herstellverfahren eingeführt. Jedoch konnten die Nachteile des Grauguss wie hohes Gewicht und Korrosionsanfälligkeit nicht grundlegend eliminiert werden.Versuche, leichtere und korrosionsbeständigere Bremsscheibenwerkstoffe wie Aluminium-Werkstoff-verbindungen oder die aus dem Rennsport bekannten „Carbon-Bremsscheiben“ in Straßenfahrzeugen einzusetzen, sind bisher gescheitert.Bei den aus dem Rennsport bekannten Carbon-Bremsen werden sowohl Bremsscheiben als auch Bremsbeläge aus kohlefaserverstärktem Kohlenstoff, kurz CFC oder C/C, verwendet.Den Vorteilen dieser Technologie, wie vor allem sehr geringes Gewicht, hohe Reibwertstabilität bei extremer Beanspruchung sowie ein hochdynamischer Reibwertaufbau stehen Nachteile wie geringe Kaltreibwerte, schlechtes Nassansprechen, hoher Verschleiß und sehr hohe Herstellkosten gegenüber.Deshalb ist der Einsatz der Carbon-Bremsscheiben bisher auf Anwendungen im Motorsport und in der Luft- und Raumfahrttechnik beschränkt geblieben.Mit der ursprünglich für die Raumfahrt entwickelten faserverstärkten Keramik steht heute ein neuer Bremsscheibenwerkstoff zur Verfügung, der die Vorteile einer Carbon-Bremse mit hoher Alltagstauglichkeit verbindet.

Donatus Neudeck, Andreas Wüllner
30. Leichtbaubremsscheiben
Konstruktiver und werkstofflicher Leichtbau bei Bremsscheiben

Ausgenommen vom Luftwiderstand geht die Masse bzw. Drehmasse einer Bremsscheibe in die Hauptfahrwiderstände eines Fahrzeugs mit ein. Dies betrifft sowohl den Radwiderstand FR in Abhängigkeit eines durch Fahrbahnbeschaffenheit und Reifeneigenschaften definierten Rollwiderstandbeiwertes fr und der Fahrzeuggesamtmasse mges. Ebenso werden Steigungs- und Beschleunigungswiderstand durch die Masse linear beeinflusst.Der Leichtbaubedarf an Achskomponenten ist sowohl hinsichtlich der Gesamtfahrzeugmasse zur Erlangung von Zielen wie Beschleunigungsvermögen und Antriebsenergiebedarf (CO2-Ausstoß oder Äquivalent) als auch weiterer Fahreigenschaften der Quer- und Vertikaldynamik (Fahrerlebnis, Sicherheit durch Reduzierung von Radlastschwankungen zur Ausnutzung der Kraftschlussgrenze am Reifen in Umfangs- und Querrichtung sowie Komfort) unumgänglich. Einen Beitrag zur Gewichtsreduzierung leisten auch gewichtsreduzierte Bremsscheiben, die durch konstruktive (Verbundbremsscheiben) und auch durch werkstoffliche Maßnahmen (Leichtbauwerkstoffe z.B. auf Aluminiumbasis) realisiert werden können.

Ralph Mayer
31. Bremsflüssigkeiten

Das Versagen der Bremsanlage ist in der Vorstellung eines jeden Autofahrers sicherlich der schlimmstmögliche Ausfall eines sicherheitsrelevanten Systemteils. Zur Gewährleistung der Funktionssicherheit und für die absolute Funktionsbereitschaft unter extremen Belastungen dieser so überaus wichtigen Anlage muss das Bremssystem regelmäßig und auch richtig gewartet und instand gehalten werden.Besonders wichtig dabei ist die Bremsflüssigkeit.Die Bremsflüssigkeit überträgt in der hydraulischen Bremsanlage die Kraft vom Hauptbremszylinder zu den einzelnen Radbremszylindern und ist dort hohen Temperaturen ausgesetzt. Rotglühende Bremsscheiben sind aus dem Rennsport bekannt. Ein hoher Siedepunkt ist daher eines der Ziele bei der Entwicklung und Produktion von Bremsflüssigkeiten. Darüber hinaus darf die Bremsflüssigkeit bremssystemtypische Werkstoffe, wie zum Beispiel Metalle und Gummidichtungen, nicht angreifen. Die anwendungstypischen Kennwerte und auch Materialverträglichkeiten werden in diversen nationalen und auch internationalen Normen definiert.Die chemische Zusammensetzung einer hydraulischen Bremsflüssigkeit muss so gewählt werden, dass optimale Leistung und Sicherheit gewährleistet werden.

