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28.04.2022 | Brennstoffzelle | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Brennstoffzellen wirtschaftlich produziert werden können

verfasst von: Thomas Siebel

6 Min. Lesedauer

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Der breitere Einsatz von Brennstoffzellenantrieben scheitert heute noch an den hohen Werkstoff- und Fertigungskosten. Die Verfahren für den Weg hin zur wirtschaftlichen Großserienproduktion zeichnen sich aber bereits ab.

Die Hoffnungen in die Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb ist groß, ihre Verbreitung im Markt ist jedoch gering. Neben der heute noch nicht vollständig ausgereiften Technologie bremsen die hohen Produktionskosten die stärkere Marktdurchdringung. Ein Schwerpunkt aktueller Forschungs-und Entwicklungsarbeiten liegt deswegen in der Weiterentwicklung von Fertigungstechnologien im Hinblick auf eine Hochskalierung der Produktion.

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Produktion der PEM-Systeme, Hochskalierung, Rollout-Konzept

Brennstoffzellen können künftig für eine substanzielle CO2-Reduzierung im Verkehrsbereich sorgen. Auch wenn einzelne Produkte bereits jetzt verfügbar sind bzw. aus technischer Sicht kurz vor der Marktreife stehen, muss es zügig gelingen, eine Kostenparität mit den fossilen Antriebssystemen zu realisieren.

Die Herstellung von Brennstoffzellen, wie sie heute praktiziert wird, dürfte sich damit grundlegend wandeln. Aktuell dominieren noch modular skalierbare, flexible Prozesse, die sich jederzeit an Produktänderungen und Auftragslage anpassen lassen, wie der Geschäftsführer des Brennstoffzellenherstellers Ekpo, Gernot Stellberger im Gastkommentar der MTZ 4/22 schreibt. In Richtung 2030 werde sich dieser Fokus jedoch verschieben: "Dann haben wir zwar eine geringere Flexibilität, dafür aber deutlich erhöhte Volumina nach Serienmaßstäben."

Skalierung für Langstreckenbusse und schwere Lkw

Damit die Produktionsvolumina möglichst bald anziehen und die Kosten sinken, empfehlen Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie (IPT), sich auf die Fahrzeugtypen mit dem größten Marktpotenzial zu konzentrieren: Langstreckenbusse und schwere Verteilerlieferwagen. Benötigte Antriebsleistung, täglich zurückgelegte Strecken oder Betriebszeiten sind hier besonders hoch, wie Günther Schuh, Leonard Schenk und Paul Scholz im Beitrag Anwendungsfälle der Brennstoffzelle im Nutzfahrzeugsektor in der MTZ 2-3/22 analysieren. 

Dabei kommen die Autoren auch zu dem Schluss, dass eine 270-kW-Brennstoffzelleneinheit den Anforderungen des Verteilerlastwagens genügen würde, während der Langstreckenbus 360-kW-Einheiten benötigt. Eine Produktionslinie für 90-kW-Module, die anschließend zu dritt oder zu viert aggregiert werden, könnte somit für beide Anwendungen produzieren.

Kostentreiber der Brennstoffzelle

Grundkomponenten der Brenstoffzelle sind Membran-Elektroden-Einheiten (MEA) und Bipolarplatten, die, elektrisch in Reihe geschaltet, wechselseitig zu Stacks gestapelt und mit Endplatten, Stromkollektoren, Verteilerplatte und Überwachungseinheit ergänzt werden, wie Ulf Groos, Carsten Cremers und Laura Nousch im Kapitel Brenstoffzellen-Technologien des Buchs Wasserstofftechnologien beschreiben.

Membran-Elektroden-Einheit und Bipolarplatte bilden dabei die Kostentreiber der Brennstoffzelle. Die Kosten eines Brenstoffzellen-Stacks beziffern die Fraunofer IWU- und Fraunhofer IPA-Wissenschaftler Ulrike Beyer, Sebastian Porstmann, Christoph Baum und Clemens Müller im Kapitel Produktion der PEM-Systeme, Hochskalierung, Rollout-Konzept auf etwa 800 Euro/kW. Allein 510 Euro/kW entfallen auf die Membran-Elektroden-Einheit, wobei der Materialanteil des Katalysators mit 210 Euro/kW hier besonders teuer ist. Mit etwa 200 Euro/kW schlägt die Bipolarplatte zu Buche, sofern diese aus Graphit gefertigt ist. Ein geringerer Kostenanteil entfällt auf die Systemkomponenten, die unter anderem Kompressoren und Pumpen für die Gas-, Wasserstoff- und Kühlmittelversorgung umfassen.

Aufbau der Membran-Elektroden-Einheit

Standard für die Anwendung in Fahrzeugantrieben ist die Polymer-Elektrolyt-Membran-Brennstoffzelle (PEMFC), die im Vergleich zu anderen Brennstoffzellentechnologien besonders langlebig ist und über hohe Leistungsdichten von circa 1,5 W/cm2 sowie über eine gute Start-Stopp- und Zyklenstabilität verfügt. Die Membran-Elektroden-Einheit der PEMFC besteht aus einer dünnen, mit einem Katalysator beschichteten Polymermembran (PEM) mit außenliegenden Gasdiffusionslagen. Als Katalysator kommen Platin oder Platinlegierungen zum Einsatz, die auf porösen Kohlenstoffpartikeln abgeschieden werden und in einer Mischung mit Lösemittel und Ionomer als Tinte auf die Polymermembran aufgetragen werden. Den Verbund aus PEM und Katalysatorschicht bezeichnet man auch als Catalyst Coated Membrane (CCM). Alternativ kann der Katalysator auch auf die Gasdiffusionslage gesputtert werden.

