Der digitale Wandel ist in den meisten Firmen angekommen. Doch von umfassender Transformation kann nicht die Rede sein. Überkommene Strukturen behindern Innovationen und erzeugen Spannungen. Mehr Agilität ist nötig.
Die Digitalisierung in praktisch allen Lebensbereichen stellt eine tiefgreifende Veränderung dar. Sie vollzieht sich natürlich nicht von heute auf morgen und selten reibungslos. Dennoch würde man vielen Unternehmen bei der Entwicklung ihrer digitalen Zukunftsstrategien etwas mehr Elan und Radikalität wünschen. Denn der Status Quo des digitalen Wandels, den die Hays/PAC-Studie "Zwischen Effizienz und Agilität" aufzeigt, ist ernüchternd.
Reichlich Baustellen
Die Studienautoren beschreiben den aktuellen Stand als "neuen Wein in alten Schläuchen“: Zwar würden digitale und innovative Themen schon den Geschäftsalltag prägen, aber die Unternehmen verharrten in alten Organisationsstrukturen. Und die "erweisen sich als zu unflexibel, um die neuen Themen voranzutreiben“, erklärt Hays-Vorstandschef Klaus Breitschopf.
Die Untersuchung, die auf der Befragung von 226 Führungskräften aus IT-, Finance- sowie Research & Development-Abteilungen in Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern basiert, liefert folgende Erkenntnisse:
Status Quo des digitalen Wandels in Unternehmen |
Selbsteinschätzung im digitalen Wettbewerb: Qualität ja, Effizienz und Innovation nein |
Agile Revolution fällt aus – Führungskräfte sind auf "alte Themen“ fokussiert. |
Bestehende Rahmenbedingungen blockieren Transformation. |
Neue Themen werden aus der bestehenden Organisation heraus entwickelt. |
Zwischen Linien- und Projektorganisation knirscht es. |
Führungskräfte wissen um die Notwendigkeit eines Systemumbaus, sind aber selbst darin gefangen. |
Projekte scheitern am tradierten Projektmanagement und an Mutlosigkeit. |
Für den Einsatz agiler Methoden fehlen das notwendige Wissen und ein stimmiges Umfeld. |
Spagat zwischen Kernaufgaben und neuen Projekten
Der Studie zufolge versäumen viele Firmen es, das eigene Geschäft trotz der großen Herausforderungen grundlegend zu hinterfragen und auch neue Wege zu beschreiten: Mehr als die Hälfte der Unternehmen entwickeln lieber das Kerngeschäft weiter, optimieren bestehende Abläufe und fokussieren sich auf Effizienzsteigerung. Weit weniger wichtig ist es ihnen, neue Geschäftsfelder zu erschließen, die Selbstorganisation von Teams zu fördern oder die Agilität auszubauen.
Weil aber Mitarbeiter neben ihren operativen Aufgaben zunehmend auch digitale Projekte stemmen müssen, beklagen 86 Prozent der Befragten Priorisierungskonflikte. Auf die Frage, was die digitale Transformation behindere, geben 61 Prozent zu, dass es Führungskräften schwerfalle, ihren Führungsstil zu ändern. Hinderlich finden die meisten zudem das Inseldenken der einzelnen Fachbereiche und den zu großen Zeitaufwand für das Kerngeschäft.
Kundennutzen und Mitarbeiter sind erfolgsentscheidend
Dass viele Unternehmen so verhalten agieren, liegt zweifellos auch an der Sorge, durch Veränderungen die Bestandskunden zu vergraulen. Umso wichtiger ist es, die Potenziale der Digitalisierung in echten Kundennutzen umzuwandeln, wie Christian Bär et al. in ihrem Fachbeitrag "Der digitale Change" betonen. Denn im Mittelpunkt der digitalen Transformation stehe weniger der Wettbewerb um Technologie als vielmehr der Wettbewerb um den Kunden (Seite 13).
Daneben stehen aber auch die Mitarbeiter im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ohne sie kann die Transformation nicht gelingen, weshalb sie in den Changeprozess einbezogen werden müssen. Dabei spielen insbesondere Kommunikation und Transparenz eine wichtige Rolle – sowohl um Konflikte zu vermeiden als auch, weil die verschiedenen Unternehmensebenen/-bereiche die verschiedenen Phasen des Transformationsprozesses nicht zum gleichen Zeitpunkt durchlaufen.
Hohe Anforderungen an Digital Leaders
Die digitale Transformation sei ein kontinuierlicher Prozess, der sich über Jahre hinziehe, erklärt Walter Huber in dem Buchkapitel "Neue Unternehmen und Führungskräfte". Dieser bestehe aus drei sich auch überlappenden Themengebieten (Seite 126):
- Transformation des Unternehmens aus primär organisatorischer Sicht,
- Veränderung des Managements – Stichwort Management 4.0,
- neue Mitarbeiter mit entsprechendem digitalen Know-how.
Um die daraus resultierenden Aufgaben zu bewältigen, benötigen die neuen Digital Leaders andere Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale als ihre "analogen“ Kollegen, schreibt der Springer-Autor auf Seite 136. Nötig seien unter anderem Mut, Durchsetzungsstärke, Intellekt, Kommunikationsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, die Bereitschaft, bestehendes über Bord zu werfen, energisches Verfolgen disruptiver Ansätze, Überzeugungsfähigkeit, interpersonelles und interkulturelles Verständnis.
Wer diesem Anforderungsprofil entspricht, sollte mit neuen, agilen Führungsmethoden eigentlich kein Problem haben.