Idealtypisch gehen Akteure bei der Entscheidungsfindung rational vor. Sie definieren und analysieren konkret die zu lösenden Probleme sowie die zu erreichenden Ziele. Die Suche nach möglichen Alternativen der Zielerreichung sowie der jeweiligen Kosten und Nutzen erfolgt systematisch. Nach einer vergleichenden Analyse aller Handlungsoptionen wählen die Akteure die beste Option zur Erreichung der Ziele aus (Bogumil & Jann,
2020, S. 214). Die moderne Organisationsforschung zeigt jedoch, dass dieses normative Modell fast immer unrealistisch ist (ebd.). Es gibt daher zahlreiche sogenannte „nicht-rationale“ Entscheidungstheorien, die sich an einer realistischen Einschätzung von Entscheidungsprozessen versuchen.
Das Konzept der begrenzten Rationalität von Herbert A. Simon zeigt auf, dass Akteure zwar beabsichtigen sich rational zu entscheiden, aber durch begrenztes Wissen sowie Ressourcen und Kapazitäten gar nicht in der Lage sind alle Informationen zu verarbeiten (Simon,
1955; Bogumil & Jann,
2020, S. 215). Das Konzept des Satisficing basiert auf der Verhaltensannahme, dass Haushalte oder Unternehmen nicht immer nach einer Nutzen- beziehungsweise Gewinnmaximierung streben, sondern sich auch mit einem „nur“ befriedigendem Ergebnis zufriedengeben (Piekenbrock
2018). Übertragen auf Akteure von Politik und Verwaltung bedeutet dies, dass nicht immer zwangsläufig das gesellschaftlich optimale Ergebnis gesucht wird, sondern Entscheidungen durchaus auch zugunsten zufriedenstellender Lösungswege getroffen werden. Eine weitere Theorie der Entscheidungsfindung ist die sogenannte Science of Muddling Through, die Wissenschaft des „Sich-Durch-Wurstelns“ nach Charles E. Lindblom (
1959). Demnach tendieren politische Akteure eher dazu, sich durch kleine, unkoordinierte und inkrementelle Schritte einer Problemlösung anzunähern und dabei auf vorhandene, nicht zwangsläufig adäquate Mittel für die jeweiligen Zwecke zurückzugreifen. Das Ergebnis sind oftmals eher marginale Verbesserungen, weit entfernt von der eigentlich zu verfolgenden Vision. Die Garbage-Can-Theorie, die Mülleimer-Theorie, von James March und Johan P. Olsen basiert darauf, dass komplexe Entscheidungsprozesse und Problemlösungen immer auf die Komposition vier dynamischer Strömungen zurückzuführen sind (Cohen et al., 1990, S. 333 in Bogumil & Jann,
2020, S. 223). Die Strömungen „Lösungen“, „Teilnehmer“, „Situationen“ und „Probleme“ existieren weitgehend unabhängig voneinander, bis sie je nach den jeweiligen Organisationsstrukturen (Mülleimer) zusammenfinden. Entscheidungsprozesse, so die Annahme, sind daher auch einem Stück weit dem Zufall geschuldet, welche Probleme, mit welchen Akteuren, in welcher Situation mit welchen Lösungen zusammenfinden. Hieran anknüpfend kann ebenso die Theorie der Windows of Opportunity eingeordnet werden, nach der eine einmalige Entscheidungsgelegenheit dazu führt, neue Probleme mit seit langen diskutierten Lösungen und wichtigen Akteuren zu verbinden (Weimar, 2003; Schmid, 2003 in Bogumil & Jann,
2020, S. 223–224). Es zeigt sich also, dass auch Akteure in Politik und Verwaltung von verschiedenen Gegebenheiten, Unsicherheiten und oftmals auch Zielkonflikten beeinträchtigt werden und so irrationale Entscheidungen getroffen werden können.