Die CCM wird gestanzt, vereinzelt und mit einem Verstärkungsrahmen aus einem Polymer versehen. Anschließend werden beidseitig Gasdiffusionslagen aus 100 bis 300 µm dickem Kohlenfasergeflecht- oder -vlies durch Heißpressen aufgebracht, auf deren der CCM zugewandten Seite eine zusätzliche 20 bis 50 µm dicke mikroporöse Lage aus Kohlenstoffpartikel appliziert ist.

Membran-Elektroden-Einheit günstiger produzieren

Die hohen Kosten der Membran-Elektroden-Einheit werden primär durch den Platinanteil im Katalysator verursacht. Durch ein ausgefeilteres Design und optimierte Herstellungsverfahren ließen sich Qualität und Leistung der Membran-Elektroden-Einheit bei gleichem Edelmetallgehalt jedoch verbessern. Dazu gehört die Vermeidung heute noch üblicher Überdimensionierungen beim Aufbau, Verbesserungen beim Auftrag der Katalysatorschicht im Hinblick auf eine kontinuierliche Eletkrodenproduktion und die Entwicklung von Inline-Überwachungssystemen, die Defekte in der Katalysorschicht erkennt und so Ausschuss in der Produktion vermeidet. Beyer und ihren Co-Autoren zufolge ließen sich die Katalysatorkosten mit diesen Maßnahmen um etwa die Hälfte reduzieren.

Beim Heißpressen wirken sich der angelegte Druck und die Temperatur negativ auf mechanische und elektrische Eigenschaften sowie auf das Material von Membran und Elektrode aus. Deswegen liegt laut Beyer auch hier Potenzial in weiteren Prozess- und Materialoptimierungen.

Aufbau der Bipolarplatte

Die Bipolarplatte besteht aus 0,07 bis 0,1 mm dünnen Graphit- oder Metallblechen mit bis zu 0,8 mm tiefen Kanälen. Über die Kanäle erzeugt die Bipolarplatte das Strömungsfeld, in dem sich das Gas über der Membran-Elektroden-Einheit verteilt. Zudem dient die Bipolarplatte der elektrischen Verbindung der Zellen, der Gastrennung zwischen angrenzenden Zellen, der Dichtung nach außen sowie der Kühlung, wie Ludwig Jörissen und Jürgen Garche im Kapitel Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen (PEFC) – Stand und Perspektiven des Buchs Wasserstoff und Brennstoffzelle schreiben.

Der Weg zur günstigeren Bipolarplatte

Der größte Hebel zur Kostensenkung im Bereich der Bipolarplatten ist der Ersatz der teuren Graphitharzplatten, die in der Produktion mit hohem Ausschuss einhergehen, durch metallische Platten. Im Gegensatz zu Graphitplatten lassen sich Metallplatten automatisiert in kontinuierlichen Prozessen fertigen. Ihre Herstellung umfasst das Walzen und das anschließende Hohlprägen oder Hydroformen der Kanäle in die Halbplatten, das Beschichten durch Sputtern oder Gasphasenabscheidung und das Fügen der Halbplatten durch Laserschweißen.

Das Autorenteam um Ulrike Beyer nennt mehrere Ansätze zur Kostensenkung. So könnten die Kanäle des Strömungsfelds nicht nur hinsichtlich des Wirkungsgrads in der Brennstoffzelle, sondern auch auf eine leichtere Produzierbarkeit in der industriellen Massenfertigung hin ausgelegt werden. Eine leistungsstarke Qualitätsüberwachung müsse Fehler in den Kanalgeometrien erkennen. Zudem sollten kostengünstige Alternativen zu den teuren Beschichtungsmaterialien Gold und vergoldetes Titan entwickelt werden. Auch das zeitaufwendige Laserschweißen ließe sich durch hochratenfähigere Fügetechnologien ersetzen. Optimierungsbedarf besteht außerdem bei der Beschichtung der Metallplatten, die gegenüber Graphitplatten gegenwärtig weniger langzeitstabil sind.

Hin zu automatisierten und kontinuierlichen Prozessen

Weiteres Potenzial zur Kosteneinsparung von bis zu 70 Euro/kW sehen die Autoren allein in der Automatisierung der Montage, die heute insbesondere beim Stapeln der Stacks stark durch manuelle Arbeitsschritte geprägt ist. Erforderlich ist dafür unter Anderem der Einsatz spezieller Stack-Roboter mit flexiblen Werkstückträgern. Eine Voraussetzung für die Großserienfertigung ist zudem die Überführung der heute noch dominierenden Batch-Fertigung hin zur kontinuierlichen Rolle-zu-Rolle-Fertigung, in der die einzelnen Prozesse in ihrer Geschwindigkeit synchron und parallel ablaufen.

Beyer und ihre Co-Autoren rechnen damit, dass die Kosten für PEMFC langfristig von heute 800 auf 30 Euro/kW sinken und somit auch konkurrenzfähig mit verbrennungsmotorischen Antrieben sein werden. Eine von jährlich 1.000 auf 100.000 Einheiten ausgeweitete Produktion würde bereits Skaleneffekte bewirken, die zu einer Reduktion der Prozesskosten von über 80 % führen.

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