Viele Führungskräfte wissen, dass die klassischen Arbeitsmodelle und Denkweisen überholt sind. Doch bei den Veränderungen hakt es oft, so eine Studie. Entscheidend ist ein neues Verständnis von Führung und Zusammenarbeit.
Innovative Arbeitsmodelle setzen auf moderne Technologien und neue Formen der Zusammenarbeit.
apinan / Fotolia
Die moderne Arbeitswelt wird oft mit Schlagworten umrissen: Vom technologischen Wandel über VUCA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit) bis zu New Work ist die Rede, wenn es um die Herausforderungen geht. Nun gesellt sich noch das Problem Fachkräftemangel hinzu.
All dies sind gute Gründe für Unternehmen, ihre Arbeitsmodelle kritisch zu hinterfragen und der neuen Realität anzupassen. Die Unternehmensberatung Deloitte hat für ihre Studie "Human Capital Trends 2023" weltweit 10.000 Beschäftigte (darunter 1.500 Führungskräfte) aus 139 Ländern zu den drängendsten Herausforderungen rund um Führung und Human Resources befragt.
Der Arbeitsplatz wird neu definiert
Der Studie zufolge gehen 59 Prozent der Befragten davon aus, dass in den kommenden zwei bis vier Jahren die Neugestaltung des Arbeitsplatzes eine wichtige Aufgabe sein wird. 93 Prozent von ihnen glauben sogar, dass eine Abkehr von der konventionellen Definition des Arbeitsplatzes für den Erfolg des eigenen Unternehmens relevant beziehungsweise sehr relevant ist. Allerdings hält nur jeder fünfte Befragte die eigene Firma für fähig, dies zu bewältigen.
Ein wesentlicher Aspekt ist laut der Studie die Entwicklung hin zu skill-orientierten Organisationen: Statt um Stellenbeschreibungen gehe es vermehrt um die Fähigkeiten und tatsächlichen Arbeitsergebnisse von Mitarbeitenden. Ein solcher auf Kompetenzen basierender Ansatz fördere sowohl die Agilität von Unternehmen als auch die Autonomie der Arbeitnehmenden. Dadurch können Aufgaben über formale Arbeitsplatzgrenzen hinweg übernommen werden. Knapp die Hälfte der Befragten nennen die Auflösung veralteter Denkweisen und Praktiken jedoch als größte anstehende Herausforderung auf dem Weg dorthin.
Viele Unternehmen nutzen Technologie unzureichend
Ebenso ernüchternd sind die Antworten der Beschäftigten zu moderner Technologie als wichtigem Treiber, der etwa die feste Verortung von Arbeitsplätzen aufbricht und viele Tätigkeiten erleichtert. Lediglich 22 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass ihre Unternehmen das Notwendige leisten, um physische, digitale und hybride Arbeitsumgebungen zu schaffen, die den Anforderungen der Mitarbeitenden gerecht werden.
Immerhin sind 87 Prozent der Führungskräfte der Ansicht, dass das richtige Arbeitsmodell für den Erfolg ihres Unternehmens eine entscheidende Rolle spielen wird. Lediglich sechs Prozent der Befragten haben bis dato keine Veränderungen vorgenommen und halten dies auch für die Zukunft nicht für nötig.
Ob im Büro, im Homeoffice oder andernorts: Viele Mitarbeitende wollen selbst bestimmen, wo sie ihre Arbeit erledigen. Sie betrachten diesen Wandel als Chance, gemeinsam mit den Führungskräften ihres Unternehmens die Zukunft der Arbeit neu zu gestalten.“ Maren Hauptmann, Human Capital Leader bei Deloitte Deutschland
Bunte Belegschaften aus festen und freien Beschäftigten
Als weitere Baustelle nennt die Deloitte-Studie das Thema Belegschaften. Einerseits setzen immer mehr Unternehmen neben Festangestellten in fixen Positionen auch auf atypisch Beschäftigte, externe Berater, Freelancer für Projekte, Crowdsourcing sowie Gig Work, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Andererseits sind Personalstrategien und -praktiken der Unternehmen kaum darauf ausgerichtet, die individuellen Kompetenzen und Beiträge der verschiedenen Arbeitskraft-Typen zu maximieren und sie auch übergreifend zu unterstützen. Nur 16 Prozent der Befragten meinen, in ihrer Organisation würden entsprechende Gesamtkonzepte optimal umgesetzt.
Führungskräften fehlt im Wandel der Kompass
Die Befragung liefert auch Hinweise darauf, warum viele Veränderungen nicht recht vorankommen. Nötig seien rasche Entscheidungs- und Anpassungsfähigkeit der Führungskräfte sowie Gestaltungswille und ein neues Leadership-Verständnis, das den Mitarbeitenden verantwortungsvolles, eigenständiges Handeln zugesteht, erklären die Studienautoren.
Indessen hält nicht einmal jeder vierte Befragte die Führungskräfte für ausreichend vorbereitet, den Anforderungen, die die Umwälzungen mit sich bringen, gerecht zu werden. Und die Hälfte der Studienteilnehmenden gibt an, die Führungskräfte ihres Unternehmens seien überfordert damit, Prioritäten zu setzen.
Zuhören als Grundlage für Veränderungen
Nicht selten scheitert die Veränderungskultur bereits am Zuhören. Denn oftmals sei es nicht selbstverständlich, Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse als wertvoll zu erkennen, stellt Oliver Titzmann in dem Buchkapitel "Welche Struktur braucht optimale Zusammenarbeit?" fest. Und auch veränderungswillige Führungskräfte würden bisweilen durch starre Strukturen, fehlende Ansprechpartner oder mangelnde Bereitschaft, lösungsorientierte Entscheidungen zu treffen, zermürbt. (Seite 120)
Eine Organisationsform, die es schaffen könne, solch strukturelle Trägheit zu überwinden und Mitarbeitende zu aktivieren, ist Titzmann zufolge die Holokratie. Im Unterschied zu traditionell organisierten Unternehmen orientiert sich die Zusammenarbeit in holokratischen Strukturen nicht an Funktionen oder Abteilungen, sondern ausschließlich an Aufgaben. Die hierarchiefreie Organisationsform habe zwei Vorteile, heißt es auf Seite 124: Flexibilität und Schnelligkeit. Denn Entscheidungen würden dort getroffen, wo Expertise vorhanden ist.
Holokratie-Säulen in der Praxis nutzen
Unternehmen müssten auch nicht ihre ganze Organisation auf Holokratie umstellen, um von den Vorteilen des Konzepts zu profitieren, erklärt der Springer-Autor. Eine Reflexion anhand der vier Säulen der Holokratie helfe, herauszufinden, was eine veränderungsbereite Zusammenarbeit behindert. Folgende Fragen sollten sich Unternehmen dazu stellen (Seite 127/128):
Reflexion mit den vier Säulen der Holokratie | |
Double Linking |
|
Trennung von Steuerungstreffen und operativen Treffen |
|
Zuständigkeiten und Rollen |
|
Dynamische Steuerung |
|