Harald A. Dietl, Timo Weide
32. Bremsentechnisches Versuchswesen

Ziel des Bremsenversuchs ist es, sowohl die Einzelkomponenten (Betätigung, Radbremse, ESP-/ABS-Einheit bzw. elektronische Bremssysteme) als auch das Gesamtsystem zu erproben. Je nach Projektumfang, -status (Prototyp, Serienentwicklung, Serienfreigabe, Serienüberwachung) und Fragestellung ändern sich die einzelnen Versuche und der Probenumfang.In Laborversuchen werden an, u. U. funktional begrenzten, Baugruppen oder Einzelkomponenten des Bremssystems Untersuchungen auf meist nicht ausschließlich für die Bremsenindustrie entwickelten Prüfeinrichtungen durchgeführt. Der Bereich der Prüfstandsversuche setzt für seine Versuche Prüfstände ein, die speziell für diese Industrie entwickelt wurden. Der Fahrversuch schließlich dient zur Komponenten- oder Systemerprobung im auf der Straße bewegten Fahrzeug.Nach diesen drei Bereichen und den Komponenten gegliedert werden in den folgenden Unterkapiteln die maßgeblichen Versuchsansätze und -prinzipien erläutert. Dies darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Schnittstellen der einzelnen Komponenten und das Systemverhalten unbedeutend seien und vernachlässigt werden dürfen.

Holger Marschner, Hilmar Teitge, Martin Semsch, Marcus Bletz, Dieter Weiss
33. Sicherheit und Zuverlässigkeit von Bremsanlagen

Neben der Lenkung nimmt die Bremsanlage im Automobil sicherheitstechnisch in gleicher Weise die höchste Rangstufe ein. Selbst Oldtimer im Automobilbau waren daher bereits in den Anfängen zumindest mit zwei unabhängigen Bremsanlagen, der Betriebsbremse und der Feststellbremse ausgerüstet. Teilweise waren diese Bremsen jedoch nicht unabhängig voneinander, sondern nutzten gemeinsame Teile oder gemeinsame Bremsflächen, sodass der Bruch des gemeinsam genutzten Teiles zum Totalausfall der Bremse führen konnte. Bis zur gesetzlichen Einführung der EG-Richtlinien für Bremsanlagen enthielten die nationalen Bestimmungen keine Hinweise, dass in einem Kraftfahrzeug alle Räder gebremst sein müssen. Ebenso wenig wurde ein Nachweis für eine, – auch für verschiedene Lastfälle –, automatisch angepasste Bremskraftverteilung auf die Achsen eines Fahrzeuges verlangt.Zu den damaligen lückenhaften gesetzlichen Bauvorschriften gesellten sich entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstand auftretende Materialprobleme. Korrodierende Bremsleitungen, empfindliche Trommelbremsen mit hoher Selbstverstärkung und hohe Betätigungskräfte bei schweren Fahrzeugen schränkten die Sicherheit der damaligen Fahrzeugbremsen ein.Neben der Fortschreibung der gesetzlichen Regelwerke wurde auch durch weitere technische Verbesserungen ein erheblicher Sicherheitsgewinn bei konservativen Bremsanlagen erreicht:

Thomas Aubel, Hans-Wilfried Mäder, Jürgen Westphäling
34. Regelwerke und Prüfverfahren

