Zusammenfassung
Keine gesellschaftliche Figur der modernen Geschichte ist dynamischer als der Bürger. Seit Jahrhunderten schon ist er Agens und Movens aufstrebender gesellschaftlicher Gruppen: von der Klasse der vermögenden Städter in der Feudalgesellschaft über die der neuen Industriellen des 18. und 19. Jahrhunderts bis hin zu jenen, die man gut und gern als Bildungsklasse (oder, mit einer neueren und aktiven Konnotation, vielleicht auch als Freizeitklasse) unserer Tage bezeichnen könnte, und nicht zuletzt all jener, die sich aus Abhängigkeit und Unterdrückung befreit haben — Leibeigene und Untertanen, Kolonialisierte, viele unterschiedliche Minoritäten, Frauen u.a. Die Rolle des Bürgers, der all diese Gruppen inspirierte und oftmals anführte, erfuhr eine rasche und weitreichende Entwicklung, freilich so rasant, dass der Punkt nicht mehr weit scheint, an dem der Bürger sich selbst zu überholen Gefahr läuft, da er durch seine unablässige Aktivität die Voraussetzungen seiner eigenen Existenz zerstört. Die Dynamik von citizenship könnte am Ende jenes Gleichgewicht von Gleichheit und Freiheit zerstören, für dessen Schaffung sie so einzigartig geeignet schien.
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Literatur
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Dahrendorf, R. (2000). Zu viel des Guten. Über die soziale Dynamik von Staatsbürgerschaft. In: Mackert, J., Müller, HP. (eds) Citizenship — Soziologie der Staatsbürgerschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89964-4_4
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