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26.02.2020 | Carsharing | Schwerpunkt | Online-Artikel

Darum scheitern viele Carsharing-Angebote

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Seit Langem gehypt, aber kaum genutzt: Carsharing. Zwar befürworten viele Menschen geteilte Mobilität, dennoch haben die Anbieter oft keinen wirtschaftlichen Erfolg. Warum das so ist, haben jetzt Stuttgarter Forscher untersucht. 

Carsharing gilt als alternative Mobilitätslösung und Musterbeispiel für die Share Economy. Doch so schnell in den vergangenen Jahren zahlreiche Anbieter mit unterschiedlichen Konzepten auf dem Markt erschienen sind, so schnell sind viele von ihnen auch wieder verschwunden. Den Gründen dieses Scheiterns geht eine aktuelle Studie des Instituts für Marketing & Management der Universität Hohenheim in Stuttgart in Kooperation mit europäischen Forschungspartnern nach. 

Carsharing-Angebote gibt es vor allem in größeren Städten mittlerweile viele – dazu zählen unter anderem Anbieter wie Share Now, Flinkster, Cambio oder Stadtmobil. Sinn und Zweck der gemeinschaftlichen Fahrzeugnutzung war es ursprünglich, den Individualverkehr in Großstädten einzudämmen und mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Nach dem Motto: "Nutzen statt besitzen". Das Automobil erscheint "geradezu prädestiniert für den gemeinschaftlichen Konsum", da die Anschaffungskosten für einen Pkw relativ hoch sind und die einzelnen Fahrzeuge am Tag kaum mehr als eine Stunde genutzt werden, wie Springer-Autorin Sarah Witzke im Kapitel Carsharing – ein klassisches Beispiel des gemeinschaftlichen Konsums aus dem Buch Carsharing und die Gesellschaft von morgen konstatiert. 

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Das Prinzip der Sharing Economy ist maßgeblich geprägt durch den Verzicht auf Eigentum zugunsten der Nutzung von Fremdleistungen. Güter und Dienstleistungen, die nicht durchgehend selbst benötigt werden, können über Vermittlungsplattformen im Internet bequem, sicher und günstig anderen Usern zur Verfügung gestellt werden. Auch der Bezug dieser Leistungen ist inzwischen genauso problemlos möglich. 

Schwieriges Geschäft für Carsharing-Anbieter

Doch mittlerweile zeigt sich: Das Geschäft ist schwieriger zu realisieren als anfangs erwartet. Deutlich wird dies unter anderem an der Tatsache, dass zuletzt mehrere Anbieter ihr Angebot wieder reduziert oder eingestellt haben. So hat Mazda im Sommer 2019 bekanntgegeben, sich aus dem Carsharing-Geschäft zurückziehen zu wollen. BMW und Daimler, die zuletzt ihre beiden Angebote unter dem Namen Share Now zusammenlegten, haben die Aktivitäten in Nordamerika sowie in wichtigen europäischen Städten eingestellt. Jüngst hat auch der Carsharing-Anbieter Oply seinen Dienst in Deutschland aufgegeben. Grund sei keine mangelnde Nachfrage, sondern, dass Investoren derzeit kein Geld in Carsharing stecken wollten. "Für Finanzierungen im Carsharing ist es aktuell ein schlechtes Timing", heißt es in einem FAQ zum Oply-Abschied.

Laut dem Bundesverband Carsharing (bcs) haben die deutschen Carsharing-Anbieter die Verbreitung und Verfügbarkeit ihrer Dienstleistung im vergangenen Jahr 2019 zwar weiter verbessert – insbesondere in kleinen Städten und im ländlichen Raum. Trotzdem bleibe das Carsharing mit etwas mehr als zwei Millionen Kunden weiterhin ein kleiner Markt. 25.400 Fahrzeuge sind zu Beginn 2020 in Deutschland verfügbar. Das Problem: Nur die wenigsten Carsharing-Anbieter haben wirtschaftlichen Erfolg. Nach Analyse der Uni-Hohenheim-Studie liegt der Grund dafür bei den unerfüllten und hohen Ansprüchen der potenziellen Nutzer. So passe das Angebot nicht zu den tatsächlichen Mobilitätsbedürfnissen und der Lebenswirklichkeit der angesprochenen Zielgruppe, auch wenn sie das Carsharing grundsätzlich positiv beurteilten.

E-Fahrzeuge überzeugen

Die Forschungsergebnisse offenbarten eindeutige Präferenzen: Wirklich überzeugen konnten die Studienteilnehmer nur elektrobetriebene Fahrzeuge. Allerdings sind E-Carsharing-Fahrzeuge eher die Ausnahme. Vielfach sind sie noch zu teuer. Laut bcs gab es Anfang Januar 2020 4.561 E-Fahrzeuge sowie Plug-in-Hybride in der deutschen Carsharing-Flotte, das heißt nur 18 Prozent aller Carsharing-Fahrzeuge sind E-Fahrzeuge oder Plug-in-Hybride. Einen erheblichen Anteil an dieser Zahl tragen laut bcs die großen Free-floating-Anbieter (We share, Sixt share und Share now) mit 12,7 Prozent, was 3.230 E-Fahrzeugen beziehungsweise Plug-in-Hybriden bezogen auf die Gesamtflotte an Carsharing-Fahrzeugen entspreche. 