Es findet sich kaum eine Komponente im Automobil oder dessen Anhänger, die nicht durch gesetzliche Zulassungsvorschriften geregelt wäre. Die Bremse ist neben der Lenkung und der Regelung der Fahrgeschwindigkeit eine der drei wesentlichen Stellgrößen in dem komplexen Regelkreis Fahrer-Fahrzeug-Straße. Daher befassen sich die gesetzlichen Zulassungsvorschriften sehr ausführlich mit dem Bremsvermögen eines Fahrzeugs sowie den dazugehörigen Teilsystemen. Auch werden Fahrerassistenzsysteme eingebaut, die den Fahrer mit Blick auf die Längs- und Querdynamik unterstützen. Die deutlich sichtbaren Verbesserungen im realen Unfallgeschehen, die auch auf diese „aktiven“ Sicherheitssysteme zurückzuführen sind, lassen eine noch wesentlich weitere Verbreitung dieser Systeme in Zukunft erwarten.Die Zulassung von Kraftfahrzeugen und Anhängern ist in allen Staaten der Welt geregelt. Als wichtigste sind die Vorschriften in Europa und den USA zu bezeichnen. Auch die japanischen Vorschriften haben einen hohen Stellenwert. Jedoch ist festzuhalten, dass Japan eine Reihe von ECE-Regelungen ausdrücklich als gleichwertig anerkennt. Nachdem Japan dem Abkommen von 1958 der UN-ECE beigetreten ist, kann davon ausgegangen werden, dass mehr und mehr ECE-Regelungen in das Japanische Recht übernommen werden. Aus diesem Grunde seien die nachfolgenden Betrachtungen der Einzelvorschriften im Wesentlichen auf die Regelwerke der ECE sowie der USA beschränkt.

Hans-Thomas Ebner
35. Wartung und Diagnose von Bremsanlagen

Bremssysteme sind Sicherheitssysteme. Um die Qualität der Wartung abzusichern wurden Normen und Richtlinien für Ersatzteile und Flüssigkeiten erstellt. Durch die Normen wird sichergestellt, dass sicherheitskritische Bauteile die erwarteten Eigenschaften wie zum Beispiel Leistung, das Verhalten bei verschiedenen Temperaturen, die chemischen Eigenschaften, vorweisen.Generell gilt, dass alle in den Verkehr gebrachten Kraftfahrzeuge früher nach nationalen, heute nach internationalen Richtlinien überprüft und homologiert wurden.Für den Bereich der PKW Bremse sind die Richtlinien nach EEC. Direktive 71/320 ff., 70/156/EWG, bzw. ECE R 13 ff. maßgebend. Die US amerikanischen Richtlinien FMVSS 105 und FMVSS 135 (für Fahrzeuge zugelassen nach dem 1. September 2000) werden im Wesentlichen von den vorgenannten Richtlinien abgedeckt.Im Falle des Austausches einer Komponente des Bremssystems, darf nur ein Ersatzteil eingesetzt werden das die folgenden Kriterien erfüllt:Original Ersatzteil oderErsatzteil mit Homologation (KBA) Nr., ECE Nr. oderErsatzteil gleicher Dimension und gleichen Materials (wenn keine Homologationsforderung besteht)Eine Missachtung der geltenden gesetzlichen Regelungen führt zum Erlöschen der Betriebserlaubnis was entsprechende Folgen auch für den eventuellen Haftungsfall mit sich bringt.Normen: SAE J 1703, SAE J 1704, DOT3, DOT4, DOT5 ff., FMVSS 571.116

Ulrich Güllering, Peter Jobelius, Roman Rotter
36. Entwicklungstendenzen und Zukunftsaspekte

Die Verbesserung von Wohlstand und Lebensqualität sind von jeher Treiber industriellen Fortschritts jedweder Gesellschaft. Damit einher gehen wachsende Ansprüche an Komfort, Sicherheit und Mobilität. Die Transportleistung in Personenkilometern hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt und wird auch in den nächsten Jahren weiter steigen. In Europa fahren täglich 150 Mio. Menschen mit dem Personenwagen zum Arbeitsplatz und zurück, 100 Mio. nutzen den Pkw für Geschäftsreisen, 90 Mio. für den Einkauf. Schon heute verbringt jeder bundesdeutsche Autofahrer im Schnitt täglich mehr als 30 min in seinem Pkw. In anderen Ländern ist die Situation vergleichbar, und so wächst global der Wunsch nach komfortablem, stressfreiem und sicherem Fahren bei größtmöglicher Transporteffizienz (Staufreiheit).

Peter Rieth, James Remfrey
Backmatter
Metadaten
Titel
Bremsenhandbuch
herausgegeben von
Bert Breuer
Prof. Dr. Karlheinz H. Bill
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-15489-9
Print ISBN
978-3-658-15488-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-15489-9

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