Immerhin hat sich der Elektro-Anteil im Carsharing in den vergangenen zwei Jahren erhöht: 2018 lag der Anteil von E-Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden bei nur 10,3 Prozent. Die Zunahme der E-Carsharing-Fahrzeuge hätte neben der lokalen Emissionsfreiheit auch den Vorteil, allgemeine Hemmschwellen gegenüber Elektromobilität abzubauen, wie aus dem Kapitel Potenziale von (E-)Carsharing des Buchs Carsharing in Deutschland hervorgeht. 

Carsharing bietet Nutzern die Möglichkeit, für geringe Kosten Elektrofahrzeuge zu testen", heißt es von den Springer-Autoren Rid, Parzinger, Grausam, Müller und Herdtle.

Ebenso gefordert laut Studie: Free-Floating und Full-Service

Bei den Teilnehmern der Hohenheim-Studie waren zudem Angebote klar im Vorteil, die dem bereits erwähnten Free-Floating-Konzept folgen. Fahrzeuge können bei diesem Modell an jedem beliebigen Ort im Stadtbezirk abgeholt und abgestellt werden, ohne an feste Stationen gebunden zu sein. Allerdings gibt es gerade an diesem Konzept Kritik, wie auch der Fokus-Artikel Der Nutzen von Carsharing ist weiterhin umstritten erläutert. So ist der verkehrsentlastende Effekt des Free-Floating-Carsharings zweifelhaft und der Beitrag zur Mobilitätswende eher gering. Gerade aber in diesem Marktsegment ist die Fahrzeugflotte laut bcs im vergangenen Jahr besonders stark gewachsen. Als Grund für diesen starken Anstieg der Fahrzeugzahlen nennt der bcs vor allem der Markteintritt neuer, großer Anbieter aus der Automobilindustrie (We share) und der klassischen Autovermietung (Sixt share).

Eine eher nachteilige Entwicklung, da stationsbasiertes Carsharing besser dazu geeignet ist, den Verkehr zu entlasten. So ersetzt ein "stationsbasiertes Carsharing-Fahrzeug [...] bis zu 20 private Pkw", erklärt bcs-Geschäftsführer Gunnar Nehrke. Aber auch eine Kombination beider Carsharing-Systeme könne laut Nehrke ebenso stark verkehrsentlastend wirken wie das stationsbasierte Carsharing.

Deutlich wurde in der Hohenheim-Studie ebenfalls die Erwartung eines Full-Service-Angebots, ohne eigenständiges Tanken oder Reinigen, wie es bei einzelnen Angeboten auf dem Markt der Fall sei. Als ebenfalls relevant habe sich die Art des Preismodells erwiesen, weniger wichtig hingegen sei gewesen, ob es sich um einen privaten oder kommunalen Anbieter handele, so die Forscher. Die Vielfalt an verfügbaren Automodellen habe gemäß den Studienergebnissen gar keine Rolle gespielt.

Hohes Anspruchsniveau der Carsharing-Kunden

Die Ergebnisse zeigen das hohe Anspruchsniveau der Konsumenten, das sich noch immer am privaten Pkw orientiert und für den Carsharing-Betreiber mit erheblichen Kosten verbunden sein kann. Dies erkläre auch, warum nur wenige Carsharing-Angebote wirklich wirtschaftlich seien, so die Studie. "Die Anbieter sollten sich daher auf die wesentlichen Faktoren fokussieren", erklärt Dr. Adrian Lehr vom Fachgebiet Unternehmensführung an der Universität Hohenheim. "Es wird sich in Zukunft zeigen, wie sich der vergleichsweise junge Markt entwickelt und ob sich der Trend hin zu einer Konsolidierung der Angebote fortsetzt."

Um Carsharing attraktiver zu machen, ist es also nötig, die Lebenswirklichkeit der Konsumenten zu erkennen und vor allem E-Carsharing-Fahrzeuge komfortabel und intelligent in eine kommunale Mobilitätsstrategie einzubinden. Carsharing sollte keine Einzelmaßnahme sein, sondern Bestandteil eines öffentlichen Nahverkehrs und Lücken im Netz schließen. Denn richtige verkehrspolitische Rahmenbedingungen und eine gute Bindung zwischen Anbieter und Kunde können positive Effekte auf die Carsharing-Angebote haben. Hingegen ist der Münchner Autovermieter Sixt überzeugt, dass nur die Kombination von klassischem Autovermietgeschäft und Carsharing funktionieren wird. Die Zusammenführung dieser Angebote eröffne ein enormes Potenzial, so Strategievorstand Alexander Sixt gegenüber dem Handelsblatt. Vielleicht lässt sich so doch noch mit der geteilten Mobilität Geld verdienen.

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